Bücher September 2013

Dirk von GehlenMashup: Lob der Kopie

Schlaues Büchlein über die Geschichte der Kopie und dass ohne sie die Kunst, die Literatur, die Musik und, ja, der Fußball nicht aus der Steinzeit herausgekommen wären (ich verallgemeinere). Man erfährt zusätzlich viel über das Urheberrecht und hat nach der Lektüre ziemlich gute Argumente für Mashups und Remixes. Und wer richtig viel Zeit hat, kann sich auch durch die gefühlt 1000 ebenfalls lesenswerten Fußnoten ackern, die auf weitere Artikel verweisen, die sich mit dem gleichen Thema bzw. dem großen Themenfeld „Wie entsteht eigentlich künstlerische Leistung und was ist sie überhaupt?“ befassen. Große Empfehlung. (Nebenbei: sehr lesbar geschrieben. Hier geht’s zur Website.)

(Leseprobe bei suhrkamp.de.)

Ernst Kris/Otto KurzDie Legende vom Künstler: Ein geschichtlicher Versuch

Die Legende erschien 1934 das erste Mal. Es geht ganz grob darum, dass es viele Legenden und Geschichten über Künstler gibt, die nicht nur auf einen, sondern gleich auf mehrere zutreffen. Kunsthistoriker und Psychologe Kris wurde deswegen stutzig und hat ein paar dieser wohl eher erdachten Storys zusammengetragen und was sie für die Rezeptionsgeschichte der Kunstwerke bedeuten. Ich zitiere aus dem Klappentext:

„Ernst Kris verdanken wir also die tiefe Einsicht, daß die Geschichten, die allerorten und zu allen Zeiten von Künstlern erzählt werden, eine allgemeine menschliche Reaktion auf den geheimnisvollen Zauber des Bildermachens spiegeln; Otto Kurz verdanken wir die Erfindungsgabe des Aufspürens von Parallelen, um die Allgegenwart dieser Motive zu illustrieren und nachzuweisen.“

Ein richtiger Kracher ist das Büchlein nicht, aber ein hübsches Steinchen in meinem Puzzle, das sich langsam zu Kunstgeschichte zusammensetzt. (Solche Sätze gebe ich in meinen Hausarbeiten nicht von mir, keine Bange.)

Alexander GörsdorfTaube Nuss: Nichtgehörtes aus dem Leben eines Schwerhörigen

Ich mag Bücher, die aus einer mir fremden Perspektive geschrieben sind, denn nur so kann ich lernen und verstehen. Görsdorf ist taub und trägt seit einiger Zeit ein Cochlea-Implantat, das ihn wieder hören lässt – wenn auch nicht so, wie wir Flotthörenden (seine Worte) es kennen. Das Buch erzählt episodenhaft, wie Görsdorf lebt, arbeitet, studiert, einkauft, liebt (das waren die Kapitel, die ich unter TMI abhefte, aber das ist meine ganz persönliche Prüderie) und worin sich seine Tage zu denen unterscheiden, die zum Beispiel ich verlebe, die über ein funktionierendes Gehör verfügt. Der Schreibstil ist freundlich und informativ, und jedes Kapitel endet mit einer Pointe, bei der ich so gut wie jedes Mal dachte, ach stimmt, das ist ja auch anders. Besonders die Beschreibungen des Cochlea-Implantats und wie sich die Sinneswahrnehmungen ändern, haben mich sehr faszininiert. Schönes Ding.

(Leseprobe bei amazon.de.)

Markus Zusak – The Book Thief

Thief ist ein Jugendbuch und erzählt die Geschichte eines Mädchens zurzeit des Nationalsozialismus. Das Buch hat eine allwissende Erzählerstimme, die sich sehr gerne reden bzw. schwadronieren hört, dauernd Plotpoints vorwegnimmt und so artifiziell und gekünstelt klingt, dass ich das Buch nach 100 Seiten weglegen wollte. Wohlmeinende Tweets überzeugten mich davon, weiterlesen zu müssen, und kurz vor Schluss hatte das Buch mich dann gnadenlos im Griff. Ich empfand es als höchst manipulativ und übermäßig dramatisch – die Zeit war schon fies genug, da muss man nicht noch mehrere Moral- und Todesschippchen draufpacken –, aber genau deswegen habe ich die letzten 30 Seiten komplett durchgeheult. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich das Buch weiterempfehlen möchte, weil es mich so schamlos am Nasenring durch die Manege gezogen hat, aber irgendwas muss wohl dran gewesen sein, sonst hätte ich es nicht durchgelesen.

(Leseprobe bei amazon.de.)

Walter SlezakWann geht der nächste Schwan?

Slezak kam zufällig Ende der 20er Jahre zum Film und blieb gleich da, wanderte rechtzeitig in die USA aus, während seine Eltern in Bayern blieben. Sein Vater war Opernsänger (daher der Titel, Lohengrin und so), und das Buch handelt dann auch von der Familie, Hollywoodgossip und den stets fruchtlosen Diäten von Vater und Sohn. Ein charmantes, altmodisches Kleinod von 1962, gerne gelesen.

Guillaume Long (Hans Kantereit, Übers.) – Kann denn Kochen Sünde sein?

Long hat ein Comic-Fressblog bei der Le Monde (nicht vom neuesten Post abschrecken lassen), und das Buch versammelt diverse launige Einträge. Rezepte wechseln sich ab mit persönlichen Vorlieben (keinen Zucker in den Kaffee!), es gibt Reiseberichte und meine liebste Rubrik: wie Guillaume beim Schwimmen einen Koch kennenlernt und ihm ein Loch in den Bauch fragt anstatt seine Bahnen zu ziehen. Das ganze ist hübsch von Hans Kantereit übersetzt, manchmal ein bisschen schlampig lektoriert und zum Titel sage ich ausführlich was, wenn ich das Werk für Comicgate bespreche. Aber empfehlen wollte ich es schon vorher.

(Leseprobe bei Carlsen)

Über die Moderne

„Der Rest des Abstrakten im Begriff der Moderne ist sein Tribut an diese. Wird unterm Monopolkapitalismus weithin der Tauschwert, nicht mehr der Gebrauchswert genossen, so wird dem modernen Kunstwerk seine Abstraktheit, die irritierende Unbestimmtheit dessen, was es sein soll und wozu, Chiffre dessen, was es ist. Solche Abstraktheit hat nichts gemein mit dem formalen Charakter älterer, etwa den Kantischen ästhetischen Normen. Vielmehr ist sie provokativ, Herausforderung der Illusion, es wäre noch Leben, zugleich Mittel jener ästhetischen Distanzierung, die von der traditionellen Phantasie nicht mehr geleistet wird. Von Anbeginn war ästhetische Abstraktion, bei Baudelaire noch rudimentär und allegorisch als Reaktion auf die abstrakt gewordene Welt, eher ein Bilderverbot. Es gilt dem, was schließlich die Provinzialen unterm Namen der Aussage sich herüberzuretten hofften, der Erscheinung als einem Sinnhaften: nach der Katastrophe des Sinns wird Erscheinung abstrakt. Solche Sprödigkeit ist, von Rimbaud bis zur gegenwärtigen avantgardistischen Kunst, äußerst bestimmt. Sie hat so wenig sich geändert wie die Grundschicht der Gesellschaft. Abstrakt ist die Moderne vermöge ihrer Relation zum Dagewesenen; unversöhnlich dem Zauber, kann sie nicht sagen, was noch nicht war, und muß es doch wider die Schmach des Immergleichen wollen: (…)

Die Male der Zerrüttung sind das Echtheitssiegel von Moderne; das, wodurch sie die Geschlossenheit des Immergleichen verzweifelt negiert; Explosion ist eine ihrer Invarianten. Antitraditionalistische Energie wird zum verschlingenden Wirbel. Insofern ist Moderne Mythos, gegen sich selbst gewandt; dessen Zeitlosigkeit wird zur Katastrophe des die zeitliche Kontinuität zerbrechenden Augenblicks; Benjamins Begriff des dialektischen Bildes enthält dies Moment. Selbst wo Moderne traditionelle Errungenschaften, als technische, festhält, werden sie aufgehoben von dem Schock, der kein Ererbtes unangefochten läßt. Wie die Kategorie des Neuen aus dem historischen Prozeß resultierte, der die spezifische Tradition zuerst und dann eine jegliche auflöste, so ist Moderne keine Aberration, die sich berichtigen ließe, indem man auf einen Boden zurückkehrt, der nicht mehr existiert und nicht mehr existieren soll (…).“

Adorno, Theodor W., Ästhetische Theorie, S. 39–41, in: Tiedemann, Rolf (Hrsg.), Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 7, Frankfurt am Main 2003.

Links vom 28. September 2013

hiSTOREy Ladengeschichten 2013

Das Projekt findet am 2. und vom 4. bis 6. Oktober in Giesing statt. Ich zitiere von der Website:

„hiSTOREy sucht dort nach Leerstellen, wo eigentlich keine mehr sind. Das Projekt eignet sich an, was trotz aller Raumnot auch zum Münchner Stadtbild gehört: temporär nicht genutzte Ladenräume. (…) Das recherchierte Material zu Giesing und dessen verschiedenen Orten und Räumen ist Ausgangspunkt für die choreografische Arbeit der beiden TänzerInnen, die in den für die Kunst erschlossenen Ladenräumen präsentiert wird. Der Spaziergang von Ladenraum zu Ladenraum verbindet die beiden Soli miteinander und lädt den Besucher ein, die wechselvolle Geschichte Giesings zu entdecken.“

Your TV pitches reviewed: writers and producers dish out the tough love

Der Guardian lud seine Leserschaft ein, TV-Ideen zu pitchen und hat diese von einem Kritiker und TV-Schaffenden beurteilen lassen:

„In 48 hours, more than 500 Guardian readers sent us their TV pilot pitches, and we passed on the 10 most promising to a group of writers, showrunners and industry professionals for their feedback and review. What did they have to say?

Our all-star panel: Amy Sherman-Palladino, creator of Gilmore Girls and Bunheads; Stuart Heritage, Guardian television, film and music writer; Larry Andries, producer and writer for Supernatural, Alias and Six Feet Under; and Dee Johnson, executive producer and writer for Nashville, formerly of The Good Wife, ER and Melrose Place.“

Ich persönlich würde gerne Mainee und Band sehen, aber keine einzige der anderen Shows. Ich fand es aber sehr spannend, auf welche Aspekte die Profis anspringen.

(via @wortfeld)

Jesus Stopped

„Church can be plastic and judgmental, and we end up getting it wrong a lot. Even worse, it can be a dull and comfortable place where nothing out of the ordinary ever happens. This makes me both embarrassed and sad.

But there are moments when we are beautiful.“

Ich folge recht wenigen deutlich christlichen Accounts auf Twitter, aber den Stream von Pastor Steve Wiens mag ich sehr gerne. Dieser Post steht in seinem Blog.

George Grosz and the necessity of offence

Prospect Magazine über eine Ausstellung von George Grosz, in der hauptsächlich Arbeiten von 1912 bis 1928 aus Berlin gezeigt werden:

„What is bad for society is often very good for the artist. Grosz must have understood this, since he not only found his impetus in moral outrage, but also built his style around a fixation with ugliness. This tension between aesthetic pleasure and moral agenda, between the practical joke and the chilling image, is the very lifeblood of Grosz’s art. In his autobiography, A Small Yes and a Big No, Grosz wrote of life in Berlin: “I was each one of the very characters I drew, the champagne-swilling glutton favoured by fate no less than the poor beggar standing with outstretched hands in the rain. I was split in two, just like society at large…” What he condemned as a man, he vicariously shared in as an artist. Perhaps it was the guilt of this collusion which drove him to such overt condemnation.“

Wiesn-Webcam

Zurzeit meine liebste Webcam. Am 4. Oktober bin ich endlich selbst vor Ort.

Die Ente bleibt draußen

@Maria_Berlin hat sich Loriots Grab angeschaut. Eins der schönsten Instagram-Bilder der letzten Tage.

(via @LizasWelt)

Ein Jahr nach der Immatrikulation

Heute vor einem Jahr habe ich mich in München an der LMU immatrikuliert. (Wer erinnert sich nicht gerne an diese Odyssee? ICH!) Vieles von dem, was ich mir durch das Studium erhofft hatte, ist eingetreten, einiges ist nicht so, wie ich es erwartet habe, manches ist toll, manches weniger. Aber alles ist anders.

Was ich wollte: den Kopf in eine andere Richtung anstrengen. Mal über was anderes nachdenken als darüber, wie man Produkte an Menschen vertickt. Drei Jahre wissenschaftlich statt verkäuferisch arbeiten und dann wieder zurück in die Agentur, schönes Geld verdienen. Einen kurzen Abstecher in eine andere Stadt – ich erinnere mich an das Selbstgespräch „Wenn ich mein Leben schon ändere, dann gleich richtig“ – und dann wieder zurück nach Hamburg, wo mein Zuhause ist.

Was daraus geworden ist: nun ja.

Das mit dem Kopf-Anstrengen hat perfekt geklappt. Ich denke seit einem Jahr über kaum so viel nach wie über Bilder und Skulpturen, Künstler und (viel zu wenige) Künstlerinnen, Kunsthistoriker und (viel zu wenige) Kunsthistorikerinnen, kunsthistorische Texte, Analysen, Bildbeschreibungen, ich hänge in Museen rum, habe mich in die Bibliothek am Institut für Kunstwissenschaften verliebt und lese auch in meiner Freizeit wissenschaftliche Texte. Wenn ich online über Texte zu Bildern stolpere, vergesse ich, dass ich bloß ne Runde Candy Crush spielen wollte und verliere mich stattdessen in kunsthistorischen Diskussionen, die vor 100 Jahren geführt wurden. Ich sehe Bilder anders, ich bekomme ganz langsam einen Eindruck von der Geschichte der europäischen Kunst in den letzten Jahrhunderten, ich fange an, die moderne Kunst nicht nur zu würdigen, sondern auch zu mögen, ich habe jeden Tag eine neue Lieblingsepoche und einen neuen Lieblingskünstler (noch keine Künstlerin, aber das wird kommen) und ich gucke jeden Altbau, jede Kirche und jede Brücke, an der ich vorbeikomme, nach architektonischen Gesetzmäßigkeiten an. Kurz gesagt: ja. Alles super, was diesen Bereich angeht, danke der Nachfrage.

Das Dumme ist, dass das alles zu super ist. Ich will mit diesem Kopf-Anstrengen nicht in zwei Jahren aufhören, wenn meine Bachelorarbeit getippt ist. Der unbeeindruckte Weg zurück an den Agenturschreibtisch scheint vorerst für mich verbaut zu sein. Danke, Kunst, du olle Hippe. Danke, LMU, mit deinen schönen Räumen und tollen Lehrkräften. Das habt ihr fein hingekriegt.

Momentan ist der Aufenthalt im Home Office, in dem ich nach einem Semester bewusster Auszeit von der Werbung wieder Verkoofe mache, eine reine Pflichtübung. Klar gab es auch zu den Zeiten, in denen ich meinen Lebenssinn in Reklame gesehen habe, Jobs, die ich einfach weggearbeitet habe. Zurzeit ist es aber jeder Job, den ich annehme. Ich mache das gut, sonst würde mich niemand mehr buchen, und ich besitze genug Selbstdisziplin und Professionalität, um das nicht allzusehr raushängen zu lassen, dieses Gefühl, komplett unwichtigen Kram zu machen, während es doch eine Trilliarde Kunstwerke gibt, über die ich mich stattdessen informieren könnte. Aber ich ahne, dass dieses Gefühl der Pflichtübung nicht mehr weggehen wird, jetzt wo ich gesehen habe, wie grün das Gras da drüben in der Wissenschaft ist.

Deswegen denke ich seit Monaten darüber nach, wie ich meine Erfahrung im Marketing mit meinem neuen Wissen verbinden kann. Ein paar Ideen von ungewöhnlichen Audioguides bis zu Ausstellungskonzepten, von Social-Media-Kampagnen und Interaktionen mit dem geneigten Publikum sind durchaus da. Das Problem: Ich habe keine Ahnung, wovon ich rede, weil ich keine Ahnung davon habe, wie ein Museum funktioniert. Daher würde ich gerne mein werbisches Home Office gegen einen Job in der Marketingabteilung eines Museums tauschen. Und da kommen zwei weitere Probleme. Das eine: Erstmal muss ich eine freie Stelle ausbuddeln, die weiterhin zwei Mieten finanziert (ich ahne, dass das schwer werden wird). Das andere habe ich mir selber mit meinen zwei Städten gebastelt: Kein Museum in München stellt mich ein, wenn mein erster Satz ist „Aber in den Semesterferien bin ich in Hamburg.“ Dieser Fakt ist momentan nicht verhandelbar. Denn:

Meine zwei Aufenthaltsorte haben auch eine andere Baustelle in mein Leben geschleppt. Ich hätte nicht gedacht, wie gut es mir in München gefallen würde. Dass ich die Stadt mag, wusste ich vorher – ich war ja oft genug zum Fußballgucken da. Aber das waren immer nur zwei, drei Tage. Inzwischen weiß ich: Dieses tolle Urlaubsgefühl, das ich in zwei, drei Tagen habe, geht auch dann nicht weg, wenn es zwei, drei Wochen oder zwei, drei Monate und ne Menge Arbeit für die Uni sind. Die Stadt ist für mich mehr zuhause als es Hamburg jemals war. Was eigentlich toll ist – aber nicht, wenn man der Kerl ist und sich das dauernd anhören muss. Das jedenfalls hat mir der Herr des Hauses vor einigen Tagen gestanden. Meine erste Reaktion war natürlich aufplustern und „Wieso freust du dich nicht, wenn ich glücklich bin?“, bis ich einsehen musste: ja klar. Mir würde es genauso gehen, wenn er mir dauernd von, keine Ahnung, Leipzig vorschwärmen würde und wie gut’s ihm da geht und wieviele tolle neue Bekannte er hat und einen Lacrossestammtisch, der sich einmal im Monat zum Cidre-Trinken trifft, und eine Fachbibliothek mit tausenden von Büchern über Webdesign und Zeug, von dem ich keine Ahnung habe.

Ich hatte unterschätzt, wie es die Dynamik einer Beziehung verändert, wenn ein Teil sich nicht nur ein bisschen, sondern radikal weiterentwickelt und zwar in eine Richtung, in die der andere Teil nicht mal so eben mitkommen kann (oder will). Und ich hatte unterschätzt, wie komisch das ist, plötzlich alleine in einer Wohnung zu sein, in der sonst wir beide sind. Der Kerl ist neuerdings immer zwei Tage die Woche in Berlin, und an diesen beiden Tagen kommen mir unsere vier Zimmer viel zu groß vor und ich vermisse ihn mehr als ich ihn in München vermisse. Da renne ich nämlich meistens wild durch die Gegend, damit mir die Decke nicht auf den Kopf fällt, während es mir in Hamburg völlig reicht, mit einem Buch neben ihm auf dem Sofa zu sitzen, während er alle Sportsendungen dieser Welt guckt. Außerdem ist die Wohnung in München nur meine, nicht unsere. Er hat mich zwar schon besucht, aber das eine Zimmerchen ist nur meins. Da ist gar kein Platz für ihn, während mein Platz in Hamburg immer größer und leerer wird, wenn er alleine ist. Zusätzlich hat er nur den Alltag, während ich gefühlt Urlaub mache.

Das ist alles ein ziemlicher Klumpatsch in meinem eigentlich sehr zufriedenen Kopf, diese Mischung aus Heimweh nach einer Stadt, die gar nicht mein Heim sein sollte, der Ahnung, dass der Job der letzten 15 Jahre nicht mehr der der nächsten 15 sein wird, und dem Wunsch, aus dem Neugelernten mehr zu machen als das, als was es eigentlich geplant war, nämlich Zeitvertreib. Wie schön, dass ich noch zwei Jahre Zeit habe, diesen Brei gären zu lassen. Es bleibt spannend. Und das ist das einzige, was komplett so eingetroffen ist, wie ich es erhofft hatte.

Links vom 22. September 2013

How to recognize the artists of paintings

Ihr könnt jetzt wirklich aufhören, mir diesen Link zu schicken, ich kenne ihn und ich habe ihn auch selbst schon vor einer Woche vertwittert, aber ich freue mich natürlich, dass ihr an mich denkt. Ich habe allerdings kurz beim Zwitschern gezögert, denn natürlich ist er Blödsinn. Mir sind schon beim ersten Durchlesen für jeden Maler Gegenbeispiele eingefallen, wie ich erstaunt und erfreut feststellen durfte. Über einige Beschreibungen habe ich mich auch geärgert: So sehe ich bei Rubens im Beispielbild keine „enormous asses“, obwohl er durchaus in anderen Bildern welche gemalt hat. Da war er aber nicht der einzige. Wobei ich natürlich auch zugeben muss: Wenn mehrere nackte, fülligere (nein, nicht dicke) Menschen im Bild zu sehen sind, könnte das durchaus Rubens sein.

Auch die Beschreibung für Caravaggio fand ich eher meh, weil die Beschreibung „If all the men look like cow-eyed curly-haired women“ etwas grenzwertig klingt. So als ob es eine Schande für Männer sei, wie eine Frau auszusehen. Aber das mag eine Überinterpretation sein. Überhaupt Frauen: Der Satz bei Michelangelo „If everyone is beautiful, naked, and stacked, it’s Michelangelo“ trifft eher auf seine Kerle zu und auch längst nicht auf alle. In meinen Augen sehen die Frauen bei Michelangelo vom Körperbau sehr oft wie Männer aus, die haben genauso breite Schultern wie sie und selten eine Taille. Man könnte ihnen fast einen enormous ass unterstellen. Der Satz bei van Eyck ist natürlich ebenfalls Quatsch, obwohl ich zugeben muss, dass Herr Arnolfini schon sehr wie Putin aussieht. Seine Gattin allerdings nicht, und auch sonst kenne ich (noch) kein Bild von ihm, auf das diese Beschreibung zutrifft.

Ich fand die Gegenüberstellung von Bruegel und Bosch aber ziemlich clever und habe sehr über Boucher gelacht. An Boucher haben wir in der Vorlesung die Malerei vor und nach der französischen Revolution gelernt. Als Gedankenstütze – die natürlich ähnlich verallgemeinernd ist wie die oben verlinkte Liste – sahen wir Bouchers Madame Pompadour von 1756 sowie Jacques Louis Davids Comtesse de Sorcy von 1790 (hängen praktischerweise beide in der Alten Pinakothek). An den beiden Bildern kann man wunderbar die Unterschiede zwischen den letzten Werken der adligen Dekadenz und der neu gewonnenen Schlichtheit sehen, von Kleidung über Haartracht bis zum Hintergrund. Von David kennt ihr übrigens garantiert ein anderes Bild, nämlich den Tod des Marat. (Und wenn nicht, solltet ihr es kennen. Tut ihr ja jetzt, ha. Bildungsauftrag für heute erfüllt.)

PS: Was die Wikipedia zur Arnolfini-Hochzeit schreibt – und sie folgt, wenn ich das richtig überfliege, der Deutung von Erwin Panofsky (1934) –, wird in der heutigen Kunstgeschichte übrigens immer noch diskutiert. Ein Blogeintrag zum Thema verweist auf dieses Paper und die kurze Interpretation der National Gallery, in der das Bild hängt.

How Chris McCandless died

Das Buch Into the Wild hat mich lange beschäftigt, daher fand ich diesen Artikel von Jon Krakauer, der auch das Buch geschrieben hat, sehr spannend. Es handelt sich um eine weitere Theorie zum Tod von McCandless.

„The debate over why McCandless perished, and the related question of whether he is worthy of admiration, has been smoldering, and occasionally flaring, for more than two decades now. But last December, a writer named Ronald Hamilton posted a paper on the Internet that brings fascinating new facts to the discussion. Hamilton, it turns out, has discovered hitherto unknown evidence that appears to close the book on the cause of McCandless’s death.“

Ein Mann mit Vergangenheit

Aus dem SZ-Magazin. Ein Enkel entdeckt, dass hinter der angeblich lieblosen Ehe und seinem übellaunigen Großvater mehr steckt als er dachte:

„Der Anwalt Görings hatte unserem Opa im Februar 1946 geschrieben, um bei ihm zu erfragen, ob Auschwitz denn wirklich so schlimm gewesen sei, er sei doch Häftling gewesen, und ob das gesamte deutsche Volk mitschuldig sei. Er wollte das wissen, um Görings Verteidigung vorbereiten zu können. Opa habe Otto Stahmer ausführlich geantwortet, erzählt der Enkel, und zwar dass Auschwitz noch viel schlimmer gewesen sei, als man sich vorstellen könne. Am Ende des Briefes an den Verteidiger berichtet er auch von einer Frau, die aus Liebe sogar ihr Leben für ihn riskiert habe: meine Oma.

Opa ein Held und Oma die große Liebe seines Lebens? Sprechen wir von den gleichen Personen?“

Allison Janney: What I’ve Learned

Ein etwas älteres Interview mit einer meiner liebsten Schauspielerinnen, über das ich gestern gestolpert bin.

Brad Whitford said the funniest thing about being directed. When somebody gives him direction, the first thing he thinks is Fuck you! The second thing is I suck! And the third is How can I do it better? What can I do to please you?

I do the best I can. Everything else is everybody else’s problem.“

Wiesn-Wirtschaft – Das Oktoberfest als Wirtschaftsfaktor

Gestern wurde das Oktoberfest eröffnet und ich war den ganzen Tag sehr wehmütig, was mich selbst in seiner Heftigkeit überrascht hat. Ich frühstückte dementsprechend und lungerte in meinem eigenen Flickr-Stream länger rum, als mir gut tat (eins, zwei, drei), aber immerhin konnte ich auf Twitter eins der Vorurteile widerlegen, das zum Fest gehört: dass es nur noch eine Veranstaltung für ausländische Gäste sei:

„Das Oktoberfest ist nach wie vor ein „bayerisches“ Fest: Die überwiegende Mehrheit der Oktoberfestbesucher kommt mit 72 Prozent aus Bayern, davon 60 Prozentpunkte aus München direkt und 12 Prozentpunkte aus dem übrigen Bayern. Neun Prozent der Wiesn-Gäste reisen aus den übrigen deutschen Bundesländern an. Die restlichen 19 Prozent der Festgäste kommen aus dem Ausland.“

Was mir in meinem Flickr-Stream auch aufgefallen ist: Meine Immatrikulation ist jetzt fast genau ein Jahr her. What a difference a year makes.

Links vom 20. September 2013

Ein sehr großer Mann

Schöner, bewegender Nachruf von Frank Schirrmacher auf Marcel Reich-Ranicki. Ich persönlich mochte den Mann ja wegen Dingen wie diesen.

„Einmal zeigte er mir das Polizeirevier, wo man ihm 1938 die Deportation nach Polen eröffnete. Es ist auch heute noch ein Polizeirevier. Über dem Eingang ein Adler, der einen leeren Kreis in seinen Fängen trägt. Das Hakenkreuz, das da einst zu sehen war, hat man herausgeschlagen. Unsinnig, ihn nach seinen Gefühlen zu fragen. Er leugnete sie. Anders als Tosia, seine vor ihm verstorbene, unvergessliche Frau, hat er die Traumatisierung gewissermaßen ausquartiert. Das hieß nicht, dass sie verschwunden war. Sie wartete draußen vor der Tür, immer begierig, es sich wieder bei ihm bequem zu machen. Er schaute ständig nach, ob noch abgeschlossen war. Er setzte sich niemals mit dem Rücken zur Tür. Er rasierte sich mehrmals täglich, weil unrasierte Menschen im Warschauer Getto aufgegriffen wurden. Es traumatisierten ihn die Dinge, die kommen könnten und die sich als böse Vorahnungen in der bürgerlichen Sozietät zu verpuppen schienen: die Fassbinder-Kontroverse und der Historiker-Streit, beides hat er bis zuletzt nicht wirklich überwunden.“

What Jonathan Franzen Misunderstands About Me

Jennifer Weiner gibt Jonathan Franzen Kontra, der sich darüber beklagt hat, dass Autoren und Autorinnen sich bei Twitter, Facebook uswzzzschnarch rumtreiben. Wie können sie nur.

„In his essay, Franzen reserves his respect for “the people who became writers because yakking and tweeting and bragging felt to them like intolerably shallow forms of social engagement,” the ones who “want to communicate in depth, individual to individual, in the quiet and permanence of the printed word.” But as long as there have been books, there have been writers who’ve preferred yakking and bragging to quiet and permanence. In the 1880s, there was Oscar Wilde on lecture tours. In the 1960s, there was Truman Capote on “What’s My Line?”

These days, there is Jeffrey Eugenides. Eugenides has appeared in book trailers alongside James Franco, he’s posed in Vogue for a feature on Edith Wharton. He’s shared memories of David Foster Wallace with New York Magazine, his “media diet” with Details, and his Oscar picks with the New York Times. Then, of course, there was the Times Square billboard, where Eugenides’s publisher juxtaposed a shot of the author in a billowing vest underneath the word “Swoon-worthy.”

(via @mcguireinrome)

Der Kaiser, gemalt von einer Frau!

In Frankfurt im Museum Giersch läuft ab Sonntag die Ausstellung Künstlerin sein!

„Ebenfalls so häufig wie nie zuvor hat man die Depots gesichtet und angezapft, um aus den Tiefen der Keller Gemälde oder Skulpturen von Künstlerinnen hervorzuholen, die ungesehen die längste Zeit ihres Dasein im Dunkeln verbracht haben. Das Frankfurter Städel Museum etwa hat für die Selbstbildnisse Ottilie W. Roedersteins, die wenige Schritte weiter nun Teil der Ausstellung „Künstlerin sein!“ im Museum Giersch ist, ein Kabinett eingerichtet. Und in den Depots der Berliner Alten Nationalgalerie stieß Philipp Demandt, der seit 2012 die Institution leitet, auf ein Gemälde von 1893, das es eigentlich gar nicht geben dürfte. Es ist ein Porträt Kaiser Wilhelms II., gemalt hat es eine Frau. Ebendas scheint auf den ersten Blick so unglaubwürdig, als hätte man Gandhi beim Schnitzelessen erwischt.

Nun hängt das Bild prominent in der Schausammlung der Alten Nationalgalerie und straft alle Lügen, die noch weiter behaupten wollen, es habe keine, kaum oder nur wenig Frauen in der Kunstgeschichte gegeben. Wilhelm II., zur Erinnerung, war der Kaiser, der 1905 dafür sorgte, dass Frauen das Kunststudium an den staatlichen Hochschulen untersagt blieb. Der Verein Berliner Künstlerinnen hatte damals eine Petition eingereicht, um die Zulassung zu erreichen, zu den Unterzeichnenden zählte beispielsweise Käthe Kollwitz. Die Petition wurde abgeschmettert – durch den Leiter der Kunsthochschule Anton von Werner, Lieblingsmaler des Kaisers und dessen kunstpolitische rechte Hand.“

(via @schwadroneuse)

Amazing Missed Connection Takes Down Street Harassing Dickwads

Der tausendste Versuch, Idioten klarzumachen, dass sie Idioten sind, wenn sie Frauen auf der Straße irgendwas hinterherbrüllen.

„Let me make this abundantly clear, to you and to the other men reading this: when you comment on a woman’s appearance, you are not doing it for her. You are doing it for you. It’s not some great way to make a woman feel sexy and appreciated. It’s not flattery, even if you mean for it to be. The only thing it is is a great way for you to create a shitty power dynamic, by which you have announced yourself as the arbiter of her value, and you’ve deemed her fuckable, and she is supposed to be happy or impressed by that.“

Ein hündisches Dankeschön …

… an Doerthe, die mich mit Jon McGregors Even the Dogs überrascht hat. Von McGregor las ich bereits ein, zwei Bücher, und vor allem das erste hat mich nachhaltig beeindruckt (in der Kurzkritik versteckt sich ein Zitat – so klingt übrigens das ganze Buch). Even the Dogs ist sein drittes Buch, und ich bin gespannt darauf, es zu lesen. Vielen Dank für das Geschenk, ich habe mich sehr gefreut.

Ein glückliches Dankeschön …

… an Gerd, der mich mit Wilhelm Genazinos Das Glück in glücksfernen Zeiten überraschte. Das Buch hat mir, glaube ich, Herr Malo in die Twitter-Timeline gespült, und als ich seinen Tweet las, dachte ich, ach stimmt, von Genazino wolltest du auch schon länger was lesen. Buch auf den Wunschzettel gepackt – und schon habe ich es in den Händen. Schon toll, dieses Internet. Vielen Dank für das Geschenk, ich habe mich sehr gefreut.

Über das Wesen der Kunst

„Ungewiß, ob Kunst überhaupt noch möglich sei; ob sie, nach ihrer vollkommenen Emanzipation, nicht ihre Voraussetzungen sich abgegraben und verloren habe. Die Frage entzündet sich an dem, was sie einmal war. Kunstwerke begeben sich hinaus aus der empirischen Welt und bringen eine dieser entgegengesetzte eigenen Wesens hervor, so als ob auch diese ein Seiendes wäre. Damit tendieren sie a priori, mögen sie noch so tragisch sich aufführen, zur Affirmation. Die Clichés von dem versöhnenden Abglanz, der von der Kunst über die Realität sich verbreite, sind widerlich nicht nur, weil sie den empathischen Begriff von Kunst durch deren bourgeoise Zurüstung parodieren und sie unter die trostspendenden Sonntagsveranstaltungen einreihen. Sie rühren an die Wunde der Kunst selber. Durch ihre unvermeidliche Lossage von der Theologie, vom ungeschmälerten Anspruch auf die Wahrheit der Erlösung, eine Säkularisierung, ohne welche Kunst nie sich entfaltet hätte, verdammt sie sich dazu, dem Seienden und Bestehenden einen Zuspruch zu spenden, der, bar der Hoffnung auf ein Anderes, den Bann dessen verstärkt, wovon die Autonomie der Kunst sich befreien möchte. Solchen Zuspruchs ist das Autonomieprinzip selbst verdächtig: indem es sich vermißt, Totalität aus sich zu setzen, ein Rundes, in sich Geschlossenes, überträgt dies Bild sich auf die Welt, in der Kunst sich befindet und die diese zeitigt. Vermöge ihre Absage an die Empirie – und die ist in ihrem Begriff, kein bloßes escape, ist ein ihr immanentes Gesetz – sanktioniert sie deren Vormacht. Helmut Kuhn hat in einer Abhandlung, zum Ruhm der Kunst, dieser attestiert, ein jedes ihrer Werke sei Lobpreisung (1). Seine These wäre wahr, wenn sie kritisch wäre. Angesichts dessen, wozu die Realität sich auswuchs, ist das affirmative Wesen der Kunst, ihr unausweichlich, zum Unerträglichen geworden. Sie muß gegen das sich wenden, was ihren eigenen Begriff ausmacht, und wird dadurch ungewiß bis in die innerste Fiber hinein. Nicht jedoch ist sie durch ihre abstrakte Negation abzufertigen. Indem sie angreift, was die gesamte Tradition hindurch als ihre Grundschicht garantiert dünkte, verändert sie sich qualitativ, wird ihrerseits zu einem Anderen. Sie vermag es, weil sie die Zeiten hindurch vermöge ihrer Form ebenso gegen das bloß Daseiende, Bestehende sich wendete, wie als Formung der Elemente des Bestehendem diesem zu Hilfe kam. So wenig ist sie auf die generelle Formel des Trostes zu bringen wie auf die von dessen Gegenteil.

(1) Vgl. Helmut Kuhn, Schriften zur Ästhetik, München 1966, S. 236 ff.“

Adorno, Theodor W., Ästhetische Theorie, S. 10/11, in: Tiedemann, Rolf (Hrsg.), Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 7, Frankfurt am Main 2003.

Ein violettes Dankeschön …

… an Sasse, die mir ein bisschen Post aus der Redaktion zukommen ließ. Hach! Im Heft ist unter anderem ein Foto zu sehen, auf dem Herr Gomez vor der Stadtsilhouette von Florenz steht. Herr Fiebrig wies mich vor einiger Zeit auch schon auf dieses Bild (das untere) hin, bei dem ich sofort dachte, ach guck, die Domkuppel von Brunelleschi. Best of both worlds. Vielen Dank für die Überraschung, ich habe mich sehr gefreut.

Kokosmöhren mit Garam Masala

Wieder eins von den Schnell-und-lecker-Rezepten. Ohne große Einleitung. Jetzt kochen – in 20 Minuten essen.

Für zwei Personen

500 g Möhren (das sind vier bis fünf) in Scheiben schneiden. In einem Topf
2 El Öl (bei mir Sonnenblumen-, kein Olivenöl) erhitzen, die Möhren darin mit
1/2 TL Chiliflocken,
1/2 TL Kurkuma und
1 TL Garam Masala für drei Minuten anbraten.
1 gestr. EL braunen Zucker darüberstreuen und schmelzen lassen, dann mit
200 ml Kokosmilch ablöschen. Alles für acht bis zehn Minuten köcheln lassen, bis die Möhren weich sind. Bei mir waren es höchstens fünf, ich mag es, wenn Möhren noch Biss haben. Mit
Salz und
Zitronensaft abschmecken. Wer mag, streut noch
30 g Cashewkerne rüber (mochte ich grad nicht) und serviert
Reis dazu (mochte ich).

Link vom 13. September 2013

The End of Kindness: Weev and the Cult of the Angry Young Man

„We wanted an internet free from oversight, an environment where ideas could be exchanged freely. In many important ways, the web has achieved that idyllic vision. Individuals have the ability to communicate with large audiences, a power that in the past belonged only to media tycoons and governments. A lack of gatekeepers means frictionless communication, but it also means the quality of that communication can’t be controlled. And too often on the internet today, no consequence means no class. The internet experience is being degraded by those bent on settling scores, intimidating enemies, or simply silencing those with whom they disagree. The social networks say they’re powerless to stop it. Police say they’re overwhelmed. For these reasons, many people find the web a hostile and dangerous environment. (…)

While minorities and homosexuals are often targeted, experts say no group is more abused online than women.

Danielle Citron, a law professor at the University of Maryland, lays out some of the numbers in her upcoming book, Hatred 3.0. Citron writes that the US National Violence Against Women Survey reports 60 percent of cyberstalking victims are women. A group called Working to Halt Online Abuse studied 3,787 cases of cyberharassment, and found that 72.5 percent were female, 22.5 percent were male and 5 percent unknown. A study of Internet Relay Chat showed male users receive only four abusive or threatening messages for every 100 received by women.“

Heute gibt’s nur einen Link, denn der reicht, um den Tag zu versauen. Via @JulianeLeopold, die gestern bei der Zeit-Debatte um das Steinbrück-Titelbild auch wieder ihren Teil der angry young men abgekriegt hat.

Ein Kommentar zum Tweet von Lenz Jacobsen, der das ganze Problem wunderbar zusammenfasst: „”If it’s too hot in the kitchen, get out!” Harry Truman“

Und dann auch noch falsch zitiert. Respekt, Arschloch.

Links vom 12. September 2013

Germany’s Conspicuous Silence

Die New York Times schreibt über das erfolgreiche Deutschland, das aber nur deswegen so erfolgreich ist, weil es aus seiner Geschichte gelernt hat.

„Nobody sees a resolution of the euro crisis without a decisive German role. Even Poland, which paid the highest price for German might, has called Germany Europe’s “indispensable nation.”

Time then for a reality check: Germany will not lead. The very word for leadership — “führung” — is problematic through historical association. The nation’s institutional architecture — a sprawl of counterbalancing federal bodies — is insurance against assertive leadership. Conventional symbols of national power, like flags or the military, leave modern Germans cold. (…)

I do not know if Europeans are ready to follow German examples. I am sure Germany will not change. Outside the Wittenbergplatz subway, 80 years after Hitler’s assumption of power, I stumbled on a large sign naming a dozen places that “must never be forgotten.” Among them were Auschwitz and Buchenwald.

This is the history that precludes leadership. Germany is popular. It is admired. But it is doubtful any other nation can emulate it because the price of its immense achievements was purgatory.“

(via wirres)

Aussie Curves – Vulnerable Side

Fat-Fashion-Bloggerin Danimezza schreibt über ihren Weg zur Selbstakzentanz und wie sie andere mit ihren Bildern inspirieren will. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Das funktioniert. Es macht vieles einfacher, wenn man sich nicht alleine fühlt, sei es mit einem Gefühl oder mit einem Körper, der in den Medien nicht vorkommt, höchstens als Punchline oder abschreckendes Vorher-Bild.

„My arms aren’t the only things that attract attention, my knees do as well. The parts I’m “brave” enough to show, that others seem to feel a desperate need to hide seem to gain the most negative comments. I’ve learnt that their swift impulse to harshly educate me on how I should or shouldn’t dress has absolutely nothing to do with me but simply their self reflections and how they personally view the world as aesthetically pleasing. It doesn’t take into account my comfort, my activities or my personal preference. Please remember that comments are always subjective, they are never the rule.“

39 Things We’ll Miss About Patriarchy, Which Is Dead

Hanna Rosin schrieb auf Slate sinngemäß, was wir ollen Feministinnen denn noch wollen, wir könnten doch wählen und die Pille nehmen. Ja, genau. Wir haben das Patriarchat durchgespielt, wir können uns wieder entspannen. Wenn da nicht noch ein paar winzige Winzigkeiten wären:

„29. Creepshots.

30. Girls Gone Wild.

31. Revenge porn.

32. Honor crimes.

33. Dowry deaths.

34. Purity balls.“

Im Artikel verbergen sich Links unter diesen Schlagwörtern, dazu müsst ihr aber mal rüberklicken.

(via @JessicaValenti)

Schulessen reloaded: Es war nicht alles gut!

Herr Fiebrig hat DDR-Nahrungsmittel neu entdeckt – Schulküchentomatensauce. Ich persönlich habe mich gefreut, den Begriff „nicht-sozialistisches Wirtschaftsgebiet“ mal wieder zu lesen. Ist lange her. Man sollte auf YouTube vielleicht mal nach Sudel-Ede suchen, um sein unnachahmlich gespucktes „BRD“ wieder zu hören. Durften wir damals in der Schule nicht sagen, wir wurden auf „Westdeutschland“ oder „Bundesrepublik“ gedrillt.

„Ich habe die subtile Herausforderung von Ronny vom Kraftfuttermischwerk angenommen und mich für einen Selbstversuch zur Verfügung gestellt. Die Dose für mehr als zwei Euro (rechnet das mal in DDR-Geld um) im Supermarkt mitgenommen, zu Hause erwärmt und über die Nudeln gekippt. Optisch auf jeden Fall ETW mit ToSo (Anm. d. Red.: Eierteigwaren mit Tomatensoße). Ich habe sogar auf den Rand gekleckert, wie es nur sehr erfahrenes Küchenpersonal hinbekam.“

Der neue Blick auf München

Was Schönes aufs Auge: Münchenfotos. Mit dabei meine Lieblinge Uni und Siegestor, sogar zu verschiedenen Jahreszeiten. Und ich wusste nicht, was für ein funky Dach die Ludwigskirche hat, auf die ich immer gucke, wenn ich an der Uni-Bushaltestelle warte.

(via @dotdeguy)

Watch Jimmy Fallon’s ‘Breaking Bad’ spoof, ‘Joking Bad’

Selbsterklärend.

Links vom 11. September 2013

Elmore Leonard

Der Economist schreibt die schönsten Nachrufe der Welt (gibt’s auch als Buch), und vor einigen Tagen haben sie wieder ein kleines Meisterwerk veröffentlich. Es geht um Elmore Leonard, der Besuch von einem Herrn names Writerley bekommt.

„He knew in advance what Writerley would say. He was a peddler of any dope you wanted: prologues, adverbs, adjectives, metaphors, patois dialogue, descriptions of the weather. Even now, as he settled himself uninvited on one of the Naugahyde chairs, he was saying: The rain was falling fast outside, the sky was pelt-gray, and dark clouds were massing over the dismal city like skyscrapers about to topple.

Leonard ignored him and wrote: Another spring day in Detroit.“

Historyblogosphere – Bloggen in den Geschichtswissenschaften

Das Redaktionsblog von hypotheses weist auf ein schickes eBook hin, das zurzeit kostenlos erhältlich ist. Es ist

„das erste Buch in der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft, das in einem Open Peer Review-Prozess erschienen ist. Zur Erinnerung: vom 10. Oktober bis 10. Dezember 2012 standen 18 Beiträge auf der Oldenbourg-Website zur absatzweisen Kommentierung bereit. Anschließend überarbeiteten die Autoren ihre Artikel, die dann Anfang 2013 für die redaktionelle Endbearbeitung und den Satz erneut eingereicht wurden. 13 Beiträge plus Vorwort sind in der soeben publizierten Fassung nun enthalten. Diese können weiterhin auf der Website des Verlags (jetzt De Gruyter) kommentiert werden.“

(via @Mareike König)

Varieties of disturbance – Where do Claire Danes’s volcanic performances come from?

Langes und schönes Porträt über Claire Danes, My So-Called Life und natürlich Homeland. Am meisten zum Lachen gebracht hat mich allerdings die Beschreibung einer Kostümparty:

„Danes is also an enthusiast of the costume party. “In New York, people tend to party-hop,” she said. “If they’re in a costume, they’re stuck there. It loosens them up.” For her thirtieth-birthday party, which was Easter-themed, she dressed up as thirty pieces of silver; Dancy was a severed ear; her father wore an Easter basket on his head; and Michael Cunningham, in a suit, sunglasses, and stigmata, walked around saying, “No, don’t thank me. It was nothing. I was glad to do it.”

(via @softwareherz)

Signora Moda

Ein neues Modeblog von Nathalie, die unter anderem hinter einem meiner Lieblingskochblogs Cucina Casalinga steht. Das Blog richtet sich statt an die üblichen Mittehipsterinnen an 30somethings und darüber. Mir gefällt es da drüben sehr.

In diesem Zusammenhang weise ich auch gerne auf die Liste von Texterella hin, in der sich viele Shops für Übergrößen finden lassen. Da habe selbst ich noch neue Adressen gefunden (und gleich was bestellt).

Ich liebe diesen Spot: Tolle Geschichte, gut geschnitten, hervorragende Musik, schöner Abbinder und selbst wenn man weiß, worum’s geht, will man den Spot nochmal gucken. Oder fünfmal nochmal.

Edit: Der Song ist Run Boy Run von Woodkid, die Agentur ist Jung von Matt/Alster.

Über Zufall

„(…) hier wie dort steht der Gedanke im Vordergrunde, daß so der Zufall dem Maler zu Hilfe komme. Als Ausgangspunkt dieser durch zahlreiche antike Quellen verstreuten Berichte darf wohl der Vergleich der Formen des Zufalls mit denen, die der Künstler schafft, gelten. in der Biographik der Renaissance wird diese Erscheinung in ein anderes Licht gerückt. Piero di Cosimo sei (nach Vasari IV, 134) bisweilen stehengeblieben, „um eine Wand zu betrachten, auf die Kranke gespieen hatten und schuf sich daraus Reiterschlachten, die seltsamsten Städte und die größten Landschaften, die man je sehen konnte. Ähnlich tat er es bei Wolken“. Hier also bietet das Gebilde des Zufalls dem Künstler den Anlaß, seine Phantasie zu entfalten, um in die Zufallsbildungen Getalten hineinzusehen. Man könnte vermuten, daß es sich um ein Stück persönlicher Eigenart des Piero handle, dessen Biographie in Vasaris Schilderung an absonderlichen Zügen reich ist. Aber, was uns Vasari über seine Versuche, Zufallsgebilde zu deuten, berichtet, hat in der Zeitanschauung einen festen Platz: Leonardo da Vinci hat in seinen Aufzeichnungen die Deutung nasser Flecke an den Wänden zur Übung empfohlen, um die Einbildung des Künstlers rege zu erhalten; man darf sogar die Vermutung aussprechen, daß Piero, dessen künstlerische Abhängigkeit von Leonardo gesichert ist, die Anregung zu seinem Verfahren von ihm empfangen habe (…). Die Anweisung des Leonardo steht nicht isoliert. Eine großartige Weite der Beziehung wird faßbar, wenn wir erfahren, daß der chinesische Maler Sung-Ti (11. Jahrhundert) dem Ch’ên Yung-chih den Rat gibt, ein Landschaftbild nach den Anregungen zu gestalten, die ein zerfallene Mauer seiner Phantasie nahebringt. „Dann“, sagt er, „magst Du Deinen Pinsel Deiner Phantasie folgend spielen lassen und das Ergebnis wird himmlisch, nicht menschlich sein.“ (…)

Stellt die antike Biographik die Zufallsbildung als gleichberechtigt neben das Werk des Künstlers, dem sie ein Zufall zuweilen einfügt, so soll sich für die Vorstellung eines Leonardo an ihnen Schöpferkraft und Phantasie des Künstlers schulen. Einem gleichartigen Gedanken hat Goethe vor einer bestimmten Gruppe von Zufallsbildungen, den Wolken, Ausdruck gegeben:

„Nun regt sich kühn des eignen Bildens Kraft,
Die Unbestimmtes zu Bestimmtem schafft.“
Howards Ehrengedächtnis

(Wer historische Perspektiven liebt, mag ein weiteres Glied anfügen: Was Leonardo empfiehlt, um die Schöpferkraft zu üben, hat die Experimentalpsychologie unserer Tage aufgegriffen – im Formdeutungsversuch von Zufallsgebilden nach Rorschach –, um eine menschliche Anlage zahlenmäßig faßbar und zu psychodiagnostischen Zwecken verwertbar zu machen.)“

Kris, Ernst/Kurz, Otto: Die Legende vom Künstler. Ein geschichtlicher Versuch, Frankfurt am Main 1995, S. 72/73. Die Erstausgabe des Textes erschien 1934.