Was schön war, KW 31
Am Mittwoch vor einer Woche saß ich platt und erschöpft im ICE von Hannover nach München. In manchen Zügen hängen Monitore an der Decke, auf denen neben launigen Werbeanzeigen der nächste Halt eingeblendet wird, immer garniert mit irgendeinem generischen Bild der Stadt, in der man demnächst ankommt. Zwischen Würzburg und Nürnberg guckte ich so dauernd auf ein Foto des Dürer-Hauses – und auf das Selbstbildnis im Pelzrock, das in der Alten Pinakothek hängt. Das kenne ich natürlich in- und auswendig, aber ich habe es selten so beruhigend gefunden wie an diesem Tag. Danke, Albrecht, 500 Jahre später.
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Als ich nach Hause kam, fand ich zwei Buchgeschenke vor, über die ich mich sehr gefreut habe. Danke für Käsebiers Eroberung des Kurfürstendamms und ein neues Backbuch; sie sind beide schon in Benutzung.
Was ich außerdem vorfand, war eine Glückwunschkarte von F., der mir zum Abschluss meiner Promotion gratulierte. Die Abgabe der Diss sowie die Verteidigung hatten wir ausgiebig feiern können. Der letzte Schritt, die Abgabe des Buchmanuskripts, ging völlig in meiner hektischen Zugfahrt nach Hannover unter. Mir war es ernsthaft nicht mal aufgefallen, dass ich jetzt mit allem durch bin. Keine Zeit.
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Am Donnerstag konnte ich wieder mit F. einschlafen. Da meine innere Uhr noch auf norddeutscher Zeit stand, waren wir, glaube ich, gegen 21.30 Uhr im Bett.
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Ich erwähnte im letzten (?) Blogeintrag, dass meine vier Balkonkräuter meine längere Abwesenheit nicht überlebt hätten. Nun: Rosmarin und Thymian kriegt anscheinend nichts kaputt, das Basilikum blüht eher als dass es Blätter hat, aber das ist mir gerade egal, und aus den vielen gelblichweißen, vertrockneten Ärmchen der Petersilie gucken erstaunlicherweise ein paar frische grüne Zweige hervor. Nature is healing.
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Am Freitag führte mich F. nach zehn Monaten mal wieder in ein Sternerestaurant. Er hatte endlich seit letzter Woche einen vollständigen Impfschutz, und da wir beide damit rechnen, dass eine weitere Welle Restaurantbesuche wieder erschweren wird, erledigten wir das jetzt. Wir waren erstmals im Sparkling Bistro, von dem wir zu meinem Geburtstag ein ganz hervorragendes Essen zuhause genossen hatten.
Ich nahm einen Bus bis zur Türkenstraße und ging die letzten 400 Meter zu Fuß. Die Türkenstraße liegt im Univiertel und besteht in der Ecke bis zum Restaurant quasi aus einer Kneipe neben der nächsten, dazwischen liegen Cafés und Bäckereien. Es war ein warmer Sommerabend, alle Bürgersteige standen mit Tischen und Tischchen voll, lauter gut gelaunte Menschen aßen und tranken. Was mich vor wenigen Monaten noch hätte panisch werden lassen – MENSCHEN! OHNE MASKE! IN MASSEN! – tat mir jetzt sehr überraschend sehr gut. Es fühlte sich, Achtung, das böse Wort, normal an. Ein normaler, schöner Sommerabend in München, wie selbst ich Sommerverächterin ihn mag. Was so eine Impfung für einen Unterschied macht.
F. ging es leider nicht ganz so, er ist immer noch deutlich angespannter als ich. Keine Ahnung, ob es daran liegt, dass ich in den letzten Wochen in so vielen Zügen gesessen habe, dass mir ein Gang durch eine belebte Straße nicht mehr so viel ausmacht, ich weiß es nicht. Ich stellte nur freudig überrascht fest, wie schön das war, dort entlangzugehen und sich auf einen Restaurantbesuch zu freuen.
Der war dann noch toller als erwartet. Mein Lieblingsgang war gleich der erste, aber ich fand alle großartig. Ich war im wahrsten Sinne des Wortes ausgehungert.
Kohlrabi mit Mohn, Brokkoli mit Senfsaat, hab ich vergessen, Spargel mit Kaffee (!).
Pilze mit Erbsen und Specksauce. Klingt so simpel, war aber der Kracher.
Zander mit Blumenkohl und Zitrone.
Tiroler Flusskrebs mit Lammbries, Mandel und Kopfsalat. Mein Foto wird dem feinen Gang überhaupt nicht gerecht.
Laaer Zwiebel mit Käse, Roggen und Fenchel.
Mostviertel Wagyū mit N25 Kaviar, Artischockenpüre und Jus gras. Das war einer der Gänge, die man schweigend genießt. Das Fleisch!
Johannisbeeren mit Meringue, Mandel und Vanille. Wie bei Oma und so sollte es auch sein.
Ingwereis mit Kaffee, glaube ich.
Danach gab’s zu zwei kleinen Pralinchen für mich einen Haselnussbrand, für F. einen aus der Vogelbeere, beide vom Sammerhof, den wir jetzt leerkaufen müssen, und danach spazierten wir äußerst gut gelaunt nach Hause. Vorneweg hatten wir einen Negroni, auch völlig vergessen, wie gut das Ding schmeckt. Sehr gerne wieder.