Die Anfrage – die Antwort

„Liebe Werbeagentur Jung von Matt,

bzgl. Eurer Anfrage, ob wir bei der aktuellen Bild-​Kampagne mitma­chen wollen:

Ich glaub, es hackt. (…)“

(via Fienes Gezwitscher)

(Der Heldenserver ächzt gerade – beim Bildblog steht das gleiche)

“Queen of the Mommy Bloggers”

Sehr ausführliches Porträt über Heather „dooce“ Armstrong, eine der einflussreichsten Bloggerinnen. Ich kann mir nicht helfen, aber ich finde, der Artikel hat immer noch diesen uralten Standesdünkel: Wie kann jemand bloß mit Geschreibsel über Hunde und Kinder Geld verdienen? Meine Meinung: genau so wie Heather. Weil sie aus kleinen, alltäglichen Begebenheiten grandiose Geschichten macht. Und weil die Dame nebenbei einfach gut schreiben kann, liebe NYT.

Battenbergkuchen

Vorweg: Den Kuchen werde ich wahrscheinlich nicht noch einmal machen. Nicht weil er so schwierig ist oder so lange dauert, sondern weil er so unfassbar süß ist, dass ich nach einem Stück erstmal eine Runde Käse knabbern musste. Zu süß. Für mich! Schade. Wo er doch so hübsch aussieht.

Den Namen des Kuchens musste ich natürlich erstmal ergoogeln, nachdem ich das Rezept bei der BBC gefunden hatte. Ich zitiere die allwissende Müllhalde:

“The origin of the name is not clear, but one theory claims that the cake was created in honour of the marriage in 1884 of Queen Victoria’s granddaughter to Prince Louis of Battenberg, with the four squares representing the four Battenberg princes: Louis, Alexander, Henry and Francis Joseph.”

Dann kann’s ja losgehen. Wir brauchen eine Kuchenform, die ungefähr 20 Zentimeter Kantenlänge hat. So eine habe ich nicht, also habe ich meine 30-Zentimeter-Form mit Alufolie ausgekleidet und bei 20 Zentimeter ein Mäuerchen gebastelt. Funktioniert. Der Kuchen besteht – man ahnt es – aus zwei einzeln gebackenen Kuchen, die dann hübsch geschichtet werden. Fangen wir mit dem hellen Teil an. Dafür

175 g sehr weiche Butter,
175 g braunen Zucker,
140 g Mehl, Type 405,
50 g gemahlene Mandeln,
1/2 TL Backpulver,
3 Eier,
1/2 TL Vanillesirup und
1/2 TL Mandelsirup

zu einem zähen Teig verrühren und bei 180° 25 bis 30 Minuten backen. Den Kuchen kurz in der Form abkühlen lassen und währenddessen den rosafarbenen Teil zubereiten. Dazu genau den gleichen Teig nochmal anfertigen – dabei den Mandelsirup weglassen – und ihn mit

roter oder rosafarbener Speisefarbe

einfärben. (Ich hatte keinen Mandelsirup und habe ich daher total clever bei beiden Kuchen weggelassen.) Den warmen Kuchen aus der Form nehmen, den neuen Teig einfüllen und diesen nach dem Backen ebenfalls abkühlen lassen.

Jetzt kommt das Basteln. Abmessen, wie hoch der Kuchen ist (bei mir waren es knapp drei Zentimeter), und dann dementsprechend breite Kuchenstreifen abschneiden. Aus der oben angegebenen Menge sollten mindestens vier weiße und vier rosafarbene Streifen mit 20 Zentimeter Länge und eben ungefähr drei Zentimeter Breite rauskommen, so dass man daraus zwei Kuchen herstellen kann. Laut BBC brauchen wir jetzt noch

1000 g Marzipanrohmasse und
200 g Aprikosenkonfitüre.

Ich bin mit 800 g Marzipan ausgekommen. Die Aprikosenkonfitüre erhitzen, bis sie dünnflüssig genug ist, um verstrichen zu werden. Die Arbeitsfläche mit gesiebtem Puderzucker bestreuen, denn darauf rollen wir jetzt klebriges Marzipan aus.

Das Marzipan 20 Zentimeter breit und – bei drei Zentimeter breiten Kuchenstreifen – mindestens 25 Zentimeter lang ausrollen, circa 0,5 Zentimeter dick. Dann ein Ende des Marzipanblocks mit der Konfitüre bestreichen, einen weißen Kuchenstreifen auflegen, ihn rundherum mit Konfitüre bestreichen, den rosafarbenen andocken, ihn ebenfalls einpinseln, dann das obere Stockwerk erstellen, alles wieder einpinseln – und dann kommt der einzig schwierige Teil: das Marzipan um den Kuchen herumlegen. Bei der BBC sieht man, dass der Kuchen ruhig „Füßchen“ haben darf; also rechts und links kleine Überhänge an Marzipan hat. Ich habe versucht, das Zeug bündig umzuschlagen, und das hat auch ganz gut geklappt. Man muss an der Nahtstelle ein bisschen zerren und zuppeln, aber das geht. Trotzdem habe ich diese Seite raffiniert von der Kamera weg positioniert, denn, ich gebe zu, so richtig hübsch ist sie nicht geworden. Vom Anfang- und Endstück des Kuchens möchte ich erst gar nicht reden.

Der bunte Battenberg ist, wie angesprochen, fies süß, und ich habe von der leckeren Aprikosenmarmelade so gut wie nichts geschmeckt, obwohl ich damit sehr großzügig umgegangen bin. Das Marzipan erschlägt einfach alles. Trotzdem bin ich stolz auf das halbwegs ansehnliche Backwerk (he, drei Seiten von vier ist okay) und mache einen Haken hinter einen Klassiker.

Birnenkuchen mit Schokostücken und brauner Butter

Da habe ich etwas voreilig gewittert: „Wenn der Kuchen so gut schmeckt wie der Teig, wird das der beste Kuchen, den ich je gebacken habe.“ Denn meine Güte! war der Teig lecker. Der Kuchen selbst auch, aber so hymnisch wie die Vorbäckerin würde ich ihn nicht feiern. Kommt aber trotzdem auf die „Das machen wir mal wieder“-Liste.

Der Teig reicht für eine 26-cm-Springform, die brav gebuttert auf ihren Einsatz wartet, während der Ofen auf 175° vorheizt.

2–3 Birnen zu kleinen Würfeln verarbeiten. Da sollten ungefähr 300 g Obst bei rumkommen.
100 g zartbittere Schokolade grob hacken. (Bei mir war’s Lindt 70 %.)

120 g Mehl, Type 405, mit
1 EL (ja, EL) Backpulver und
einer dicken Prise Salz mischen.

120 g Butter in braune Butter verwandeln. Das heißt, in einem Topf oder einer Pfanne die Butter so heiß werden lassen, dass sie kocht und sich braun verfärbt. Ab und zu umrühren und dabei den Boden nicht vergessen, denn dort setzt sich der ganze braune Genuss ab. Nach gut fünf Minuten sollte die Butter braun sein und nussig-würzig duften.

3 Eier mit dem Mixer dick-schaumig aufschlagen. Nicht nur so fluffig, sondern ruhig mehrere Minuten damit beschäftigen. In die zähfließende Masse
150 g Kristallzucker einrühren und alles noch ein paar Minuten schlagen. Bevor der luftige Traum sein Volumen verliert, den Mixer ausschalten und mit dem Teigschaber weiterarbeiten. Erst ein Drittel des Mehls unterheben, dann die Hälfte der Butter, ein weiteres Drittel Mehl, den Rest der Butter, den Rest des Mehls. Den voluminös-wattigen Teig in die Springform füllen und die Birnen- und Schokostücke obendrauf geben. Für circa 40 Minuten backen.

Der Teig wächst über die Birnen- und Schokstücke hinaus, sodass ein unscheinbarer Kuchen aus dem Ofen kommt, der es aber in sich hat. Ich habe ein bisschen weniger Obst und mehr Schokolade verwendet als hier angegeben (250 g Birnen und 150 g Schokolade), aber das Mischungsverhältnis fand ich nicht so toll. Ich hätte den Kuchen gerne obstiger gehabt und – ich glaube es ja selbst kaum – weniger schokoladig. Von der wundervoll duftenden braunen Butter schmeckt man überhaupt nichts mehr, was ich sehr bedauert habe, aber vielleicht war sie nicht braun genug. Der Kuchen war mir ein winziges bisschen zu trocken – deswegen würde ich die Obstmenge erhöhen –, und ich habe deswegen dazu einen dicken Klecks Karamellsahne serviert (Sahne mit Karamellsirup aufgeschlagen).

“Talking about nerdism and food culture”

Florians Vortrag beim Mixed Grill ist online.

The Warrington

Mein London-Wochenende begann Freitag abend, als ich mich mit Londonleben und Zeigermann in einem von Gordon Ramsays Läden traf, dem Warrington. Ich kannte die beiden Herren vorher nicht persönlich, sondern nur aus diesem Interweb, aber wie das ja meistens so ist mit diesem Interweb, kommt es einem vor, als hätte man sich vor fünf Minuten das letzte Mal gesehen. Ich habe selten so viel gelacht, was auch am hervorragenden Bitter gelegen haben könnte, aber ich denke, es war vor allem die Begleitung. Thanks, guys.

Das Warrington ist ein ehemaliges Hotel im Stadtteil Maida Vale. Im Erdgeschoss befindet sich ein Pub; ich habe keine Ahnung von dieser Art Lokalität, die Jungs meinten allerdings, das sei alles mit viel Verstand und Liebe restauriert worden. Mir hat’s gefallen, aber das könnte auch am hervorragenden Bitter gelegen haben. Nach einem Pint (mein erstes Pint!) sind wir ins obere Stockwerk geklettert, wo das Restaurant wartete. Während es unten sehr lebhaft und halbwegs laut war, war es oben recht ruhig. Schlicht eingerichtet, als wir ankamen, noch recht leer und: sehr, sehr schummerig. Ich habe nichts gegen ein bisschen gedämpftes Licht, aber das hier war schon sehr grenzwertig.

Unsere Vorspeisen waren zu zwei Dritteln okay, aber nicht wahnwitzig toll; die Hauptgerichte haben es allerdings wieder rausgerissen. Leider konnte ich nicht fotografieren, eben weil es so dunkel war. Selbst auf dem iPhone, das lustigerweise mit Dämmerlicht besser klarkommt als meine Kamera, sind nur braune Flächen mit schwarzen Klecksen zu sehen. Und auch bei 150% aufgedrehter Helligkeit und lustigen Experimenten im Photoshop war mit den meisten Bildern nichts zu machen. Was mich natürlich nicht daran hindert, sie trotzdem zu posten.

Während wir im Pub ein London Pride genossen haben, gab es hier ein India Pale Ale. Geschmacklich etwas intensiver als London Pride und genauso lecker. Ralfs Vorspeise war „Salt beef, Westcombe cheddar, buckwheat toast“, was mir sehr gut geschmeckt hat: faseriges Fleisch, sehr würzig, lecker. Mein „Double baked Westcombe cheddar soufflé with pistachio vinaigrette“ war fluffig und hübsch, aber Pistazien konnte ich beim besten Willen nicht erschmecken. Und Konstantins „Seared Berkshire pigeon breast, chickpea croutons, baked quinc“ war so zäh, dass das Messer zehn Sekunden gebraucht hat, um das Fleisch zu zerteilen. Die äußerst freundliche Dame vom Service brachte uns zum Trost eine weitere Vorspeise: „Wood-roasted peppers with smoked mackerel brandade, olive tapenade“, was uns allen dreien am besten geschmeckt hat.

Konstantins Hauptgang war „Pan-fried cod with salsify fritters, muscatel, capers and tender shoots“, was aussah wie „weißer Fisch auf grüner Sauce“, die aber immerhin so kunstvoll dahindrapiert war, wie ich es seit Monaten mit Kartoffelbrei übe und nie hinkriege. Guckt einfach mal Masterchef, da ist das eine extrem beliebte Anrichteweise. Ich wollte zwar auch hier wieder was Vegetarisches ordern, aber es gab gerade ein einziges fleischloses Gericht, und das klang so schnarchig, dass ich es nicht essen wollte: „Tomato and baby aubergine tart with barrel-aged feta and wild rocket“. Ich bin weder von Tartes noch von Feta ein Riesenfan, und außerdem lockte ein anderes Gericht, von dem ich weitaus mehr Fan bin: „Hampshire roe venison chops with braised red cabbage, parsley root, date sauce“. Und das war auch ein Knaller. Zartes, sehr geschmackvolles Fleisch in einer wundervollen Sauce, der Rotkohl viel feiner als man es beim Wort „Rotkohl“ erwartet, sehr fruchtig, kaum Salz, und das Petersilienwurzelpüree auch so schön verstrichen wie die grüne Sauce beim Nachbarn, mild im Geschmack, noch milder in der Textur. Perfekt. Aber. Auf dem Fleisch lag ein Bröckchen Irgendwas, und da ich ja eine Dattelsauce hatte, dachte ich, das sei wohl eine Dattel und biss gemüsslich drauf – nur um zu merken, dass es eine ganze Knoblauchzehe war. Wahrscheinlich hat deshalb auf dem Rückweg in der tube niemand neben mir gegessen, aber das könnte auch am hervorragenden Bitter gelegen haben. Trotzdem ein Hinweis an Herrn Ramsay: Wenn man nicht mal erkennen kann, was 30 Zentimeter vor einem auf dem eigenen Teller liegt, IST ES ZU DUNKEL.

The Warrington
93 Warrington Crescent
London W9 1EH

Mixed Grill 2011

Eine Konferenz, auf der Transen zu Christina Aguilera Omelettes braten, man sich im Foyer mit Äthercocktails kurzfristig die Lichter ausbläst, Qualle isst, die in kleinen Probierbechern zwanglos im Publikum umhergereicht wird, Menschen zuhört, die über ihre Lieblingshefebakterien sprechen oder darüber, dass die Kirsche in der mittelalterlichen Bildsprache die Jungfräulichkeit (“pop the cherry”) oder auch Jesus Christus symbolisiere, sollte eigentlich nicht „Konferenz“ heißen, sondern „unfassbarer Spaß, nach dem man nur noch essen und trinken und über Essen und Trinken reden möchte.“ Genauso war’s auch. Fuck yeah Mixed Grill.

Florian hatte sich als Speaker angemeldet und mich gnadenlos an meinen Neujahrsvorsatz erinnert, mit dem ich beschlossen hatte, mal mehr vom Sofa runter- und in Restaurants reinzugehen und Leute zu treffen, die ähnlich denken. Also buchte ich knurrend Flug und Hotel und die lächerlich billige Eintrittskarte (20 Pfund für tagelang gute Laune – ich komme von dem High überhaupt nicht mehr runter) und schleppte mich Samstag morgen zur Conway Hall. Dort erwartete mich eine gut gelaunte Einlassdame, die sich offensichtlich über meine brav ausgedruckte Eintrittskarte freute. (Endlich mal jemand, der meine Sichthüllenmentalität zu schätzen weiß.)

Der Mixed Grill wurde von Fire & Knives veranstaltet, einem Magazin, das sich ausschließlich mit Essen beschäftigt. Herausgeber Tim Hayward begrüßte die anwesende wuselige Schar aus geschätzt 200 Leuten, entschuldigte sich für die Verspätung (Beamer-Probleme, what else is new), und dann ging’s im 15-Minuten-Takt rund. Denn das Besondere und etwas, was mir sehr gut gefallen hat, war die Redezeit der Speaker: Jeder hatte 15 Minuten. Oder wie Tim sich ausdrückte: “You will be bored 10 minutes at most.”

Als erste stelle Morgaine Gaye Essenstrends der Zukunft vor. Das war für mich pure Glaskugelei, aber ich fand die Idee schön, dass wir angeblich in Zukunft Essen mehr feiern würden, uns mehr Gelegenheiten schaffen, an denen wir es uns gutgehen lassen. Joanna Moore erzählte dann etwas über Essen in der Kunstgeschichte. Was davon bei mir hängengeblieben ist, war der Gegensatz von den üppigen Tableaus von z.B. Breughel, der in Zeiten von Hunger und Armut das Schlaraffenland malte, während heute im Zeitalter des Überflusses Damien Hirst Tausende von Fliegen in einem Glaskubus ein Festessen in Kompost verwandeln lässt. Matthew Ford erzählte über Essen in Detektivromanen und zitierte Raymond Chandler: “If in doubt, let a guy walk through the door with a gun. – I say: Let him carry a chef’s knife.” Chris Neill behauptete zwar, überhaupt nichts über Essen zu sagen zu haben, gab dann aber doch den guten Tipp: “Never buy cookery books with pictures – it only leads to disappointment.”

Man ahnt schon: Die Mischung hat den Tag so spannend gemacht. Und die Kürze der Vorträge hat wirklich dazu geführt, dass man überhaupt keine Chance hatte, sich zu langweilen, weil BAM! schon das nächste große Ding hinter der Bühne wartete. Am meisten Spaß gemacht haben natürlich die Darbietungen, an denen man teilhaben konnte. So erklärte ein Barmensch, dass er Äther als Bestandteil von Cocktails wiederentdeckt habe. Äther war um die Jahrhundertwende eine beliebte Droge, weil sie einen sehr schnell abschießt, aber auch schnell wieder nüchtern macht. “If you’re doing it right, you can be stoned and sober six times before lunch.” Seine Kreation: “Champagne, which is totally overrated, with a strawberry, which is totally overrated, and ether.” Das ganze gab’s in kleinen Becherchen zu ₤2,50, und nach zwei Schlucken ahnte ich, wieso das Zeug so beliebt war. Es schmeckte zwar, als ob man einen besoffenen Zahnarzt küsst, aber es geht richtig gut in den Kopf – und verdammt schnell wieder raus.

(Der Becher gehört mir, die Hand Little Jamie, von der ich mich hektischerweise gar nicht verabschiedet habe, sorry.)

“Gastronaut” Stefan Gates hat mir ebenfalls sehr gut gefallen. Er zeigte Bilder aus seiner Bad Food World Tour, wo er nicht nur Zeug isst, was sonst nur Dschungelcamp-Kandidaten essen, sondern auch Food Aid probiert, das die UN im Kongo verteilt, oder sich von alten Damen in Tschernobyl bekochen lässt. Sein Motto: “You spend 6 years of your life eating. Make it an adventure.” Dazu gab’s Fotos, auf denen man ihm beim Essen von Scheußlichkeiten zugucken konnte, und seitdem weiß ich, dass Kamelhöcker wie Spam schmeckt und die fiesen Maden, die man eben im Dschungelcamp kriegt, pure Tortur sind, weil sie nie roh, sondern gekocht gegessen werden. Aber angeblich schmecken sie dann auch noch fürchterlich. Wir durften auch was probieren und zwar entweder Qualle, in Sesamöl und Limettensaft mariniert, oder pures Glutamat. Ich habe die Qualle genommen, die ich schon aus China kannte, und mich über die Tweets von anderen Teilnehmer_innen gefreut, die entsetzt zwitscherten, dass man dieses verdammte Glutamat noch nach zehn Minuten im Mund schmeckt.

Eine meiner liebsten Sessions war eine Verbindung aus Essen und Literatur (ich meine: hallo? MEHR!). Jose Estudillo las ein Stück aus der englischen Übersetzung von Manuel RivasDer Bleistift des Zimmermanns vor, in dem Gefangene sich ein Festessen vorstellen. Wir bekamen alle einen kleinen Becher, in dem eine schokoladenüberzogene Kastanie lag. Und sobald im Text eben diese Kastanie erwähnt wurde, sollten wir sie mit geschlossenen Augen essen. Ganz simple Idee, aber sehr sinnlich und wunderschön.

Ich weiß gar nicht, was ich noch alles aufzählen soll. Den sehr überzeugenden Bäcker erwähnte ich gestern schon, den Bakterienvortrag kann man sogar nachlesen, Philip Dundas hat mich sehr bewegt mit der Geschichte über seinen Vater, der erst nach dem Tod der Mutter angefangen hat zu kochen, und der zweitschönste Satz, den ich seit Samstag mit mir rumschleppe, stammt aus dem Vortrag von Betty Herbert und ist ein Zitat der one and only Miss Piggy: “Never eat more than you can lift.”

In diesem Sinne: auf die Mailingliste des Mixed Grill setzen lassen und beim nächsten Mal dabei sein. Sehr inspirirend, sehr unterhaltsam und sehr, sehr toll.

St. John Bread and Wine

Am Samstag, den 12. Februar, habe ich auf einer „Konferenz“ in London sehr viel Spaß gehabt: dem Mixed Grill. Darüber schreibe ich in einem gesonderten Eintrag noch was, aber einen Satz, der auf dieser Veranstaltung gefallen ist, möchte ich diesem Post voranstellen.

Beim Mixed Grill haben Menschen aller Couleur für jeweils 15 Minuten über ein Thema geredet, über das man 15 Jahrhunderte reden kann: Essen. Einer der Vortragenden war ein sogenannter artisan baker, also ein Bäcker, der statt mit Maschinen sein Brot mit Muskelkraft und Herzblut herstellt. Sinngemäß meinte er, dass das eigentlich Quatsch sei, aber. Es ist nicht kostengünstig, jedes Brot sieht anders aus, es dauert länger, der Rücken tut weh, man verdient nichts dabei – but it’s nice. Bei diesem Satz jubelte der ganze Saal, denn anscheinend hat er nicht nur bei mir etwas ausgelöst.

Das Essen im St. John Bread and Wine in Spitalfields besteht nicht aus Türmchen und Fruchtspiegeln und Gemüselandschaften und Aromaakkorden; es sind schlichte Zutaten, ganz einfach kombiniert, aber genau dadurch kann jede einzelne ihre ganze Stärke ausspielen. Es ist komplett schnickschnackfreies Essen und es ist das beste, was ich je gegessen habe. Es ist einfach „nur“ Essen – but it’s oh so fucking nice.

Die Fotos sind leider alle nur per iPhone aufgenommen; meine kleine Digiknipse kam mit dem Licht überhaupt nicht zurecht, und ich wollte nicht in der Gegend rumblitzen.

Meine Begleiter_innen an diesem schnuffigen Abend waren Herr Siepert, marqueee von Allem Anfang und Juliane, die ich bei Twitter unter monkeypenny kenne. Wir haben jeweils zwei Vorspeisen bestellt und dann reihrum probiert. Die Hauptgerichte haben wir weggelassen, weil wir dringend Dessert essen wollten. Und dann gab’s noch Wein und Käse, und bei dem zweiten Wein hätte ich fast angefangen zu heulen, so fantastisch war er.

Ich koche seit einiger Zeit so gut wie fleischlos, weil ich es gerade so möchte, aber wenn ich weiß, dass das Fleisch aus guten Quellen kommt (wovon ich bei diesem Restaurant ausgehe), habe ich kein Problem damit, welches zu essen. Ich hätte es auch sehr bedauert, von den ganzen Köstlichkeiten, die wir um uns rumgestapelt haben, nicht probieren zu können.

Meine erste Vorspeise war Kohlrabi mit Vogelmiere und Sauerampfer, angemacht mit Öl und ich glaube, ohne Essig. Die Kräuter haben dem mild-nussigen Kohlrabi eine frische Schärfe verliehen, und das weiche Öl hat alles brav zusammengehalten. Sieht so einfach aus, schmeckt auch schön geradeaus vor sich hin, aber es hat mich mindestens zwanzig Minuten glücklich gemacht, weil ich es in winziges Bissen genossen habe, damit es nicht so schnell vorbei ist.

Ochsenherz mit Kresse und eingelegten Walnüssen. Bei Innereien bin ich etwas memmig, aber mein Vorsatz war: alles probieren. Es eklig finden kann ich danach ja immer noch. Also habe ich probiert – und war sehr positiv überrascht: zartes, ganz leicht faseriges, dünngeschnittenes Fleisch, das für mich wie ein richtig gutes Steak geschmeckt hat. Die Kresse und die Nüsse haben der Sauce noch einen schönen Kick mitgegeben, und der Fleischgeschmack war sehr intensiv und sehr rund.

Noch was aus dem Innenleben, diesmal Kalbsbries mit Gartenmelde. Auch hier war ich überrascht von der Konsistenz: ganz weiches Fleisch, das trotzdem erst nach einem winzigen bisschen Biss nachgibt und dann im Mund dahinschmilzt. Dazu gab’s eine sehr würzige Sauce; die Gartenmelde habe ich eher als frischen Beiklang bemerkt als richtig geschmeckt. (Wobei ich jetzt auch nicht weiß, wie Gartenmelde schmeckt. Ich wusste ja nicht mal, dass es so etwas gibt, bevor ich mithilfe von LEO die Speisekarte entziffert habe.)

Meine zweite Vorspeise waren Kartoffeln mit Entenei. Die jungen Kartöffelchen waren sehr zart und hatten einen ganz, ganz leichten Salzhauch unter ihrer glattpolierten Schale, das Entenei war etwas fester als ein Hühnerei, das Gelb floß zähmildweich dahin, und die Winterkresse knackte würzig zwischen den Zähnen. Auch hier: zwanzig Minuten was zu tun gehabt. Weil wundertoll.

Das einzige Gericht, von dem ich nur die duftende Estragonsauce probiert habe, denn Florian sah so glücklich mit seinen Fischen aus, dass ich ihm davon nicht einen Bissen wegessen wollte. Marqueee hatte sich bei seiner Foie gras das Teilen auch verbeten, aber wir haben trotzdem etwas abbgekommen (und ich habe vergessen, sie zu fotografieren). Die Foie gras wurde mit Entenleber auf geröstetem, knusprigem Graubrot serviert, das direkt im Restaurant gebacken wird. Ich fand sie sehr rund und lecker und behaupte, einen leichten Kaffeegeschmack entdeckt zu haben.

Nach dem würzigen Teil wartete der süße. Juliane gönnte sich das üppig-sahnige Marmeladeneis, das genauso schmeckt wie es klingt: fruchtig, weich, schmackig, schlotzig. Sehr simpel serviert, kein doofes Minzblättchen; das hatte schon fast Jugendherbergscharme, aber mehr braucht es auch nicht. Juliane bestand darauf, dass ihr Daumen im Bild sein müsste.

Florian entschied sich für die custard tarte mit Pflaumen, die genau die gleichen Adjektive verdient wie das Eis: weich, schmackig, schlotzig. Ein bröselig-knuspriger Boden, die eingelegten Pflaumen, dazu die Tarte: so simpel, so gut.

Marqueee hatte das klarste Dessert von allen: eine Kugel Zitronensorbet, die mit einem Wodka serviert wurde.

Und ich konnte chocolate terrine & brandy snap nicht widerstehen, auf der noch eine Nocke Crème fraîche thronte. Hervorragende Idee, denn die zähsüße, tiefdunkle Terrine, die mich ein bisschen an eine Nobelversion vom Kalten Hund erinnerte, war arg zuckerlastig, was aber nicht negativ ist: Zusammen mit dem Gebäck und der eiskalten Creme war es ausgewogen und hat längst nicht so schwer geschmeckt wie es hätte schmecken müssen.

Ein bisschen Platz war noch, und der wurde sofort mit einem halben Dutzend Madeleines gefüllt, die butterknusprig und ofenwarm serviert wurden. Marqueee und ich teilten uns noch vier kleine Stückchen Käse – oder versuchten es zumindest –, während die anderen beiden sich schon Espresso und Schnaps ergaben. Den Alkohol hatten wir natürlich auch noch, nachdem der Käse den Magen abgeschlossen und den Schlüssel verbaselt hatte.

Fehlt nur noch der Wein: Der erste war ein Chenin Blanc, La Grange aux belles „Fragile“, 2009, wenn ich die Weinliste des Lieferanten richtig verstehe. Ich kann mich kaum an ihn erinnern, außer dass er sehr lecker war, aber der zweite überlagert meine Erinnerung komplett. Der hier: ein Muscat sec von Domaine Boudau. Die Nase sagt: Bergamotte-Tee, der unter gelben Bäumen serviert wird. Und der Gaumen sagt gar nichts mehr, sondern wirft sich ergeben dem Stoff zu Füßen: viel, viel Frucht, ohne süß zu sein, viel, viel Kraft, ohne den Kopf zu plätten, ein ganz großer Mund, eine ganz leichte Säure, und über allem eben diese Bergamotte-Note, die vom Gebirge runterweht und ein bisschen Schnee mitbringt. Sowas habe ich noch nie getrunken, aber davon brauche ich jetzt dringend eine Kiste. Ach was, eine. Fünfzehn. Für die nächsten Jahrhunderte.

St. John Bread and Wine
94–96 Commercial Street
London E1 6LZ

The Julie Project

“I first met Julie on February 28, 1993. Julie, 18, stood in the lobby of the Ambassador Hotel, barefoot, pants unzipped, and an 8 day-old infant in her arms. She lived in San Francisco’s SRO district, a neighborhood of soup kitchens and cheap rooms. Her room was piled with clothes, overfull ashtrays and trash. She lived with Jack, father of her first baby Rachael, and who had given her AIDS. She left him months later to stop using drugs.

Her first memory of her mother is getting drunk with her at 6 and then being sexually abused by her stepfather. She ran away at 14 and became drug addict at 15. Living in alleys, crack dens, and bunked with more dirty old men than she cared to count.

For the last 18 years I have photographed Julie Baird’s complex story of multiple homes, AIDS, drug abuse, abusive relationships, poverty, births, deaths, loss and reunion. Following Julie from the backstreets of San Francisco to the backwoods of Alaska.”

The Julie Project von Darcy Padilla.

Via Harriet Browns Gezwitscher.

Fürs Tagebuch

“Women’s fitness magazines are bullshit”

“We’ve long suspected that “fitness” is secret ladymagcode for “neurotic thinness,” and a perusal of three of this month’s “health” and “fitness” offerings- Self, Fitness, and Women’s Health has shown that there’s some serious subliminal self-worth eroding shit going on. Readers are sold the idea of being healthy and strong and fit and end up with a stack of weight loss ads and splashy graphics about having pretty hair. The pervasive “lose weight” message is fed to us like a dog pill slathered in peanut butter, and we’re expected to just take it and go happily scampering off.

Between the three magazines, weight loss as the goal of fitness and calorie counting as a requirement of eating was mentioned and repeated and harped upon on over 100 pages. The second most popular topic featured in women’s fitness magazines? Makeup and beauty products, which take up 60 pages of the publications. We also are taken on a delightful journey through clothing, accessories, and jewelry, because nothing says “health” like having a nice healthy watch by Tag Heuer or a cancer-fighting Kate Spade bag. There are some lessons to be learned, though, important lessons that will help all of us feel crappy about ourselves without actually getting any stronger or loving our bodies:

Have an unbelievably fucked up relationship with food and expect that every other woman does as well. Desserts are “indulgent,” and “sinful” and calories are to be obsessively counted. Breakfasts are compared side-by-side and analyzed for fat content. Tips about how to resist the urge to eat a piece of cake abound. Foods are discussed as “belly busters” or “fat fighters” rather than “delicious things that you put in your mouth, chew, swallow, and enjoy without obsessing over.” (…)

Never stop wanting to be smaller than you are. Your ultimate goal should be to shrink to the point of complete invisibility. We should not be able to see you when you turn to the side. This month’s issue of Self featured an article that encouraged its readers to maintain their “slim down drive,” like it’s something that occurs naturally, like prey drive, or sex drive. “Here we see a gathering of bonobo monkeys scrutinizing each other’s thighs and vowing to collectively do more lunges. The natural beauty of the slim-down drive, in action.” It’s not natural to want to be smaller; that’s why you get hungry when you don’t eat enough. The magazine could have easily repackaged “slim down drive” as “workout drive,” but instead they chose to play on their readers’ insecurities by creating one of the Most Bullshit Phrases I’ve Ever Read.”

Jezebel, Women’s Fitness Magazines Are Bullshit

Wohlfühlkuschelessen für stürmische Hamburger Abende

Beim Einkaufen habe ich gestern neben den geplanten Weintrauben und Äpfeln noch drei dicke, gelbe Pflaumen erstanden. In meiner Einkaufstasche befand sich außerdem zum ersten Mal ein Liter Sojamilch. Ich ernähre mich seit Eating Animals so ziemlich vegetarisch (seit August dreimal Fleisch, das letzte Mal Anfang Dezember), aber auf Milchprodukte und Eier wollte ich bisher nicht verzichten, obwohl ich weiß, dass das inkonsequent ist. Bio-Eier mit der 0 auf der Schale habe ich schon gekauft, als ich mich noch größtenteils von Tiefkühlpizza ernährt habe, denn das ist der einfachste Umstieg auf ethisch halbwegs vertretbares Essen, den eigentlich jeder mitmachen könnte. Die Nuller-Eier liegen in so gut wie jedem Supermarkt, praktischerweise direkt neben den Qualeiern mit der 3 drauf; ein Griff daneben, und man hat wenigstens ein bisschen was getan. Im Prinzip.

In Wahrheit geht es Biohühnern fast genauso beschissen wie Volierenhühnern, und Milchkühe führen auch in Biobetrieben ein mieses Leben, weil sie eben auf Teufel komm raus Milch geben müssen, damit sie sich rentieren. Das heißt, sie werden wieder und wieder geschwängert – damit sie Milch geben; logisch, aber darüber habe ich mir früher auch noch nie einen Kopf gemacht –, das Kalb wird ihnen sofort weggenommen, und sie sind auf Milchmengen gezüchtet, die schon längst jenseits von Gut und Böse sind. Bitte ergoogelt euch den Rest. Für heute mach ich’s kurz: Milchreis schmeckt auch hervorragend mit Sojamilch.

Eine halbe Tasse Milchreis mit der dreifachen Menge an
Sojamilch aufkochen und bei niedriger Hitze so lange köcheln lassen, bis der Reis weich ist. So 20 Minuten ungefähr.

In einem zweiten Topf
gelbe Pflaumen, entsteint und in mundgerechte Stücke geschnitten, und
eine gute Handvoll Weintrauben mit
einem dicken Schuss Weißwein,
einem Teelöffel braunem Zucker und
einer Zimtstange

leicht vor sich hinköcheln lassen, bis die Früchte die gewünschte Matschigkeit haben. Zimtstange raus, Kompott auf den Reis kippen, fertig. Wärmt. Schmeckt. Und wenn das Obst noch regional und saisonal gewesen wäre … aber lassen wir das. Wärmt. Schmeckt.

Edit 10.02.: Uuuh, zu diesem Eintrag kam ein bisschen Post. Viele haben mich darauf aufmerksam gemacht, dass Sojaanbau genauso doof ist wie Milch zu trinken – oder fast. Ich meine mich zu erinnern, dass der Sojaanbau auch deswegen so problematisch ist, weil das Zeug billig an die Massentiere verfüttert wird, weswegen wir so viel davon brauchen. Wenn die Massentierhaltung nicht wäre, müssten auch nicht so viele Quadratkilometer Regenwald dran glauben. Bis dahin habe ich lieber einen Baum auf dem Gewissen als eine Kuh, obwohl das karmatechnisch wahrscheinlich nichts ändern wird.

Karen Duve hat in Anständig essen genau dieses Dilemma beschrieben – ich weiß, dass ich *immer* irgendwas falsch mache, ganz gleich, was ich mir in den Einkaufskorb packe. Und entweder wird man dann Frutatier oder arrangiert sich damit, eben doch nicht ganz so der gute Mensch zu sein, der man gerne wäre. Ich persönlich bin jetzt grade im Stadium „Ich bin nicht perfekt und manchmal will ich im Februar halt Pflaumen essen“, aber vielleicht ändert sich das ja noch.

Und deshalb bin ich für die Frauenquote:

Steht alles bei der Kaltmamsell. Unterschreibe ich sofort.

Happy birthday, James Dean

“James Dean would have turned 80 years old today. Magnum takes a look back at the actor with images taken by Dennis Stock in 1955.”

(via Magnum Photos Gezwitscher)

Wie ich James Deans Grabstein geküsst habe. Meine Bilder. Warum ich immer noch um ihn trauere.

Heimat

„Meine Oma hatte ein Häuschen. Es war sehr klein – so klein, dass es nur Platz für eine Wohnstube, eine Küche, ein Schlafzimmer, ein Gäste-WC, Treppe, Bad, Flur und natürlich für meine Oma bot. Es hatte eine herrliche Lage, direkt im Hang, und von seinem Garten aus konnte man über das ganze Dorf blicken. In diesem Garten stand – tagein, tagaus – meine Oma, den Kittel eng um die Hüfte geschlungen, und pflegte ihr Gemüsebeet.“

Weiterlesen bei serotonic. Taschentuch mitnehmen. Und ein bisschen Ehrfurcht für den wunderschönen Text.