Heute back ich, morgen ess ich, und übermorgen haue ich der Königin ihr Kind
Mein Mitbringfraß (Pflicht) zum heutigen Agenturfasching (Pflicht). Plan: in eine noch nicht zugequalmte Ecke zurückziehen, hoffen, dass keiner ein Foto von mir macht, ordentlich Schokosirup und Sahne über den Kram schlotzen und die Jecken geistig ausblenden (Kür).
Hershey’s Best Brownies
1 Becher (250 g) Butter
2 Becher Zucker
2 TL Vanille-Extrakt
4 große Eier
3/4 Becher Kakaopulver (den dunklen, kein Kaba oder Artverwandtes)
1 gestr. TL Backpuler
1 Msp. Salz
1 Becher ungebleichtes Mehl (ungebleicht, schmungebleicht, Mehl ist Mehl)
1 Becher gehackte Nüsse (wer’s mag. Ich mag’s, kann man aber auch weglassen)
Den Ofen auf 180° C (Gasstufe 3) vorheizen. (In der Zeit nochmals überprüfen, ob man wirklich genug Zucker im Haus hat.)
Eine rechteckige Backform einfetten. (Roundabout 30 x 20 x 5 cm, vulgo: die rechteckige, flache Form von Ikea.)
Die Butter in einem großen Topf zerlassen. Den Topf vom Herd nehmen und Zucker, Vanilleextrakt und die Eier nach und nach einrühren. (Geht auch hervorragend andersrum, man kann den Eiermatsch ruhig cremig schlagen und dann die Butter dazufließen lassen.)
Kakao, Backpulver und Salz zufügen und alles gründlich verschlagen. (Merke: Kakao staubt noch mehr als Mehl und saut auch mehr ein.)
Mehl und, falls gewünscht, Nüsse einrühren. (Yep, schon dabei.)
Den Teig in die eingefettete Form füllen und 30 bis 35 Minuten backen oder so lang, bis sich die Brownies von den Wänden der Form lösen. (Bei mir lösen die sich ziemlich früh. Lieber nochmal reinpieken. Damit kriegt man es auch prima so hin, dass die in der Mitte noch ein bisschen klietschig bleiben und nicht so staubtrocken werden.)
Die Form auf einen Rost stellen und bei Zimmertemperatur auskühlen lassen. (Währenddessen die Schüssel auslecken.)
In Stücke schneiden und „à la mode“ mit Vanilleeis und Schokosirup (zum Beispiel Hershey’s Chocolate Syrup) servieren. (Ich nehm auch gerne nur Sahne. Und wenn der örtliche Karstadt kein Hershey’s mehr hat, tut’s auch das peinliche Nesquik-Karnickel mit der gelben Kappe auf dem Schokoschädel.)
Ergibt 36 Brownies. (Wenn man sie verdammt klein schneidet. Bei mir kommen 20 raus. Da ist man dann allerdings auch nach eineinhalb Stücken platt für den Rest des Tages.)
(Dieses Rezept wurde Ihnen präsentiert von Culinaria USA, einem Wälzer, in dem ich nicht blättern kann, ohne hungrig zu werden oder ganz dringend einen Flug buchen zu wollen.)
Ich wusste es
Ich habe ja ewig mehrere Tage mit mir gerungen, ob ich beim Blogaliken mitmachen sollte, denn ich habe genau solche Beiträge befürchtet wie die von Hebig und Schwenzel. Den Inhalt meiner Seite haben die beiden Plagiatoren ja schon eins a erfasst, aber der Stil lässt doch noch arg zu wünschen übrig.
Daher die folgenden Beiträge dazu, euch anzuspornen. Ihr wollt doch hier nächsten Montag was Anständiges lesen, oder?
„Das Wochenende war mal wieder total langweilig. Habe DVDs geguckt mit den Kerl, was sonst? Mein Kerl ist übrigens ein ganz lieber; wäre er ein Auto, würde ich ihm eine Broschüre texten. Viggo war gestern, Kerl ist heute. Jetzt 20% mehr Kerl. Wenn er mein Schwert nicht immer so unordentlich in die Ecke stellen würde, wäre er perfekt. Donnerstag gehen wir ins Kino. Bis dahin machen wir einen Kurzausflug mit der Agentur und fliegen zum Shoppen nach Dubai. Das Leben ist schön. Und Hannover ist es auch.“
„yipee. ich habe die komplette season 3 von 24 von meinem amazon wunschzettel bekommen. gestern abend wollte ich dann zusammen mit dem kerl schnuffi kiefer angucken. ich bin dann aber mit ner tafel schokolade in der hand beim kerl in den armen eingeschlafen und habe schreckliche alpträume bekommen. in meinem traum hatte mein blog alle farbe verloren und war von einem scheissenden hund dekoriert. ausserdem hatte ich im traum keine rechtschreibung und grossschreibung mehr und musste die ganze zeit „ficken!“ schreien. ein alptraum! …FICKEN!“
Also: besser machen, Anke sein, Buch gewinnen. Noch fünf Tage.
Jetzt haben die Terroristen gewonnen
Antville-Sprech nun auch im wahren Leben. Heute einen Bus mit der Aufschrift LassPizza.com gesehen.
Knitters unite!
Das wird die Strickblogger freuen: In London eröffnet eine Ausstellung, die Stricken zur Revolution hochstilisiert: Political protest turns to the radical art of knitting.
The exhibition comes as knitting enjoys a fashionable resurgence, with celebrities from Madonna to Julia Roberts and Russell Crowe extolling its virtues as a creative outlet and a stress reliever.
Katie Bevan, one of the exhibition’s curators, believes that the roots of the trend are deeper. “There’s a sort of zeitgeist: a make-do-and-mend spirit during this war on terror or whatever it is. Everyone just wants to go home and knit socks.”
For many of the artists in the show, the act of knitting is itself political. Shane Waltener, who is making a site-specific, web-like piece embedded with a text from the French semiotician Roland Barthes, says knitting has been “long underrated because it is ‘women’s work'”. Part of the point for him is “going public as a guy doing knitting … I had to teach myself to knit and crochet, because ‘boys don’t’.”
For many political knitters, the craft represents an act of rebellion. Waltener says: “On the one hand I am celebrating this tradition that I really believe in. On the other it is about self-sufficiency. By knitting you are resisting capitalism and consumerism. You are not responding to the fashion industry; you are making your own decisions.”
Damit ist Russell Crowe aber sowas von der Schnuckiliste geflogen, so schnell kann der Mann gar nicht „Angorapulli“ sagen.
Konsumenteninformation
Tony versteigt sich neuerdings zu der Theorie, aus mir könnte ein Koloratursopran werden. Ich behaupte dagegen weiterhin, „nur“ ein Mezzosopran zu sein, damit ich nicht so pissig werde, wenn ich mal wieder haarscharf am zweigestrichenen a vorbeischramme. In den Übungen habe ich die Töne drin, aber sobald mich eine Note in dieser Höhe vom Blatt anlächelt, werde ich zum Kaninchen vor der Schlange und krächze nur noch panisch in der Gegend rum.
Was Tony nicht davon abgehalten hat, mir vorgestern vier neue Lieder aufzutischen, die sich schön weit oben im Register befinden: Les Berceaux von Gabriel Fauré (franzackig? Geht’s noch? Hat der Mann denn nichts Lateinisches da?) und drei Lieder von Samuel Barber. Da ich mal wieder meine Kassette vergessen hatte und ich deswegen keine Klavierbegleitung vom Herrn und Meister aufzeichnen konnte, habe ich gestern versucht, die vier Stücke auf CD zu bekommen. Erstens zum Üben und zweitens zum völligen Demoralisiertsein, wenn ich die wunderschönen Frauenstimmen aus dem iBook höre und vergeblich versuche, gegen sie anzusingen.
Der Fauré war kein Problem. Aber nach den Barber-Liedern wird angeblich, O-Ton Verkäufer, „nie gefragt“. Dass ich die CD somit bestellen musste, habe ich ihm verziehen, denn die Beratung war klasse. Es gab mehrere CDs, auf denen die Lieder drauf waren, und er konnte mir zu fast jeder etwas sagen. Nicht aus dem Computer, sondern aus dem Gedächtnis oder weil er sie teilweise selbst besitzt. Welche Sänger, ob er sie empfehlen würde, ob die Aufnahme schon etwas älter war, ob die Arrangements mehr Wert auf die Begleitung als auf die Stimme legen würden (denn auf die kam’s mir ja an) und noch mehr Infos, zum Beispiel zum Booklet, hatte der Mann parat. Ich bin schwer beeindruckt gewesen und empfehle daher für den schwierigen Klassikkauf Hanse CD im Hanse Viertel, Große Bleichen 36.
Und weil’s grad so schön passt, hier der herzschmerzige Text zu Les Berceaux.
Le long du quai, les grands vaisseaux,
Que la houle incline en silence
Ne prennent pas garde aux berceaux
Que la main des femmes balancent.
Mais viendra le jour des adieux,
Car il faut que les femmes pleurent,
Et que les hommes curieux
Tentent les horizons qui leurrent !
Et, ce jour là, les grands vaisseaux,
Fuyant le port qui diminue
Sentent leur masse retenue
Par l’âme des lointains berceaux.
This blog is your blog, this blog is my blog,
From California to the town of Woodstock,
From the Redwood Forest to the Gulf stream waters,
This blog was made for you and me.
Blogalike-Contest: mitmachen, Anke sein, Buch gewinnen. Noch sechs Tage.
Mistfink
Eigentlich wollte ich das als Blogalike-Beitrag bei Spreeblick einreichen, aber nach seinen Regeln dürfen die Fakes nichts mit dem bösen Klingeltonanbieter zu tun haben. Dann gibt’s den kleinen, gelben Zuckerschnabel halt so: Kill Sweety.
Ungelöst
Wem die Rätsel bei Herrn Tutschek zu banal werden (mir nicht, ich knobele immer noch an dem Filmplakat herum), der kann ja Dr. Film beim Magazin Schnitt helfen. Dort suchen verzweifelte Leser nach Filmtiteln. Hier die Rubrik mit den Fragen, die auch Dr. Film nicht beantworten konnte. Aber zum Ausgleich hier noch die Rätsel, die Dr. Film lösen konnte.
Somebody up there blogs me!
Ich bin beim Blogalike-Contest von Wirres dabei. Die Idee hat er übrigens von Malorama geklaut, der sie von Faustus geklaut hat.
Nochmal kurz erklärt: Ich möchte nachgeäfft werden. Setzt euch hin, strengt euch an und imitiert meine, wie ich glaube, unnachahmliche Schreibe. Schreibt über eine DVD, Agenturquatsch, den Kerl, blogging in general, Kiefer Sutherland oder irgendwas, von dem ihr glaubt, ich könnte drüber schreiben. Oder auch über irgendwas, über das ich noch nie ein Wort verloren habe. Spontan fällt mir da das Paarungsverhalten von Zierfischen oder die Faszination von Kakteen ein. Ihr habt für euren Eintrag knapp eine Woche Zeit, genauer gesagt, bis nächsten Sonntag, Schlag Mitternacht. Euren literarischen Erguss sendet ihr mir bitte bis dahin an mail ‘at’ ankegroener ‘dot’ de.
Am Montag, den 7. Februar, werde ich nicht nur selbst einen Beitrag online stellen, sondern zeitgleich alle Beiträge, die angeblich so klingen wie ich und die mir von eifrigen Lesern/Schreibern/Kopisten eingesandt wurden. Ich behalte mir vor, diese Beiträge ortografisch den heutigen Gegebenheiten anzupassen und diejenigen, die ich scheiße finde, zu ignorieren.
Danach darf die geneigte Leserschaft zwei Tage lang, genauer gesagt, bis Dienstag, Schlag Mitternacht, per Kommentar abstimmen, welcher der Beiträge wirklich von mir ist (abstimmen nur mit gültiger E-Mail-Adresse oder URL oder wenn man mir persönlich oder als Stammleser bekannt ist). Erkennen mich alle wieder, bestätigt das meine Theorie, dass niemand so seltsam scheiße arrogant unterhaltsam doof verknallt anke schreibt wie ich. Glaubt die verwirrte Leserschaft, ein anderer Beitrag sei von mir, erhält der Verfasser dieses bösen Fakes einen superduper Preis von mir: nämlich entweder einen Kinogutschein (gilt nur für Originalversionen) oder ein Buch nach Wahl. Dass ich, wenn jemand anders als Anke durchgeht, in ein riesiges Loch aus Selbstzweifeln fallen werde, ist dann natürlich eure Schuld.
Ich persönlich werde versuchen, Herrn Schwenzel nachzuahmen und bin schon sehr gespannt, über was ich schreiben werde. Genauso natürlich auf das, was ihr verzapft. Falls weniger als drei Fakes eingehen, lassen wir den Quatsch lieber sein, und Montag steht was Tolles über den Super Bowl im Weblog. Your choice.
Also dann: Viel Spaß beim Anke-Sein. Ist echt nicht so schlimm. Wenn man sich dran gewöhnt hat, isses sogar ganz lustig.
Liebe ist es. (Schwein gehabt, Baby.)
„Lieber Ludwig, mein Körper liebt deine Wärme. Plansch mit mir auf dem süßesten See der Träume. Deine Sandra.“
(Ich sollte keine SMS-Laufbänder auf MTV2 gucken. Ich sollte eigentlich überhaupt kein MTV2 gucken. Ich sollte jetzt meinen Arsch hochkriegen und Singen üben. Ach, komm, einer geht noch:)
„Beste Sonja, du hast mir Geborgenheit gegeben. Liebe ist es, was ich für dich empfinde. Ewiglich, dein Peter.“
Der, die, das, wer, wie, was, wieso, weshalb, warum, wer nicht fragt, bleibt dumm
Im Original klingt die Sesamstraße so: “These are the people in my neighborhood, in my neighborhood, in my neigh”¦ bor”¦ hood, oh, these are the people in my neighborhood, they’re the people that you meet, when you’re walking down the street, they’re the people that you meet, each day.”
Und daraus kann man ein schönes Fotoprojekt machen.
(via Mighty Girl)
The good, the bad, the ugly
The good: alte Mails vom Kerl lesen und sich nochmal verlieben.
The bad: das Gefühl haben, beim Lesen im Kopf eine Oktave höher zu piepsen.
The ugly: ihm eine Mail zusammenpiepsen, dass man gerade piepst, weil man seine alten Mails gelesen hat und nun piepsig ist und dabei ahnen, dass man genau diese Mail in einem Jahr nochmal liest, um dann piepsig hoch zwei zu sein.
“After all, it’s rather a privilege
amid the affluent traffic
to serve this unpopular art which cannot be turned into
background noise for study
or hung as a status trophy by rising executives,
cannot be ‘done’ like Venice
or abridged like Tolstoy, but stubbornly still insists upon
being read or ignored … ”
W. H. Auden, regarding poetry
(gefunden auf whiskey river, einem sehr schlichten, schönen, inspirierenden Weblog)
(read shhhh)
Buchenwald. Jugendfreizeit in der DDR. Zuerst das Goethehaus, Mittag essen, Sättigungsbeilage, in den Bus, den Ettersberg hinauf, Weimar zu Füßen. Man sieht Buchenwald aus Weimar nicht. Unser Führer (viele Witze über diese Bezeichnung, keiner dabei, den er noch nicht gehört hätte, wie er uns sagt) erzählt uns vom Ascheregen, der manchmal tagelang nicht aufhörte. Wir gehen durch das Tor, in dem „Jedem das Seine“ in Eisen geschmiedet steht. Die Uhr über dem Tor ist auf die Uhrzeit der Befreiung eingestellt. Wo früher die Baracken standen, sind heute die Fundamente mit Steinen nachgezeichnet. Eine große, plane Fläche, über die der Wind weht, wie in einem sehr, sehr schlechten Film. Das Wort „Totenstille“ fällt mir ein. Wir besichtigen die Genickschussanlage, und mir ist unwohl dabei, eine derartige Konstruktion zu „besichtigen“. Der Zellenblock für die Einzelhaft. Die nachgebildeten Holzkarren, auf deren Originalen Steine für die Straße nach Weimar transportiert werden mussten. Der Pfahl, an dem Gefangene an den Handgelenken aufgehängt wurden, bis die Schultern auskugelten. Die Öfen, vor denen einige aus der Gruppe posieren, um ein Foto zu machen. Was für ein Urlaubsdia. „Ach, guck mal, da waren wir im KZ.“ Die Pathologie. Die gekachelten Bänke und Becken, der Abfluss im Boden. Dann die Ausstellung, die fast nur von den Kommunisten und Ernst Thälmann erzählt, von den russischen Gefangenen. Alle anderen werden nebenbei erwähnt. Eine Vitrine mit Kinderschuhen aus Auschwitz. Eine Mitreisende fragt mich, wieso man das nötig habe, Schuhe aus Auschwitz hierher zu bringen – reiche das noch nicht, was man hier sieht? Und ob ich mal ein Taschentuch habe. Hab ich nicht. Ich hab keine mehr. Das Ende der Ausstellung markieren rote Fahnen und ein Hinweis auf den antifaschistischen Schutzwall und das obligatorische Honeckerbild.
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Theresienstadt. Klassenfahrt nach Prag. Eine Busladung von 17- und 18jährigen, die einen Abend vorher Türme aus leeren Biergläsern in der Prager Altstadt gebaut haben. Das „Vorzeige-KZ“, die „jüdische Mustersiedlung“. Das Ghetto. Über dem Tor „Arbeit macht frei“. Die anderen besichtigen einen Tunnel, der durch das Lager führt. Ich warte lieber draußen. Ich habe Angst, wenn es so eng ist. Hier draußen ist es still. Es regnet. In einer Art Schulungsraum sehen wir Filme, die die Alliierten nach der Befreiung in mehreren Konzentrationslagern gedreht haben. Die Skelette in den Gruben. Die Brillengestelle. Das Zahngold. Die Haare. Die Koffer, Taschen, Kartons. Die gestreiften Anzüge, die sprachlosen Gesichter. Nach fünf Minuten gehen die ersten nach draußen, eine rauchen.
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Bergen-Belsen. Schulausflug, 10. Klasse. Ein Mitschüler mit FAP-Aufnäher an der Bomberjacke. Er steht da, mit den Händen in der Tasche, während ich mir die Vitrine zu Anne Frank durchlese. Alles wirkt wie ein Park, die Ruhe, sauber geharkte Wege, Blumen. Ab und zu eine Tafel „Hier liegen 1000 Menschen“, „Hier liegen 5000 Menschen“, „Hier liegen 10.000 Menschen“. Eine Wand, an der Kränze niedergelegt werden. Auf der Rückfahrt die vergebliche Diskussion mit dem FAP-Mitschüler, der sich in das Stichwort „Auschwitzlüge“ verbeißt. Wir diskutieren mehrere Geschichtsstunden lang. Irgendwann möchte ich ihm nur noch eine reinhauen.
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Urlaub in Israel. Das Fischrestaurant in Tel Aviv, das komische Gefühl beim Treiben im Toten Meer, die Golan-Höhen, die Kindergartengruppe in Akko mit ihren Aufseherinnen, die beide ein Gewehr geschultert haben, die Grabeskirche in Jerusalem, die Klagemauer, der Felsendom, Beth-Schean, Masada, Bethlehem, Sonne, das Mittelmeer, das Rote Meer, Urlaub eben … Tiberias am See Genezareth. Kurz vor Abfahrt des Reisebusses. Ich bin zu spät, haste aus dem Hotelzimmer, sehe den Fahrstuhl auf meiner Etage, in dem ein alter Mann steht, ich rufe “Hold it, hold it, please”, und er hält mir freundlich die Tür auf. “Thank you”, Baseballmütze zurechtgerückt, Rucksack aufgesetzt. “Are you American?” “No, I’m German.” Er hört meine Worte und sein Lächeln verschwindet. Er tritt so weit wie möglich von mir weg, drückt sich an die Fahrstuhlwand und schaut demonstrativ an mir vorbei. Ich sehe seine Tätowierung und wäre gerne unsichtbar.
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Yad Vashem. Die Halle, in der die Namen von allen Konzentrationslagern auf dem Boden geschrieben stehen. Kränze, eine Feuerschale, es ist fast dunkel. Und es ist sehr still. Die Allee der Gerechten, die Bäume, die für die Retter gepflanzt wurden. Ich kenne keinen der Namen. Die Austellung mit den Bildern, die mich immer noch zum Weinen bringen. Kann man bei diesen Fotos jemals abstumpfen? Kann man irgendwann begreifen, was geschehen ist? Kann man verstehen, wie aus Menschen Mörder werden? Kann man ermessen, wieviel sechs Millionen sind?
In der Gedenkstätte ein großer, niedriger Raum. In ihm sind Regale aufgereiht, in denen Akten stehen. Eine Akte für jeden Juden, der umgebracht wurde. Die bekannten Daten, Bilder, wenn vorhanden, ehemaliger Wohnort, Tag der Deportation, in welches Lager, Tag der Ermordung. Eine Akte pro Mensch. Ein blödes Blatt Papier zwischen zwei Pappdeckeln. Alles, was noch da ist. Eine verdammte Akte.
Ich kann die Rückwand des Raumes nicht sehen. Nur Regale und Akten. Der Raum hat kein Ende. Der Raum hat einfach kein Ende.