Chicago

Chicago (2002)

Darsteller: Renee Zellweger, Catherine Zeta-Jones, Richard Gere, John C. Reilly, Queen Latifah
Drehbuch: Bill Condon (nach dem Musical von Maurine Dallas Watkins)
Kamera: Dion Beebe
Musik: John Kander (Non-Original Music), Danny Elfman (Original Music)
Regie: Bob Marshall

Was erwarte ich von einem Musical? Ganz einfach: eingängige Songs, die ich auf dem Nachhauseweg vor mich hinsummen kann, eine simple Geschichte, die nicht von der Musik ablenkt (denn darum geht es schließlich), gute Stimmen, gute Tanzeinlagen.

Kann Chicago das einlösen?
Absolut.

Was aber erwarte ich von einem verfilmten Musical? Zum Beispiel, dass der Regisseur sich bewusst ist, dass er mit seinem Material alles das machen kann, was im Theater mit dessen eingeschränkten räumlichen und zeitlichen Möglichkeiten nicht geht. Ich erwarte, dass er diese Möglichkeiten nutzt, dass vielleicht das simple Singspiel um eine Ebene erweitert wird, dass die Charaktere Tiefe bekommen, die im Theater schwierig rüberzubringen ist, dass es auf der Leinwand nicht mehr ganz so theatralisch und plakativ zugeht wie auf der Bühne, wo das so sein muss, um auch den Zuschauer in der letzten Reihe zu erreichen.

Kann Chicago das einlösen?
Leider nicht.

Bob Fosses Broadway-Klassiker von 1975 spielt in den 20er Jahren in Chicago, einer hektischen Zeit, in der Headlines wie Groschenromane klangen, wo aus gefallenen Mädchen Heilige wurden und umgekehrt und es niemand mit dem Gesetz so ernst nahm. Das Stück ist eine musikalische Hommage an diese Zeit, voller mitreißendem Swing, Charleston und Jazz. Die Geschichte handelt von Roxie Heart (Renee Zellweger), die ihren Liebhaber erschossen hat, und Velma Kelly (Catherine Zeta-Jones), die ihrerseits Schwester und Ehemann umgebracht hat. Velma ist bereits ein gefeierter Star auf Chicagos Bühnen, Roxie will es noch werden. Beide sitzen in der Todeszelle und hoffen auf die juristischen Kniffe von Billy Flinn (Richard Gere), um sie vor dem drohenden Galgen zu retten.

Die Story ist also einfach genug, um nicht großartig nachdenken zu müssen. Sie ist auch eher eine Entschuldigung dafür, dass alle Beteiligten ständig in Gesang ausbrechen. Kein Problem, das wusste ich ja, bevor ich die Kinokarte gekauft hatte. Was mich aber etwas überfordert hat, war die völlig arrogante Kühle, mit der die Akteure mich zugesungen, nein, zugeschmettert haben.

Die ganzen Tanz- und Gesangsszenen haben mein Herz nie erreicht, weil keiner der drei Hauptdarsteller es geschafft hat, mich von seinem Charakter zu überzeugen. Es hat sich immer so angefühlt, als wollten sie mir nur zeigen, wie toll sie alle singen und tanzen können. Und dass die meisten Kostüme eher nach Softporno als nach verführerischem Jazz aussahen, hat auch nicht geholfen. Nach dem zwanzigsten Close up auf Unterleiber und wogende Brüste hab ich kapiert, dass das alles ganz doll erotisch sein soll, danke.

Vielleicht war es auch ein Fehler, im Kopf ganz automatisch andere Musicals abzurufen, die man auf der Leinwand gesehen hat: Cabaret natürlich, das auch musikalisch Chicago recht nahe kommt, es aber von der dramatischen und hochemotionalen Story her um Längen schlägt. Moulin Rouge! natürlich, das meiner Meinung nach das Genre neu definiert hat mit seinem Mix aus modernen Songs, die plötzlich ganz anders klangen, und seiner überbordenden Theatralik. Oder auch Everyone says: I love you von Woody Allen, der, wie es eben seine Art ist, ein kleines, neurotisches Singspiel hinbekommen hat, das lockerleicht an einem vorbeiperlt. Diese drei Beispiele haben für mich etwas Eigenständiges gehabt; sie haben sich bemüht, nicht einfach nur gute Sänger und Tänzer eine altbekannte Story runterbeten zu lassen, sondern sie haben ihren jeweiligen Charakteren etwas mehr zugetraut als singende Schablonen zu sein.

Chicago ist laut, zynisch (muss es wohl sein bei der Story), ziemlich straff durchinszeniert und hat einige wunderbare Einfälle wie die Pressekonferenz, die Billy für Roxie hält und auf der alle Journalisten zu seinen Marionetten werden. Hier ist der Film endlich ein Film und nicht nur ein Bühnenstück, bei dem zufällig die Kamera mitgelaufen ist. Queen Latifah singt die beiden Hauptdarstellerinnen mit ihrem Sexappeal locker an die Wand mit ihrer Nummer „When you’re good to Mama“, und John C. Reilly als Roxies gehörnter Ehemann verströmt als einziger der Darsteller ein bisschen Gemüt und Ehrlichkeit. Und er hat als einziger mein Herz gewonnen. Alle anderen Charaktere sind manipulativ, hinterhältig und egoistisch. Und auch, wenn das die Hauptaussage von Chicago ist: Jeder ist seines Glückes Schmied, und es ist jedes Mittel recht, dieses Glück zu erreichen – mich hat der Film deshalb eher abgestoßen, oder besser: seltsam unberührt gelassen.

Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass ich Renee Zellweger auf den Tod nicht leiden kann und auch mit Richard Gere meine Probleme habe. Catherine Zeta-Jones dagegen hat mich sehr positiv überrascht: Sie ist die perfekte divenhafte Zicke. Passt. Zellweger dagegen guckt nicht unterwürfig-naiv, um Eindruck bei der Jury zu machen, sondern sieht in meinen Augen einfach nur dämlich aus. Und Gere ist einfach zu schnuffig, um den aalglatten Verteidiger, der alles für Geld tut, überzeugend hinzubekommen.

Der Film schafft den Bogen einfach nicht zum völligen Überschwang wie Moulin Rouge!, den man in keiner Sekunde ernst nehmen konnte; er will aber auch nicht ehrlich und ernsthaft rüberkommen. Daher wirken gerade die Momente mit Reilly gleichzeitig anrührend und völlig deplatziert, weil er sich wirklich bemüht, seinem Charakter etwas Würde mitzugeben.

Ich habe wirklich Schwierigkeiten, meinen Eindruck in Worte zu fassen. Musicals sind sowieso Glatteis, weil man sie nicht mit „normalen“, erzählten Filmen vergleichen kann. Aber wenn man eben Filme wie Moulin Rouge! im Hinterkopf hat, fragt man sich schon, ob man aus Chicago nicht mehr hätte machen können. Ich fand den Film genauso wie seine Protagonisten: herzlos, laut und darauf aus, als Sieger den Platz zu verlassen, koste es, was es wolle.

Nee, sorry. Mich hast du nicht gekriegt. Auch wenn ich seit Stunden „All that Jazz“ vor mich hinsinge.

Adaptation

Adaptation (Adaption, 2002)

Darsteller: Nicholas Cage, Meryl Streep, Chris Cooper, Tilda Swinton, Cara Seymour
Drehbuch: Charlie Kaufman, nach einem Roman von Susan Orlean
Kamera: Lance Acord
Musik: Carter Burwell
Regie: Spike Jonze

Adaptation ist ein cleverer Film. Er beruht auf einem Buch, das keine Story hat und erzählt trotzdem eine. Er schafft Charaktere, wo vorher keine waren. Er amüsiert das Publikum mit kleinen Geschichten aus Hollywood und über das Drehbuchschreiben, und man kann sich genüsslich zurücklehnen und zugucken, wie der Film alle Regeln bricht, die uns gerade erklärt wurden. Sehr clever. Genauso clever wie die Besserwisser früher in der Schule, die in den Sommerferien schon die Bücher fürs nächste Jahr durchgelesen hatten, damit sie vorbereitet waren. Genauso clever wie die Blödmänner im Job, die irgendwie anders sein wollen, um aufzufallen. Sehr clever. Und total enervierend.

Die Geschichte: Drehbuchautor Charlie Kaufman hat den Job bekommen, aus dem Buch The Orchid Thief von Susan Orlean ein Drehbuch zu machen. Er liest das Buch und stellt fest: Es hat keine Story. Also beginnt er, sich Storys zu überlegen, die vielleicht andeutungsweise im Buch vorkommen. Er rätselt über die Entstehung des Lebens, die Schönheit von Blumen, die Verlogenheit und Sehnsucht der Hauptfiguren. Aber er hat immer noch keine Geschichte. Und plötzlich, aus purer Verzweiflung, beginnt er, die Story über sich selbst zu schreiben, über einen Drehbuchautor, der an einer literarischen Vorlage scheitert. Sehr clever. Und bis dahin auch noch sehr amüsant.

Aber dann will der wahre Kaufman zu clever werden. Er lässt seine Protagonisten goldene Drehbuchregeln aufsagen, um sie filmisch zu durchbrechen. Das ist bei den ersten Malen sehr unterhaltsam, zum Beispiel, wenn er den Film-Kaufman zu seiner Produzentin sagen lässt, dass er keine Sexszene oder Knarren oder Autojagden ins Script einbauen will und wir genau das früher oder später zu sehen bekommen. Er sagt aber auch, dass er nicht will, dass seine Hauptpersonen Hindernisse überwinden müssen oder etwas lernen sollen, denn so sei das wahre Leben nicht. Erstens einmal: Genau so ist das Leben. Und zweitens: Wenn die Charaktere keine Hindernisse überwinden müssen, warum sollte ich mir dann einen Film über sie ansehen? Warum sollte ich Menschen zwei Stunden lang zuschauen, denen nichts passiert?

Dieses Dilemma ist auch Kaufman bewusst geworden, und er treibt sein Drehbuchregeln-Brechen weiter: Anstatt die bis dato sehr stimmige und skurrile Geschichte genauso stimmig und skurril aufzulösen, übertreibt er es leider. Seine Figuren werden plötzlich unscharf, sie tun Dinge, die wir von ihnen einfach nicht erwarten. Und damit meine ich nicht, dass sie über sich hinauswachsen (das wäre ja den Regeln entsprechend), sondern sie tun Dinge, die sie verdammt nochmal einfach nicht tun würden, weil sie nicht ihrem Charakter entsprechen. Der letzte Akt des Films fühlt sich an wie ein neuer Film mit neuen Figuren. Kaum einer mehr ist der, als den wir ihn oder sie kennengelernt haben. Und hier schließt sich der schlechte Kreis: Genauso wie der wahre Kaufman sich mit Adaptation vor dem Job der Buch-Adaption drückt, drückt er sich mit dem letzten Akt vor der halbwegs vernünftigen Auflösung seines eigenen Skripts. Das mag ja der Ausbund an Cleverness sein, aber für mich ist das einfach eine feige Hintertür.

Adaptation ist nicht deswegen kein guter Film geworden, weil er Regeln bricht. Die besten Filme sind die, die Regeln brechen, weil sie unerwartet sind. Auch Adaptation ist unerwartet, aber es fühlt sich nicht stimmig an. Wenn man seine Charaktere im Stich lässt, lässt man auch das Publikum im Stich, das an diesen Charakteren hängt. Und auch wenn das wieder eine der Regeln von Skript-Guru Robert McKee ist, die in Adaptation als wertloser Müll hingestellt werden, so ist sie meiner bescheidenen Meinung nach eine wichtige und gute. Ich habe zwei Stunden meiner Zeit geopfert, um einen Film zu sehen. Dann gib mir bitte auch einen, der mich halbwegs zufriedenstellt. Er muss mir nicht gefallen, er muss nicht so ausgehen, wie ich es gerne gehabt hätte, aber er muss passen. Nach Adaptation habe ich mich einfach verarscht gefühlt, so als ob Kaufman mich dafür auslacht, mein Herz an seine Charaktere verschenkt zu haben, die er zum Schluss der absoluten Lächerlichkeit preisgibt. War es falsch von mir, von der gefühlvollen Interpretation von Meryl Streep berührt zu sein, weil sie zum Schluss zur absoluten Irren mutiert? War es falsch, einen Charakter wie Chris Coopers John Laroche seltsam anrührend zu finden, weil er zum Schluss zum Idioten wird? Ist das meine Strafe dafür, dass ich über den Film-Kaufman gelächelt habe, weil er eben ein kleiner, hilfloser Nerd ist, aber zum Schluss plötzlich der siegesgewisse Held? Ich weiß es nicht.

Wäre Adaptation besser geworden, wenn er keine Regeln gebrochen hätte? Nein, denn dann wäre er nur ein typischer „Inside Hollywood“-Film geworden. Wäre er besser geworden, wenn er die Regeln radikaler gebrochen hätte? Vielleicht. So wie er jetzt ist, bleibt er leider in der halbgaren, selbstverliebten, zu cleveren Mitte und ist so als Film genau dasselbe wie sein eigener Inhalt: ein Protokoll des Scheiterns.

Maid in Manhattan

Maid in Manhattan
(Manhattan Love Story, USA 2002)

Darsteller: Jennifer Lopez, Ralph Fiennes, Stanley Tucci, Bob Hoskins, Tyler Posey, Natasha Richardson
Drehbuch: Kevin Wade
Kamera: Karl Walter Lindenlaub
Musik: Alan Silvestri
Regie: Wayne Wang

Wonach beurteilt man einen typischen Mädchenfilm? Einen dieser typischen Chick Flicks, bei denen von Anfang an klar ist, dass die beiden Hauptdarsteller (bevorzugt ein Mann und eine Frau) am Ende ein glückliches Paar ergeben? Die beiden müssen dazu einige Hindernisse überwinden, denn am Anfang des Films können sie sich nicht leiden oder leben auf verschiedenen Erdteilen oder Planeten oder passen aus irgendwelchen Gründen wie Alter, Bildung, Klassenangehörigkeit etc einfach nicht zusammen. Das wird natürlich alles hinfällig, und zum Schluss kriegen sie sich. Und wir wissen das von der ersten Sekunde des Films an.

Wonach soll man also die Qualität solcher Filme beurteilen?

Ich habe keine Ahnung.

Ich habe allerdings eine ganz persönliche Bewertungsskala für Schnulzfilme. Erstens: Wieviele Taschentücher habe ich gebraucht, als ich vor Rührung über den großen, endgültigen Kuss dahingeschmolzen bin: gar keins (keine Chemie der Darsteller), eins (ging so) oder die ganze Packung (ach, schöööön)? Und zweitens: Welche Musik will ich danach im Auto hören: Faith No More, um den Müll zu vergessen oder irgendwas Weichgespültes, um noch weiter in diesem Flauschgefühl zu baden, das der Film hinterlassen hat?

Mein Urteil zu Maid in Manhattan: die ganze Packung und Frank Sinatra.

Die Story: Jennifer Lopez ist ein Zimmermädchen in einem noblen New Yorker Hotel, Ralph Fiennes ein aufstrebender Politiker, der im selben Hotel absteigt. Durch einige Zufälle lernen sie sich kennen, er glaubt, sie sei ein Gast im Hotel und damit wohlhabend, sie verlieben sich, die Wahrheit über ihre „Herkunft“ kommt natürlich ans Licht, alles wird ganz schlimm, aber fünfzehn Minuten später ist alles wieder gut, sie küssen sich, und die Abspannschnulze beginnt.

Maid in Manhattan sieht man ziemlich deutlich an, dass die Macher sich immer noch ärgern, vor zehn Jahren nicht auf die Pretty Woman-Idee gekommen zu sein, denn die Story läuft genauso. Daher haben sie sich bemüht, hier noch mehr sozialkritischen Ballast ins Drehbuch zu packen als bei der Bordsteinschwalben-Story. Lopez ist eine alleinerziehende Mutter, Latina (und wird im Hotel auch so behandelt) und hat eine Mutter, die ihr ständig erzählt, dass sie nicht versuchen soll, nach den Sternen zu greifen – weder beruflich (sinngemäß: Management ist nichts für dich) noch privat (Finger weg von Ralph).

Dass die Fluffigkeit des Films nicht erstickt in diesen kleinen Ausflügen in die böse, böse Realität, verdankt er seinen wunderbaren Darstellern. Ich gebe zu, ich bin nicht unbedingt ein Fan von Jennifer Lopez, aber in Maid in Manhattan ist sie einfach herzerfrischend, ehrlich und sympathisch. Genau wie ihr Counterpart Ralph Fiennes, für dessen anbetenden Hundeblick, den er Lopez schenkt, als sie im Abendkleid auf ihn zuschwebt, ich eine Menge Geld bezahlen würde. Die beiden geben ihren Klischee-Rollen so viel Charme mit auf den Weg, dass man ihnen die ziemlich uninspirierten Dialoge schnell verzeiht. Und Ty, Lopez’ Filmsohn, wird mit einem einfachen Drehbuchkniff davor gerettet, eine altkluge Nervensäge zu sein: Man macht ihn einfach zu einem hochbegabten Kind, und schon kann er Sätze sage, die kein Zehnjähriger sagen würde, und er darf Richard Nixon und Simon & Garfunkel mögen. Warum auch immer.

Das Ensemble wird ergänzt durch den stets unterschätzten Stanley Tucci als Fiennes’ Assistent, der mit einem professionellen Fatalismus die Eskapaden seines Chefs erträgt und trotzdem immer bekommt, was er will. Tucci kann vom Massenmörder bis zum Weihnachtsmann alles glaubhaft spielen; ihm gehört einfach jeder Take. Auch wenn die Kamera auf Fiennes gerichtet ist – im Hintergrund wartet Tucci auf seine Pointe und veredelt mit seiner Anwesenheit jede noch so platte Szene.

Und als Krönung erleben wir Bob Hoskins als absolut britischen Butler, der Lopez eine kleine erbauliche Dialogperle mit auf den Weg gibt, als sie gefeuert wird: “What we do does not define who we are but how we rise after we fall.”

Und natürlich steigt Lopez wieder auf, nachdem sie ihre blauen Flecke verarztet hat, und natürlich wartet das Happy End schon um die Ecke. Was den Film rettet, ist die Tatsache, dass er sich selbst nicht ganz ernst nimmt. Denn gerade das Happy End ist so dick aufgetragen, dass man durch den gerührten Tränenschleier schon wieder lachen muss. Und die ganze Sozialkritik wird einfach unter den Tisch geknutscht.

Maid in Manhattan ist sicherlich ein durchkalkulierter Schnulzfilm, den Mädels lieben und Jungs über sich ergehen lassen müssen. Aber er ist dabei nicht völlig überzuckert und klebrig, sondern bleibt in seiner anspruchslosen Eigenart einfach ein kleiner, netter Film. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und außerdem ist er eine gute Entschuldigung fürs hemmunglose Mitsingen von Sinatra-Songs im Auto. Allein das reicht für eine positive Bewertung.

Frequency

Frequency: Nette Idee, dass ein Sohn per Funkgerät und Aurora Borealis Kontakt zu seinem Vater vor 30 Jahren aufnehmen kann. Nette Darsteller wie Dennis Quaid und Jim Caviezel. Nette Story, dass der Sohn den Vater vor dessen Tod retten kann. Dann wird’s allerdings kompliziert, denn mit jeder Veränderung der Vergangenheit ändert sich natürlich auch die Gegenwart. Ich fand’s irgendwann zu lang und hab nur noch halb zugehört. Aber immerhin halb.

Flawless

Flawless (Makellos): Nein, nein, nein. Philip Seymour Hoffman und Robert de Niro sind hervorragende Schauspieler, Joel Schumacher ist ab und zu sogar ein guter Regisseur, aber dieses Script hätte er lieber verbrennen sollen. Die Story vom Schwulen hassenden Cop, der nach einem Schlaganfall Gesangsstunden bei der Oberschwuchtel der Stadt nimmt und plötzlich ein netter Kerl wird, ist echt zu peinlich.

Duets

Duets (Traumpaare): Jaaa … hmmm … oooch … drei voneinander unabhängige Storylines über drei Paare, die sich alle erst einzeln zusammenraufen, um schließlich mit den anderen Pärchen in einer Karaoke-Bar zu landen. Hübsche Idee, gute Songs, aber irgendwie hat mir alles zu lange gedauert. Und die Charaktere waren auch eher Schablonen. Da hat auch Huey Lewis nichts mehr gerissen.

Gone in Sixty Seconds

Gone in Sixty Seconds (Nur noch 60 Sekunden): Hatte ich irgendwie im Kino verpasst und wollte ihn auch nicht wirklich gucken. Aber da ich nach Adaptation wieder ein bisschen Vertrauen in Nicolas „overacting“ Cage gefasst hatte, dachte ich mir, ach, nimm ihn mal mit. Hmja. Tolle Idee, Gröner. Cage hat’s mal wieder übertrieben, und seit ich The Fast and the Furious gesehen habe, muss sich sowieso jeder andere Autofilm verdammt lang machen. Daher gibt’s nur nen Querdaumen, und den auch nur, weil Giovanni Ribisi mitgespielt hat und ich mich nicht richtig gelangweilt habe.

(PS: Angelina Jolie in blond geht gar nicht.)

Gods and Monsters

Gods and Monsters: sehr ruhiger Film über die letzten Tage im Leben von James Whale, dem Regisseur von Frankenstein mit Boris Karloff. Whale wird absolut wundervoll von Ian McKellen verkörpert, neben dem der meiner Meinung nach auch nicht untalentierte Brendan Fraser leider ziemlich untergeht. Schöne Bilder, gefühlvolle Rückblenden und Traumsequenzen, ein geschickter Mix aus Original-Filmmaterial und neuen Szenen verknüpfen sich sehr stimmig zu einem kleinen Juwel. (Ja, sehr geschwärmt, ich geb’s zu, aber nach dem Film war ich irgendwie lyrisch drauf.)

Music of the Heart

Music of the heart: fiesester Hollywood-Gutmenschen-Schmonz nach einer wahren Begebenheit um eine Geigenlehrerin (wer sonst als Meryl Streep), die armen Kindern in Harlem ausgerechnet das Geigespielen beibringt. Ich hab ne Menge geheult (ich bin ein braves Publikum), aber richtig gefallen hat er mir nicht. Trotz Kieran Culkin und dem triefenden Soundtrack, der sogar noch Mr Holland’s Opus schlägt. Und der war schon böse.

Bend it like Beckham

Bend it like Beckham (Kick it like Beckham): schönes Mädchenfilmchen über eine indische Nachwuchsfußballerin in England, die sich gegen die Traditionen ihrer Familie durchsetzt, um sich ihren Traum einer Karriere als Profifußballballerin zu erfüllen. Klasse Darsteller, pointierte Dialoge – ein Film fürs Herz, der einen an das Gute im Menschen glauben lässt.

Pollock

Pollock: Überkandidelter, zu intellektueller und damit herzloser Kunstquatsch. Ich hab ne halbe Stunde durchgehalten. Das konnte nicht mal der sonst so subtile Ed Harris retten, der mir hier einfach zu manisch drauf war.

La stanza del figlio

La stanza del figlio (Das Zimmer meines Sohnes): sehr ruhiger, sehr stimmungsvoller und sehr hoffnungsfroher Film über eine Familie, die den Verlust ihres Sohnes betrauert. Gemeines Thema, schön umgesetzt.

Frailty

Frailty (Dämonisch): ein Film über einen Vater, der angebliche Dämonen umbringt, nachdem er eine göttliche Vision hatte. Seine zwei kleinen Söhne müssen alles mitansehen; der eine teilt die Visionen des Vaters, der andere möchte ihn vom seiner Meinung nach sinnlosen Morden abhalten. Das ganze ist ein wenig verschachtelt in Rückblenden erzählt, und Bill Paxton und Matthew McConaughey spielen auch tapfer gegen die Klischeecharaktere an, aber so ganz hat’s mich nicht überzeugt. Trotz der netten Wendung kurz vor Schluss.

The Life of David Gale

The Life of David Gale
(Das Leben des David Gale, 2003)

Darsteller: Kevin Spacey, Kate Winslet, Laury Linney, Matt Craven
Drehbuch: Charles Randolph
Kamera: Michael Seresin
Musik: Alex Parker, Jake Parker
Regie: Alan Parker

Es gibt eine Art von Witzen oder Geschichten, die ich überhaupt nicht leiden kann: die Art, die eine halbe Stunde Vorlauf braucht, um dann mit einer absolut unterirdischen Pointe, die ihren Namen nicht verdient, aufzuhören.

Genauso ein Film ist The Life of David Gale. Er braucht anderthalb Stunden, um die Vorgeschichte zu erzählen, dann 20 Minuten, um einen Lösungsansatz zu liefern, und bricht dann 30 Sekunden vor Schluss noch mal um eine Ecke. Zu dem Zeitpunkt hatte ich mich allerdings schon längst geistig von dieser verquasten Story verabschiedet und wollte eigentlich gar keine Wendung mehr haben. Und die, die ich gekriegt habe, war so dermaßen an den Haaren herbeigezogen, dass ich mir dabei fast das genüsslich grinsende Gesicht des Autors vorstellen konnte, wie er sich am Rechner gedacht hat, hey, ich hab da noch ne coole Pointe auf Lager. Ähm … nein. Hast du nicht. Und der Rest deines Scripts war auch für die Tonne.

David Gale (Kevin Spacey) ist ein leidenschaftlicher Gegner der Todesstrafe. Bittere Ironie des Schicksals: Ihm wird der Mord an einer Kollegin und Mitstreiterin zur Last gelegt, er wird angeklagt und zum Tode verurteilt. Drei Tage vor seiner Hinrichtung empfängt er die junge Journalistin Bitsy Bloom (Kate Winslet) zu einem millionenteuren Interview, nachdem er mehrere Jahre im Todestrakt vor sich hingeschwiegen hat. Schon bei dieser Idee ist mir schlecht geworden, aber nun gut. Weiter. Bitsy ist überzeugt, mit Gale einen Mörder vor sich zu haben, ändert aber nach einem Tag mit ihm natürlich ihre Meinung und hängt fortan mit großen blauen Augen an Gales Lippen, die ihr eloquent eine Menge – und ich meine wirklich: eine Menge – Hintergrundinformationen erzählen. Auch wir müssen die ach so traurige Geschichte des Philosophieprofessors, der seine Familie verliert, im Alkohol ertrinkt und sich gemeinerweise einer Vergewaltigungsklage gegenübersieht, ertragen. Und das tun wir, stets im irrigen Glauben, dass uns wenigstens der Rest der Films aus diesem langweiligen Sumpf retten wird. Tut er leider nicht.

Mein Problem mit The Life of David Gale war, dass sein Grundthema – die Todesstrafe – so arg neu nun auch nicht ist. Dass die Todesstrafe niemanden davon abhält, jemand anderes umzubringen, ist erwiesen. Ebenso ist erwiesen, dass bereits Unschuldige hingerichtet wurden. Hält das einige Staaten in den USA davon ab, die Todesstrafe weiterhin auszuüben? Nein. Ist die Mehrheit der Amerikaner gegen die Todesstrafe (denn die oben genannten Fakten müssten doch für sich sprechen)? Nein. Was also soll dieser halbgare Film noch ausrichten?

Ich glaube – wahrscheinlich naiverweise – immer noch daran, dass Kunst, also auch ein Film, etwas bewegen kann. Ich glaube, dass zum Beispiel Schindler’s List vielen den Holocaust ins Bewusstsein gerufen hat, die das ganze Thema am liebsten zu den Akten legen würden oder sich noch gar nicht intensiv damit auseinandergesetzt haben. Daher glaube oder hoffe ich auch, dass es vielleicht einmal ein Film sein wird, der den uneinsichtigen Rest davon überzeugen wird, dass die Todesstrafe falsch ist und ein Staat, der sie ausübt, keinen Deut besser ist als die Mörder, die er hinrichtet.

Leider wird The Life of David Gale nicht dieser Film sein. Er dümpelt zu zäh und uninspiriert vor sich hin und ist zu leidenschaftslos erzählt, als dass wir wirklich mit seinen Protagonisten mitleiden. Und genau das ist der Schlüssel zu einem gelungenen Film und damit auch zur Botschaft, die er vermitteln will – wenn mir die Charaktere egal sind, können sie von mir aus ganz fürchterlich ungerecht sterben, es kümmert mich nicht. In dem Moment ist ein Film eben nur ein Film und keine Botschaft.

Ein Film, der eine Botschaft war und sie subtil und gleichzeitig unglaublich eindringlich transportiert hat, war zum Beispiel Dead Man Walking mit Sean Penn als Mörder. Penns Charakter war ein widerlicher Mistkerl, den niemand wirklich leiden konnte, und trotzdem wollten wir ihn am Ende nicht sterben sehen, weil uns der Film gezeigt hat, wie falsch das wäre. In The Life of David Gale wird uns die ganze Zeit suggeriert, wie nett und lieb seine Hauptperson doch eigentlich ist – und trotzdem ist es uns völlig egal, was mit ihr passiert.

Auch Kevin Spacey, Kate Winslet und Laura Linney als Mordopfer können den Film nicht davor bewahren, von einem Zufall in die nächste Reißbrett-Drehbuchszene zu stolpern. Die drei bemühen sich zwar und sind in ihren engen Rollenvorgaben durchaus überzeugend, sie werden aber leider von der Story böse im Stich gelassen. Was nützt eine differenzierte Charakterzeichnung von Spacey, wenn wir uns beim Beginn des Abspanns nur fassunglos fragen: Warum? Wozu das alles? Womit wir wieder beim Anfang wären: Ich habe mir zwei Stunden lang eine Exposition angeguckt, nur um mich zum Schluss zu fragen, was die Motivation der Hauptperson war? Ich habe qualvolle Dialoge über mich ergehen lassen, denen man anmerkt, wie stolz der Autor auf die gedrechselten Sätze war – für diese „Pointe“?

Ich finde es gerade einen traurigen Zufall, dass Kevin Spacey in einem anderen Film, der sich auch erst in der letzten Minute auflöst, mitgespielt hat: The Usual Suspects ist ein Drehbuch-Kleinod, das nicht mal Deppen wie Stephen Baldwin ruinieren konnten. Vielleicht sollte hier umgekehrt die unbestrittene Schauspielkunst von Spacey das miese Script retten. Das hat leider nicht geklappt. Hoffentlich hat er wenigstens ne Menge Geld dafür kassiert. Und ich habe den ersten Anwärter auf meinen diesjährigen „Aus diesem Film hätte ich rausgehen sollen“-Award für den Jahresrückblick. Das hätte ich mir allerdings gerne erspart.

Lost in La Mancha

Lost in La Mancha: Ein Dokumentarfilm darüber, wie die Dreharbeiten zu Terry Gilliams The Man Who Killed Don Quixote grausam den Bach runtergegangen sind. Sehr schön, allerdings auch sehr deprimierend. Einer der Produzenten drückt es im Film mit Murphy aus: “Everything that can go wrong will go wrong.” Wenn man Lost gesehen hat, fragt man sich wirklich, wie Lord of the Rings oder ähnliche Großprojekte jemals fertig geworden sind.

Auf der Website zu Lost findet sich übrigens auch ein Link zu Dreams, dem Terry Gilliam-Fanzine. Dort habe ich erfahren, dass Gilliam die wunderbare Nike-Werbung Secret Tournament gedreht hat – die mit den ganzen Starkickern, die auf irgendeinem abgewrackten Schiff ein Turnier austragen. Wieder so ein Film, bei dem ich mich frage, wie die Macher das Treatment jemals ihrem Kreativdirektor verkaufen konnten: „Also, wir sehen einen runtergekommenen Kahn mitten auf dem Ozean, und dann kommt David Beckham ins Bild.“ Hmja.