Am Dienstag durfte ich mal wieder in den Vorlageraum des Lenbachhauses, denn die einzige Autobahn von Herrn Protzen, die sich im Depot des Museums befindet, wird im Oktober ausgestellt und ich durfte das Bild vorher besuchen. Ich freute mich darüber, das Ding endlich mal im Original und damit in Farbe anschauen zu können, denn bis zur Abgabe des Verlagsmanuskripts kannte ich die Brücke bei Limburg (1938) nur als Schwarzweißfoto aus dem Nachlass im Kunstarchiv. Es war schlicht nicht möglich, das Original anzuschauen oder auch nur eine Farbaufnahme von dem Ding zu bekommen. Hier den üblichen Rant über unterbesetzte Museen (und Archive, siehe Stadtarchiv) einfügen.
Ich besitze keine Rechte am Foto des Archivs oder gar an Protzens Werken, aber ich glaube, ich kann hier total gefahrlos eine abfotografierte Seite aus meinem eigenen Buch einfügen. Wenn nicht, werde ich endgültig am deutschen Urheberrecht irre.
Am Montag hatte ich in der Stabi noch ein bisschen was gelesen, was möglicherweise auch für die Ausstellung bzw. meine zwei winzigen Texte zu ihr wichtig sein könnte. Beim Lesen stolperte ich über etwas anderes, was für einen anderen Text spannend sein könnte, nämlich den zu Wilhelm Heise, über den es quasi auch nichts Vernünftiges an Forschungsliteratur gibt, den ich aber sehr mag. Seine absolut neusachlich gestaltete Mangfallbrücke (1934) wird in fast jedem Artikel zur Autobahnmalerei als Vorbild hochgehalten; auch sie hängt netterweise im Oktober im Lenbachhaus, das dieses Werk besitzt. Dagegen wird Protzen ziemlich abstinken, aber damit muss der Mann dann klarkommen. Und ich auch, seufz.
Jedenfalls fotografierte ich die vier betreffenden Buchseiten – Scannen ist in der Stabi eine einzige Qual, ich glaube, ich habe in zehn Jahren vier verschiedenen Kopier- bzw. Scankarten erworben, das ist mir inzwischen zu blöd, ich fotografiere –, schickte die Seiten an meinen freundlichen Kontakt im Lenbachhaus – und bekam zu hören, ha, das kam mir doch gleich so bekannt vor, das Buch steht auch bei uns in der Bibliothek. (Gibt es Suchmasken für Museumsbibliotheken und wieso weiß ich sowas nicht?)
Hier der Radiobastler von Heise, hier sein Stiglmaierplatz, den ich beim ersten Versuch immer falsch schreibe. Der Radiobastler war in dem eben erwähnten Buch von 1937 abgebildet, was mich etwas wunderte, und es ist damit eins der acht Millionen Beispiele für die inkonsequente Kunstpolitik im NS.
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Bei längeren Wegen oder Spaziergängen höre ich ja neuerdings Hörbücher statt Musik. Atomic Habits war unterhaltsam, ich habe aber vermutlich schon wieder alles vergessen, womit ich in guter Gesellschaft bin; auch Podcasts höre ich neuerdings vermehrt, Ende des winzigen Einschubs. Mein zweites Hörbuch war von Herrn Krömer, was ziemlich gut zum gut gelaunten Rumlaufen war. Das dritte Buch war The Power of Fun von Catherine Price, das ich aus irgendeinem Newsletter fischte. Das habe ich nach knapp zwei Stunden abgebrochen, ich erwischte mich ständig dabei, nach fünf Sätzen nicht mehr zuzuhören. Ist zum Lesen vermutlich nett, zum Hören eher nicht.
Und: Die Definition von „fun“ der Dame kollidierte sehr mit meiner eigenen. Den Punkt, den sie in zwei Stunden dauernd machte, war: Spaß findet in Gesellschaft statt und nicht alleine oder, viel schlimmer, alleine ONLINE! Das Internet ist das Böse, geh doch mal wieder raus und hab RICHTIGEN Spaß. Gut, das Buch ist zu Beginn der Pandemie geschrieben worden, das wird auch thematisiert. Sie beginnt ihr Buch mit der Frage: When was the last time you had fun? Und behauptet dann, dass man sicher darüber nachdenken müsse, und wenn man das tue, fiele einem auf, dass man beim Spaßhaben vermutlich nicht alleine gewesen war.
Lustigerweise war meine erste Assoziation zur Frage, wann ich das letzte Mal richtig Spaß hatte: Gestern, als ich im ZI saß und 1000 tolle Dinge gelesen habe. Die zweite Assoziation, und ich habe keine Ahnung, wie mein Gehirn die aufrufen konnte, aber seitdem denke ich dauernd daran: ein Vormittag im Schwimmbad. Aber eben nicht in Gesellschaft in den Sommerferien mit Eis und Pommes. Sondern ein Herbsttag, vermutlich kurz vor der Schließung der Bäder fürs Jahr. Ich war, keine Ahnung, 12? 13? und ich war ganz alleine im Becken. Es regnete leicht, der Himmel war grau, und ich hatte das ganze herrliche Schwimmbecken mit seinen acht 50 Meter langen Bahnen für mich alleine. Ich weiß noch, dass mich das nervte, dass der Bademeister mir zuguckte, aber wo sollte er denn auch sonst hingucken, wenn außer mir niemand da war. Aber das ist nicht die Haupterinnerung: Die Haupterinnerung war: Ich habe das ganze – riesige – herrliche – Bad für mich alleine und nichts und niemand nervt und es ist sogar genau das Wetter, was ich mag.
Ich ahnte, je länger ich das Buch hörte, dass meine Definition von Spaß vielleicht eher mit Glück oder Zufriedenheit umschrieben werden könnte. Aber trotzdem hatte ich keine Lust mehr darauf, mir ständig sagen zu lassen, dass ich nur in Gesellschaft echt jetzt mal gut drauf sein könne.
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Apropos alleine: Ich gehe auch nicht gerne in Fitnessstudios, sondern hüpfe lieber alleine in meinem Arbeitszimmer rum. Vor allem, weil mich als dicken Menschen dort niemand sieht.
What the Fitness Industry Doesn’t Understand
„For decades, exercise instruction for adults has functioned on largely the same principle. What the fitness industry calls a “beginner” is usually someone relatively young and capable who wants to become more conventionally attractive, get swole, or learn a trendy workout such as high-intensity interval training or barre. If you’re a novice looking for a path toward these more intense routines, most of the conventional gyms, fitness studios, and exercise experts that offer them don’t have much for you—come back when you’ve developed on your own the endurance and core strength to avoid barfing, crying, or injuring yourself in the first 10 minutes. The situation is even worse if you have no designs on getting ripped and instead just want to build a baseline of capability, whether that’s for hoisting your toddler, shaking off the stiffness of a desk job, or living independently as you age.
On the surface, this is pretty dumb. More than three-quarters of Americans don’t currently hit the CDC’s recommended minimums for regular exercise, and the fitness industry is a graveyard of once-buzzy businesses that abruptly stopped growing—much to their investors’ chagrin—at least in part because they never had a plan to turn anyone into a customer who wasn’t already pretty fit. But the numbers suggest that there is enormous demand for services such as Liu’s: His super-popular videos make him just one recent example of the teachers and trainers who have found significant audiences by courting true beginners. In doing so, they’ve created entry points for more types of people to do something near-universally regarded as essential to mental and physical health. Why has the industry itself been so slow to catch up?“
Ich erwähne mal wieder den Kurs, den ich bei Daily Burn jetzt zum vermutlich vierten Mal durcharbeite, unterbrochen von anderen Videos oder halt Spaziergängen: True Beginners. Weil dort ein freundlicher Trainer nett zu mir ist, mich relativ simple, aber in ihrem Gesamtpaket durchaus herausfordernde Übungen machen lässt, die ich auch mit meinem Körperumfang und meinen teilweise nicht mehr ganz funktionierenden Körperteilen machen kann. Und wenn ich was nicht kann, werde ich nicht angebrüllt.
„As it turns out, you can’t just teach millions of children that exercise is painful, humiliating, or a punishment for their failures and expect them to swan into adulthood with healthy, moderate beliefs about their bodies. Instead, they follow the lessons they’ve learned about themselves, and about exercise: Some people avoid ever entering a gym again and shy away from activities that might draw attention to their physical capabilities, such as hiking or dancing. […]
The responsibility for figuring out how to help more people find accessible introductions to exercise usually falls to the people who actually need these services in the first place, or to those who were clued into that need in intimate ways. Liu began making his instructional videos after his mom passed away in early 2020; he had spent the previous several years caring for her after a debilitating stroke. “I always think about, Would this be able to help her if she were still around?” he told me. “It never hurts to add an easier step.”“
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Danke an das Team der Goldenen Blogger für die Zusendung meines kleinen Preises (Langstrecke). Am Abend der Verleihung war ich gerade in Wien. Aber das Plastikmännchen hat einen guten Platz auf dem Regal neben dem Promotionsbär und Det bekommen, und man sieht es prima in Zoomcalls mit mir.
Und ich habe jetzt endlich was, mit dem ich die Oscar-Dankesrede für das beste Original-Drehbuch üben kann, die ich seit 30 Jahren perfektioniere, was besser ist als eine Mundwasserflasche oder früher eine Haarspraydose.
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Am Freitag führte mich F. mal wieder zum Essen aus. Wir waren zum vierten Mal bei Tohru Nakamura, der inzwischen in der Schreiberei kocht. Ich wollte nicht fotografieren, nur genießen. Das Brioche habe ich dann aber doch ablichten müssen, einfach weil die Perspektive von meinem Stuhl aus so perfekt war.
Der ganze Abend war perfekt, wie ich schon auf Insta zum selben Foto schrieb: All killer, no filler. Jeder Gang großartig, jeder Wein großartig, Service wie immer großartig, alles ganz großartig. Sehr beglückt nach Hause spaziert.
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Und Samstag waren wir dann schon wieder unterwegs: Dieses Mal ging’s zu Grigory Sokolov, den ich noch nie live gehört hatte. Der Herkulessaal bleibt bei Konzerten eigentlich recht gut erleuchtet, auch das Publikum sitzt eher im Hellen. Hier nicht. Die einzigen Spots beleuchteten den Pianisten und seinen Steinway, der Rest saß im Dunkeln, und ich war hingerissen. Beim ersten Akkord kamen mir sehr unerwartet die Tränen. Es ist anscheinend immer noch nicht wieder normal, Livemusik zu hören.
Es gab Schumann und davor Beethoven und Brahms, mit denen ich besser klarkam. Aber damit nicht genug: F. meinte schon im Vorfeld, als er das letzte Mal Sokolov gehört hatte, lachte neben ihm ein Paar, ach, der Sokolov wieder mit seinen sechs Zugaben. Ich wartete daher gespannt darauf, wieviele es am Samstag wurden. Überraschung: Es wurden sechs. Und immerhin ein Stück erkannte ich, weil ich die CD habe.
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Orecchiette mit Speck und Erbspüree.
Ich hatte schon öfter vegane Ersatzprodukte für Fleisch ausprobiert, Burger Patties, Hack, war aber alles eher doof. Von den fleischfreien Produkten der Rügenwalder Mühle hatte ich aber nur Gutes gehört, also dachte ich mir, letzter Versuch und dann esse ich einfach weiter Fleisch, verdammte Axt, aber hey: Das „Hähnchen“filet war wirklich gut! Geschmack, Mundgefühl – alles prima. Ich werde mich weiter durch die Produktpalette essen.
Das erste Filet hatte ich nur simpel angebraten, das hier bekam eine schöne Chilisauce.