Was schön war, Donnerstag bis Samstag, 25. bis 27. März 2021 – Selbsthilfe

Ich muss die steigenden Infiziertenzahlen, meine Angst vor Covid, meine Fassungslosigkeit gegenüber den inkonsequenten politischen Entscheidungen und überhaupt gerade generell sehr viel mal von mir wegkriegen, daher führe ich die Rubrik „Was schön war“ für die eigene Seelenhygiene wieder ein. Keine Ahnung für wie lange oder wieviele Kuchenrezepte ich dazwischen schieben kann.

Donnerstag war schön:
– die Reaktionen auf den Sammeltassen-Eintrag, sowohl auf Twitter als auch bei Insta, wo ich einen Outtake veröffentlichte. Und per Paypal *hust*

– Ich holte das erste Mal vorbestelltes Backwerk beim Brantner ab, so nennen F. und ich den Lieblingsbäcker inzwischen leutselig-vertraut. Ein ganzes Sesam-Walnuss-Brot nur für mich. Und im voraus per Paypal bezahlt, daher nur eine Minute im Laden gewesen.

– Zu Fuß gegangen und auf dem Rückweg nach sehr langem Nicht-Zeitungskaufen spontan mal wieder die FAZ erstanden und gern gelesen. Ein bewusstes Gegengewicht zu den achthunderten Hot Takes auf Twitter.

– Ich begann, „WandaVision“ auf Disney+ zu schauen, was sehr viel Spaß macht, auch wenn man die letzten 15 „Avengers“-Filme ausgelassen hat, so wie ich. Die muss ich jetzt allerdings nachholen, es hilft ja nichts. Danke an F. für sein Abo.

Freitag war schön:
– Noch kein Balkonkaffee, aber immerhin schon An-der-offenen-Balkontür-auf-dem-Sofa-sitzen-und-rausgucken-Kaffee.

– Beim wöchentlichen Einkauf gleich nochmal die FAZ mitgenommen und gern gelesen. Ihr ahnt schon, was Samstag schön war.

– Herrlich die Yogamatte vollgeschwitzt. Liegestütze und Planks sind der Everest von Frau Puddingärmchen, aber sie tun so gut. Und inzwischen ist der Everest auch ein bisschen kleiner geworden. Generell bei jeder Sporteinheit die Freude darüber, dass ich Dinge kann, die ich vor einem halben Jahr noch nicht konnte. Oder nicht so gut oder nicht so lange. Und im Alltag die Freude darüber, dass ich mir inzwischen Bewegungen traue, die ich mich vor einem halben Jahr noch nicht getraut habe. Es gibt immer noch Übungen, die ich aus Selbstschutzgründen etwas abwandele, oder die ich mit meinem Gewicht bzw. meinen Maßen schlicht nicht ausführen kann, aber das nervt nicht mehr so wie am Anfang des Programms.

– Abends durfte ich Gounods „Faust“ aus Paris anschauen, einem der Beteiligten und seinem Link zur Aufzeichnung sei dank. Ich kannte die Oper noch nicht, las vorher in der Wikipedia den Inhalt und verfolgte dann mit einem Auge die französischen Untertitel und mit dem anderen das deutsche Libretto auf dem Handy (Internet. So toll). Das tat sehr gut, sich drei Stunden nur auf Oper zu konzentrieren, für mich neue Musik zu hören und nebenbei eine wirklich tolle Inszenierung zu sehen. Die meisten Einfälle kamen mir so simpel und logisch vor, wie schon beim Bayreuther „Tannhäuser“ vom selben Team, kein wildes Regie-Geeiere, keine überflüssigen Videosequenzen, kein Bühnenbombast, sondern clever eingesetze Medien, klare Bauten, gute Personenregie – und eben die erwähnten Einfälle, die nicht aus dem Libretto kamen, aber total passten. Dass Mephisto mit einer Zigarette die Notre Dame in Brand steckt, kommt mir nach dem Seuchenjahr 2020 total schlüssig vor. (Foto 18 in der oben verlinkten Galerie.)

Samstag war schön:
– Zum stummen Verkäufer spaziert und die FAZ gekauft. Die Dinger sind zur Kontaktvermeidung echt prima, man braucht halt nur passendes Kleingeld.

– Danach zur Buchhandlung gegangen, um drei Bücher vorzubestellen. Bücher sind immer gut. Zwei standen auf meinem Wunschzettel, die gönne ich mir jetzt, eins hatte ich gerade auf Twitter entdeckt.

– Beim Schreiben des Sammeltassen-Eintrags hatte ich gemerkt, dass ich noch nie Kaffee aus den Tassen getrunken hatte, sondern nur Tee. Das korrigierte ich, mahlte Kaffee in Opas Mühle (aka dem Zerhacker), goss ihn als schönen altmodischen Filterkaffee auf und genoss ihn am Küchentisch zusammen mit einem Stück Himbeer-Marmorkuchen, den ich jetzt schon dreimal gebacken habe, der macht süchtig.



Dazu las ich das für einen Euro erstandene „Tod in Rom“ von Koeppen, das 1954 veröffentlicht wurde, das passte auch zu den Sammeltassen. Wobei mich der Roman auf den ersten 25 Seiten sowohl wieder schnell gekriegt als auch schnell genervt hat. Mit den Beschreibungen der Frauenfiguren haderte ich ja schon in Koeppens anderen beiden Werken, aber hier kriegt das noch eine unangenehmere Qualität. „Mir fiel ein, das Weib könnte ermordet werden. Ich stellte sie mir stranguliert vor“ schon auf Seite 15, Reduzierung auf Körperlichkeiten auf S. 21, „man konnte die Mädchen in der Taille erwürgen“ usw. Die Herren kommen einen Hauch besser weg, hier fiel mir nur der Begriff „Menschenmaterial“ als verächtlich auf, als es um die Schilderung von Soldaten im Zweiten Weltkrieg ging, sowie „Haremskinder“ für afrikanische Männer. Beides soll vielleicht der Charakterzeichnung des ehemaligen SS-Mannes gelten, der seine Untergebenen so beschreibt, das weiß ich noch nicht genau. Aber es nervt mich inzwischen wirklich, wie mich auch das üppig verwendete N-Wort in Koeppens „Tauben im Gras“ extrem gestört hat. Ja, Zeitkolorit, jajaja. Quatsch. Auch 1954 wollten Frauen nicht umgebracht und generell Menschen nicht rassistisch bezeichnet werden.

„Menschenmaterial“ ist, nebenbei bemerkt, kein Begriff des NS, sondern wurde schon im Ersten Weltkrieg verwendet, wie ich aus Klemperers „LTI“ in den letzten Tagen gelernt habe, das ich weiterhin neben den Romanen lese. Das Wort „Kanonenfutter“ stammt bereits aus den Napoleonischen Kriegen, sagt zumindest die Wikipedia.

Damit endet der Eintrag von schönen Dingen eher unschön, aber dass ich viel lese, lege ich unter „schön“ ab. Auch wenn die Literatur manchmal nervt.