Leseliste 2024
1. Anne Rabe: Die Möglichkeit von Glück (2023) **
Eine Mischung aus Roman, Essay und Dokumentation, die sich mit der eigenen, (hoffentlich) teilweise fiktiven Familiengeschichte auseinandersetzt, die sich von der NS-Zeit über die DDR bis in das neue, wiedervereinigte Deutschland zieht. Mir hat der Stil gefallen, weil ich gerade bei diesen Themen doch dringend lieber Sachbücher lese, und die kurzen Einschübe, die die Recherchearbeit der Erzählerin dokumentieren, haben mir das Romanhafte leichter gemacht.
2. Friedrich Ani: Letzte Ehre (2021) *
Ich haderte erneut mit Gewaltdarstellungen gegenüber weiblichen Körpern und Seelen, da half auch die weibliche Hauptfigur nicht und dass so ziemlich alle Männer im Buch Unsympathen bis armselige Deppen sind. Aber wie immer bei Ani unwiderstehlich geschrieben, las sich in wenigen Stunden runter.
3. Bov Bjerg: Serpentinen (2021) **
Ein Mann ist mit seinem Sohn unterwegs und verarbeitet Familientraumata. Klingt fürchterlich, liest sich aber hervorragend. Mein bisher liebster Bjerg.
4. Hans Sahl: Die Wenigen und die Vielen (1959)*
Sahl verarbeitet seine eigene Emigration aus dem NS-Deutschland in diesem 1959 erschienenen Roman. Mich persönlich haben natürlich die Schilderungen aus Deutschland am meisten interessiert, aber auch seine Zeit in Frankreich und New York habe ich gern gelesen, wenn auch etwas mehr quer.
5. Carolin Würfel: Drei Frauen träumten vom Sozialismus. Maxie Wander, Brigitte Reimann, Christa Wolf (2022) **
Ich kannte weder Wander noch Reimann, wollte danach aber dringend etwas von ihnen lesen.
6. Maxie Wander: Leben wär’ eine prima Alternative. Tagebücher und Briefe (1977?)**
Ich hätte nicht gedacht, dass ich aus einem Tagebuch, das mit einer Krebserkrankung beginnt, viel über die DDR lernen würde, aber so war’s.
7. Friedrich Ani: Ermordung des Glücks (2017)
Der erste für mich etwas langatmige Ani. Trotzdem durchgelesen, denn ich wollte wissen, wer der Mörder war, logisch.
8. Pascal Bresson, Sylvain Dorange (Christiane Bartelsen, Übers.): Beate & Serge Klarsfeld. Die Nazijäger (2021)*
Comic über die titelgebenden Menschen. Nazijagd im Zeitraffer. Las sich gut runter, macht aber nicht so viel Spaß wie Comics mir machen sollten. Dieses verdammte Thema.
9. Friedrich Ani: Bullauge (2022)*
Nicht so langatmig wie „Glück“, dafür eine ewig lange Exposition für ein Hauruck-Ende.
10. Marina Weisband, Eliyah Havemann: Frag uns doch! Eine Jüdin und ein Jude erzählen aus ihrem Leben (2021)**
Lesenswert, wissenswert, Empfehlung.
11. Friedrich Ani: All die unbewohnten Zimmer (2019)*
Das Thema „ewig lange Exposition“ hatten wir gerade, das war auch hier mein Problem. Aber als dann endlich mal zur Sache ging, gefiel es mir sehr. Erstmal weitere Anis in der Stadtbibliothek vorbestellt.
12. Brigitte Reimann: Ankunft im Alltag (1961)**
Von 1961 und das liest sich auch so. Leider anstrengende Geschlechterstereotype, aber für mich sehr spannend: ein Roman aus den Anfangsjahren der DDR. Ich konnte nach den Tagebüchern von Maxie Wander erstmals nachvollziehen, wie groß der Aufbruch sich angefühlt hatte. Kein Vergleich zur westdeutschen Lektüre.
13. Ingrid Strobl: Vermessene Zeit. Der Wecker, der Knast und ich (2020)**
Strobl schreibt dreißig Jahre nach ihrer gut zweieinhalb Jahre in Gefängnissen in München und Essen über diese Zeit. Dabei reflektiert sie in Einschüben ihre eigenen Erinnerungen und ordnet quasi ihren Text neu ein. Sie schreibt über die Bücher und die Musik, die ihr halfen, sowie die Arbeit an ihren eigenen Büchern. Und sie erwähnt einige Mitgefangene und deren Schicksale. Alles äußerst lesenswert; es hat meinen Blick auf die RAF-Hysterie der Bundesrepublik erweitert.
14. Volker Weidermann: Ostende. 1936, Sommer der Freundschaft (2014)**
Las sich viel zu schnell runter, diese letzte Begegnung vieler großer Namen der deutschsprachigen Literatur, bevor sie emigrierten, verhaftet wurden, sich zu Tode tranken. Mir fehlten wie immer Quellenangaben, aber ich habe noch während der Lektüre weitere Bücher bestellt, so neugierig war ich auf so vieles.
15. Friedrich Ani: Idylle der Hyänen (2006)*
Erstes Buch mit Polonius Fischer, ehemaliger Mönch, nun Kommissar. Bisschen viel Gott-Gequatsche, trotzdem komme ich mit Fischer momentan besser klar als mit Tabor Süden, den Kommissar der ersten gefühlt 80 Ani-Bücher, die ich las. Der ertrinkt nämlich in seinen ganzen Bieren und das nervt irgendwann.
16. Friedrich Ani: Hinter blinden Fenstern (2007)*
Zweites Buch mit Polonius Fischer. Weniger Gott, las sich gut weg.
17. Friedrich Ani: Totsein verjährt nicht (2009)*
Drittes Buch mit Polonius Fischer. Hat mir bisher am besten von allen dreien gefallen. Reicht jetzt aber erstmal wieder mit Ani; den snacke ich zwischendurch gespannt weg, will aber eigentlich was anderes lesen.
18. Brigitte Reimann: Die geliebte, die verfluchte Hoffnung. Tagebücher und Briefe 1947–1972 (1984)**
Mit großem Gewinn gelesen. Hier und hier erwähnt.
19. Maxie Wander: Guten Morgen, du Schöne (1977)**
Tolles Buch, zu recht ein Klassiker. Wieso kannte ich das als Westdeutsche nicht? Wieso kannte ich auch Frau Reimann nicht? Wieso kannte ich so viele bildende Künstler*innen der DDR nicht?
20. Norbert Frei: Im Namen der Deutschen. Die Bundespräsidenten und die NS-Vergangenheit 1949–1994 (2023) **
Viel gelernt, lesbar verpackt, wenn der schlechte-Laune-machende Inhalt nicht wäre, gerne wieder.
21. Brigitte Reimann: Franziska Linkerhand (1974)**
Irre viel Geschichte, NS, DDR, alles spannend, aber es passiert dann doch recht wenig. Das Spannende und für mich Aufschlussreiche passiert in den langen Beschreibungen vom Alltag. Daher: große Empfehlung. (Ich musste allerdings ab und zu mal querlesen auf den letzten 100 Seiten.)
22. Jenny Erpenbeck: Aller Tage Abend (2012)**
Eine Familiengeschichte durch fast das gesamte 20. Jahrhundert, immer unterbrochen vom Tod einer Tochter, die im nächsten Kapitel wieder aufersteht und eine andere Handlung ermöglicht. Das fand ich einen sehr schlauen Kniff. Gern gelesen.
23. Manja Präkels: Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß (2017)**
Autobiografisch gefärbter Roman, der Kindheit und Jugend in der DDR, der Wendezeit und die sogenannten Baseballschläger-Jahren behandelt. Ganz nebenbei auf Dinge aufmerksam gemacht worden, über die ich Wessi nie nachgedacht hatte. Beunruhigt gelesen.
24. Uli Oesterle: Vatermilch, Band 1: Die Irrfahrten des Rufus Himmelstoß (2020)**
Halbbiografischer Comic, der im München der 1970er und 2000er Jahre spielt. Sehr gern gelesen; mich über das gezeichnete Tantris gefreut.
25. Uli Oesterle: Vatermilch, Band 2: Unter der Oberfläche (2023)**
Geht weiter in den 1970er Jahren. Der Band erschien erst 2023, ich ahne, dass ich bis zum Ende der Story im nächsten Band noch ein paar Jahre warten muss.
26. Isabel Kreitz: Die Entdeckung der Currywurst (1996)*
Graphic Novel nach dem Roman von Uwe Timm, laut dem die Currywurst in Hamburg und nicht in Berlin erfunden wurde. Ich mochte die gezeichnete Nachkriegszeit.
27. Deniz Ohde: Streulicht (2020)**
Roman über ein Mädchen mit Migrationshintergrund, das zu einer jungen Frau wird, der das immer klarer wird und die diesem Umstand trotzdem schutzlos ausgeliefert ist. Ich musste oft kurz aufhören zu lesen, weil sich einiges so absurd und schmerzhaft liest in seiner total gut gemeinten Gehässigkeit oder im besten Falle Gedankenlosigkeit. Empfehlung.
28. Bernardine Evaristo: Blonde Roots (2009)**
Hier kurz besprochen.
29. Andreas Kossert: Ostpreußen. Geschichte und Mythos (2007)**
Kurze Zusammenfassung von 700 Jahren Geschichte. Für mich war natürlich alles ab Reichsgründung und dem damit entstehenden deutschen Nationalismus am aufschlussreichsten. Leider.
30. Emma Donoghue: Haven (2022)
Drei Mönche auf einer Insel, eine Parabel über Fanatismus und Realismus, nach der Hälfte quergelesen, weil man ahnt, wo es hingeht und mich die Beschreibung alleine nicht fesseln konnte.
31. Knut Bergmann: Mit Wein Staat machen. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (2018)
Erschöpft sich leider hauptsächlich im Name Dropping und launigen Anekdoten von Staatsempfängen, hat mir nicht viel Neues über die Bundesrepublik erzählt. Nach der Hälfte quergelesen.
(Ab hier hatte ich keine Lust mehr, Kurzbeschreibungen zu notieren, daher gibt’s jetzt nur noch Sterne.)
32. Eugen Ruge: Metropol (2019)**
33. Nicole Seifert: „Einige Herren sagten etwas dazu.“ Die Autorinnen der Gruppe 47 (2024)**
34. Tim Schanetzky: „Kanonen statt Butter“. Wirtschaft und Konsum im Dritten Reich (2015)*
35. Gabriele Wohmann: Abschied für länger (1965)**
36. Teresa Präauer: Kochen im falschen Jahrhundert (2023)**
37. Ruth Rehmann: Illusionen (1959)**
38. Ruth Rehmann: Der Mann auf der Kanzel (1979)*
39. Gabriele Wohmann: Paulinchen war allein zuhaus (1974)*
40. Ralf Zerback: Triumph der Gewalt. Drei deutsche Jahre 1932 bis 1934 (2022)**
41. Daniel Siemens (Karl Heinz Siber, Ãœbers.): Sturmabteilung. Die Geschichte der SA (2019)**
42. Wolfgang Koeppen: Nach Russland und anderswo (1973)*
(Und unzählige Fachbücher, von denen ich einige auch rezensierte.)