Tagebuch, Montag, 8. Februar 2016 – Falling into place

In den letzten Wochen hat sich bei mir innerlich einiges gefestigt, was 2015 in der Schwebe war: meine Beziehungen, mein Wohnort, meine Studiensituation. Gefühlt habe ich das vergangene Jahr damit verbracht, meinen Status quo wiederzufinden, von dem ich nicht genau wusste, wo er eigentlich sein soll. Aber so allmählich fallen alle Einzelteile dort hin, wo sie sich richtig anfühlen, und ich hoffe, das bleibt so.

Studiensituation

Das erwähnte ich in meinem traditionellen Semesterabschlusseintrag bereits: Die Entscheidung für den Master war richtig, der diffuse Wunsch nach einer anschließenden Promotion ist keiner mehr, sondern ein festes Vorhaben. Ich habe mir einen kleinen Plan gebastelt, wie meine nächsten Wochen und Monate aussehen könnten und versuche jetzt, ihn umzusetzen. Die Kiefer-Arbeit war ein grandioser Motivationsschub, der zu keinem besseren Zeitpunkt hätte kommen können.

Wohnort

Anfang April werde ich noch ein paar Kisten in Hamburg packen, um meine restliche Habe zu meinen Eltern fahren zu lassen. Dann gebe ich dem Kerl die Schlüssel, die ich noch habe, und mache dort ein letztes Mal die Tür hinter mir zu. Mein Abschied vom Lebensgefährten, der Stadt, in der ich 15 Jahre gewohnt habe und dem Leben, das dort stattfand, hat ein Jahr gedauert, aber jetzt fühlt es sich bereits wie Vergangenheit an. Es sind nur noch die wenigen Kartons, die zum endgültigen Good-bye fehlen, und ich habe keine Angst mehr davor, sondern bin im Gegenteil froh darüber, wenn das Thema durch ist.

Vor einigen Tagen trat ich aus meiner Münchner Wohnung auf die Straße, merkte, wie warm es plötzlich geworden war – und musste unwillkürlich vorfreudig lächeln. Sommer war für mich jahrzehntelang eine sehr überflüssige Jahreszeit, aber seit zwei Jahren habe ich mich mit ihr arrangiert. Frühling und Sommer in München sind wunderschön; die angeblich nördlichste Stadt Italiens fühlt sich dann wirklich so an. Ich freue mich schon auf das Radeln in der lauwarmen Luft, wenn ich nachts von Freunden komme, ich freue mich auf F.s Balkon, auf dem Wein besser schmeckt als irgendwo anders, den Balkon des ehemaligen Mitbewohners, von dem ich so gerne in den Altbau gegenüber gucke, ich freue mich auf die lange Dämmerung und das Licht unter den Kastanien im Biergarten. Ich freue mich darüber, eine Stadt gefunden zu haben, in der ich freiwillig draußen sein will. Also „draußen“ innerhalb meiner Maßstäbe – ich werde nie jemand werden, die gerne 15 Stunden in der Sonne rumlungert, aber ich habe festgestellt, dass ich in den letzten beiden Jahren, seit ich wieder Fahrrad fahre, gerade im Sommer öfter einen Umweg fahre, einfach weil es so schön ist, durchs sommerliche München zu radeln.

Auch meine Wohnung fühlt sich inzwischen richtig an. Ich habe monatelang hin- und hergeräumt, Dinge ausprobiert und viel weggeschmissen, aber jetzt ist es keine Verlegenheitslösung mehr, nach der es sich direkt nach dem Umzug angefühlt hat, sondern mein Zuhause. Die Lieblingsmesser liegen griffbereit, das schöne Geschirr steht neuerdings offen im Regal und nicht mehr im Umzugskarton in der Abstellkammer, ich habe Tischwäsche, Blumenvasen und Kerzenhalter. Ich wohne hier, und jetzt sieht man das auch.

Beziehungen

F. und ich hatten uns Ende letzten Jahres getrennt, weil ich nicht mit uns klargekommen bin. Ich war im Kopf noch mit dem Kerl, dem Umzug und dem Studium beschäftigt und da war alles andere schlicht zu viel für mich. Die Zeit der Trennung war richtig und wichtig und sie hat dafür gesorgt, dass wir uns wieder näherkommen konnten, dieses Mal unter anderen Vorzeichen.

Wenn man über ein Jahrzehnt in einer Beziehung lebt, hinterfragt man ihre Mechanismen irgendwann gar nicht mehr. Ich jedenfalls nicht. Ich hatte mich irgendwann in irgendwas eingerichtet und das war halt so. Die letzten Veränderungsversuche endeten damit, dass der Kerl sich und ich mich weiterentwickelte, aber nicht wir gemeinsam, und schlussendlich führten sie zur Trennung.

Als ich mit F. zusammenkam, nutzte ich die gleichen Mechanismen, die ich aus meiner alten Beziehung kannte, ohne darüber nachzudenken, dass ich einen anderen Mann vor mir habe, der ganz eventuell einen anderen Umgang erwartet und anbietet. Im Prinzip war das der Trennungsgrund: Ich habe versucht, eine neue Beziehung so aussehen zu lassen wie die alte, was natürlich Quatsch ist, weil die alte ja nicht mehr funktioniert hat. Das ist mir aber erst während der Trennung klar geworden und F. auch. Seitdem tänzelten wir ein bisschen umeinander rum, waren erst wieder gute Freunde, dann welche mit Benefits und jetzt gerade haben wir einen zweiten Versuch als Paar gestartet. Wir wissen beide noch nicht genau, wie das laufen wird, aber wir wissen jetzt, dass wir am Zusammensein rumdengeln können, Dinge ausprobieren können, nicht alles nach Plan machen müssen. (Bitte stellen Sie sich hier vor, wie ich in eine Papiertüte atme.)

Kurz gesagt: Im Moment sind alle meine Spielfiguren da, wo ich sie haben will. Game on, baby.

Was schön war, Samstag/Sonntag,
6./7. Februar 2016

Spontan Fruchtaufstrich produzieren.

Es gibt nichts Besseres als Lemon Curd, fertig.

Beim Fußball einschlafen.

Das Nachmittagsschläfchen ist selten entspannender als bei der Sky-Konferenz.

Beim Fußball begeistert sein.

0:0, scheiß drauf, war ein spannenderes Spiel als die ganzen ollen 6:0-Siege. #levfcb

Frühstück vorbeigebracht bekommen.

Croissants schmecken am besten, wenn man dafür nicht aus dem Haus gehen muss. (Und wenn man frischen Lemon Curd da hat.)

Insidersätze bloggen.

„7.2. The day things fell into place.“

„Und, Anke, wie war so dein siebtes Semester?“

(Erstes, zweites, drittes, viertes, fünftes, sechstes Semester.)

Eigentlich ist das hier nicht mein siebtes, sondern mein erstes Semester. Auf meinen MA-Studiausweis steht die 1, nicht die 7. Aber gut.

Ich habe gelernt, dass MA-Kurse ein anderes Diskussionsniveau haben als BA-Kurse. Das mag in meinen beiden Seminaren Zufall gewesen sein, aber ich hatte schon das Gefühl – gerade im Ost-West-Dialoge-Seminar –, dass man sich hier eher traute, was zu sagen. Man hat eben schon sechs Semester hinter sich, irgendwas bleibt da bei jeder hängen und dann sagt man das halt. Viele meiner Kommilitoninnen argumentierten auf hohem Niveau, weswegen es mich teilweise wahnsinnig gemacht hat, dass einige Referate wie von Klippschülerinnen klangen – oder so hochgestochen ausformuliert, um dann zuhörerinnenunfreundlich vorgelesen zu werden, dass ich genauso wenig davon habe wie von der ersten Variante. Das wunderte mich, dass man im MA immer noch miese Referate zu hören bekommt – wobei ich im BA in KuGi auch nur wenige Dozent*innen gehabt habe, die einem sagen, wie es besser gehen könnte. Wenn ich mal ein wenig an der heiligen LMU rumquengeln darf: Das wäre für die Pflichtpropädeutika in den ersten beiden Semestern eine schnafte Sache, wenn man da mal beigebracht bekäme, worauf es bei einem Referat ankommt und wie die Folien aussehen sollten (ich habe das in meinem Nebenfach Geschichte gelernt). Schwarze Schrift auf dunkelgrauem Untergrund und Bilder, die ein Viertel des Platzes einnehmen und damit Dreiviertel verschwenden, braucht in einem visuellen Fach wie Kunstgeschichte niemand.

Aber was weiß ich, vielleicht sind meine Referate genauso doof und es sagt mir nur niemand.

Ich habe gelernt, dass ich zu den besten zehn Prozent meines Prüfungstermins im BA gehört habe. Selbst wenn meine Referate doof sind – meine Hausarbeiten und meine BA-Arbeit waren es anscheinend nicht.

Da es bei uns keine Notenspiegel von Hausarbeiten gibt und ich mich nicht mit Kommilitoninnen austausche, was sie denn so haben, wusste ich nie, wo ich stehe. Eine Geschichtsdozentin sagte mir mal: „Sie scheinen ein Talent für die wissenschaftliche Arbeit zu haben“, woraufhin ich verlegen rumstammelte, „Ach Gottchen, freut mich, wusste ich nicht, ich hab ja keinen Vergleich“, und sie meinte: „Aber ich.“ Das vergaß ich aber schnell wieder und die Misserfolge bei den Bewerbungen um Hiwi-Stellen taten ihr Übriges, weswegen mich das offizielle Schreiben mit den zehn Prozent sehr beflügelt hat und mich immer noch freut.

Ich habe gelernt, dass ich es wirklich richtig und abgrundtief hasse, mit jemandem zusammen ein Referat vorbereiten zu müssen. Ich will meinen Kram alleine machen, weil es mein Kram ist.

Ich habe gelernt, wie wundervoll es ist, wenn man mal Zeit für die Wissenschaft hat. Das klang immer albern, wenn man im Bachelor sagte, man hat 15 Wochenstunden und viel zu tun, aber man hatte echt viel zu tun, weil man die Stunden natürlich vor- und nachbereiten sowie Referate und Hausarbeiten schreiben und für Klausuren lernen musste. Im Master hatte ich in diesem Semester gerade mal acht Wochenstunden, woraus dann sogar nur sechs wurden, weil ich eine Vorlesung aus Mangel an Begeisterung knickte. Den Rest der Zeit konnte ich genüsslich in Bibliotheken verbringen und so richtig tief in ein Thema eintauchen, wofür ich im BA nicht ganz so viel Zeit hatte.

Dass auch diese Tiefe noch tiefer geht, merkte ich bei der Anselm-Kiefer-Hausarbeit, wo ich feststellte, dass ich aus meinem Thema locker eine MA-Arbeit hätte schnitzen können; da ging es eher darum, mein ganzes Wissen in eine bestimmte Zeichenzahl zu quetschen anstatt alles rauszuhauen, was ich erkannt hatte. Das war auch neu: das Wissen, eine wirkliche Forschungsleistung erbracht zu haben, mit der jemand außer mir und meiner Dozentin was anfangen könnte. Daher ahne ich, dass ihr meine wunderschöne Hausarbeit nicht zu lesen bekommt, weil ich mir das Thema für die Abschlussarbeit aufsparen möchte. Ich ahne allerdings auch, dass ich in zwei Semestern für etwas ganz anderes genauso glühe. Wie immer halt.

Ich habe gelernt, dass ich allmählich Routine darin entwickele, mit meiner Zeit klarzukommen. Bei Referaten denke ich zwar seit sieben Semestern in der ersten Rumlesewoche: Ich finde keinen roten Faden, da wird nie was draus. In der zweiten: Jetzt haste zu viel Stoff, da wird nie was draus. Aber in der dritten Woche ordnen sich meine Gedanken und ich kann langsam die Präsentation basteln. Ich kann mich inzwischen darauf verlassen, dass nach meiner üblichen Anfangshysterie irgendwann eine Glühbirne über meinem Kopf leuchtet.

Ich habe erneut gelernt, was ich schon im sechsten Semester gelernt habe: Die Bibliothek ist mein Happy Place. Egal in was für unruhigen Gewässern sich mein Hirn oder mein Herz sonst so befinden – sobald ich in der Bibliothek vor den Büchern sitze, ist alles gut. Ich habe allerdings auch gelernt, dass kein Mann gegen diesen Ort anstinken kann; meine Arbeit ist seit Ende des fünften Semesters wichtiger als die Jungs. Für zukünftige Bewerber vielleicht nicht ganz uninteressant zu wissen. (Für mich auch.)

Ich habe gelernt, dass Architektur immer spannend ist, ganz gleich aus welcher Epoche, und ich alles, was einem Gebäude ähnlich sieht, sehr gerne anschaue. Ich habe blöderweise selten eine wissenschaftliche Frage an ein Gebäude, während ich bei bildender Kunst viel eher meine Stirn runzele und innerlich anfange, Überlegungen anzustellen. Bei Architektur freue ich mich stets unwissenschaftlich darüber, dass sie da ist und ich sie angucken kann. Das reicht vermutlich nicht für eine Karriere als Architekturhistorikerin, was ich sehr schade finde.

Ich habe gelernt, wie anders sich Ausstellungen anfühlen, wenn man richtig gut vorbereitet in sie reingeht.

Ich habe gelernt, Vertrauen in meine eigene Arbeit zu haben. Ich kann inzwischen kunsthistorische Urteile fällen, ich kann auf viel Wissen zurückgreifen, auch wenn es sich in allen Epochen noch halbgar anfühlt, ich kann eigene wissenschaftliche Schlüsse ziehen und sie sauber verargumentieren. Das fühlt sich ziemlich großartig an.

Ich habe gelernt, dass meine Entscheidung weiterzustudieren, absolut richtig war. Das Gefühl, mit dem ich zur Uni gehe, ist ein anderes als im Bachelor, als ich hibbelig und neugierig in die Seminare und Vorlesungen rannte, weil alles neu und aufregend und anders war. Neu ist es nicht mehr, aufregend ist es immer noch, aber momentan gehe ich zen-artig in die Uni. Ich weiß, warum ich hier bin, ich weiß, was ich noch lernen will, ich weiß, wo die Reise hingeht. Das hat mich einen gut bezahlten Job und eine langjährige Beziehung gekostet, aber jetzt gerade fühlt sich das trotzdem genau richtig an. Ich bin da, wo ich sein soll. Der Master ist für mich nur noch ein Zwischenschritt zur Promotion, die ich gar nicht mehr hinterfrage und die ich schon irgendwie finanziert bekomme.

Vielleicht sollte ich mit dem Kauf der Belohnungs-Absolvente, die ich mir eigentlich für den BA-Abschluss versprochen hatte, noch ein paar Jahre warten.

Was schön war, Donnerstag, 4. Februar 2016

Getting things done.

Ich habe mich zu diversem Kleinkram aufgerafft: endlich mal wieder einen Arzttermin gemacht für den üblichen Dings-Werte-Check-up, der eigentlich schon im Januar dran gewesen wäre. Leergut weggebracht. Haushaltszeug gekauft wie Druckerpatronen, Sprühflasche zum Bügeln und Stopfgarn für die Lieblingssocken, die jetzt mal nicht weggeschmissen und neu gekauft, sondern geflickt werden. Wäsche gewaschen. Neue Bücher für die Stadion-Arbeit aus der Stabi geliehen und die letzten Kiefer-Bücher, die noch im Lesesaal lagen, zurückgegeben. Kram aus dem Keller geholt. Nicht gemacht, weil keine Lust mehr: Fahrrad aufgepumpt. Kommt heute dran.

Dann gesellte sich noch eine ungeplante Kleinigkeit-Erledigung dazu: Das Finanzamt München schickte mir eine Erinnerung, doch bitte meine Umsatzsteuervoranmeldungen von 2014 und 2015 endlich einzureichen. Ich so: WTF? Denn die sind natürlich brav und termingerecht ans Finanzamt Hamburg gegangen. Mein Steuerberater ist Donnerstags nicht zu erreichen, weswegen ich todesmutig selbst beim Finanzamt anrief. Eine freundliche Dame entschuldigte sich und meinte, das wäre bei Neuankömmlingen in München gerne so, dass die Daten nicht schnell genug nachgetragen würden. Deswegen wären Mahnungen rausgegangen, die auch nicht zu stoppen seien. Ich sah an dieser Stelle vor meinem inneren Auge kleine, garstige Roboter ohne Zeitgefühl in dunklen Räumen, die unbeeindruckt Mahnungen an alle Zuzügler*innen schicken, während von draußen menschliche Finanzbeamt*innen an die verbarrikadierten Türen hämmerten, doch bitte mit diesem sinnlosen Treiben aufzuhören – vergebens. Ein Roboter muss tun, was ein Roboter tun muss. Jedenfalls beruhigte mich die Dame, meinte, ich solle einfach alles ignorieren und so weitermachen wie vorher. Hm. Na gut. Ich bereite mich seelisch auf weitere Telefonate vor. Da kommt doch garantiert noch was.

Kochen und backen.

Zum Mittag gab’s einen Rotkohlsalat und abends buk ich Käsekuchen ohne Boden. Eigentlich wollte ich mit dem Quark was Herzhaftes machen, aber ich hatte schon wieder vergessen was und Käsekuchen geht ja immer. Dachte ich. Bis mir nach dem Backen auffiel, dass der Boden eigentlich das Tollste am Käsekuchen ist. Wieder was gelernt.

Lesen und netflixen.

Nach jeder Etappe im Studium kommt ein winziges Loch, in dem mein Kopf auf Stand-by schaltet. Das kenne ich inzwischen und halte es aus; in den ersten Semestern hat es mich allerdings wahnsinnig gemacht. Das fühlt sich ungefähr so an: Ich lerne besinnungslos auf ein bis sechs Klausur/en hin – und hänge nach der letzten erstmal drei Tage stumpf vor irgendwelchen Serien, allerdings immer voll schlechtem Gewissen, weil ich ja noch eine bis drei Hausarbeit/en schreiben muss oder mich selbst weiterbilden will. Seit drei Semestern ist das schlechte Gewissen weg. Ich weiß, dass ich immer hochkonzentriert bis zur Deadline, egal ob die der Uni oder selbstgewählt, arbeite, und ich weiß inzwischen auch, dass ich danach anscheinend eine Pause brauche. Oder will. Und die nehme ich mir jetzt auch. Die erste von zwei Hausarbeiten ist abgegeben, die Klausur ist durch, und bevor ich mit der nächsten Arbeit anfange, gönne ich mir entspannt ein paar Tage Rumhängen. Meine eigene Hibbeligkeit ist sowieso spätestens Montag wieder da. Vermutlich fange ich schon am Wochenende mit Bibliografieren an oder meinem üblichen, ach, guckste doch mal in die Academic Search nach Aufsätzen, nur so, nix Ernstes und zack! lese ich wieder stundenlang in der Gegend rum.

Und weil ich das inzwischen weiß, genoss ich gestern quasi einen Tag Urlaub. Das war schön.

Was schön war, Mittwoch, 3. Februar 2016

Letzte Stunde im Ost-West-Dialoge-Seminar

Wir hörten ein sehr gutes Referat über Willi Sitte und diskutierten danach zum Abschluss noch mal über den Unterschied im Umgang mit NS-Kunst im Gegensatz zur DDR-Kunst. Mir ist im Laufe des Semester aufgefallen, dass der DDR-Kunst interessanterweise nicht die dämonische Verführungskraft der NS-Kunst zugeschrieben wird, obwohl beide Diktaturen eine Staatskunst förderten. Während den NS-Werken gerne unterstellt wird, man würde quasi durch den Anblick eines Zieglers zum Nazi werden, wird DDR-Kunst nachlässig in die Depots gestellt mit der Begründung, das sei halt nicht gut, weg damit. Dass wir als Kunsthistoriker*innen das anders sehen, ist mir auch erst im Laufe der letzten Monate aufgefallen. Vor allem habe ich gelernt, wie vielfältig auch diese angebliche Staatskunst sein konnte und dass mir viele Werke davon wirklich gefallen – oder mich zumindest interessieren.

Einen Unterschied zwischen den beiden Kunstrichtungen arbeiteten wir heraus: Die NS-Kunst war rückwärts gewandter Massengeschmack und gefiel daher vielen Menschen. Was dummerweise noch heute teilweise so ist – die Dozentin erwähnte eine Äußerung eines Besuchers zur Ausstellung GegenKunst, in der die Vier Elemente (vor 1937) von Ziegler und Josef Thoraks Zwei Menschen (1941) zu sehen waren: „Endlich mal was Anständiges in der Pinakothek der Moderne.“

Die Kunst der DDR hingegen war eine Kunst, die erziehen sollte, den Menschen den Sozialismus schmackhaft machen sollte. Diese Kunst fand nicht immer Rückhalt in der Bevölkerung. Trotzdem kein Grund, sie nur noch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR auszustellen. In den ehemals Alten Bundesländern gab es meines Wissens nach bis heute keine Ausstellung von DDR-Kunst. Dauerhaft ausgestellt ist sie hauptsächlich in Dresden, Leipzig und Berlin.

Edit, danke für den Hinweis aus der Leserschaft: Doch, es gab Ausstellungen.

Abschließend trug uns die Dozentin noch die Entwicklung der Staatlichen Akademie der Künste in München nach 1945 vor, die, total überraschend für die Hauptstadt der Bewegung, mit viel Personal weiterlehrte, das bereits im NS-Staat gelehrt hatte. Über die Studentenunruhen von 1968 gibt es hier einen interessanten Buchbeitrag von Birgit Jooss.

Bücher und Busse

Amazon-Paket aus der Packstation geholt. Wegen Dauerregens war ich nicht mit Rad unterwegs, sondern mit Öffis. Dabei sah ich zum ersten Mal einen Bus mit Anhänger, in den ich natürlich sofort einsteigen musste.

Einladung

Zuhause eine grandiose Mail vorgefunden: Die Albertina lädt mich zur Eröffnung der Anselm-Kiefer-Ausstellung im März nach Wien ein! KIEFER! WIEN! Endlich lohnt sich dieses Studium mal!

Auch wenn ich auf der Website blöderweise ein Bild mit Wagner-Bezug gefunden habe, das ich in der Hausarbeit nicht aufgezählt habe (Die Rheintöchter, 1982–2013). Verdammt! Noch ein Grund mehr, das Ding zu meinem Master-Thema zu machen. Ich werde Wege der Weltweisheit sehen! Und Brünhilde/Grane! (Immerhin das habe ich aufgeführt.) Ich kann seit dem Lesen der Mail nur noch Ausrufezeichen machen, weil ich mich so freue!

Sauerkrautrösti

Von meinem vorgestrigen Mittagessen war etwas Sauerkraut übrig geblieben. Daraus zauberte ich pfiffigerweise mein gestriges Mahl, ich patente Hausfrau. Meine Omi, ihres Zeichens Hauswirtschafterin, wäre stolz gewesen.

(Nachdem ich „Hauswirtschaft“ gegoogelt hatte, um zu gucken, was eigentlich alles darunter fällt, bin ich sehr lange auf dieser Seite hängengeblieben.)

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150 g Sauerkraut gut ausdrücken.
150 g Kartoffeln (das war bei mir eine große) grob reiben.
1 Zwiebel grob reiben.
Alles mit
1 Ei,
1 EL Mehl,
Salz und Pfeffer vermischen. In
Butterschmalz bei mittlerer Hitze zwei Rösti ausbacken.

Ich mag dazu einen Klecks saure Sahne oder Kräuterquark.

Was schön war, Montag, 1. Februar 2016

Barock- und Klassizismusklausur.

Ja, das war eine schöne Klausur. Die war vom freundlichen Dozenten aber auch auf „Ihr besteht das alle, außer ihr seid totale Trottel oder wart kein einziges Mal anwesend“ hin konzipiert. Die ersten gaben bereits nach drei von 45 möglichen Minuten ab. Normalerweise wäre das mein Job gewesen – deswegen sitze ich in Klausuren auch immer am Rand –, aber bei einem Kirchlein musste ich so lange überlegen wie ich für den gesamten Rest der circa 20 Fragen brauchte. Wir bekamen einen Grundriss vorgelegt –

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– und mussten nun antworten, welche Kirche das ist, wer sie gebaut hat und wie man diesen Bautypus bezeichnet. Beim Typ war ich schon leicht verwirrt und entschied mich dämlicherweise für einen Zentralbau, was natürlich falsch ist, denn bei einem Zentralbau sind alle Achsen gleich lang. Das war mir Blödfrau aber entfallen. Stattdessen hätte ich natürlich Saalkirche hinschreiben müssen, was sogar mein erster Impuls war, aber ach ich weiß auch nicht. Knurr. Den Baumeister wusste ich immerhin sofort, das ist der gute alte Bernini. Und auch beim Namen setzte ich schwungvoll an und schrieb „S. Andrea …“, dank meiner Eselsbrücke „Bernini hat drei Silben und diese kleine ovale Kirche mit dem Frauennamen hat im ersten Teil auch drei Silben, im Gegensatz zu S. Agnes in Piazza Navona, die von Borromini gebaut wurde“, aber dann wusste ich schlagartig nicht weiter. Ich wusste, hinter S. Andrea kommt noch was, aber mein Kopf hatte sich kurzfristig verabschiedet. (Vermutlich war er vom Nachdenken über den falschen Zentralbau schockiert.) Den Rest der Klausur hatte ich schon ausgefüllt, ich konnte mich nicht mehr mit anderen Fragen ablenken, starrte daher minutenlang aus dem Fenster und ging alle anderen Kirchen in Rom durch, die wir hatten: alla Sapienza? Nee. Alle Quattro Fontane? Nee. In Piazza Navona? Nee. Della Pace? Nee. Ich bohrte in meinen Hirnwindungen nach Buchstaben, nach Eselsbrücken, die ich noch nicht abgerufen hatte – und da war eine: Es gibt eine Kirche, deren Präposition ich mir nie merken konnte, bis mir auffiel, dass sie im Kirchennamen zweimal vorkam: Sant’Andrea al Quirinale. Fuck YEAH!

Okay, dafür ist mir der Architekt des Panthéon nicht mehr eingefallen, scheiß drauf, und ich habe das Theatermotiv mit der Ädikula verwechselt, was mich noch in 20 Jahren ärgern wird, weil das Begriffe sind, die ich seit dem ersten Semester drauf habe. Aber: Klausur ist unbenotet, bestanden ist bestanden. Die ersten ECTS-Punkte im Master sind seit gestern abend auf dem Konto. Schnellste Korrektur ever. Respekt.

Für gut.

Arthurs Tochter schrieb am Wochenende etwas zu Dingen, die man für später, für besondere Gelegenheiten, „für gut“ aufhebt. (Einschub: Die Kaltmamsell beschrieb ein besonders bizarres Beispiel dafür, vorletzter Absatz.)

„Als meine Patchwork-Oma starb, hinterließ sie ein Haus vom Keller bis zum Dachboden voll mit aufbewahrten Dingen. Bettdecken, Tischdecken, Laken, Tafeltücher, alle originalverpackt. Für gut. Als P.s Patentante starb, hinterließ sie eine Wohnung voll vom Keller bis unter die Wohnzimmerdecke mit aufbewahrten Dingen. Bücher, Tischdecken, Servietten, Laken, Bettwäsche, Tafeltücher und ja, ganz besonders Servietten, originalverpackt. Berge von Silberbesteck, dick und mehrfach in Alufolie gewickelt um ein Anlaufen zu verhindern, was nichts nützte über so viele Jahre, in denen das Besteck unbenutzt herumlag. Für gut.

Ich arbeite einige Stunden im Monat für die Zwiesel Kristallglas AG. Dort kaufen Menschen Gläser, mundgeblasen, keines unter € 20,00 das Stück. Diese Gläser stehen 364 Tage im Jahr im Schrank. Für gut.“

Ihr ahnt, wo der schöne Blogeintrag (unter anderem) hingeht: Benutzt das gute Zeug, denn es macht Freude, das gute Zeug zu benutzen.

Als ich aus meiner 3-Zimmer-Wohnung in Hannover in meine 1-Zimmer-Wohnung nach Hamburg zog, die ich mir als Textpraktikantin von meinen Eltern finanzieren lassen musste, kaufte ich ein Schlafsofa und nahm – natürlich – alle Bücher mit, alle Klamotten, meinen Schreibtisch, meinen Rechner und: das Goldrandgeschirr meiner Großeltern plus mein Silberbesteck. Ich habe es, wenn’s hochkommt, einmal benutzt, vermutlich, als ich den Kerl das erste Mal bekochte. Ansonsten stand es unbenutzt im Schrank, aber es musste in meiner Nähe sein, weil ich es schön fand, es bei mir zu haben.

Danach zog es von Wohnung zu Wohnung; als der Kerl und ich standesgemäß in vier Zimmer zusammenzogen, hatte ich auch endlich wieder Platz für den alten Schrank meiner Großeltern und darin Abstellfläche für das Teeservice meiner Omi.

Vor ein paar Monaten musste ich aus 120 Quadratmetern 44 machen – und überlegte beim Einpacken keine Sekunde: Das Goldrandgeschirr und das Teeservice kamen für sechs Personen mit (mehr haben an meinem Tisch geschweige denn in meiner Wohnung eh nicht Platz) und meine Silberkästen natürlich auch. Und dann passierte etwas: Ich benutzte Omis Teeservice. Ich gehe zwar mit der Teekanne in Zeitlupe vom Wasserkocher zum Tisch oder zum Sofa, damit sie mir bloß nicht runterfällt, und ich halte die winzigen, zarten Tässchen gerne mal mit beiden Händen fest, aber: Ich benutze sie. Weil ich mich jedesmal über das Geschirr freue, weil sich die Tasse im Mund besser anfühlt als die Ikea-Tasse, weil ich mir einbilde, der Tee bliebe länger darin warm, was auch immer. Weil ich an Omi denke, ist sicher auch ein Grund.

Aber das Goldrandgeschirr und das Silberbesteck stehen in der Abstellkammer. Das wurde bisher nur rausgeholt, wenn Besuch bekocht wurde oder wenn ich der Meinung war, ich müsste für Instagram mal einen hübscheren Teller ablichten als den weißen Alltags-Ikea-Teller.

Nach dem Eintrag bei Arthurs Tochter fragte ich mich dann aber: Was mache ich hier eigentlich für einen Quatsch? Ich habe doch gerade erst gesehen, dass nichts für ewig ist, auch wenn man sehr lange daran geglaubt hat. Ich habe keine Kinder, für die ich Geschirr und Besteck schonen müsste, damit sie es erben können. Und: Ich liebe es, mit meinem Silberbesteck zu essen. Die Messergriffe haben genau die kühle Schwere, die ich als angenehm empfinde, sie liegen richtig gut in der Hand. Ich mag auch das Gefühl, mit Silber zu essen, ich behaupte, es ist weicher im Mundgefühl als Stahl oder Chromargan. Und auch hier: Ich denke an die Menschen, die es vor mir besessen haben.

Und so habe ich gestern alltägliche Rostbratwürstchen mit Hausmannskost-Kartoffelpüree und Dosensauerkraut auf meinen Goldrandteller geschichtet und das Silberbesteck benutzt.

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Ich glaube, das mache ich heute wieder.

PS: Mein Studium fällt natürlich auch in die Kategorie „Für jetzt und nicht für gut“. Ich wollte keine 20 Jahre mehr unter Schmerzen Werbung machen, bevor ich als Seniorin bei den KuGis sitze. Ich wollte das *jetzt* machen. Weil jetzt gut ist.

Was schön war, Samstag/Sonntag, 30./31. Januar 2016

Lernen.

Ich habe in diesem Semester sehr spät damit angefangen, meine Lernkärtchen zu basteln. Normalerweise sind im Wintersemester die Weihnachtsferien dafür prädestiniert, aber in diesem Semester wartet gerade mal eine kleine schnuffelige Klausur auf mich (genauer gesagt, wartet sie heute ab 12.15 Uhr auf mich), und deswegen bin ich etwas leichtsinnig geworden. Donnerstag abend waren die Kärtchen aber fertig und seitdem blättere ich sie durch, murmele römische Kirchen- und französische Schlössernamen vor mich hin und freue mich über eine ganz wunderbare Eselsbrücke.

(Über der ganzen Freude habe ich das Schönschreiben verlernt: Da steht nicht „Huchbarock“.)

Lesen.

Ich habe das Trümmerfrauenbuch durch (große Empfehlung, gibt’s ab März auch als Taschenbuch) und bin kurz davor, Carol zu beenden. Mag ich auch sehr gerne. Danach versinke ich wieder in Fachliteratur, denn die zweite Hausarbeit in diesem Semester will geschrieben werden. Außerdem habe ich mich über eine Mailantwort am Sonntag gefreut, vor der ich ein bisschen Angst hatte. (Es geht um den letzten Teil meines Auszugs; in Hamburg steht immer noch Zeug von mir, das nach Semesterende da endlich weg muss.)

Reden.

Wieviel man im Kopf und im Herz aufräumen kann, wenn man gemeinsam im Bett liegt und rumquatscht, ist schon toll.

Pseudo-Eggs-Benedict

Eggs Benedict macht man eigentlich mit einem englischen Muffin und Speck. Das habe ich aber quasi nie im Haus. Was ich hingegen immer im Haus habe, ist Schinken aus Serrano oder Parma und ganz hervorragendes Weißbrot, das zwar irgendwo in München gebacken wird, aber schmeckt wie aus Serrano oder Parma. Und alles, was man für pochierte Eier und Sauce Hollandaise braucht, ist auch vorhanden. Los geht’s.

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Zuerst mal die Hollandaise machen. Wir nutzen dazu faul einen Pürierstab und haben daher in fünf Minuten unser Sößchen.

100 g Butter schmelzen.
In einem hohen Gefäß
2 Eigelb (aus dem Eiweiß kann man Pavlova machen),
1 EL warmes Wasser,
1 EL Zitronensaft und
3/4 TL grobes Meersalz kurz aufpürieren. Dann die geschmolzene Butter in dünnem Strahl dazugießen und dabei weiterpürieren. Fertig.

Die Sauce schmeckt mit einem Esslöffel Zitronensaft sehr zitronig. Ich mag das, aber wer die Sauce lieber buttrig-weich haben möchte, nimmt erstmal etwas weniger.

Jetzt die pochierten Eier zubereiten. Dazu in einem breiten Topf
Wasser erhitzen und simmern lassen. Ich weiß nicht wieviel, ich mach das frei Schnauze. Ihr kriegt das hin. In das Wasser
einen Spritzer Essig geben.
2 Eier in zwei Schälchen aufschlagen; vorsichtig, damit das Eigelb heil bleibt. Wenn das Wasser simmert, ein Schälchen mit Inhalt kurz mit dem Wasser in Berührung kommen lassen, so dass das Eiweiß anfängt zu stocken und dann das gesamte Ei vorsichtig ins Wasser gleiten lassen. Das gleiche mit dem zweiten Ei machen.

In so ziemlich jedem Kochblog gibt’s verschiedene Tipps, um die Eier anständig zu pochieren: einen Strudel erzeugen, das Ei dort hineingleiten lassen, Eier mit einer Schöpfkelle ins Wasser befördern, keine Ahnung was noch. Bei mir klappt das mit den Schälchen gut und das Eiweiß franst nicht allzu sehr aus. Ich pochiere die Eier relativ kurz, weil ich flüssiges Eigelb mag; auch das mache ich frei Schnauze und nicht nach Uhr. („Eine Hausfrau hat das im Gefühl.“)

Während die Eier vor sich hinpochieren,
2 Scheiben Weißbrot toasten und mit
2 Scheiben rohem Schinken belegen.

Die Eier kurz auf Küchenpapier abtropfen lassen, auf das Schinkenbrot legen und mit Hollandaise beträufeln oder übergießen, je nach Laune.

Tagebuch, Mittwoch, 27. Januar 2016

Adieu, Anselm

Nach drei Korrekturgängen habe ich mir selber zugeraunt „Gib ab. Gib ab. Gib ab. Gib ab. GIB AB“, aus dem Word-Dok ein pdf gemacht, es so benannt, wie die Dozentin es haben wollte und … die Mail noch zweimal durchgelesen (alle Namen richtig?) … das pdf sicherheitshalber noch mal geöffnet … „ECHT JETZT, GIB AB“ … und die Mail abgeschickt. Das ist aber auch immer eine schwere Geburt, herrgottnochmal. (Mein Baby!)

Ost-West-Dialoge-Seminar

Wir hörten zunächst ein Referat über die Autoperforationsartisten, eine Performancegruppe aus der DDR, die von 1982 bis 1991 bestand. Sie befassten sich in ihren Aufführungen mit dem Gefühl des Eingesperrtseins und dem Widerspruch zwischen dem inneren und dem äußeren Selbst, die ständig aneinanderstießen. Die Performance als ephemeres Werk hatte durchaus einen Hintergrund: Es gab keine Drehbücher zu den Aktionen, keine Dokumente, die den Performern zur Last gelegt hätten werden können, es gibt kaum Fotos oder gar Videoaufnahmen der Gruppe, die bewusst keine Dokumentation wollten, aus genau dem gleichen Grund: Staatsfeindliche Aussagen konnten so schwerer belegt werden. Deswegen greift die Kunstgeschichte jetzt ausgerechnet auf Stasi-Akten zurück, in denen einige der Aktionen immerhin schriftlich dokumentiert wurden, wenn auch zu einem ganz anderen Zweck.

Das zweite Referat befasste sich mit Gerhard Richter und den verschiedenen Ausprägungen seiner Abstraktion. Besonders auf ein relativ neues Werk – Birkenau (2014) – gingen wir ein bzw. sprachen kurz über die Kritik an den Bildern von Wolfgang Ullrich. Sein Text ist hier zu lesen. Und einen etwas wohlwollenderen FAZ-Artikel von meiner Lieblingsfeuilletonistin gibt’s noch obendrauf, wobei ich hier auf Ullrichs Seite wäre. (Ich mag seinen Begriff der „Assoziationspflicht“ für die Betrachter*innen von Richters Bildern.)

Im Artikel werden weitere Richter-Bilder genannt, in denen er sich mit dem Thema des Nationalsozialismus auseinandersetzt. Die stammen allerdings aus den 1960er Jahren und betreffen ihn persönlich: Onkel Rudi und Tante Marianne. Wie genau, steht am Schluss des FAZ-Artikels.

Edit: Ab dem 6.2. ist Birkenau in Baden-Baden zu sehen.

Links

Was ich gestern unter anderem vertwitterte: einen Blogeintrag von musermeku über Social Media als Herausforderung für Gedenkstätten sowie einen Reiseblogeintrag über Verdun, knapp 100 Jahre vor dem Jahrestag des Beginns der blutigen Schlacht im Ersten Weltkrieg.

Tagebuch, Dienstag, 26. Januar 2016

Was schön war, Montag, 25. Januar 2016

Uni. (War ja klar.)

In unserer letzten Sitzung der Barock-und-Klassizismus-Vorlesung sprachen wir zunächst über von Klenzes Walhalla in Regensburg, was ich sehr lustig fand, weil Anselm Kiefers Bild Deutschlands Geisteshelden an das Innere dieses Bau erinnert. Danach wandten wir uns wieder München zu, genauer gesagt, Friedrich von Gärtner und seiner Ludwigskirche, die gegenüber der Uni steht und zum Ensemble der Ludwigstraße gehört.

Die Ludwigskirche ist die Kirche in München, in der ich auf häufigsten war, einfach weil sie direkt vor meiner Nase steht, wenn ich im Hauptgebäude der Uni bin, von wo ich mal schnell rüberlaufen und etwas verweilen kann. Meistens sitze ich nur da und gucke und denke nicht weiter über die Kunstgeschichte nach. Hätte ich mal machen sollen, dann wäre mir nämlich längst aufgefallen, dass von Gärtner lustig das gotische Kreuzrippengewölbe mit den romanischen Rundbögen mischt. Vielleicht liegt es daran, dass mir die Kirche nie so neo-irgendwas vorkam, sondern fast zeitlos. Klar habe ich Referenzen gesehen, aber mir selbst im Kopf nie ein komplettes Bild gebastelt; ich habe mich nur darüber gefreut, dass mir die Kirche gefällt. (Muss ja auch mal sein.)

Hätte ich den Wikipedia-Eintrag zu ihr gelesen, hätte ich auch schon vor gestern erfahren, dass im Chor das zweitgrößte Altarfresko der Welt zu sehen ist. (Das größte ist natürlich das von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle.) Was ich aber am spannendsten fand, und das steht nicht in der Wikipedia, ist der Grund, warum die Türme so seltsam auseinandergezogen dastehen. Das habe ich mich jedesmal gefragt, wenn ich die Fassade angeschaut habe: Wieso ist da ein Abstand zwischen Giebel und Türmen? Auf diesem Bild sieht man ganz gut warum: Die Türme sind nicht aus dem Bauwerk heraus geplant gewesen, sondern schon im Bezug auf die Straßen, an denen sie steht: Sie bilden optisch einen Abschluss der Schellingstraße, die rechtwinklig auf die Ludwigstraße trifft und von der aus man einen Kilometer lang auf die Front der Kirche guckt. Ich mag Stadtplanung ja gerne bzw. ich sehe gerne, warum irgendwas in meiner Stadt so dasteht wie es eben dasteht, und das war wieder ein schönes Beispiel.

Die Ludwigstraße wurde von König Ludwig I. erbaut, um die ludovizianischen Werte widerzuspiegeln: Wissenschaft/Kunst (Uni, Stabi), das römisch-katholische Christentum (St. Ludwig) und die Wittelsbacher Herrschaft (die Straße beginnt an der Residenz bzw. der Feldherrnhalle und endet am Siegestor). Der Dozent erzählte uns außerdem, dass der König die Kirche bauen ließ, ohne sie überhaupt finanzieren zu können. Er hatte dreist den Münchner Magistrat aufgefordert, die Kirche zu bezahlen, sonst würde er die Universität und die Residenz einfach in eine andere bayerische Stadt verlegen. Die Stadt knickte ein und zahlte. „Da können Sie jetzt mal kurz rüber zu St. Ludwig gehen und ein Dankgebet sprechen, dass Sie heute nicht in Ingolstadt sitzen.“

Hausarbeit finalisieren – und kürzen, verdammte Axt.

Ich pflegte gutgelaunt die Korrekturen meiner Drüberleserin ein und machte mich dann an die Arbeit, mit der ich immer warte, bis der Haupttext wirklich steht: die Fußnoten. Ich nenne beim ersten Vorkommen eines Titels den gesamten Rattenschwanz, also zum Beispiel „Hamann, Brigitte: Winifred Wagner, oder Hitlers Bayreuth, München 2003, S. x.“ Bei der nächsten Nennung steht da nur noch „Hamann 2003, S. x.“ Das füge ich erst ein, wenn ich wirklich weiß, wo die erste Nennung hin muss. Eigentlich mache ich das gerne, denn dieser Schritt bedeutet, dass ich fertig bin. Gestern fiel mir aber siedendheiß ein, dass ich mit diesen ganzen Rattenschwänzen die Zeichenzahl wieder nach oben jage, die ich ja gerade unter 50.000 gedrückt hatte. Im Master zählt bei uns nicht nur der Haupttext, sondern auch der wissenschaftliche Apparat mit zu den Zeichen, was mich anfangs jubeln ließ und jetzt nur noch kotzen lässt. In meiner Arbeit nenne ich fast 50 Werke von Kiefer (ja, selber schuld, ich weiß), die alle Fußnoten à la „Buch, 210 Seiten; Emulsion auf farbigem, teilweise verbranntem Papier, Filzstift, Tinte, Klebeband, Holz und Nägel, 28 x 46 x 5 cm, Privatbesitz, vgl. Kat. Ausst. Paris 2015, S. 108/109.“ haben. Das Verhältnis von Haupttext zu Fußnoten ist, wie ich gestern entsetzt feststellen musste, 30.000 zu 20.000 Zeichen. Meine Arbeit ist damit genau so lang wie meine Hauptseminararbeiten im Bachelor – der ganze Rest meiner herrlichen Zeichenzahl wird von den verdammten Fußnoten gefressen. Und die verlängerte ich durch die Literaturtitelnennung gestern noch mal, woraufhin ich noch mal kürzen musste. Jetzt bin ich bei 49.996 Zeichen und rühre das Ding nicht mehr an, verdammt.

Ich vermisse die Arbeit jetzt schon. Ich war so schön im Flow. Und ich hätte noch so viel zu sagen. Snif.

Was schön war, Samstag/Sonntag, 23./24. Januar 2016

Aua. (Nicht schön.)

Ich habe mir Samstag morgen irgendwas in der Schulter verlegen, gezerrt, keine Ahnung, jedenfalls fing es an, ein bisschen weh zu tun, sobald ich den Arm bewegte und wurde im Laufe des Tages immer schlimmer. Deswegen fiel der Plan „Putzen, zwei Kuchen backen, Lernkärtchen für die Barockklausur fertigmachen“ ins Wasser. Putzen ging gar nicht, Kuchenbacken nur unter sehr lautem Gejammer und was richtig fies war: Ich konnte nicht am Schreibtisch sitzen, weil ich den Arm in keiner Position schmerzfrei halten geschweige denn damit tippen konnte. Was ging, war seltsam schräg wie eine Meerjungfrau auf dem Sofa zu liegen, gebettet auf zwei dicke Kissen, und Netflix zu gucken. Das war dann im Prinzip auch mein Samstag. Bis auf den einen Kuchen. Immerhin.

Sonntag waren die Schmerzen deutlich geringer und heute sind sie fast weg. (Schön.)

Netflix gucken.

Die zweite Staffel von Fargo ist großartiges Fernsehen.

Blumen.

Auf meinem Schreib-/Küchentisch stehen gerade zartviolette und weiße Tulpen.

Kaffeeklatsch und Feedback.

Meine geschätzte Korrekturleserin kam am Sonntag auf Kuchen und Tee vorbei und legte mir ihre Verbesserungsvorschläge für meine Kiefer-Hausarbeit vor, die ich wie immer fast komplett übernehmen werde. Es hat mich sehr gefreut, dass meine Gedankengänge auch außerhalb meines Kopfes nachvollziehbar waren und dass wir fünf Stunden lang beieinander lungerten und über viele spannende Dinge sprachen. Gerne wieder.

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Jahrestag.

Heute wären der Kerl und ich zwölf Jahre zusammen gewesen. Ich halte das für ein erstes Zeichen der Closure, dass mir das erst gestern um Mitternacht eingefallen ist, als der Apple-Kalender auf 25 umsprang, und ich nicht geweint habe, sondern nur leise in mich rein traurig war.

Donauwelle

Auf das Internet ist Verlass: Vor wenigen Tagen schrieb ich, dass ich mir endlich mal ein Rezept für Donauwelle suchen müsste, weil ich den Kuchen so gerne esse, aber noch nie einen gemacht habe. Eine Leserin schickte mir einen Link zu Chefkoch, ich dachte, ach, das probierste mal aus, und was soll ich sagen? Der ist schon fast genau so, wie ich ihn haben will.

dw

In einer Schüssel
200 g zimmerwarme Butter mit
200 g Zucker schaumig schlagen.
5 Eier nach und nach dazugeben.
300 g Mehl und
2 TL Backpulver unterheben.

Ein tiefes Backbleck mit Backpapier auslegen und 2/3 des Teiges darauf verteilen. Das war bei mir ein einziger Kampf „zäher Teig gegen rutschiges Backpapier“, deswegen werde ich vermutlich das nächste Mal ein Backbleck einfetten und auf das blöde Papier verzichten.

Das restliche Teigdrittel mit
1 EL dunklem Kakeopulver vermischen und auf den Backblechteig streichen. Das geht übrigens, wie mir erst beim folgenden Pudding aufgefallen ist, mit einer Palette deutlich besser als mit einem Teigschaber.
1 Glas Kirschen (700 g, 350 g Abtropfgewicht) auf dem Teig verteilen. Der Teig sieht noch recht flach aus, aber keine Angst, der wächst ganz wunderbar über die Kirschen hinaus. Alles im auf 175° vorgeheizten Ofen für 20 bis 30 Minuten backen. Das Originalrezept will 30 Minuten, ich hatte nach guten 20 und der Stäbchenprobe das Gefühl, der Teig könnte raus. Also einfach mal gucken. Nach dem Rausnehmen abkühlen lassen.

Jetzt kommt Fertigvanillepudding, sorry. Beim ersten Mal wollte ich mich ans Rezept halten, aber beim nächsten Mal greife ich auf den selbstgemachten zurück.

2 Päckchen Vanillepudding mit
Milch und Zucker anrühren, nach Packungsanleitung fertigstellen und abkühlen lassen. Bei mir kam 1 Liter Pudding raus, von dem ich aber nur ca. 750 g auf den Kuchen gestrichen habe. Den Rest habe ich mit dem Saft aus dem Kirschenglas verputzt.

175 g weiche Butter weißlich aufschlagen, den kalten Pudding esslöffelweise unterrühren und die Masse auf den Kuchen streichen. Zum Schluss
200 g Zartbitterkuvertüre schmelzen und mit
1 EL Öl vermischen. Kuvertüre auf den Pudding streichen und wiederum abkühlen lassen.

Ich hätte den Teig gerne ein winziges bisschen fluffiger, aber das ist Nölen auf hohem Niveau. Es sind genug Kirschen und Pudding drauf, um ihn nicht trocken schmecken zu lassen, aber trotzdem werde ich an dem Teil des Kuchens noch ein bisschen rumdengeln. Vielen Dank für den Link, das war ein wunderbarer Einstieg.

Was schön war, Freitag, 22. Januar 2016

Von Derrida zu Naomi Campbell.

Im Iconic-Architecture-Seminar hörten wir ein spannendes Referat über Zaha Hadid und ihre Beziehung zum Dekonstuktivismus bzw. Suprematismus. Wir sahen ihre Entwürfe zu The Peak, einem Club in Hong Kong, der leider nie gebaut wurde, mich aber sehr faszinieren konnte. Hier ein Bild aus dem MoMA, hier weitere Entwürfe auf Hadids Website. Ich hörte erstmals von der Ausstellung Deconstructivist Architecture von 1988 im MoMA, wo neben ihren noch Entwürfe von sechs weiteren Architekten hingen. Hier eine Diskussion 25 Jahre später, den Text habe ich aber selbst noch nicht gelesen. Den Katalog sollte ich mal durchblättern.

Zum Schluss überlegten wir, ob wir im bisherigen Seminarverlauf vielleicht Gebäudetypen vergessen hätten, die iconic sein könnten und kamen auf Wohnhäuser. Als Beispiel diente dem Dozenten die Villa von Vladislav Doronin, einem russischen Immobilien-Tycoon, der sich dieses Ding in die Nähe von Moskau bauen ließ. Und wofür? Damit er dort mit seiner damaligen Lebensgefährtin Naomi Campbell rumturteln konnte – mit Aussicht über die russischen Wälder.

Mir fiel noch das Antilia ein, meldete mich aber nicht zu Wort, weil ich den Entwurf nicht für ikonisch halte.

Zweisamkeit.

Den Abend mit F. verbracht: Pizza gegessen, Fußball geguckt, dann eine Stunde #ibes (mehr wollte ich dem Herrn nicht zumuten), Arm in Arm eingeschlafen.