The Savages

The Savages (Die Geschwister Savage) erzählt von Wendy und Jon und ihrem Vater, der im Retortenstädchen Sun City in Arizona mit seiner Freundin lebt, die bereits medizinisch betreut wird. Er selbst ärgert den Pfleger damit, Schimpfworte mit seinen Fäkalien an die Wand zu schreiben. Und als seine Freundin eines Tages stirbt, setzen deren Kinder den alten Mann vor die Tür. Wo ihn seine Kinder, die seit Jahren keinen Kontakt mehr mit ihm haben, ihn aufsammeln. Und sich fragen, was man nun mit ihm macht.

Der Film hält sich sehr zurück mit Fingerzeigen, Schuldzuweisungen oder Ansagen, was richtig ist oder was falsch, was ist moralisch vertretbar, was ist nötig, was nicht. Obwohl beide Kinder kein gutes Verhältnis zu ihrem Vater hatten, fällt es besonders Wendy schwer, ihn in ein Pflegeheim zu geben und zu akzeptieren, dass er dement ist und nicht widerspenstig. Beide haben außerdem an ihrem eigenen Leben zu knabbern.

Laura Linney und Philip Seymour Hoffman sind – wie eigentlich immer – großartig in ihren Rollen; beide füllen ihre sehr intellektuell agierenden Figuren mit viel unterschwelliger Emotion, beide fügen sich in ihre Aufgabe, ohne peinliche Märtyrermomente oder Opfergesten, die bei dieser Art Film gerne mal nerven. Zwischendurch passieren unfreiwillig komische Momente, wenn z.B. der Vater sich in seiner Kinonacht für die Heiminsassen ausgerechnet den Jazz Singer wünscht, was das vorwiegend farbige Personal stirnrunzelnd aufnimmt und man den beiden politisch korrekten Kindern so richtig schön ansieht, was sie gerade denken.

The Savages erzählt seine Geschichte sehr gradlinig und sehr aufrichtig. Es ist nicht unbedingt ein Film für den entspannten Abend mit der Chipstüte auf dem Bauch, aber gerade deswegen sehr sehenswert.

Lions for Lambs

Konnte man gut neben dem Einmarsch der Athleten in Peking weggucken. War allerdings genauso vorhersehbar.

Lions for Lambs (Von Löwen und Lämmern) erzählt drei Geschichten parallel: Ein Senator (Tom Cruise, gelackt, mit Seitenscheitel, passend) empfängt eine Reporterin (Meryl Streep, unterbeschäftigt), um ihr eine geheime, tolle Strategie zu unterbreiten, wie die USA in Afghanistan doch noch Ruhe und Ordnung und eventuell einen Hauch Demokratie hinkriegen könnte. Wir sehen in der zweiten Geschichte, wie dieser Plan umgesetzt wird ”¦ oder auch nicht. In diesem Handlungsstrang spielen zwei Soldaten die Hauptrolle, die mal bei einem Professor Unterricht gehabt haben, bevor sie sich freiwillig für die Armee gemeldet haben. Und dieser Professor (Robert Redford, der anscheinend vertraglich festgelegt hat, dass er nur hellblaue Hemden tragen muss – in allen Filmen) versucht in der dritten Geschichte einem weiteren Studenten klarzumachen, dass er sich politisch engagieren sollte anstatt nur zu nölen.

Und das war im Prinzip der ganze Film. Keine Überraschung, keine große Dramatik, viel Gequatsche. Die Botschaft „Glaubt den Medien nicht alles/Schaut genauer hin/Engagiert euch“ kriegt Jon Stewart in seiner Daily Show jeden Tag in zehn Minuten hin. Und weitaus unterhaltsamer.

Le scaphandre et le papillon

Der Elle-Herausgeber Jean-Dominique Bauby erleidet einen massiven Schlaganfall, fällt ins Koma und erwacht drei Wochen später – bei vollem Bewusstsein, aber eingesperrt in seinen fast vollständig gelähmten Körper. Er kann nur noch blinzeln, um sich zu verständigen. In diesem Zustand schafft er es, ein Buch über eben diesen Zustand zu schreiben, indem seine Sprachtherapeutin bzw. später die Mitarbeiterin eines Verlags ihm immer und immer wieder das Alphabet aufzählen und er beim richtigen Buchstaben blinzelt. Le scaphandre et le papillon (Schmetterling und Taucherglocke) ist die Verfilmung dieses Buchs.

Regisseur Julian Schnabel nutzt einen einfachen Kunstgriff, um uns Jean-Dominique näherzubringen: Er filmt den Großteil von Scaphandre aus seiner Perspektive. Wir sehen, was er sieht, wir blinzeln, wenn er blinzelt. Rückblenden erzählen vom „alten“ Jean-Do, wie er genannt wird, von seinem Vater, seiner Familie, seinen Affären. Der Film nimmt einen sofort mit, weil er uns genauso unvermittelt in diesen schier unerträglich scheinenden Zustand wirft wie Jean-Do. Kurze Traumsequenzen machen seine Qual noch deutlicher: Der Mann, der gebadet wird, angezogen wird, dem der Speichel aus dem schiefen Mund läuft, sitzt im Traum mit seiner Stenografin in einem kleinen Restaurant und verspeist, nein, verschlingt Austern, Fisch, Meeresfrüchte, scheinbar nicht nur mit dem Mund, sondern mit dem ganzen Körper, er bewegt sich, greift ausladend über den Tisch, lacht, nimmt sich noch eine Auster und noch eine, füttert, wird gefüttert, küsst, wird geküsst, genießt so überschwenglich und mit allen Sinnen, dass der harte Schnitt zum bewegungslosen Mann im Krankenhaus noch schmerzhafter wird.

Scaphandre erzählt eine für uns nicht nachvollziehbare Geschichte so, dass man sie nachvollziehen kann. Er verzichtet auf hollywoodeskes Zerren an den großen Gefühlen, sondern bildet einfach nur ab. Er zeigt, dass in Ausnahmesituationen aus jedem ein Ausnahmecharakter werden kann, vielleicht muss, ohne einen falschen Helden aufzubauen. Er zeigt einfach. Bilder, die ich noch nie so gesehen habe und hoffentlich nie sehen werde. Ganz große Empfehlung.

Margot at the Wedding

Eine Schwester (Jennifer Jason Leigh) heiratet, die zweite (Nicole Kidman) kommt als Gast, und aus der Begegnung der zwei Frauen entsteht ein zerrissenes Familienporträt, das einen sehr fesselt – allerdings auf diese unangenehme Art, die man spürt, wenn man an Verkehrsunfällen vorbeikommt. Margot at the Wedding (Margot und die Hochzeit) tut so, als ob er eine stringente Geschichte wäre. Ist er aber nicht; man springt von Szene zu Szene und erfährt aus jedem Bild und jedem Satz wieder eine ganz neue Facette.

Ich merke gerade, dass meine Besprechung sich ähnlich anfühlt; ich weiß gar nicht genau, was mir an dem Film gefallen hat. Mal überlegen: die Dialoge, die komplett ausgedacht und sehr geschrieben klangen, aber vielleicht deshalb so besonders waren. Die schonungslosen Zeilen, die sich die hervorragenden Darsteller um die Ohren hauen, bei denen man sich fragt: Sollte das jetzt so weh tun oder war das ein Versehen? Die monochrome Farbigkeit, die das Haus am Meer noch pastelliger und unwirklicher aussehen ließ. Die beiden Welten, die bei den Hochzeitsvorbereitungen aufeinanderprallen – die fürchterlich überintellektualisierten Frauen und ihr Anhang aus Verlobten, Ehemännern und Kindern und die unheimlichen white-trash-Nachbarn. Die sehr subtile Musik, die wenigstens ein bisschen Emotion in die Unterhaltungen zaubert. Einziger Minuspunkt: Jack Black, der hier eindeutig überfordert war.

Ich lasse diese Stoffsammlung mal so stehen, denn so fühlt sich der Film an. Ach ja: Ich fand ihn gut.

In Bruges

Hach, mal wieder einer von diesen kleinen, dreckigen Filmen, die eine knackige Geschichte haben, gute Darsteller, feine Dialoge und diesmal als Sahnehäubchen: eine einzigartige Kulisse, nämlich das mittelalterliche Brügge. In Bruges (Brügge sehen … und sterben?) erzählt von zwei Gangstern aus Irland, die sich in Belgien kurzzeitig verstecken müssen, nachdem einer von ihnen zuhause einen Priester erschossen hat – und nicht nur den. Aber das Versteck ist eigentlich auch keins, aber das weiß einer von den beiden noch nicht. Genauso wenig wie er weiß, dass der kleinwüchsige Filmdarsteller, auf den er trifft, lieber dwarf anstatt midget genannt werden möchte, was die nette blonde Frau auf dem Filmset sonst noch so macht und aus welchem Land die beiden Leute kommen, mit denen er eine unschöne Begegnung beim Abendessen hat.

Der Film schlägt einen Haken nach dem anderen, aber keiner wirkt absurd, sondern absolut sinnvoll – solange man bei diesen schrägen 90 Minuten mit seinen seltsam moralischen Hauptfiguren überhaupt von sinnvoll sprechen kann. Aber irgendwie funktioniert diese Kombination aus Katholizismus, Sightseeing und Platzpatronen hervorragend. Und ich nehme stark an, dass Brügges Fremdenverkehrsverein diesen Film mitfinanziert hat. Hat gewirkt. Ich will sowohl den Film nochmal sehen als auch einen Urlaub in Belgien buchen.

The Bucket List

Feel-Good-Rotz-und-Wasser-Film mit sehr vorhersehbarer Geschichte, aber immerhin gut gelaunten Darstellern. Jack Nicholson (steinreich und Menschenfeind) und Morgan Freeman (der Philosoph im Blaumann mit Großfamilie) treffen sich gezwungenermaßen im Krankenhaus, als beide erfahren, dass sie in nicht allzuferner Zeit an Krebs sterben werden. Freeman schreibt in einer nachdenklichen Minute eine Liste von Dingen auf, die er noch erledigen möchte (z.B. „witness something truly amazing“), was Nicholson mitkriegt und erstmal um weltlichere Dinge ergänzt wie Skydiving und sich tätowieren lassen.

The Bucket List (Das Beste kommt zum Schluss) lebt nur von seinen Hauptdarstellern, denen man sichtlich ansieht, dass sie mal so richtig die Sau rauslassen können – man stirbt ja schließlich nur einmal. Die wenigen Momente des Innehaltens fühlen sich dann auch widerlich aufgesetzt und zeigefingerig an, genau wie man am Ende natürlich dann doch ein Taschentuch vollheult, weil die Geigen so laut und der Himmel so blau.

„Ich hab gestern die gesamte Strecke von Hamburg nach Hannover gelesen. Ich hab nur einmal hochgeschaut und aus dem Fenster geguckt – ausgerechnet in dem Moment, in dem der Zug an der Gedenkstätte in Eschede vorbeigefahren ist.“

„Vielleicht sollte das so sein. Da sind noch ne Menge Seelen unterwegs, die nicht vergessen werden wollen.“

(I do, I do, I do believe.)

Mal wieder ein paar Gute-Laune-Shirts bestellt: Do Re Mi, Bunny und Miss Scarlett.

(Dieser Eintrag steht hier stellvertretend für einen, in dem ich mich über die erwachsene Frau aufdotzen wollte, die einen Sendung-mit-der-Maus-Klingelton im Bus erschallen ließ.)

Wo wir gerade mal wieder über Trolle reden: Im NYT Magazine steht ein hübscher Artikel über diese Spacken. Und obwohl ich nicht allen Menschen, die online mal den Irren raushängen lassen, unterstelle, dass sie Psychopathen sind – die Leute im Artikel scheinen für mich doch zur Kategorie „Heute eure Medikamente noch nicht geschluckt?“ zu gehören.

„As Fortuny picked up his cat and settled into an Eames-style chair, I asked whether trolling hurt people. “I’m not going to sit here and say, ”˜Oh, God, please forgive me!’ so someone can feel better,” Fortuny said, his calm voice momentarily rising. The cat lay purring in his lap. “Am I the bad guy? Am I the big horrible person who shattered someone’s life with some information? No! This is life. Welcome to life. Everyone goes through it. I’ve been through horrible stuff, too.” “

Genau die „Argumentation“, bei der ich das Kotzen kriege. Mag ja sein, dass ich ein Kuschelbärchen slash Konsenspuschel bin, aber ich gehe Konfrontationen lieber aus dem Weg, sowohl online als auch im „wahren Leben“ – wobei ich immer noch nicht weiß, warum es da einen Unterschied gibt. Das Internet, in dem ich mich bewege, ist Teil meines Lebens; warum ich mich dort anders verhalten sollte als offline, verstehe ich nicht. Und deswegen konnte ich auch noch nie nachvollziehen, wieso ich online Dinge aushalten soll (z.B. durch eine geöffnete Kommentarfunktion, die jeder missbrauchen kann, dem seine Katze in die Schuhe gekackt hat), denen ich offline aus dem Weg gehe. Wenn ich in der U-Bahn die Wahl habe zwischen einem Sitzplatz neben einem freundlichen Pärchen oder der rülpsenden Gang, die mit Bierdosen schmeißt, warum sollte ich mich freiwillig zu den Idioten setzen? Weil das das wahre Leben ist? Geh weg.

„He proceeded to demonstrate his personal cure for trolling, the Theory of the Green Hair.

“You have green hair,” he told me. “Did you know that?”

“No,” I said.

“Why not?”

“I look in the mirror. I see my hair is black.”

“That’s uh, interesting. I guess you understand that you have green hair about as well as you understand that you’re a terrible reporter.”

“What do you mean? What did I do?”

“That’s a very interesting reaction,” Fortuny said. “Why didn’t you get so defensive when I said you had green hair?” If I were certain that I wasn’t a terrible reporter, he explained, I would have laughed the suggestion off just as easily. The willingness of trolling “victims” to be hurt by words, he argued, makes them complicit, and trolling will end as soon as we all get over it.“

Zu dieser Passage kam im Lede-Blog der NYT ein interessanter Kommentar, den ich nicht komplett unterschreiben würde, aber im Ansatz interessant finde:

„Trolling will not end as soon as we all get over it, any more than rape will end when women get over it or racism will end when black and brown people get over it.

Trolls are bullies because they choose to be bullies. They are good at hurting people because they make a concerted and deliberate effort to figure out what will hurt people the most, because trolls are fundamentally hateful down to the bottoms of their souls. Bullies don’t stop being bullies just because people move out of their way. (…)“

Be Kind Rewind

Nach den ersten zehn Minuten dachte ich, igitt, geh mir weg, was fürn Quatsch. Dann kam aber das wundervolle Nachdrehen von Ghostbusters, das sehr, sehr viel Spaß gemacht hat. Dann wurde Be Kind Rewind wieder drömelig, dann kam auch noch ein kleiner Seitenhieb auf die pöse Filmindustrie (immerhin mit Sigourney Weaver), und zum Schluss war ich sehr gerührt, aber nur, weil ich mir eingeredet habe, jetzt gerührt sein zu müssen. Hm.

Die Story: Jack Black hat ein fieses Brillengestell und glaubt, Mikrowellen würden sein Hirn schmelzen. Er wohnt neben einem Kraftwerk, das er sabotieren will. Dabei wird er magnetisiert (don’t ask), und als er das nächste Mal in den kleinen Videoladen geht, in dem sein Kumpel Mos Def gerade Vertretung schiebt, löscht er alle Tapes (ja, Tapes. Wir sind in einem typischen Klischeekinoparalleluniversum, wo das Medium DVD als das Böse gilt). Diese Videothek bzw. das Gebäude, in der sie sich befindet, soll umgebaut werden, was Inhaber Danny Glover nur verhindern kann, indem er ne Menge Geld zusammenkratzt. Dieses Vorhaben ist jetzt in noch weitere Ferne gerückt, weil ja nun alle Videos hin sind. Und so drehen Jack und Mos, um wenigstens ein paar Dollar Leihgebühr reinzukriegen, einfach die Filme nach, die sie im Regal stehen haben – und oh Wunder, die Kundschaft kloppt ihnen dafür nicht den Laden kaputt, sondern findet’s toll. Nochmal hm.

Der Film lebt von den üblichen Spielereien, die Michel Gondry so mag: viel Pappmaché, schräge Charaktere und eine Geschichte mit Herz, die manchmal bei mir klappt wie in Eternal Sunshine of the Spotless Mind, mich manchmal aber komplett kaltlässt wie in Science of Sleep. Be Kind Rewind hat sich für mich wie mittendrin statt auf die 12 angefühlt: Ich mochte natürlich die ganzen Kinoanspielungen, und es ist ziemlich lustig zu sehen, dass man den Obelisken aus 2001 auch als Kühlschrank interpretieren oder wie einfach man Nachtaufnahmen am Tag simulieren kann. Die ganze Story drumrum fand ich aber sehr gewollt und nicht hingekriegt. Ich konnte mich dem angeblichen Nachbarschaftszauber nicht hingeben, der aus Menschen, die sich sonst wohl kaum kennen, eine eingeschworene Bande von Filmafficionados macht. Mir hat allerdings sehr gefallen, dass die Dialoge genauso improvisiert klangen wie die nachgedrehten Filme. Und wie gesagt: Sigourney Weaver.

Ich guck lieber nochmal Ghostbusters. Den hab ich sogar auf Kassette.

Vantage Point

Der US-Präsident wird auf offener Bühne bei einem Gipfeltreffen in Spanien angeschossen (oder erschossen?), seine Bodyguards verfolgen mal den einen, mal den anderen Verdächtigen, die anwesenden Fernsehkameras haben sicherlich auch irgendwas aufgezeichnet, ein Tourist filmt in der Gegend rum, und dann sind da noch ein paar Spanier, die einem gleich als irgendwie verdächtig präsentiert werden. Im Laufe von Vantage Point (8 Blickwinkel) werden einem verschiedene Perspektiven gezeigt, die sich alle um die Tat herum drehen, um dann am Ende aufzulösen, was eigentlich passiert ist.

Klingt erstmal spannend, hätte es vielleicht auch werden können, aber Vantage Point verfranzt sich ziemlich schnell in sich selbst. Es geht relativ behäbig los, so dass ich nach drei Perspektiven schon dachte, reicht dann jetzt bereits, weil mir die ewigen Grußworte des Bürgermeisters und die zigtausendsten Schüsse allmählich langweilig wurden. Dann zieht der Film aber doch noch an – allerdings nur, um das übliche Actionfeuerwerk mit Autojagden und Schalldämpferpistolen abzufackeln, bei dem einige Handlungsstränge und Personen komplett auf der Strecke bleiben, während andere liebevoll abgebildet werden, die mich allerdings nur arg peripher interessiert haben. Für einige Figuren gibt’s eine alibihafte Hintergrundgeschichte, andere sind einfach da und machen ihren Job. Der ganze Film fühlt sich fürchterlich nach Reißbrett an und gleichzeitig so, als ob man einfach mal angefangen hätte zu drehen, bevor das Buch fertig war. Ein bisschen Weltpolitikschelte, ein paar große Namen, aber am Ende dann doch irgendwie nur eine einzige Idee, die auf 90 Minuten aufgeblasen wird.

Numb

In Numb (Numb – Leicht daneben) spielt Matthew Perry einen Drehbuchautor, der sich nach einem Joint zuviel plötzlich wie in einer Parallelwelt fühlt: Er spürt sich nicht mehr richtig, er kommt sich vor, als würde er stets träumen, und nach kurzer Zeit findet er auch einen medizinischen Fachausdruck dafür, nämlich depersonalization disorder (was auch immer das auf Deutsch heißen mag). Der Joint war nur ein Auslöser, erzählt ihm sein Psychiater und verschreibt erstmal ein paar Pillen, genau wie der nächste Doc, an den er sich wendet, ohne dass es ihm irgendwie besser geht. Aber dann, tataaa, tritt eine total schräge Frau in sein Leben, in die er sich verliebt und sie sich irgendwie auch in ihn, den seltsamen Menschen, der zudem noch mit seiner Familie hadert und dessen einzige Konstante sein Autorenkollege ist, der ihn immerhin ab und zu vom Golf Channel wegkriegt und in Pitches schleift.

Numb ist mir größtenteils fürchterlich auf die Nerven gegangen, weil ich Psychogequatsche nicht als intelligente Dialoge ansehe und so total crazy Mädels in weißen Kleidchen, die ihre Kerle in Stripbars schleppen, weil’s so unkonventionell ist, einfach nur affig finde. Aber ich war sehr positiv von Schnuffi Perry überrascht, dem ich ja gerne vorwerfe, nix anderes zu sein als die x-te Kopie von Chandler Bing (not that there’s anything wrong with that). Dieses Mal hat er sich sehr, sehr, sehr zurückgehalten, und das tut dem Film ziemlich gut. Der Rest der Welt erscheint als zehnmal „verrückter“ als der eigentliche Patient, und ich fand es sehr schön, Perry mal bei ernsthafter Arbeit zuzugucken anstatt beim Lustigsein. Das rettet Numb aber auch nicht davor, ein total vorhersehbares Ende abzuliefern und dazu auch noch ziemlich zäh zu sein. Aber allein für den kleinen Breakdown von Mary Steenburgen, die eine von Perrys vielen Doktoren spielt, lohnt sich’s dann doch.

Grace is Gone

Stan (John Cusack) arbeitet bei Homestore, einem Laden, in dem sich die Angestellten morgens per Schlachruf auf ihre Kunden einstimmen. Er trägt eine unmoderne Brille und wohnt in einem klassischen Gipswand-Häuschen in den USA. Eine gelbe Schleife auf seinem Auto weist darauf hin, dass ein Angehöriger gerade in den Krieg gezogen ist. Und als eines Tages zwei Militärangehörige vor Stans Tür stehen, weiß er, dass seine Frau Grace nicht mehr zurückkommen wird.

Grace is Gone beschreibt, wie Stan versucht, seinen zwei Töchtern, die 12 und 8 Jahre alt sind, vom Tod ihrer Mutter zu erzählen. Er bringt es nicht fertig, es ihnen einfach so zu sagen; stattdessen packt er sie ins Auto und lässt sie ein Ziel wählen, zu dem sie jetzt gerade möchten. Die kleine Dawn entscheidet sich für Enchanted Gardens, einen Vergnügungspark, und deswegen sind die drei nun Tage und Nächte unterwegs.

Im Laufe der Zeit erfahren wir in wenigen Worten und kargen Bildern etwas über das Verhältnis der Kinder zu den Eltern, der Vergangenheit des Vaters, wie es den Mädchen damit geht, nur ein Elternteil zu haben und ständig um den anderen Angst haben zu müssen, über das Erwachsenwerden und das Erwachsensein. Und dass es für Ausnahmesituationen kein Patentrezept gibt, sondern jeder anders mit seinen Tragödien klarkommen muss. Grace is Gone verzichtet auf den großen Soundtrack (Clint Eastwood kann ja auch nur Klavier), die großen Bilder und die großen Emotionen. Und trotzdem hat man nach anderthalb Stunden das Gefühl, sehr viel gesehen und sehr viel mitgemacht zu haben.

Persepolis

Persepolis ist ein animierter Film und erzählt die Geschichte der kleinen Marjane, die im Iran geboren und als Jugendliche Anfang der 80er Jahre nach Wien geschickt wird, um freier aufwachsen zu können. Dort fühlt sie sich aber jahrelang als Fremde und kehrt als junge Frau freiwillig wieder nach Teheran zu ihren Eltern zurück – nur um dort festzustellen, dass sie sich hier inzwischen ebenfalls fremd fühlt.

Der Film reißt viele politische Themen an – die Revolution und ihre Folgen im Iran, den Krieg zwischen Iran und Irak, die Wandlung der Gesellschaft und damit die Stellung der Frau – und verknüpft sie mit der Lebensgeschichte Marjanes. Wir sehen sie als fantasievolles Kind, das mit Gott redet und Kommunistin sein möchte, als Jugendliche, wie sie ihre Persönlichkeit entdeckt mithilfe von richtigen und falschen Freunden, ihre sexuellen Erfahrungen, ihre Liebe zur Familie, und schließlich ihr Erwachsenwerden.

Persepolis schafft es, stets die Balance zu halten zwischen großen Botschaften und kleinen Alltäglichkeiten. Er zeigt sehr eindrucksvoll, wie sehr beides zusammenhängt und lässt uns gleichzeitig an einer sehr spannenden Biografie teilhaben. Er bewegt, er unterhält, er hat mich einige Male laut lachen lassen (zum Beispiel beim animierten Derrick im österreichischen Fernsehen) und mich ebenso tief berührt. Und obwohl die Geschichte an einem realen Ort stattfindet, fühlt sie sich durch die Animation sehr universell an, nicht auf eine Hautfarbe oder eine Religion beschränkt. Natürlich schafft jeder Animationsfilm eine ganz eigene Welt, weil er sich eben nicht an die Regeln der echten halten muss, aber bei Persepolis hat man die ganze Zeit das dumme Gefühl, diese Welt zu kennen – und sie einerseits zu hassen, sie aber gleichzeitig nicht verlassen zu wollen.

Eben in der Videothek, die ich nach sechs Wochen Abstinenz wieder betrat:

Videothekar so: Warst du im Knast?

Ich so: Nee, nur in Berlin.

Videothekar so: Wie in dem Film: “We thought you were dead!” “Me too, but it was just Oklahoma.”

(Was zur Hölle ist das für ein Film?)

Edit: Thies hat einen Tipp, der wahrscheinlich zutrifft – Unforgiven. Zitat imdb:

English Bob: Little Bill, well I thought you was, well I thought that you were dead. (…) Well, actually, what I heard was that you fell off your horse, drunk of course, and that you broke your bloody neck.

Little Bill Daggett: I heard that one myself, Bob. Hell, I even thought I was dead ’til I found out it was just that I was in Nebraska.