Jindabyne

Jindabyne ist ein kleiner Ort in Australien, an dem die Geschichte des Ehepaares Claire und Stewart mit ihrem kleinen Sohn Tom spielt. Der Film fühlt sich an, als bestände er aus drei Teilen: einer Exposition, in der wir sehr viel Hintergrund über die Figuren erfahren, die sich nicht auf die drei Hauptpersonen beschränken – zu ihnen kommen noch die Schwiegermutter, der Freundeskreis und die kindliche Bekanntschaft von Tom, die ihre Mutter verloren hat. Nach diesen vielen Puzzleteilen fängt der Film erst richtig an: mit einem Ausflug, den Stewart mit seinen drei Freunden unternimmt. Sie fahren an einen einsam gelegenen Gebirgsbach zum Angeln. Dort finden sie eine Frauenleiche im Fluss treibend. Und anstatt dass sie nun die Polizei davon in Kenntnis setzen, angeln sie lieber zwei Tage lang, während sie die tote Frau, eine Maori, mit einem Stück Angelleine an einem Ast festbinden, damit sie nicht weiter flussabwärts treibt.

Wem diese Story bekannt vorkommt, der hat wahrscheinlich Robert Altmans Short Cuts gesehen oder die gleichnamige Kurzgeschichtensammlung von Raymond Carver gelesen. In Short Cuts ist diese Geschichte nur eine unter vielen, in Jindabyne (Jindabyne – Irgendwo in Australien) ist sie der Katalysator für alles, was weiterhin mit den Figuren passiert. Konflikte brechen auf, die bisher unter der Oberfläche gehalten wurden, Freundschaftsverhältnisse ändern sich, und natürlich spielt auch die Tatsache, dass die Tote eine Maori war und die vier Männer, die um sie herum geangelt haben, Weiße sind, auch eine Rolle.

Der Film verfügt über ein wunderbares Ensemble an Darstellern – aber genau das ist auch sein Problem. Zu viele Geschichten werden angerissen, die alle eine Auflösung verdient gehabt hätten, aber gerade das kriegt Jindabyne nicht hin. Mir hätte es genügt, die vielen Wunden, die sich Claire und Stewart in ihrer Ehe zugefügt haben, irgendwie behandelt zu sehen. Und mit Laura Linney und Gabriel Byrne waren auch zwei Schauspieler am Start, die noch jede so kleine Geste mit Leben erfüllen können. Aber ihre Geschichte wird überdeckt und verwässert von so vielen anderen Handlungssträngen, die zwar ein sehr dichtes Bild der Bewohner von Jindabyne zeichnen, den Film aber insgesamt sehr überschüttet wirken lassen. Mir hat der Film trotzdem gefallen; er hätte etwas kürzer und aufgeräumter sein dürfen, aber die gesamte Atmosphäre war sehr dicht und beklemmend und lässt einen nicht sofort nach dem Abspann wieder los.

Reign Over Me

Don Cheadle spielt Alan Johnson, einen Zahnarzt, der in einer gut gehenden Praxis arbeitet, dessen Frau ihn zu Fotokursen anmeldet und mit ihm Puzzles löst und dessen zwei pubertierende Töchter sich darum streiten, wer das Telefon benutzen darf. Eines Tages trifft er Charlie Fineman (Adam Sandler) wieder – seinen alten Collegezimmerkumpel, der etwas zerzaust aussieht und sich anscheinend nicht an Alan erinnern kann. Oder will? Im Laufe von Reign Over Me (Die Liebe in mir) erfahren wir, wie es Charlie in den letzten Jahren ergangen ist und warum er sich nur noch an Dinge erinnert, an die er sich erinnern will: Seine gesamte Familie ist am 11. September 2001 ums Leben gekommen, und er renoviert seitdem eins ums andere Mal seine Küche, spielt Shadow of the Colossus und vergrößert seine Plattensammlung.

Reign Over Me zeigt, wie Freundschaften entstehen oder wiederbelebt werden können, wie sehr sie aber auch persönliche Grenzen manchmal überschreiten. Er zeigt, wie individuell Trauer sein kann. Wie eine Familie funktionieren kann – oder auch nicht. Er streift viele Themen, wirkt aber nie bleiern oder wie eine von den Storys, die einem eine große Botschaft mitgeben wollen. Er lässt uns einfach an zwei, drei, vier Leben teilhaben, ohne sich ein Urteil darüber zu erlauben, was richtig und falsch ist. Denn das muss jeder der Protagonisten für sich herausfinden, genau wie wir als Zuschauer.

Mir hat der Film sehr gut gefallen, auch wenn er manchmal arg tränendrüsig war und mit Donna, einer Patientin, die sich an Johnson ranschmeißt, nur um dann doch irgendwie Charlie nett zu finden, die dusseligste Frauenfigur aller Zeiten zu sehen war. Aber er reitet immerhin nicht mehr als nötig auf 9/11 rum, und mit Adam Sandler und Don Cheadle hat er zwei wirklich klasse Darsteller, die mit ihrer recht sparsamen Emotionalität auch durch die ab und zu sehr soapigen Dialoge kommen.

Live Free or Die Hard

Vierter Aufguss des Knochenbrecherklassikers Die Hard – und allmählich reicht’s dann auch. Was Die Hard für mich immer so unterhaltsam gemacht hat, war diese ehrliche Arbeiterattitüde, wenn’s um „Immer in die Fresse rein“ ging. Kein Schnickschnack, klares Setting, einfache Story, ein Bruce Willis, dessen Hemdchen immer blutiger und eine Armada von Gegnern, die immer kleiner wurde. Simple Zutaten, simpler Film, krachendes Ende, fertig, aus.

Die Hard with a Vengeance (Stirb langsam 3) war dann schon etwas komplizierter, weil Bruce noch einen Partner an die Hand gekriegt hat und der Film nicht mehr auf eine Location beschränkt war (Hochhaus bzw. Flughafen). Und in Live Free or Die Hard (ausnahmsweise mag ich den deutschen Titel fast lieber, weil er die Richtung des Films schon vorgibt: Stirb langsam 4.0) kommt auch noch ein Haufen Computertechnik dazu, die zwar sicher ne Menge Zwölfjähriger beeindruckt, die sich den Film illegal aus dem Netz holen, aber den Liebhaber dieser Serie nur enttäuscht aufseufzen lässt.

Diesmal hat Bruce es mit einem Computerterroristen zu tun, der zwar so tut, als wolle er die USA nur davor warnen, was passiert, wenn die Bösewichter Zugriff auf die Computernetze haben, aber in Wirklichkeit will er natürlich nur ne Menge Kohle. Bruce stolpert eher zufällig in die Geschichte, als er einen Hacker auf Revier bringen soll, der verdächtigt wird, was mit den ganzen seltsamen Störungen im Netz zu tun zu haben. Der junge Mann ist Justin Long aus den Apple-Werbespots, und natürlich habe ich drauf geachtet, welche Rechner er benutzt (die guten. Und Nokia. Iiih). Das war’s dann auch schon an Story – der Rest des Films ist Bruce und Justin gegen die Nerds, und zum Schluss geht alles gut aus.

Der Film macht zwar selbst ein paar Witze darüber, wie altmodisch die Methoden von Bruce inzwischen sind, aber es fühlt sich nicht wie ein Scherz an, sondern wie ein naseweiser Gag auf Kosten der Alten. Am meisten Spaß macht Die Hard 4.0, wenn er so tut, als wäre er Die Hard: bei den üblichen Schlägereien, dem Gerangel um diverse Knarren und den knarzigen Sprüchen, die Bruce immer noch unnachahmlich raushauen kann. Alles andere war dann eher Drehbuch vom digitalen Reißbrett. Sehr schade.

The Hottest State: Laberfilm von Ethan Hawke nach seinem eigenen Buch. Ein Pärchen, das sich gerade gefunden hat, probt beim Wohnungsstreichen schon mal die Dialoge, die zur Trennung führen und weitere bescheuerte Gespräche. 40 Minuten haben gereicht. Sonst hätte ich irgendwas zertrümmern müssen.

Hairspray: Ich leihe mir durchaus auch Filme aus, bei denen ich ahne, dass sie mir nicht gefallen. So auch hier. Man kann mich normalerweise leicht mit schmissigen Musicalnummern ködern, und dass hier endlich mal Dicke die Guten sind („Who wants a twig when you can have the whole tree“), ist auch toll, aber trotzdem gingen mir John Travolta in schlechter Frauenverkleidung und Fat Suit und eine gutgelaunte Melodie nach der anderen richtig böse auf die Nerven. Und so nett ich es fand, Michelle Pfeiffer mal wieder singen zu hören – da leg ich doch lieber nochmal die fabelhaften Baker Boys in den DVD-Player.

Ich krieg Pickel, wenn ich die ekligen „Mit dem Zweiten sieht man besser“-Trailer sehe, weil sie so korrekt und richtig und doof sind. Die BBC macht das etwas besser, vor allem BBC Three, die sich von den Aardman-Studios einen kleinen Blob haben animieren lassen. Normalerweise sieht ein Trailer zwischen zwei Sendungen so aus: Erst kommt der Knetkerl, dann eine Ansage aus dem Off. Hier als Beispiel der wunderbare Clip zum Glastonbury-Festival.

Und auf YouTube ist noch mehr (1, 2). Die Wikipedia weiß außerdem ein bisschen was zur Entstehungsgeschichte, und hier ist ein Link zur Designagentur Lambie Nairn, die sich den Blob ausgedacht hat.

Die Zitate, die die Blobs von sich geben, sind laut der Agentur aus den Tiefen des BBC-Tonarchivs. Einen Schnipsel glaube ich erkannt zu haben: In einem der Filmchen singt eine Dame ganz fürchterlich schräg. Das müsste Florence Foster Jenkins gewesen sein, auf die ich bei der Orchestermusikerin aufmerksam geworden bin. Ich hatte von der Dame noch nie etwas gehört, und nach dem Soundbeispiel, auf die mich die Wikipedia geschickt hat (ausgerechnet die Arie der Königin der Nacht), bin ich eigentlich ganz froh, dass ihr „Können“ bisher an mir vorbeigegangen war.

Gestern abend, Tristan und Isolde auf arte. Zufällig reingezappt und gleich hängengeblieben, weil a) Waltraud Meier die Isolde gesungen hat, b) Daniel Barenboim dirigiert hat und c) die Inszenierung von Patrice „Jahrhundertring“ Chéreau kam. War dann auch alles wunderbar – bis zehn Sekunden vor Schluss, als Isolde gerade dramatisch den Liebestod stirbt, die Musik immer leiser wird … und anstatt dass die Kamera schön in der Totalen bleibt (und ich mir mal die Scala angucken kann), zoomt sie auf Dirigent Barenboim, der gerade langsam die Arme auseinanderzieht und Daumen und Zeigefinger aufeinanderlegt, um zu signalisieren, leise jetzt, langsam jetzt, gleich ist Schluss, Kinder.

Ich wollte gerade anfangen, innerlich zu pöbeln, kam aber nicht dazu, weil ich noch so ergriffen war und die letzten Sekunden noch genießen wollte, als die Geigen immer leiser und leiser wurden, alles zu erlöschen schien, man kaum noch zu atmen wagt, weil alles sich dem Ende entgegenneigt … und in dem Moment, wirklich eine Millisekunde, nachdem endlich alles still war, brüllte schon der erste Zuschauer „BRAVO!“ in die gespannte Atmosphäre und ruinierte jeden Moment der Besinnung. Und auch hier konnte ich nicht pöbeln, denn dem Maestro erging es wie mir: Er zuckte merklich zusammen und sah aus, als hätte ihm jemand einen Schlag auf den Hinterkopf gegeben.

War mir nicht so klar, dass die Dirigenten genauso leiden wie die Zuschauer, die noch einen Augenblick der Stille genießen wollen, bevor man langsam wieder in die reale Welt auftaucht, einem klar wird, dass man in einem Opernhaus sitzt (oder vor dem Fernseher) und man jetzt langsam anfangen könnte zu klatschen.

Statt zu klatschen, hab ich mir nochmal den dritten Akt der Walküre vom oben verlinkten Jahrhundertring auf DVD angeguckt. Wurde leider ohne Schlussapplaus aufgezeichnet, was noch blöder ist als zu früh losjubelnde Zuschauer.

Was wäre ich ohne meine Leser? Strunzdumm Weniger klug. Olly und Dirk haben mich netterweise darauf aufmerksam gemacht, dass man beim iPhone sehr wohl Songs vorskippen oder stoppen kann, ohne es aus der Jackentasche zu friemeln – indem man an diesem komischen Nupsi an den Kopfhörern rumklickt. Geht sogar mit Muppethandschuhen!

Hätte ich nicht im Tran meine alten iPod-Kopfhörer weiterverwendet anstatt die schicken, neuen iPhone-Kopfhörer, wäre mir das sogar vielleicht selbst aufgefallen. („Wasn das da fürn Ding? Was macht das?“)

Da bewegt man sich den ganzen Tag in der Percanat-Hölle, will abends im Bett zur Ruhe kommen und greift zur neuesten Lektüre The Confessions of Max Tivoli (nochmal ein Dankeschön an Michael für das nette Geschenk), und was muss man auf Seite 19 lesen:

„My writing was interrupted by a boy. It was you, Sammy. You came over in your usual flurry of action, as if you were ten boys running together, and stopped short of me in the sad dust of this school yard. In the trees, birds or girls were twittering.“

Can’t escape the percanat.

Yay, Joscha ist wieder da!

© Bild mit freundlicher Genehmigung vom Carlsen-Verlag/nichtlustig.de

“Would you blog about this song …” Klar.

(via Lobos Twitterfeed)

„Randgruppentransporter“

Ich so im Bus, 200 Meter vor meiner Haltestelle. Rucksack mit Arbeits-iBook im Arm; Schal hing an mir runter, den mache ich im Bus immer auf, denn Busse sind ja gerne auf flauschige 28 Grad geheizt, sobald es draußen unter 10 Grad sind, damit Ömchen Schmittke sich kein Hüsterchen einfängt; iPhone-Kopfhörer im Ohr, lalala. 150 Meter vor meiner Haltestelle; ich frage den breitbeinig neben mir sitzenden Kerl (könnt ihr eigentlich nur breitbeinig sitzen? Hat das anatomische Gründe oder ist das mehr so Wunschdenken, so: Nee, ich kann wirklich nur so sitzen, meine Damen, wenn Sie wüssten, was ich da zwischen den Beinen … aber ich schweife ab:), ob ich mal rausdürfte, der Kerl steht auf, ich schwinge mir den Rucksack auf den Rücken, wobei ich die eine Schalhälfte mitnehme, die das Ohrstöpselkabel mitnimmt, das mein iPhone aus der Jackentasche zieht – woraufhin es mit einem satte Fump! (jetzt neu in den Apple-Betriebstönen: ein sattes Fump!) auf den DRECKIGEN Busfußboden fällt. Das wäre ja schon schlimm genug, und ich hab auch sofort angefangen, hektisch zu atmen, aber das hat dem Karma noch nicht ausgereicht: Ich bücke mich den Tränen nahe nach meinem Liebling, dabei fällt mir die andere Schalhälfte vor die Augen, woraufhin ich einen Arm nach vorne nehme, um mir den Schal aus dem Gesicht zu wischen, woraufhin mir mein Rucksack mit dem doofen iBook drin, jetzt nicht mehr vom Arm nach hinten gehalten, schön feist an den Hinterkopf dengelt. Und beim hektischen, kopfschmerzgeplagten Rausrennen hab ich bestimmt noch wen mit meinem Regenschirm gepiekt.

Morgen fahr ich wieder mit dem Auto zur Arbeit.

Auch erst nach drei Wochen gemerkt: das Kalender-Icon auf dem iPhone ist nicht statisch, sondern zeigt immer den jeweiligen Tag. Toll.

Fragt sich nur: Warum zeigen dann nicht auch das Wetter- und das Uhrzeit-Icon die aktuellen Daten? Doof.

Weitere Testberichtdetails: Mit meinen flauschigen Muppethandschuhen kann ich das iPhone nicht bedienen; dazu braucht man anscheinend Hautkontakt. Außerdem ist das „Blindbenutzen“ des iPods nicht mehr drin. Wo ich früher ohne hinzugucken bzw. ohne das Ding aus der Jackentasche zu holen mal eben skippen oder es ausschalten konnte, muss ich jetzt das Telefon aus der Tasche zerren und sehend draufrumtippen. Lauter und leiser stellen geht mit zwei knupsigen Tasten an der Seite, an die ich auch gerne mal so komme.

Surfen ist toll. Vor ein paar Tagen habe ich den Kerl vom Flughafen abgeholt, und weil man sich ausnahmsweise mal nicht auf den üblichen Hamburger Feierabendverkehr verlassen konnte, saß ich eine halbe Stunde dumm rum – bis mir einfiel, hey, du hast ja Internet dabei. Schön Klatsch und Tratsch gelesen und dabei das iPhone lustig in der Gegend rumgedreht. Feine Sache. Macht auch beim 100sten Mal Spaß.

SMS schreiben ist toll. Das Tippen geht wahnwitzig schnell, und ich liebe die klackernden Tastentöne. Meine Kollegen lieben sie weniger und nölen immer, wie scheiße laut das Ding ist.

Google Maps ist toll. Coverflow ist toll. YouTube ist toll. Selbst den Wecker zu stellen ist toll. Ich kann das Ding kaum aus der Hand legen, weil es so toll ist. Eben bis auf die Tatsache, dass ich nicht mehr in der Jackentasche vorskippen kann. Passt schon.

Knocked Up

Komisch, dass man sich manche Filme bis zum Schluss anguckt, obwohl sie ziemlich überraschungsfrei sind. Kann am Thema liegen, an den Schauspielern oder daran, dass man gerade nichts Besseres zu tun hat. Ich kann mich nicht so recht entscheiden, war es bei Knocked Up (Beim ersten Mal) gewesen ist. Wahrscheinlich eine Kombi aus allem.

Der Film erzählt die Geschichte von Alison (Katherine Heigl) und Ben (Seth Rogen), die einen volltrunkenen One-Night-Stand haben. Schon beim halbwegs nüchternen Frühstück nach der gemeinsamen Nacht wird klar: Die beiden könnten unterschiedlicher kaum sein, und deshalb rückt Alison auch keine Telefonnummer raus, während Ben (der optisch eindeutig schlechter weggekommen ist als Alison) immerhin seine E-Mail-Adresse verrät. Die braucht Alison acht Wochen später, als sie nach 500 Teststäbchen ahnt, dass sie schwanger ist. Die Story könnte jetzt ratzfatz zuende sein, wenn Alison sich für das A-Wort entscheiden würde, aber trotz gerade stattgefundener Beförderung und der Tatsache, dass sie den Vater des Zellhaufens nicht wirklich toll fand, mailt sie Ben an und berichtet – und entscheidet sich für das Kind.

Ich persönlich stehe mit Nachwuchs komplett auf Kriegsfuß und ahne daher, dass der Film bei mir nicht funktionieren konnte. Denn ich habe wirklich, wirklich, wirklich nicht verstanden (oder verstehen können), warum die kluge, scheinbar ambitionierte Frau, die vor dem Schwangerschaftstest noch nie einen Gedanken an Kinder verschwendet hat, jetzt plötzlich eins kriegen will – und das mit einem Kerl, der kein Telefon hat (weil kein Einkommen), mit vier ständig bekifften Kerlen zusammenwohnt, einen schicken Bong besitzt und ihn auch ausgiebig benutzt und dessen einziges Berufsziel es ist, eine Webseite aufzubauen, die Usern sagt, wann welche Schauspielerin in welchem Film nackt zu sehen ist.

Vielleicht ist das der Reiz des Films, dass ein Kind plötzlich Menschen zusammenbringt, die sonst nichts miteinander hätten anfangen können. Aber so gerne ich Happy-Ends mag: Dass Alisons Karriere noch einen Schubs nach oben kriegt, als ihre Arbeitgeber die Schwangerschaft mitkriegen und dass Ben plötzlich doch die Faszination von Klarheit im Kopf und geregelter Arbeit entdeckt, kann ich mir einfach nicht vorstellen. Ich habe Knocked Up bis zum Schluss angeguckt – mit sehr gemischten Gefühlen. Einerseits schön: positive Botschaft, Toleranz entwickeln, Menschen so annehmen wie sie sind. Aber andererseits: Are you fucking kidding me?

A Mighty Heart

A Mighty Heart (Ein mutiger Weg) erzählt die wahre Geschichte des Wall-Street-Journal-Reporters Daniel Pearl, der im Januar 2002 in Pakistan entführt und im Februar des gleichen Jahres getötet wurde. Der Film beruht auf dem Buch von Pearls Ehefrau Mariane, die ebenfalls als Journalistin in Pakistan arbeitete.

Man weiß natürlich, wie der Film ausgehen wird, und so verfolgt man die vielen Bemühungen von amerikanischer Botschaft, dem Wall Street Journal und der pakistanischen Polizei, die Kidnapper zu fassen, eher melancholisch als interessiert. Der Film widersteht der Versuchung, die Geschichte durch schnelle Schnitte oder knackige Dialoge zu einem Thriller aufzublasen; genauso agiert auch Angelina Jolie als Mariane: Sie ist stets gefasst, konzentriert, sehr angespannt, aber eben nicht auf eine peinlich-theatralische Weise. Wir sehen ihr nicht beim Leiden zu, sondern spüren die Hoffnung, die sie noch hat, während wir sie als wissender Zuschauer nie gehabt haben. Das hat A Mighty Heart für mich so gut gemacht: etwas nachfühlen zu können, verstehen zu können. Oder es zumindest versuchen zu können.

Der Film fühlt sich fast wie eine Dokumentation an; der Soundtrack ist sehr spärlich und passend eingesetzt, die Geschichte verweilt bei keiner Person oder an keiner der vielen Locations in Karatschi länger als nötig. Er zeigt nur, was wirklich passiert ist und mutmaßt nicht, wie es Pearl wohl in Gefangenschaft ergangen ist. Er zeigt auch keine einzige Szene aus dem Video, in dem zu sehen ist, wie Pearl enthauptet wurde – und das, laut Film, Mariane bis heute nicht gesehen hat. Mit Angelina Jolie als Mariane hat Regisseur Michael Winterbottom meiner Meinung nach einen Glückstreffer gelandet. Sie zeigt absolute Präsenz, verschwindet aber trotzdem völlig in ihrem Charakter. Und so wie ihre Konzentration und Hoffnung im ersten Teil des Films mich als Zuschauer schon mitgenommen haben, so hat mich ihr Gefühlsausbruch nach der Nachricht von Pearls Tod völlig fertiggemacht. Eine grandiose Schauspielerin in einem sehr sehenswerten Film. Empfehlung. Auch wenn man danach erstmal ne Menge trinken will.

Paris, je t’aime

Recht unterhaltsamer Episodenfilm von 18 Regisseuren, die uns in kleinen Vignetten ihr Paris zeigen. Wobei: Die meisten Filmchen hätten auch in Rom, Berlin oder New York spielen können. Insofern ist der Titel bzw. das Konzept des Films zwar eine hübsche Idee, kriegt aber in der Umsetzung nicht wirklich die Kurve. Wenn man den Titel und den Ort einfach mal vergisst, waren es einfach 18 sehr unterschiedliche Filme, die außer dem Ort nichts verbindet. Und so hat sich Paris, je t’aime auch angefühlt: wie ein Berg von Fotos, die zufällig im gleichen Ordner gelandet sind. Wie lauter Songs, die iTunes uns zusammengeshuffelt hat.

Einige der Storys haben ihren Namen wirklich verdient und erzählen in fünf Minuten ein ganzes Leben, andere werfen uns nur kurz in eine Biografie und reißen uns dann ohne Auflösung wieder hinaus. Ich mochte sowohl das eine als auch das andere, aber irgendwann fingen die vielen Figuren an zu flimmern; ein paar Episoden weniger hätten dem Film ganz gut getan.

Wen’s interessiert: Meine Lieblinge waren Tuileries, Loin de 16e, Place de fêtes, Pigalle und 14e Arrondissement (Wikipedia-Link voller Spoiler).