The Sentinel

The Sentinel (The Sentinel – Wem kannst du trauen?) fängt vielversprechend an: Secret-Service-Altstar Michael Douglas hat eine Affäre mit der First Lady, sein ehemals bester Freund Kiefer „KIEFER!“ Sutherland ist heute stinkig auf ihn, irgendwer im Geheimdienst spielt anscheinend auf der falschen Seite mit und will den Präsidenten umbringen und so weiter und so fort. Anfangs macht das Katz-und-Maus-Spiel noch Spaß, aber nach einer halben Stunde wird aus dem Gewusel ein ziemlich straighter und damit ziemlich vorhersehbarer Thriller, dem man nicht mehr thrilled, sondern nur noch pflichtschuldig bis zum Reißbrettende zuguckt. Es wird nicht klar, warum der Bösewicht jetzt eigentlich der Bösewicht ist, wer die ganzen anderen Figuren sind, die sich in der Peripherie rumtreiben und wieso sie Douglas helfen bzw. ihn belasten. Alles wirkt wie aus zehn Fernsehserien zusammengeklaut, und deswegen hilft es nicht, dass so viele Seriendarsteller dabei sind. Ich habe ungefähr alle fünf Minuten gedacht, oh, Grey’s Anatomy, oh, Desperate Housewives, oh, E.R., 24, Weeds, Sledge Hammer. Und jede dieser Serien bietet in einer Folge mehr als The Sentinel in zwei langen Stunden. Ich glaube, Kiefer will gar keine guten Filme mehr drehen. Grrr.

Man of the Year

In Man of the Year spielt Robin Williams einen Komiker à la Jon Stewart, der eine politische Sendung hat und der eines Tages vom Publikum aufgefordert wird, doch selbst in die Politik zu gehen. 20 Filmminuten später ist er Präsident der Vereinigten Staaten – oder auch nicht, wie eine Angestellte der Computerfirma, die die Wahlsoftware hergestellt hat, glaubt und das Herrn Williams auch mitteilt. Der Film fängt sehr unterhaltsam an und hat eine Menge wunderbarer Sätze, von denen ich mir nur einen gemerkt habe, der auf die Tatsache abzielt, dass Williams nicht verheiratet ist. Eine seiner Mitarbeiterinnen fragt, wie er in der Präsidentschaftsdebatte als family man rüberkommen wolle, woraufhin er sagt: “I could hold my mother’s ashes.”

Aber kurz nach der Debatte ist der Spaß leider vorbei, und aus dem Film, der ein bissiger Kommentar zur Austauschbarkeit von Politikern und ihren Versprechen sein will, wird ein halbherziger Thriller mit einer bösen Firma, die ihre arme Angestellte extrem unprofessionell mundtot machen will, und einem aufrechten Komiker, der plötzlich merkt, am falschen Platz zu sein. Dazu gibt’s noch eine ebenso halbherzige Liebesgeschichte, und die politischen Witze werden immer flacher. Irgendwann hab ich im Schnellvorlauf geguckt, weil mir der Weg zum absolut vorhersehbaren Ende viel zu lange gedauert hat. Aber immerhin hab ich noch einen Satz zum Mitnehmen mitgekriegt, natürlich vom Altmeister Mark Twain: “The difference between fiction and reality? Fiction has to make sense.” Den Satz hätte Man of the Year auch mal beherzigen können.

Leo und Knut. Sieht aus wie vom Praktikanten gephotoshoppt.

Darauf noch nen Tanzbär.

(Ja, ich hab grad ein paar Medikamente intus.)

Zwischen- bzw. Endstand bei Hundert Jahre Einsamkeit: 127 Seiten. Wegen völligem Desinteresse an Geschichte, Charakteren oder Südamerika wieder ins Regal verbannt. Dafür jetzt in der Mache: Leutnant Gustl von Arthur Schnitzler. Man liest deutsh.

The Holiday

The Holiday (Liebe braucht keine Ferien) erzählt die Geschichte von Amanda (Cameron Diaz) und Iris (Kate Winslet), die beide Probleme mit ihren Kerlen oder Wunschkerlen haben. Und weil der Film ein chick flick wie aus dem Drehbuchlehrbuch ist, können natürlich auch nur andere Kerle die anfänglichen Probleme lösen. Bis die beiden Häschen aber ihren Traumtypen haben, dauert es über zwei Stunden, in denen wir der nicht gerade hochbegabten Diaz dabei zusehen dürfen, wie sie versucht zu heulen. Oder wie Kate mal eben mit ein bisschen Gymnastik im Pool ihren uralten Nachbarn wieder so fit kriegt, dass dieser gut gelaunt Treppenstufen hochhüpft, wo wir ihn doch am Rollator kennengelernt haben. Jude Law spielt dauergrinsend einen Mann mit Geheimnis (das sich übrigens so anfühlt, als hätte es Frau von der Leyen persönlich geschrieben), und Jack Black hat anscheinend die Regieanweisung gekriegt: Sei bloß nicht komisch. Der Film hat ein paar charmante Momente, die sich alle um das alte und das heutige Hollywood drehen; für ein paar Minuten ist der Film wirklich nett anzusehen, man wird etwas wehmütig und ahnt die Sehnsucht, die The Holiday erzeugen sollte, aber sobald der Film wieder in seine Frauenfilmschiene zurückfällt, wird er klebrig und langweilig. Inklusive heulender Männer und den Klassikern „Hauptperson greift zum Telefon, überlegt und ruft dann doch nicht an“, „Hauptperson entscheidet sich kurz vor dem Ende doch noch anders und rennt/schwimmt/fliegt/reitet zu ihrer Liebsten/ihrem Liebsten“ und „Zum Schluss sind alle glücklich, es wird getanzt und der Gute-Laune-Song leitet den Abspann ein“. Uah.

The Lake House

Ach, ich sollte einfach keine Filme angucken, die mit Zeitreisen spielen. Beziehungsweise mit zwei Liebenden, die in verschiedenen Jahren feststecken. In The Lake House (Das Haus am See) sind es Keanu Reeves und Sandra Bullock, die sich Briefe schreiben, obwohl es 2004 und 2006 schon E-Mail gab, deren Nicht-Benutzung uns allerdings diverse pittoreske Szenen am magischen Briefkasten vor dem gläsernen Haus am See beschert. Die beiden wohnen nacheinander in diesem komischen Setzkasten auf Stelzen und erzählen sich in ihren Briefen ihre beiden einsamen Leben: Sie ist Ärztin, hat anscheinend keinen Friseur und vermisst die Bäume, die das Seehaus umgaben, woraufhin Architekt Keanu 2004 ein paar Bäumchen vor ihrem noch nicht einmal gebauten Wohnkomplex in Chicago pflanzt, damit die 2006 so aussehen, als würden sie da schon 30 Jahre stehen.

The Lake House soll eine sensible, vielschichtige Romanze sein, aber ich war immer damit beschäftigt, die Fehler im Skript zu finden, über die man bei jeder Zeitreisegeschichte sofort stolpert. Daher konnte ich mich weder auf Bullocks traurigen Hundeblick konzentrieren („Ich hab nen doofen Freund und arbeite zuviel“) noch auf Keanus Ein-Gesichtsausdruck-für-alles-Spiel („Warte auf mich, du Liebe meines Lebens“, „Oh Gott, mein Vater ist gestorben“, „Ich hab ne doofe Freundin und arbeite zuviel“). Und das Ende hat selbst mir, der größten Happy-End-Liebhaberin ever, nur noch ein müdes „Wie jetzt?“ entlocken können.

A Good Year

Betulich dahinplätscherndes Filmchen, dessen Handungsverlauf und Ende man kennt, wenn man das Plakat und die ersten fünf Minuten gesehen hat. Russell Crowe spielt einen bösen Klischeebroker in London („Hello, lab rats“), der ein idyllisches Weingut in Frankreich erbt, wo es nur regnet, wenn das Drehbuch Melancholie erfordert, Frauen stets in weich fließenden Kleidern und mit langen Haaren rumlaufen und Männer noch kauzig sein dürfen. Natürlich wird Russell im Verlauf von zwei Stunden ein kleiner Knuffelbär, der plötzlich lieber Rotwein produzieren will als reich zu sein, aber irgendwie passiert das ganz charmant. A Good Year (Ein gutes Jahr) ist komplett überraschungsfrei, aber Herr Crowe spielt seinen Charakter so launig und entspannt, dass man ihm ganz gerne dabei zuguckt. Die Dialoge sind teilweise Reißbrett, teilweise aber auch sehr pointiert, und der gute, alte Albert Finney darf in ein paar Rückblenden sein Können zeigen. Wenn man grad nichts zu tun hat und beim Käseessen eine DVD gucken will, dann passt A Good Year ganz gut.

Thank You for Smoking

In Thank You for Smoking darf mal wieder ein Bösewicht der Gute sein. Hier ist es Nick, Tabaklobbyist, der in Talkshows krebskranke Kinder für die Zigarettenindustrie einspannt, den röchelnden Marlboro-Mann dazu kriegt, seine Krankheit nicht so an die große Glocke zu hängen und einen Senator aus Vermont damit konfrontiert, dass Käse aus seinem Staat viel schädlicher ist als Rauchen. Es macht Spaß, dem niedlichen Aaron Eckhart dabei zuzugucken, wie er uns immer sympathischer wird, obwohl wir natürlich wissen, dass wir ihn eigenlich eklig finden müssten. Der Film arbeitet entspannt mit Off-Tönen, schönen Freezes, über die man überraschende Sätze legen kann und einem sehr guten Ensemble aus u.a. William H. Macy, Maria Bello, J.K. Simmons und Robert Duvall. Die Story ist eine gut umgesetzte Variante des „Einer gegen alle“ und hat ein paar clevere Sprüche parat, die einen fast glauben lassen, dass Zigaretten gar nicht so böse sind und wir die nervigen Warnhinweise eher auf Flugzeuge pappen müssten.

Snow Cake

Snow Cake erzählt von Alex (Alan Rickman, schön, dich mal wiederzusehen), der durch unglückliche Umstände eine autistische Frau (Sigourney Weaver) kennenlernt. Der Film zeigt ihr Zusammentreffen, wie sie kurze Zeit miteinander leben (müssen), Nachbarn, Familie – ein kleiner Einblick in eine kleine Stadt und eine tragische und gleichzeitig hoffnungsvolle Geschichte. Ich weiß nicht, ob ich einfach nicht in der Stimmung war, aber mir ging Snow Cake eher auf die Nerven als dass er mich berührt hat, was eindeutig seine Intention war. Die Story, die Alex mit sich herumträgt und die mehrfach angerissen, aber erst zum Schluss wirklich aufgelöst wird, hat mich mehr interessiert als das seltsame Verhalten einer behinderten Frau. Wie schon bei Rain Man, dem „Guck mal, so geht Autismus“-Klassiker, der auch kurz in Snow Cake ironisch erwähnt wird, konnte ich mich nie entscheiden, ob ich das ganze Getue der Hauptperson jetzt als faszinierend oder als prima Bewerbung für einen Filmpreis ansehen sollte. Der Film hat einen schönen Rhythmus, unterhaltsame, meist glaubhaft gezeichnete Charaktere und eine gute Geschichte, aber trotzdem ist er mir zunehmend auf den Keks gegangen – vielleicht weil auch hier eine Krankheit manchmal wie ein Hindernis dargestellt wurde, die man durch einen kleinen Tritt in die richtige Richtung prima in den Griff kriegen kann. Vielleicht ist das so, aber ich glaube es nicht, und deswegen hat mir Snow Cake leider nicht ganz so gut gefallen.

Nachtrag zur Tankstelle von Heidersberger: Reinhard Münster hat mich auf das Karl-Schneider-Archiv aufmerksam gemacht, das viele historische Aufnahmen von verschiedenen Architekturfotografen zeigt. Von Don kommt der Link zum flickr-Pool eines Herrn Tegtmeiers, bei dem ich wirklich gerne wissen würde, woher die Bilder des historischen Essen stammen.

Spontane Urlaubstage sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Statt rumlungern, Golf spielen, rumlungern, essen, rumlungern und DVDs gucken hab ich gestern gemacht: Kuchen kaufen, Blumen kaufen, aufräumen, Fenster putzen, staubsaugen, Bad putzen, Omis Kaffeegeschirr vorsichtshalber wegen langer Benutzungsabstinenz noch mal abwaschen (nicht spülmaschinenfest), Silber putzen, Eltern und Patenonkel mit Gattin zum Kaffeeklatsch begrüßen, nachdem sie im Miniatur-Wunderland waren, die Bande nach erledigtem Klatsch zum Bahnhof lotsen („20 oder 25, ist egal, ja, die fahren beide nach Altona, ich kann euch aber auch wirklich mit dem Auto hinbringen“ „Neinnein, unser Gruppenticket hat doch nur 28 Euro gekostet, das nutzen wir jetzt aus!“), Omis Geschirr nochmal abwaschen (jetzt lohnt sich’s wenigstens), Silber abwaschen, den Kerl daran hindern, lustige Bilder an die frisch geputzten Fenster zu hauchen – und dann endlich mit einem schönen Käse-Gurken-Sandwich entspannt bei den Gilmore girls abhängen, während vom Nebenzimmer die Bundesliga hinüberhallt. Weiter mit Musik.


(© institut heidersberger)

Tankstelle Blauer See, Hannover 1953, von Heinrich Heidersberger.

Für mich ist das Schönste an meinem Job die Möglichkeit, hinter die Kulissen zu gucken. Deswegen kann man mich auch prima damit ködern, wenn man sagt: „Wollen Sie mal den Spielertunnel langlaufen?“

Alle Gewinner beim diesjährigen ADC. Natürlich wieder nur als Thumbnail, so dass man Headlines immerhin erraten kann, wenn man die Anzeige/das Plakat kennt. Copys interessieren wie immer nicht. Wozu macht ihr euch die Mühe, Winzbilder der Gewinner in der Kategorie Text auf die Seite zu packen, wenn man die eh nicht lesen kann?

Die übliche Diskussion – warum gewinnt so’n Scheiß und nie das, was wir einreichen – gibt’s beim Werbewunderland, wo auch mein bisheriges Bauchgefühl gut in einen Kommentar gegossen wurde: „Gute Werbung aus Ton. Mehr Spaß in Kurven. Sechs Gänge. Von der Leyen/Von der leihen. Und der Reise-Führer. Fips Asmussen, übernehmen Sie.“

Die Tante Jolesch

„Um eine konkrete Namens-Angelegenheit ging es im Fall des ehrgeizigen Bankbeamten Nelkenblum, der seinen Namen geändert haben wollte – wie das in jenen Jahren von den Inhabern ausgefallener oder komisch klingender und obendrein deklariert jüdischer Familiennamen häufig gewünscht wurde (meistens als Vorbereitung zur Taufe).
Herr Nelkenblum reichte also ein Gesuch um Namensänderung ein und wurde von der zuständigen Behörde aufgefordert, eine ausreichende Begründung für seinen Wunsch beizubringen.
Der Name Nelkenblum sei ihm bei seiner Berufskarriere hinderlich, brachte Herr Nelkenblum bei. Das müssten seine Arbeitgeber bestätigen, antwortete die Behörde.
Herr Nelkenblum begab sich zu seinen Arbeitgebern in die Direktion der Prager Kommerzbank, trug ihnen sein Anliegen vor und verließ das Direktionszimmer mit einem Dokument folgenden Wortlauts:

‘Auf Wunsch von Herrn Bernhard Nelkenblum bestätigen wir gerne die Notwendigkeit der von ihm angestrebten Namensänderung, da sich der Name Nelkenblum auf ein berufliches Fortkommen nachteilig auswirken könnte. (Gezeichnet) Feilchenfeld, Generaldirektor, Rosenblatt, Prokurist.’ “

Nachdem die Kaltmamsell so oft und immer überschwänglich Die Tante Jolesch von Friedrich Torberg erwähnt hat, habe ich dieses Buch irgendwann auf meinen Wunschzettel gepackt, Maike hat es mir irgendwann geschenkt – und ich habe es ein bisschen warten lassen. Bis letzten Donnerstag abend, um genau zu sein.

In unserem Wohnzimmer steht eins der Sofas ziemlich nah an meinem Bücherregal, so dass ich bei langweiligen DVDs oder Werbepausen im perfekten Dinner gerne mal meinen Blick schweifen lasse. Und Donnerstag bin ich eben beim T hängengeblieben, hatte gerade keine Lust auf was Englisches und griff zur Tante, nahm sie nach beendetem DVD-Konsum mit ins Bett und begann zu lesen. Und las weiter und weiter und lieh am Wochenende keine Filme aus und ging nicht ins Kino, sondern wanderte durch Prag und Wien und New York, las über Zuckerbäcker und Journalisten und Kellner und Anwälte, über die Emigration, Immigration, Flucht – und hätte gerne noch einen zweiten Band gehabt, um noch mehr Menschen kennenzulernen, die eine gewisse Zeit in der deutschen Geschichte nicht überlebt haben, und um noch mehr über eine Kultur zu lesen, die ich nie erlebt habe, die mir nun aber schmerzlich fehlt.

Die Tante Jolesch oder Der Untergang des Abendlandes in Anekdoten ist in einer Sprache verfasst, an die ich mich erst wieder gewöhnen musste. Ich habe das Buch mehrere Male angefangen, war aber anscheinend nie in der richtigen Stimmung. Ich weiß nicht, warum ich gerade jetzt ein so wehmütiges und liebevolles und gleichzeitig unglaublich komisches Buch lesen musste, aber ich sehr froh, es endlich gelesen zu haben. Ich will gar keine große Kritik darüber schreiben; ich möchte euch nur bitten, mal in eure Buchhandlung zu gehen, die Tante zu suchen und ein bisschen in ihr rumzublättern. Und sie dann gleich mitzunehmen.

Seit gestern ist übrigens Hundert Jahre Einsamkeit in Arbeit, das mir ein ehemaliger Kollege zum 26. Geburtstag geschenkt hat, wie ich der Widmung entnehme. Señor Márquez musste zwölf Jahre warten. Da war Herr Torberg schneller.