The Devil Wears Prada

Meryl Streep spielt (sehr schön nuanciert) die Chefredakteurin des fiktiven Magazins Runway, Anne Hathaway stolpert als modeunbewusste Idiotin („keine Ahnung, bei wem ich hier einen Vorstellungstermin habe“) herein und wird als Assistentin angestellt. Anscheinend gefällt es ihr, plötzlich auf hohen Absätzen rumlaufen zu müssen, literweise Kaffee in Sekundenschnelle zu holen, für die verwöhnten Töchter von Meryl das unveröffentlichte Manuskript von Harry Potter zu kriegen und sich übelst rumkommandieren zu lassen, denn sie nimmt es hin, dass ihr Freund sich von ihr trennt, ihre Freunde sie plötzlich irgendwie oberflächlich finden (ach nee) und dass sie erst nachts um 2 dazu kommt, E-Mails an ihre Eltern zu schreiben. Und das ganze nicht, um ein Heilmittel für Krebs zu entdecken, sondern nein, hui, viel wichtiger, um eine dusselige Zeitschrift zu machen, in der die neue Herbstmode vorgestellt wird.

The Devil Wears Prada (Der Teufel trägt Prada) ist schön straff durchinszeniert; ganz so, wie Meryl ihre Schäfchen im Griff hat, hat der Film auch den Zuschauer im Griff. Man kommt gar nicht groß dazu, irgendwas zu hinterfragen, so hoch ist das Tempo der ziemlich belanglosen Geschichte. Aber wenn dann alles vorbei ist und sich alle wieder liebhaben, fragt man sich doch, was der ganze Quatsch soll. Dann erinnert man sich daran, dass man Mode genauso wenig ernst nehmen sollte wie manche Filme. Und dann passt das schon wieder.

Talladega Nights: The Ballad of Ricky Bobby

Talladega Nights: The Ballad of Ricky Bobby (Ricky Bobby – König der Rennfahrer) erzählt die Geschichte des holzköpfigen NASCAR-Fahrers Ricky Bobby (Will Ferrell), seines Aufstiegs zum Champion, seines tiefen Falls und seines Wiederaufstiegs. Was jetzt wie ein klassischer Sportfilm klingt, ist in Wirklichkeit eine wunderbare Klamotte. Scheinbar werden amerikanische Institutionen wie Autorennen, trophy wives, ungebildete Kinder, Geronto- und Homophobie und tiefe Religiösität gefeiert. In Wirklichkeit werden sie aber in zwei sehr unterhaltsamen Kinostunden böse zerpflückt. Alleine das Tischgebet, in dem sich Familie Bobby mit Bobbys bestem Freund (John C. Reilly) und Schwiegerpapa darum streitet, ob Jesus jetzt ein Kleinkind war oder irgendwann erwachsen und ob er wohl Flügel hatte, ist großartig. Die Handlung ist relativ vorhersehbar, was aber ziemlich egal ist. Dafür endet jede Szene mit einer Pointe; einige sind dem grandiosen Sacha Baron Cohen zu verdanken, der Bobbys französischen Erzrivalen auf der Rennstrecke gibt, stilecht im Perrier-Anzug. Er sagt konsequent „Böbby“ zu Farrell, den ich sehr dafür bewundert habe, sich das Lachen verkniffen zu haben. Schöne Nebenfiguren, einige Cameos und rasante Rennszenen ergeben eine sehr gelungene Komödie. Darauf noch ein Bud Light.

World Trade Center

World Trade Center beruht auf der wahren Geschichte von John McLoughlin und Will Jimeno, zwei Polizisten, die beim Einsturz des World Trade Centers am 11. September 2001 in den Trümmern eingeschlossen und viele Stunden später als 18. und 19. von insgesamt nur 20 verschütteten Menschen gerettet wurden.

Der Film beginnt sehr ruhig, mit langsamen Schwenks über New York, Pendlerzügen, Sonnenaufgang, einem großen Panorama von Manhattan mit seinem Häusermeer, in dem die zwei Türme des World Trade Centers stehen. Zwei Filmstunden später sehen wir die gleichen Aufnahmen nochmal. Leere Züge, staubige, mit Papier übersäte Straßen und das Panorama, das diesmal von einer riesigen grauen Wolke überdeckt wird. In den zwei Stunden dazwischen haben wir mit John und Will mitgelitten, ihren Gesprächen zugehört, mit denen sie sich gegenseitig am Leben zu halten versuchen (“If you die I die”) und ihre Familien kennengelernt, die anfangs nicht einmal wissen, wo ihre Männer, Söhne, Väter überhaupt sind.

Ich hatte mich vorher nicht mit dem Film beschäftigt, daher wusste ich nicht, wer überlebt und wer vielleicht nicht. Daher war der Film leidlich spannend. Trotzdem habe ich mich danach schon gefragt, was mir der Film großartig Neues sagen sollte. Die letzten Sätze von Nicolas Cage, der John spielt, weisen zwar in die gewünschte Richtung (“September 11 showed us what mankind can do”), verklebt das ganze aber gleichzeitig wieder zu einer blöden, patriotischen Soße. Jede Reportage über Überlebende und Tote des 11. September hat mich emotional mehr mitgerissen, und was die Anschläge an Gutem und Schlechtem hervorgebracht haben, war mir auch schon länger klar. Daher frage ich mich, warum Oliver Stone unbedingt noch etwas zu dem Thema sagen wollte. Und vor allem: was.

Versucht, aber gescheitert: Lady in the Water (Das Mädchen im Wasser) und A Scanner Darkly. Aber schon bei beiden nach zehn Minuten genervt gewesen. Beim Wassermädel davon, dass es keinen Dialog ohne bedeutungsschwere Pausen gab, selbst wenn es nur darum ging, eine Glühbirne zu wechseln. Davon, dass jede Figur sich anhörte und anfühlte wie aus dem Setzbaukasten für Drehbuchdummies. Davon, dass die Geschichte immer bescheuerter wurde. Und davon, dass Herr Shyamalan sich mal wieder selbst in die Geschichte geschrieben hat (immerhin kann er einen Hauch besser schauspielern als Tarantino). Beim dunklen Scanner von der dusseligen Comicoptik, die für mich pures Augenpulver ohne Sinn und Zweck und außerdem grottenhässlich anzuschauen war. Junge, du hast Keanu, Winona und Robert Downey Jr. Also zeig sie mir auch, Herrgott.

Neuer Bildschirmhintergrund. Hab das Spiel durch. Wo bleibt Teil 2?

Viiiiel größer gibt’s den Hasen hier. (Eventuell zweimal aufrufen, weil beim ersten Mal gerne nur die Werbung eingeblendet wird. Sonst über die Thumbnails hier gehen.)

Steigerung des paper cuts: Sichthüllencut. AUA!

File under: Werber sind auch bloß Beamte oder: Wie wir immer memmiger werden.

Mein Texterkollege und ich sind gestern nostalgisch geworden. Irgendwie haben wir den Bogen vom Job gekriegt, auf dem wir gerade ausgedacht haben, zu Zukunftsplänen, Vergangenheit, deutschem Fernsehen und Comedy. Und schon waren wir bei Loriot und der guten alten Zeit, wo man sich noch Zeit für einen Sketch genommen hat (allein das Wort „Sketch“. Steht das schon auf der Liste der aussterbenden Worte?) und mit vollständigen, wunderbar formulierten Sätzen gearbeitet hat. Und deswegen gibt’s heute – zu spät für seinem Geburtstag – meine Lieblinge von Loriot: die Männer im Bad, der Kosakenzipfel, „Ich möchte hier einfach nur sitzen“ und ein Klavier, ein Klavier.

Wo wir grad bei Vergangenheit sind: Vor einigen Jahren habe ich gerne den Satz „Was haben wir bloß ohne Google gemacht?“ gebracht. Heute bin ich bei „Was haben wir bloß ohne YouTube gemacht?“

Meanwhile at the ranch Gestern auf technoradi.

Fernsehschulden sind Ehrenschulden

Für Scot, Curious Creatures, Prospero, Pottblog, Zeth und Trivial Delight als Dankeschön für die vielen Hinweise und für alle anderen Schlafmützen wie mich, die jetzt erst rausfinden, wie nett Buffy, the Vampire Slayer war, als … äh … ebenfalls Hinweis: meine liebsten Buffy-Folgen.

Erste Staffel (1997)

Nun gut, die menschengroße Gottesanbeterin in Teacher’s Pet war schon schräg (1/4), genau wie die Cheerleadermami in The Witch, die im Vitrinenschrank endet (1/3), aber generell fand ich an der ersten Staffel nichts herausragend. Aber man kann schon die schönen Dialoge genießen, die Charaktere kennenlernen, die sich auch in der siebten Staffel nicht großartig verändert haben bzw. wieder zu ihren alten Stärken zurückgefunden haben und sich ein bisschen an den Gedanken gewöhnen, dass es völlig normal ist, dass ein Highschool-Mädel im ziemlich kurzen Rock Vampire erledigt. Und natürlich rennt Angel des Öfteren mit offenem Hemd bzw. ganz ohne Hemd durch die Gegend. Reicht völlig als Rechtfertigung, die Folgen nochmal anzugucken.

Zweite Staffel (1997/98)

Natürlich Halloween (2/6), in der alle Charaktere sich zu Halloween verkleiden und sich plötzlich so verhalten wie ihre Kostüme. Ich mochte es, Buffy mal nicht als die oberschlaue Kämpferin zu sehen, sondern als Memme. Ted (2/11) fand ich schön, weil ich John Ritter gern mag und ich es lustig fand, wie ernsthaft er seinen doch ziemlich überzogenen Robo-Charakter hingekriegt hat. Killed by Death (2/18) fand ich sehr scary, weil ich das Monster, vor dem sich die Kinder so fürchten, wirklich bedrohlich und unheimlich fand. Beim season’s finale Becoming (2/22) habe ich kaum glauben können, dass Buffy ihren Angel umbringt. Und natürlich war ich pissig, dass ein Schnuckel rausgeflogen ist. Da wusste ich ja noch nicht, wie lecker Spike ist. Und dass Angel wiederkommt.

Dritte Staffel (1998/99)

In Gingerbread (3/11) fand ich die Verknüpfung von altem Märchen (Hänsel und Gretel) und neuer Drehbuchidee ziemlich clever. In The Zeppo (3/12) darf Xander mal mehr sein als ein Sidekick. Lustig: Normalerweise freue ich mich immer über gute Frauenrollen. Hier fand ich zwischendurch mal ein paar Episoden, in denen die Kerle das Sagen haben, recht erfrischend. Und dann: Doppelgängland (3/16), meine bis dahin liebste Folge, in der Willow ihren Vampir-Doppelgänger aus einer anderen Dimension trifft. Willow war bis zum Schluss meine liebste Figur, und ich habe es sehr genossen, sie mal von einer ganz anderen Seite kennenzulernen. Und der Satz „Oh, look at me. I’m all fuzzy“, als ihre Lack-und-Leder-Doppelgängerin ihren rosa Pulli anfasst, ist schlicht großartig. Nebenbei: Anya ist fast genauso toll wie Willow.

Ach ja, und dass es jetzt allmählich mit großen story arcs anfing (hier der Bürgermeister), hat mir auch gefallen. Obwohl genau das mir komischerweise die letzten beiden Staffeln etwas verleidet hat – dass es eher um das große Ganze ging als um einzelne Ideen und Folgen.

Vierte Staffel (1999/2000)

Living Conditions (4/2) fand ich als Einstieg ins Collegeleben sehr nett. Bei Fear, Itself (4/4) musste ich ziemlich laut lachen, als der Dämon endlich zu sehen war. Und natürlich über Anya im Hasenkostüm. Dann, groß, groß, groß: Hush (4/10), wo alle ihre Stimme verlieren und vor gar grauseligen Dämonen fliehen. Ich fand die Bösewichter in Hush richtig unheimlich – und habe deswegen den komischen Kontrast dazu sehr genossen, als Giles seinen Schlachtplan per Overheadprojektor erklären muss. Klasse, dass stummes Fernsehen auch funktioniert.

Fünfte Staffel (2000/01)

Gut: Glory. Fürchterlich: Dawn. So spannend ich es fand, dass da plötzlich jemand Neues ist und der anscheinend auch schon immer da war, so nervig fand ich ihre Rolle (und nebenbei auch ihre magere Darstellerin). Ich mochte die Staffel recht gern, auch weil Spike sich endlich in Buffy verknallt, aber richtig in Erinnerung geblieben ist mir nur The Body (5/16), wo Buffys Mutter stirbt, es keine Hintergrundmusik gibt, Willow nicht weiß, wie man sich auf Beerdigungen benehmen soll und Anya eine herzzerreißende Abschiedsrede hält.

Sechste Staffel (2001/02)

Der Einstieg mit Bargaining (6/1), wo die Scooby Gang die arme Buffy ins Leben zurückholt, ist unheimlich und verdammt gut. Wobei mich die Morphing-Sequenz vom verrotteten Skelett zur panisch guckenden Buffy im Sarg noch etwas länger verfolgt hat. Dann verkommt die Serie aber fast zur Lachnummer: Drei Möchtegernschurken halten die ganzen erfahrenden Vampirjäger eine komplette Season lang in Schach? Wobei das Team darüber ja selbst Witze macht – in Normal Again (6/17), wo genau das Thema angesprochen wird. An der Staffel mochte ich aber, dass Willow allmählich auf die dunkle Seite wechselt. Daher ist mir auch vor allem das Staffelfinale in Erinnerung geblieben, als Tara stirbt und Willow es etwas ungemütlich werden lässt. (Schwarze Haare stehen ihr ziemlich gut.)

Die Musicalfolge Once More, With Feeling (6/7) kriegt natürlich eine Extraerwähnung. Als alter Musicalfan war ich schon von vornherein begeistert. Aber ich fand es klasse, wie gut die einzelnen Charaktere sich auch in ihren Songs wiederfinden: das schräge Duett zwischen Xander und Anya, die Gitarrenriffs bei Spike und – mein Held – der altmodische Song von Giles, in den Tara irgendwann einstimmt. Die Folge ist nicht einfach ein beliebiges Singspiel, sondern führt die Story aus den vorherigen Folgen sinnvoll weiter. Außerdem greift die Kamera grandios die klischeebeladenen Kamerafahrten aus Musicalfilmen auf; besonders schön bei der Szene, in der ein Mann darüber jubiliert, dass die Reinigung den Senf aus seinem Jackett bekommen hat. Die Kamera zieht nach oben, die Akteure stehen in Formation … genau wie die Scooby Gang beim Schlussgesang. Fünf Holzpflöcke ins Phrasenschwein, aber: ganz großes Kino.

Die Musik gibt’s übrigens zu kaufen. (Hüstel … hat die wer gekauft? Von meinen Lesern wer? Zufällig? Räusper …) Lalala …

Siebte Staffel (2002/03)

Kann daran gelegen haben, dass ich nach sechs Staffeln endlich fertig werden wollte, dass ich diese Season nicht mehr ganz so gelungen fand. Die Luft war allmählich raus, Anya wird kurz böse, einer der drei Spacken aus der letzten Season wird irgendwie gut, Spike hat eine Seele, und ich wollte nur, dass Buffy und Spike sich jetzt kriegen und gut ist. Mir gingen die ganzen Möchtegernslayer auf die Nerven, plötzlich war alles viel zu voll und viel zu laut. Als die Sunnydale High im Erdboden verschwunden war, habe ich wirklich aufgeatmet. Auch wenn zwei meiner Lieblinge dran glauben mussten. Hätte nicht Dawn sterben können? Kleine Nervensäge.

Nach Buffy habe ich übrigens schon die fünfte Staffel von 24 geguckt und die erste von House. Zuhause liegt noch die 4. Staffel der Simpsons … und irgendwann lese ich auch mal wieder ein Buch. Oder gehe ins Kino, wo ich letztes Jahr kaum war (siehe gestriger Eintrag. Minusrekord). Eben weil ich abends eine verdammte Serienfolge nach der anderen gucken musste! 2007 wird alles anders.

Ja, klar.




Dresden, Teil 2

(Dresden, Teil 1)

Freitag, 29. Dezember

Freitag morgen, halb zehn, Zonenfeeling pur: Ich stehe in der 40 Meter langen Schlange vor dem Grünen Gewölbe. Einige Menschen versuchen, überschüssige Karten loszuwerden, leider meist im Zweierpack. Aber meine Stunde schlägt um viertel nach zehn, als ich noch gute fünf Meter vom Eingang entfernt bin und schon im Kopf überschlage, bis wann ich heute überhaupt Zeit habe. Denn die Eintrittskarten sind auf ein Zeitfenster von 15 Minuten genau ausgestellt; so wird sichergestellt, dass nur eine bestimmte Anzahl von Besuchern im Gewölbe ist. Ich hatte mich seelisch schon auf 14 Uhr, wenn überhaupt, eingerichtet, denn um 17 Uhr beginnt die Oper, als ein Pärchen die Schlange entlangging und eine einzelne Karte anbot, und zwar großartigerweise für den Einlass um 11. Meine!

Die verbleibende Zeit bis viertel vor 11 (rechtzeitig da sein, weil Garderobe abgeben) vertreibe ich mir im Zwinger, den ich gestern ja nur bei Dämmerung gesehen habe. Um 10.45 Uhr stehe ich wieder am Eingang, werde zur Garderobe begleitet, gebe alles ab und stelle mich wieder in eine Schlange, nämlich die im Vorgewölbe, das zum eigentlichen Grünen Gewölbe führt. Die Schlange ist aber deutlich kürzer. Am Eingang bekommt man einen Audioguide in die Hand gedrückt, denn an den Exponaten im Gewölbe gibt es keine Erklärungen. Was ich kurz bedauere, denn ich lese lieber als mich zutexten zu lassen, aber natürlich soll der Charakter der Räume nicht durch Schrifttafeln beeinträchtigt werden.

Um kurz vor 11 gehe ich in eine Schleuse, deren Türen sich hinter mir schließen. Drei Sekunden passiert nichts, dann geht die Tür vor mir auf, und ich stehe im ersten der insgesamt neun (?) Zimmer des Gewölbes. Das Bernsteinzimmer, gefolgt vom Elfenbeinzimmer (ich taufe es Elefantenfriedhof), gefolgt vom … schon wieder vergessen. Ich bin viel zu beschäftigt mit Gucken und Staunen. Jedes Zimmer hat seinen ganz eigenen Charakter. Die Wandfarben ändern sich, der Fußboden, mal hängen Bilder in den breiten Fensterbögen, mal nicht. Allen Zimmern gemein ist die barocke Präsentation der einzelnen Stücke. Lauter kleine „Regalbrettchen“ bedecken die Fläche bis zur Decke, und auf jedem Brett steht ein Exponat. Die Wände sind unterteilt, so dass jede Fläche eine eigene Anordnung hat. Neben Bernstein und Elfenbein gibt es vergoldetes Silber, Kristalle, Bronzestatuen, Rubinglas, Straußeneier, die zu Trinkgefäßen wurden – und irgendwann kommt das Juwelenzimmer, von dem ich wirklich gerne wissen würde, was dort an Werten rumliegt. In einzelnen Virtrinen an den Wänden liegen Schmuckstücke auf blauer Seide, Spazierstöcke, Degen und weitere Gegenstände mit Diamanten, Rubinen, Smaragden, Saphiren und anderen Edelsteinen. Man weiß gar nicht, wo man zuerst hingucken soll. Ich komme mir vor wie in einem Pharaonengrab. Die Wände sind tiefrot, die Decken mit kiloweise Gold verziert. Schon das Porzellan gestern hat mir einen kleinen Eindruck vom Reichtum des sächsischen Königshauses vermittelt, aber was hier rumsteht, kann ich kaum fassen.

Der Audioguide bemüht sich, mich in Stimmung zu kriegen, scheitert aber. Die Texte hören sich eindeutig „geschrieben“ an; also so, als ob jemand einen schönen Aufsatz verfasst, aber vergisst, dass dieser Aufsatz vorgelesen werden muss. Es gibt zu jedem Zimmer eine Erläuterung, die ich mir anhöre, und zu ausgewählten Exponaten noch mehr, was ich anfangs auch angewählt, dann aber gelassen habe. Ich fühle mich komischerweise gehetzt, jemand anders gibt mir seine Geschwindigkeit vor, in der ich die Räume und die Exponate auf mich wirken lassen soll. Ich schleppe den Audioguide nur noch mit mir rum und gehe nochmal in meinem eigenen Tempo ohne Stimme im Kopf durch die Räume. Viel besser. Viel ruhiger. Viel beeindruckender.

So sehr die künstliche Verknappung der Karten und der Audioguide nerven, so gut sind sie auch: Die Zimmer sind nicht überfüllt, man kann in Ruhe durch die Gegend gucken, und man kann alles sehen, weil nicht 80 Leute vor einem an der Vitrine stehen. Und weil alle den Guide am Ohr haben, ist es sehr ruhig.

Um zehn vor zwölf bin ich schon wieder draußen. Die Schlange vor dem Eingang ist verschwunden, ich nehme an, dass alle Tageskarten um kurz nach 10 schon weg waren. Schwein gehabt. Aber die Orgelandacht um 12 in der Frauenkirche wird ganz schön knapp … ich gehe zur Kirche und überlege schon mal, was ich stattdessen mache: die Rembrandt-Ausstellung im Zwinger? Die Semperoper besichtigen? Mir war nicht klar, dass auch zu Aufführungszeiten Touren gegeben werden, sonst hätte das natürlich auf meiner Liste gestanden. Ich habe das betreffende Schild aber erst gesehen, als ich eben, vor dem Grünen Gewölbe, an der Oper vorbeikam und mal wieder eine Warteschlange gesehen habe. Fast hoffe ich, nicht in die Kirche zu kommen, um mir die Oper anschauen zu können, aber: Ich bin fünf vor 12 an der Kirche und darf noch rein. Sämtliche Bänke im Kirchenschiff sind vollgepackt, auch an der Seite scheint kein Platz mehr frei zu sein. Ich gehe trotzdem mal um das runde Kirchenschiff herum und sehe in der dritten Reihe außen einen freien Platz. Wieder mal: meiner!

Als ich sitze, beginnen schon die Glocken zu läuten. Ich kann mich nur kurz umschauen, wo ich überhaupt bin. Die Kirche ist vollständig in vier Pastelltönen ausgemalt. Die Bedeutungen erfahre ich nach der kurzen Andacht, als der Küster (?) von der Kanzel herab 20 Minuten Wissenswertes über die Kirche erzählt. Wie ein Diavortrag ohne Dias. Die Farben sind gelb wie das Licht, rot wie die Liebe, grün wie die Hoffnung und blau wie der Himmel und der Glaube. Am Altar, im Altarraum und von da bis unter die Decke, wo die Orgel in gefühlten 30 Meter Höhe thront, blitzt eine Menge Gold. Ich kann mich nicht entscheiden, ob es mir gefällt oder nicht. Zu wissen, die Kirche sah vor 300 Jahren so aus, ist eine Sache. Zu wissen, dass sie aber nur eine blöde „Kopie“ ist und die letzten Malerarbeiten gerade mal zwei Jahre her sind, eine andere. Warum baut man eine Kirche in einem Stil auf, der – Entschuldigung – fürchterlich überholt ist? Warum errichtet man nicht stattdessen nur die Außenmauern, wenn man sie denn unbedingt wieder aufbauen will, und gestaltet dann den Innenraum so, wie man heute eine Kirche ausstatten würde? Hm.

Die Orgel beginnt zu spielen. Der Klang erfüllt den hohen Raum, ich bin wie immer ergriffen (verdammte christliche Konditionierung – Orgelmusik klappt bei mir auf Knopfdruck), und auf einmal finde ich die Kirche ganz wunderschön. Die Andacht ist kurz und geht im Prinzip um „Nobody’s perfect“. Der Pastor erzählt die Geschichte von Einstein, der im Himmel einen Wunsch erfüllt bekommen soll, um seine Verdienste für die Wissenschaft zu belohnen. Daraufhin erbittet er von Gott die Weltformel. Gott beginnt, eine sehr lange und umständliche Formel aufzusagen. Einstein hört zunächst zu, überlegt dann, wird immer unruhiger und unterbricht Gott schließlich: „Moment, Moment, das kann nicht stimmen. Die Formel ist doch voller Fehler!” Worauf Gott nur lächelt und sagt: „Ich weiß.“

Im Innenraum der Kirche steht das alte Dachkreuz, das beim Wiederaufbau unter den Steinmassen gefunden wurde. Es ist verbogen, aber noch in einem Stück. Jetzt dient als es Mahnmal. Auf der Kuppel der neuen Frauenkirche sitzt ein neues Kreuz, das vom britischen Volk gestiftet wurde.

Ich kann mich immer noch nicht entscheiden, ob mir die Kirche gefällt oder nicht. In Hamburg steht an der Willy-Brandt-Straße auch eine Kirchenruine, die ich in ihrer offensichtlichen Verwundung viel beeindruckender finde als einen neuen, auf alt getrimmten Prachtbau. Die Gedächtniskirche in Berlin zeigt ebenfalls einen meiner Meinung nach sinnvolleren Weg auf, mit Kriegsruinen umzugehen.

Gleichzeitig finde ich es aber schön, dass es so viele Menschen gab, die Geld gestiftet haben, um ein Wahrzeichen von Dresden wieder aufzubauen. Im Kirchenschiff trägt jeder Sitz, so weit ich sehen konnte, eine kleine Tafel, auf der die Spendernamen stehen. Ich habe auf dem Platz von Fridel und Hilde Steyer gesessen.

Nach der Andacht war es 1 Uhr – keine Zeit mehr für eine weitere Besichtigung, denn auf eine Oper bereite ich mich anders vor als auf einen Kinobesuch. Entspannt im Hotel ausgehfein machen, das Libretto nochmal überfliegen, mein Lieblingsbuch zu Wagners Opern konsultieren, vielleicht nochmal ein bisschen Musik aus dem iPod, um mich einzustimmen. Und natürlich möchte ich nicht erst auf den letzten Drücker im Opernhaus sein, sondern stattdessen vor der Aufführung noch ein wenig durchs Gebäude schlendern.

Die Aufführung von Tristan und Isolde (mit einer meiner Lieblingssängerinnen, Waltraud Meier, als Isolde) beginnt um 17 Uhr. Um 16 Uhr bin ich frisch geduscht und im Bayreuth-Outfit vor der Semperoper. Jetzt, im Abendlicht und effektvoll beleuchtet, sieht sie schon ein bisschen eindrucksvoller aus als tagsüber. Auf dem Platz vor der Oper stehen allen Ernstes Radeberger-Trucks. Die Jungs von der Brauerei nutzen ja bekanntlich die Oper für ihre Werbung. Warum auch immer.

Das Innere ist ziemlich verwinkelt. Und wie immer in Opernhäusern ist es viel zu warm. Ich gucke mir in aller Ruhe den hohen Saal an, klettere aber nicht in die vier Ränge, bestaune die riesigen Leuchter (und freue mich, nicht direkt darunter zu sitzen), spaziere in Richtung Orchestergraben und – muss feststellen, dass die Lampen am Rande des Parketts verdammt tief hängen. Aua.

Um kurz vor 5 kommen schließlich die Menschen, die in der Mitte der Reihe sitzen (das muss, glaube ich, so sein), und es geht los. Wunderschöne Overtüre. Ich bin so entspannt wie nach einem Schaumbad, als sich der Vorhang öffnet – und ich mich geistig von dieser Aufführung verabschiede. Das Bühnenbild ist ein Kubus mit sich öffnenden Rückwänden. Als Tristan und Isolde sich im ersten Akt zum ersten Mal ansingen, schließen sich die beiden Wände zu Publikum hin mit transparenten Vorhängen, auf die in lustigen Regenbogenfarben sinnlose Muster projiziert werden. Die Kostüme sind aus der Ecke „Geht immer, tut nicht weh, kann ich jetzt fernsehen anstatt mir über Kostüme Gedanken machen zu müssen“: wallende Gewänder für die Mädels, römische Feldherrenausstattung mit Sixpack-Brustpanzer für die übergewichtigen Herren. Nen Speer gibt’t auch, genau wie die fies überzogenen, „dramatischen“ Gesten. Also alles, was ich bei Wagner seit den 80er Jahren sehe und einfach nicht mehr sehen will. Ich habe nach zehn Minuten schon schlechte Laune, die auch nicht dadurch verbessert wird, dass Frau Meier wirklich gut singt und auch der Tristan seine Sache sehr schön macht. Brangäne fand ich völlig farblos, und der finnische Sänger des Kurwenal konnte seinen Akzent leider nicht ganz abstellen. Ich ringe etwas mit mir („Die Karte war doch so teuer“ – „Aber die Aufführung ist so scheiße“), verlasse aber trotzdem nach dem ersten Akt, der sich so lang anfühlte wie sonst alle drei, die Oper. Hab ich noch nie gemacht. (Aber ich bin mal im Siegfried in Hannover eingeschlafen.)

Es ist ein bisschen wie damals in London, wo ich nur wegen der Lord-of-the-Rings-Ausstellung hingefahren bin und die dann am belanglosesten von allem fand. So auch hier. Die Oper war doof, aber alles andere war klasse. Ich ärgere mich, dass ich nicht noch einen Tag länger gebucht habe, denn in bin ziemlich auf den Geschmack gekommen. Es gibt noch so wahnwitzig viel zu sehen! Und ich hab nix geschafft! Fahr ich halt nochmal hin. Und das gerne.

Dresden hin, dresden her, drehsten ab. Oder: Schlechte Scherze gleich in der Überschrift verwenden, dann haben wir das hinter uns.

Donnerstag, 28. Dezember

Wie, Schnee? Geht’s noch, Hamburg? Seit Tagen freue mich mich über das milde Wetter, das perfekt ist zum In-fremden-Städten-planlos-Rumlaufen und jetzt schneit’s? Statt Bus Taxi zum Bahnhof.

Im Zug: das erste Mal in meinem Leben erster Klasse. Da ich die Reise nach Dresden ziemlich früh gebucht habe, war das bezahlbar und immer noch ne Ecke günstiger als ein Flug. Der wahrscheinlich mit dem ganzen Eincheckgedöns auch nicht viel schneller gewesen wäre. Zum Eincheckgedöns hat auch die Bunte was zu sagen, die ich mir zusammen mit der Us Weekly im Bahnhof besorgt habe, denn: keine Bahnfahrt ohne Klatschzeitschriften. Gute Bücher werden im Bett gelesen. Beim Zugfahren will ich Blödsinn konsumieren. Jedenfalls hat die Bunte die Flughafenkontrollen zum einem der vielen Verlierer des Jahres gekürt – mit dem vernichtenden Urteil: „Blöde Terroristen!“ Genau. Denen habt ihr’s aber gegeben.

Die erste Klasse zeichnet sich durch mehr Beinfreiheit und weniger Sitze aus. Sehr nett. Sehr doof: Auf meinem reservierten Einzelsitz am Fenster sitzt bereits jemand. Ich will zunächst so nervig sein wie die Leute im spärlich besetzten Kino in der Nachmittagsvorstellung, die auf dem Platz bestehen, der auf der Karte aufgedruckt ist, gucke mich dann aber im Wagen um und stelle fest: komplett leer. Ein Platz ist besetzt. Meiner. Ich bin erstaunt ob dieser idiotischen Präzision, in einem völlig leeren Großraumwagen den einzigen Platz zu besetzen, über dem rot die Reservierung flackert.

Ich setze mich woanders hin. Ist eh ein besserer Platz, weil er gegen die Fahrtrichtung ist. Ich fahre lieber „verkehrt herum“, denn so fliegt die Welt entspannt hinter einem weg anstatt mir hektisch entgegenzukommen.

In Berlin gucke ich kurz aus dem Fenster, um festzustellen, dass ich gerade in diesem tollen neuen Bahnhof bin. In den drei Minuten aus dem Zugfenster sah er aus wie ein Einkaufszentrum, durch das Gleise gelegt wurden.

Kurz vor dem Dresdner Hauptbahnhof überquert der Zug die Elbe, und man hat einen grandiosen Blick über den Fluss und sämtliche Sehenswürdigkeiten der Innenstadt. Ich sehe jedenfalls gefühlte 80 Kirchtürme. Als komplett doofer Tourist habe ich die Kamera aber ganz unten im Rucksack vergraben und kann nicht knipsen. Ist auch viel netter, aus dem Fenster zu gucken.

Im Bahnhof kaufe ich einen Stadtplan und gucke mal, wie weit mein Hotel weg ist. Hier in Dresden schneit es nicht, es regnet nicht, es ist nicht zu kalt und nicht zu warm. Perfekt. Ich rolle mein Köfferchen 300 Meter weit ins Mercure, von dem ich überzeugt bin, dort schon einmal zu DDR-Zeiten genächtigt zu haben. Nach Einchecken und Zimmer-gut-Finden gehe ich wieder vor die Tür in Richtung Innenstadt.

Es fängt an zu schneien.

Die Prager Straße ist ein Fußgängerzone. Ein immerhin schon deutlich verschönertes Überbleibsel aus Zonenzeiten, wo diese Straße eine dieser beknackten sozialistischen Prachtstraßen war – eine von denen, die nie prächtig waren, sondern bloß zugig. Und leer. Jetzt herrscht hier das übliche Fußgängerzonengewusel. Ich meine mich an ein paar Gebäude zu erinnern. Das letzte Mal war ich ca. 1987 in Dresden. Da, wo jetzt Esprit ist, zwischen den beiden Ibis-Hotels, da war eine Eisbar. Glaube ich. Oder war das gegenüber? Und an diesen Rundbau, in dem jetzt Pizza Hut ist, kann ich mich auch erinnern. Das war ein Kino. Glaube ich. Mit Holzklappsitzen. Und da hab ich Ödipussi gesehen. Glaube ich. Was dieses silberne Gebäude war, an dem, wie an vielen Gebäuden, das Plakat der Abbruch-/Sanierungsgesellschaft hängt, weiß ich nicht. Ein Kaufhaus? (Mit Intershop, garantiert. In Dresden hab ich Toffifee gekauft, das weiß ich noch.)

Ich glaube, ich bin meilenweit als Tourist zu erkennen. Ich renne mit offenem Mund auf die Frauenkirche zu, deren heller Sandstein total falsch aussieht. Die meisten Gebäude um den Neumarkt herum sehen aus wie alte Gebäude eben aussehen. Die Frauenkirche sieht aus wie von Playmobil. Ich mache das obligatorische Foto und hebe mir die Besichtigung für morgen auf, denn da findet um 12 eine Orgelandacht statt, und ich hoffe, dass ich ein Plätzchen abkriege.

Heute steht stattdessen die Kunsthalle im Lipsius-Bau auf dem Plan, denn dort läuft zurzeit die Ausstellung Von Monet bis Mondrian. Der Eingang ist auf (? an? geht ab von?) der Brühlschen Terrasse, von der man einen wunderschönen Elbblick hat. Theoretisch. Praktisch liegt jetzt überall Schnee, es schneit immer noch, und der Himmel ist grau. Kein gutes Fotowetter. Und zum Lange-draußen-Rumlungern ist es auch nicht geeignet. Also rein in die Kunst.

Wieso geht man eigentlich nur in fremden Städten in Ausstellungen? In Hamburg läuft seit Monaten die Caspar-David-Friedrich-Ausstellung. War ich drin? Nö. Will ich rein? Ja, schon, aber mein Sofa und meine DVDs und mein fauler Hintern ach und einkaufen muss ich ja auch noch … Wie in jeder Ausstellung finde ich auch hier ein Bild, das mir besonders gefällt und vor dem ich länger rumstehe als vor den anderen und zu dem ich zum Abschluss nochmal zurückkehre. Hier waren es sogar zwei: einmal die „Flusslandschaft mit Bauernhaus (Petersen)“ von Emil Nolde und das „Bildnis der Frau Stegemann“ von Conrad Felixmüller, von dem ich vorher noch nie etwas gehört hatte. Außerdem hat mir sogar ein Kandinsky gefallen, wo ich doch mit Kandinsky sonst gar nichts anfangen kann (mit Mondrian komischerweise schon). Und Paul Klee gefällt mir immer besser. Ist dem Mann wahrscheinlich aber egal.

Es schneit noch stärker, als ich wieder aus dem Museum komme. Scheißegal, auf zum Grünen Gewölbe, auf gut Glück natürlich. Laut Internetseite sind die nächsten Karten wieder im März verfügbar. 25 Prozent der Karten sind aber frei an der Kasse erhältlich. Allerdings ab 10 Uhr morgens. Es ist jetzt 16 Uhr, und natürlich ist alles weg. Macht nicht, an diesem Punkt in Dresden kann man eigentlich nicht nichts angucken. Ich gehe in den Zwinger, der leider auch nicht ganz tourifreundlich aussieht, und kaufe mir ein Ticket für die Porzellansammlung. Die wurde von Kurfürst August dem Starken begonnen und zählt angeblich zu den wichtigsten der Welt. Keine Ahnung, ich versteh nix von Porzellan. Trotzdem fand ich die Ausstellung wunderschön. Wahrscheinlich weil ich keine Ahnung hatte. Die Sammlung bestand aus 22.000 Teilen, von denen es 12.000 bis heute geschafft haben. Und die Stücke, die im Zwinger präsentiert werden, sehen aus wie neu. Da stehen 300 Jahre alte Vasen, die so aussehen, als wäre gerade der Lack getrocknet. Ich habe Teller von letzter Woche, die nicht so gut aussehen. Und nicht so heile. Kaum Fehler oder abgesprungene Stücke. Und: schöne Texte an den Vitrinen. Erstens in Garamond gesetzt (schon gewonnen) und zweitens so begeistert geschrieben, dass ich manchmal vergessen habe, die beschriebenen Exponate auch anzugucken. Ich hab den Text gelesen, mich gefreut und bin zum nächsten Text gegangen. Erst da ist mir aufgefallen, äh, Moment, wie sah diese Teedose in rotgold denn eigentlich aus? Ich glaube, Museumstexte zu verfassen, ist nicht einfach, denn man muss die Balance halten zwischen dem Basiswissen, das auf fünf Zeilen vermittelt werden soll, und den Besonderheiten der jeweiligen Stücke. Ich fand die Texte toll, sie klangen wie von jemandem geschrieben, der sich begeistert acht Stunden lang über die Kangxi-Zeit und die dazu passenden Blautöne unterhalten könnte. Ich weiß zwar nicht, ob ich mit so jemandem eine Kneipentour unternehmen wollen würde, aber mir persönlich haben die Texte die Ausstellung sehr nahe gebracht. Und den Begriff „dominante Farbpracht“ hab ich mir gemerkt, weil er so schön schmeckig ist.

Neben den vielen, vielen Vasen, Tellern, Tassen und noch mehr Vasen (und Fischbassins, in denen August lieber seine Orangenbäumchen pflanzte und dazu ein Loch in den Boden des guten Porzellans bohrte) gab es einige Räume mit Meißner Porzellan. Die Jungs aus der Manufaktur wollten ihrem Herrscher auch was Nettes basteln („ey, Mann, immer diese Chinesen“) und haben daher – lebensgroße Tiere aus Porzellan hergestellt. Ich muss zugeben, dass ich die Räume ziemlich schräg fand. Ich kann zwar nicht rational begründen, warum ich mir gerne bemalte Zierteller angucke (ich will das, glaube ich, gar nicht wissen), aber sie haben mir viel besser gefallen als die komisch guckenden Löwen und Affen und Pfau … Pfaus. Pfauen. Dudens. Und wenn es zehnmal 300 Jahre altes Meißner ist – es sieht trotzdem so aus wie der komische weiße Hund, den Chandler ertragen musste, weil Joey ihn so toll fand.

Inzwischen war es draußen endgültig dunkel, die Fußwege eine einzige glitschige Rutschpartie, und daher bin ich nicht weiter durch die Gegend gelaufen, sondern habe mich wieder ins Hotel geschleppt. Allerdings nicht, ohne vorher mal in die Altmarkt-Galerie zu gehen, wo ich auf DVDs hoffte. Wenn ich schon nutzlos im Hotelzimmer rumliege, dann will ich wenigstens was Nettes zu gucken haben. Bei Saturn habe ich die erste Staffel von House erstanden – und zu meinem Entsetzen/Entzücken festgestellt, dass noch stapelweise Wiis rumlagen. Die will hier anscheinend keiner. Zwei Kerle standen unschlüssig davor und guckten sich die Controller an: „Da macht man sich ja total zum Depp.“ Genau. That’s the fun part. Los, kaufdiescheiße.

Jetzt ist es fast 20 Uhr, ich bin schon bei den Simpsons auf Pro7 eingeschlafen und tippe mir jetzt nen Wolf im Word-Dokument, denn das ansonsten sehr nette Hotel will gnadenlose 24 Euro für einen Tagespass ins Internet haben (geht’s noch?). Morgen dann: Frauenkirche, Grünes Gewölbe 2. Versuch – und natürlich der Hauptgrund der Reise: Tristan und Isolde in der Semperoper. Bleiben Sie an den Empfängern.

Tafelspitz mit Möhren-Kohlrabi-Salat und Kartoffelcremedressing, Pangasiusfilet mit Parmaschinken, Kaviarkartoffeln und scharfer Tomaten-Mandel-Sauce, weißes Lebkuchenmousse mit Himbeerpüree. Vorneweg einen Rosé-Sekt (ich mag bunte Getränke), dazu einen weißen Burgunder, danach Grappa. Viel Grappa. Mehrere Runden Wii-Tennis mit Schwesterchen. Papa hat sich an Bowling rangetraut, während der Kerl meiner Mutter ihren Schachcomputer erklärt hat. Gute Geschenke, das übliche doppelte Buch („Ich geb euch doch extra meinen Amazon-Wunschzettel!“), Tütencappuccino, weil meine Espressomaschine keine Lust hatte zu funktionieren, Kekse von Schwesterchen, kiloweise. Und endlich musste mal nicht ich nach dem Essen nach Hause fahren, sondern konnte hinter den Gästen die Tür zumachen.

Dafür muss ich abwaschen. Gna.

Übermorgen abend, am 27.12. um 19.30 Uhr, gibt es im Deutschlandradio eine Sendung mit dem schönen Titel „Fischstäbchen schwimmen im Meer – Vom Unwissen über die Natur“. Darin wird mein Blogeintrag über meinen Opa zitiert. Ich weiß allerdings nicht, in welchem Umfang oder Zusammenhang. Vielleicht bin ich eins von den abschreckenden Beispielen, weil ich nicht weiß, dass Kirschen und Johannisbeeren nie gleichzeitig reif sind. (Sind sie? Keine Ahnung. Fischstäbchen schwimmen im Meer.)

Ich sehe gerade, dass Deutschlandradio eine Art interaktiven Podcast hat. Sie nennen es Blogspiel. Jeder kann bis zu fünf Minuten podcasten, im Internet wird abgestimmt, wer in dieser Woche die besten fünf Minuten hatte, und die werden dann auf Deutschlandradio gesendet. Gegen Autorenhonorar.

„Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.

Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“

Ich wünsche euch allen ein friedliches, fröhliches, besinnliches, schönes, gesegnetes Weihnachtsfest. Danke fürs Lesen.