Ich mag das Wort „erbaulich“

Karl Malden erzählt als Priester in der Episode Take This Sabbath Day aus der ersten Staffel von The West Wing eine schöne Geschichte. In der Folge geht es um die Vollstreckung eines Todesurteils, und der Präsident weiß nicht, ob er die Hinrichtung durchführen lassen oder Gnade walten lassen soll. Er fragt so ziemlich jeden, der ihm über den Weg läuft, genau wie sein Stab, unter anderem einen Rabbi, den Papst und einen campaign manager, die zufällig eine Quäkerin ist, die ihm alle raten, den Angeklagten zu begnadigen. Er selbst ist auch eher gegen die Todesstrafe, begründet aber sein Zweifeln damit, dass 71 Prozent der Amerikaner eben diese billigten. Dann ruft er seinen alten Priester (Malden) an, der ihm folgendes sagt:

“You know, you remind me of the man that lived by the river. He heard a radio report that the river was going to rush up and flood the town and that all the residents should evacuate their homes. But the man said, ”˜I’m religious. I pray. God loves me. God will save me.’

The waters rose up. A guy in a row boat came along and he shouted, ”˜Hey, hey you! You in there. The town is flooding. Let me take you to safety.’ But the man shouted back, ”˜I’m religious. I pray. God loves me. God will save me.’ A helicopter was hovering overhead. And a guy with a megaphone shouted, ”˜Hey you, you down there. The town is flooding. Let me drop this ladder and I’ll take you to safety.’ But the man shouted back that he was religious, that he prayed, that God loved him and that God will take him to safety. Well”¦ the man drowned. And standing at the gates of St. Peter, he demanded an audience with God.

”˜Lord,’ he said, ”˜I’m a religious man, I pray. I thought you loved me. Why did this happen?’ God said, ”˜I sent you a radio report, a helicopter, and a guy in a rowboat. What the hell are you doing here?’

He sent you a priest, a rabbi and a Quaker, Mr. President. Not to mention his son, Jesus Christ. What do you want from him?“

Modern Girl Woman

Maureen Dowd, Autorin von Are Men Necessary: When Sexes Collide, schreibt im NYT Magazine über die zweifelhaften Erfolge der Frauenbewegung und warum heutige Frauen des Öfteren mit ihr Schwierigkeiten haben: What’s a Modern Girl to Do? handelt von den schon als dämlich und altbacken abgetanen Strategien, einen Mann abzukriegen (nie anrufen, immer schön zappeln lassen), der Frage, wer beim ersten Date zahlt und warum („finanzelle Unabhängigkeit“ versus „Was bin ich ihm wert“) und der sich immer mehr manifestierenden Ungerechtigkeit, dass ein guter Job und eine gewissen Bildung Männer attraktiv macht, Frauen aber eher zum kinderlosen Single-Dasein verdammt.

It was naïve and misguided for the early feminists to tendentiously demonize Barbie and Cosmo girl, to disdain such female proclivities as shopping, applying makeup and hunting for sexy shoes and cute boyfriends and to prognosticate a world where men and women dressed alike and worked alike in navy suits and were equal in every way.

But it is equally naïve and misguided for young women now to fritter away all their time shopping for boudoirish clothes and text-messaging about guys while they disdainfully ignore gender politics and the seismic shifts on the Supreme Court that will affect women’s rights for a generation.

What I didn’t like at the start of the feminist movement was that young women were dressing alike, looking alike and thinking alike. They were supposed to be liberated, but it just seemed like stifling conformity.

What I don’t like now is that the young women rejecting the feminist movement are dressing alike, looking alike and thinking alike. The plumage is more colorful, the shapes are more curvy, the look is more plastic, the message is diametrically opposite – before it was don’t be a sex object; now it’s be a sex object – but the conformity is just as stifling.

Nachtrag: wenn du keine Aufbauanleitung für Billy mehr brauchst.

Merke: Billy passt WIRKLICH nicht ins Auto, und wenn man ihn dann kurzerhand in Einzelteile zerlegt, weil er dann nämlich passt, ist man schnell von nölenden Menschen umgeben, die den extra freigemachten Parkplatz haben wollen, sich aber nicht trauen, an dir vorbeizuparken („Das passt schon, fahr einfach … jo, dann eben nicht“), Menschen, die dir gegenüber ausparken wollen und lieber hupen statt in zwei Zügen zu wenden („Oh, Baby, VIER METER MINDESTENS“) oder Menschen, die behaupten, nicht an dir vorbeizukommen („Bist du blind, du Nase? Fahr und jammer mich nicht voll, ich bin beschäftigt“). Aber das ist Geschichte. Inzwischen steht Billy gesund und munter neben seinen fünf Brüdern und ist irgendwie auch schon voll. Ich brauch noch einen.

(Haha, und dann sagte der Kerl doch noch: „Ich fahr nur mit zu Ikea, wenn du zielgerichtet einkauft: rein, Zeug einpacken, raus.“ Zielgerichtet! Bei Ikea! Hahahahahahaaahaaaahaaaa. Nee, watt iss er manchmal niedlich.)

Der Mann in der Business Class, der aufmerksam die Aldi-Anzeige in seiner Zeitung studiert.

Auf dem Hamburger Flughafen bringt meine Gürtelschnalle dieses Durchgehding zum Piepsen. In Nürnberg nicht, da muss man den Gürtel gleich mit in die große Jackenschale werfen. Gut, dass mein Zungenpiercing raus ist. Spacken.

Wer ist jemals auf die dämliche Idee mit den Lichtschranken an Wasserhähnen gekommen, wieso sitzen die irgendwie nie an den gleichen Stellen, und wieso fühlt man sich immer wie ein kompletter Trottel, wenn man wildwedelnd vor ihnen steht und auf die Ansage wartet, dass alles Versteckte Kamera ist?

Und wenn ich noch tausendmal fliege: Der Anblick der Erde von oben wird nie langweilig.

Ich hab immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich den Flugbegleiterinnen nicht bei ihrem Sicherheitsballett zugucke.

Ooooh, Nacht über Deutschland, und ich will dich wiederseh’n.

5.20 Uhr. Auf nach Stuttgart. Reicht jetzt auch mit dieser Woche.

Ich liebe Kunden, die zur Vorführung eines Soundsystems eine Star-Trek-DVD mit explodierendem Borg-Kubus verwenden.

Rosa Parks ist tot.

Wie man sich selbst ein Magengeschwür verpasst:

Bis vor drei Wochen noch nicht mal die Baseballregeln kapiert haben geschweige denn Interesse an diesem komischen Spiel zeigen, dann irgendwie doch hängenbleiben (yes, Kerl, I blame you!), in den Championship Series immerhin einmal für die richtige Mannschaft halten (also die, die in die World Series einzieht), im ersten Spiel sich die Kehle für Bärchen heiser brüllen (hat nix gebracht), aber dann einen Tag später wimmernd vor NASN sitzen, die Übertragungsprobleme haben, so dass ich das Spiel nicht sehen kann.

Das noch schnell für den Weg: Eine mir bis gestern unbekannte Nicky hat die Pinguine kommentiert, unsereiner klickt arglos-neugierig auf den Link zu ihr und muss dann noch vor dem Frühstück das hier sehen und lesen und verdammt nochmal Hunger kriegen!

Gott, sieht das lecker aus. Jetzt schmeckt mein Schneekoppe Müsli gleich doppelt lecker langweilig.

(Und auf VH-1 kommt gerade Footloose. STEH ENDLICH AUF, GRÖNER.)

Owner of a lonely heart
Much better than an
Owner of a broken heart

It means nothing to me
This means nothing to me
Ah, Vienna

That’s why I’m easy
I’m easy like sunday morning

Look around
Leaves are brown
And the sky
Is a hazy shade of winter

(Dienstag Morgen, bei VH-1 alle Lieder mitsingen können und nicht im Bett bleiben dürfen. She works hard for the money.)

Ich bin ein Bobby (und anscheinend eine Journalistin)

Schreibt meinen Namen richtig, schreibt meinen Namen richtig, SCHREIBT MEINEN NAMEN RICHTIG!

Oh, und danke für die Nominierung. Endlich eine Gelegenheit, meine diversen Oscar-Dankesreden umzuformulieren und wieder mit ner Haarspraydose gerührt vor dem Spiegel zu stehen.

(Edit einen Tag später: Jetzt ist der Name richtig und Frau Görner wieder mit der Welt versöhnt.)

Macht mehr Musik

Gestern gab’s auf BR Alpha die Übertragung des 54. Musikwettbewerbs der ARD, in der einige Preisträger lustig aufspielten. Der 1. Platz im Violinwettbewerb ging an den Japaner Keisuke Okazaki. Bei seiner Vorstellung sagte der Offsprecher, dass in Zukunft vermehrt Asiaten in „unseren“ Orchestern spielen würden, da nur noch wenige deutsche Kinder Lust hätten, ein Instrument zu erlernen.

Ist das so? Kann ich mir gar nicht vorstellen. Ist nicht jedes Kind neugierig auf Musik?

Meine Eltern haben beide kein Instrument erlernt, aber meine Schwester und ich durften beide zur musikalischen Früherziehung. Ich weiß nicht, ob meine Mutter uns dort einfach hingeschleppt hat oder ob wir den Wunsch danach geäußert hatten, aber ich erinnere mich, dass es mir ziemlich viel Spaß gemacht hat, einmal in der Woche mit Triangeln, Tamburinen, Xylophonen und diversen Schlaginstrumenten einen Heidenlärm zu veranstalten. (Da fällt mir ein: Gibt es einen „richtigen“ Namen für diese schlichten Holzstäbchen, circa 15 Zentimeter lang, die man einfach aneinander schlägt? Ich mochte diesen organischen, warmen Klang immer sehr gerne.)

Die obligatorische Blockflöte hatte ich natürlich auch, konnte mich aber nie für sie begeistern. Bei einer Schulfreundin habe ich mal versucht, einer Querflöte einen Ton zu entlocken, bin aber kläglich gescheitert. Und im Musikunterricht in der Schule, ungefähr zu der Zeit, als Spandau Ballet richtig angesagt waren und das Saxophon das Instrument du jour war, habe ich auch da mal reingepustet, aber insgesamt mochte ich kein einziges Blasinstrument. Vor allem das Fagott fand ich zwar vom Ton her schön, aber das kleine Spucketöpfchen neben den Bläsern alles andere als sexy. Ich saß im Schulorchester mal kurz in der dritten Geige und daher netterweise vor den Bläsern, so dass ich das Elend nur aus den Augenwinkeln angucken musste.

Wie gesagt: Geige. Aber da war ich schon 16. Davor lagen acht Jahre, in denen ich das Akkordeon bearbeitet habe. Am Anfang durchaus freiwillig und sehr gerne, in den letzten zwei Jahren nur noch unter Zwang, weil ich einen Lehrer hatte, für den Pädagogik ein Schimpfwort war und Schüler nur unperfekte Nervensägen, die seine genialen Bearbeitungen der klassischen Akkordeonliteratur nicht zu würdigen wussten. Ich sage nur „Amboss-Polka“ und „Torgauer Marsch“, dann wisst ihr, was ich damals spielen durfte.

Aber das waren nur die letzten Jahre. Davor fand ich es sehr schön, ein Instrument zu spielen, zu üben, weiter zu üben und nochmal zu üben, bis das verdammte Stück endlich so klang, wie es auf dem Notenblatt stand. Der Coolness-Faktor bzw. das genaue Gegenteil meines Instruments war mir damals egal bzw. ich kannte noch nicht mal das Wort. Aber ich hatte auch einen Topfschnitt und eine Brille und war daher eh nicht dafür prädestiniert, stilistisch tonangebend zu sein. Mit 16 war das natürlich ganz anders als mit 8, und irgendwann hatte ich wirklich keine Lust mehr auf Tango und Wiener Walzer und durfte aufhören.

Schon nach kurzer Zeit merkte ich, dass mir etwas fehlte, und so bat ich meine Eltern, ein weiteres Instrument erlernen zu dürfen. Ich schwankte zwischen Klavier und Geige und entschied mich schließlich für letzteres. Ich Depp. Die Tasten beherrschte ich doch schon, und genau aus diesem Grund (und aus dem dämlichen Gefühl der jugendlichen Unbesiegbarkeit) entschied ich mich für die Geige – und habe vier lange Jahre dafür bezahlt. Und meine armen Eltern und meine arme Schwester, deren Zimmer direkt neben meinem lag, noch mehr. Ich muss gestehen, dass ich es bis zum Schluss kaum hingekriegt habe, eine halbwegs stimmige Tonleiter zu spielen. Ich durfte mich an Händel vergreifen und an irgendwelchen fingerbrechenden Etüden, und ich gab mir alle Mühe, aber ich muss leider sagen, dass ich für dieses wunderschöne und SCHEISS-SCHWIERIGE Instrument komplett unbegabt war. Und sobald meine Schulzeit zu Ende war, legte ich auch meine hundertjährige tschechische Geige in ihren schwarzen Kasten und habe sie bis heute nur noch ein paar Mal zum Angucken rausgeholt. Verkaufen werde ich sie nicht, denn sie war ein Geschenk meiner Großmutter. Und da sie seit über 15 Jahren nicht mehr gespielt wurde, klingt sie wahrscheinlich auch nicht mehr wie eine Geige, sondern wie ein hohles Stück Holz.

Ich frage mich gerade, ob es wirklich etwas Besonderes ist, ein Instrument erlernt zu haben und ob es heute noch mehr besonders ist. Ich persönlich habe fast nur Leute im Freundeskreis, die irgendwann mal ein Instrument gespielt haben, sei es damals die Posaune im Kirchenchor oder die E-Gitarre in der Schülerband. Liegt das an meiner schönen Mittelschichtbildung, dass mein Freundeskreis derartig strukturiert ist? Liegt es an der Generation, in der ich aufgewachsen bin, in der es vielleicht noch zum guten Ton gehörte, dass die Kinder den Eltern zu Weihnachten was vorspielten? Wie ist das heute? Ich weiß, dass mein Patenkind schon schön per Akustikgitarre und mütterlichem Gesang beschallt wird, und ich weiß, dass ich irgendwann eine Viertelgeige springen lassen werden, wenn es gewünscht wird. (Eine Blechtrommel wurde mir strikt untersagt.) Aber ist das eben die Fortsetzung der Mittelschichtbildung?

Anne-Sophie Mutter erzählte in der letzten Wochenendausgabe der SZ (nicht online), dass sie Kindern, die früh mit Musik in Berührung kämen und ein Instrument lernten, eher zutraue, sozial kompetent zu werden und sich durchzusetzen (ich hoffe, ich erinnere mich halbwegs korrekt). Ich kann nicht beurteilen, ob an der Theorie was dran ist, aber ich glaube schon, dass Musik einen eher freundlichen Einfluss auf das Leben hat als andere Fähigkeiten. Mir persönlich würde jedenfalls sehr viel fehlen, wäre ich nicht recht früh mit dieser Kunst in Berührung gekommen; angefangen vom simplen Notenlesenkönnen bis zur Würdigung von klassischer Musik, die sich mir nur mit dem Musikunterricht in der Schule sicherlich nicht erschlossen hätte. Was mich zur Ausgangsfrage zurückbringt: Ist jedes Kind neugierig auf Musik? Oder kann man auch erst als Erwachsener neugierig auf ein Instrument werden? Oder wird man das einfach nicht mehr, weil man es eben nie war?

Ich Herzchen Bücher

Im Moment verfolgt mich das Thema „Lesen und Bücher“. In meiner derzeitigen Buslektüre Primary Colors stand zum Beispiel der schöne Absatz:

„I read Alice Munro, sentence by sentence – reading for craft rather than plot, reading from a remove rather than diving in, wanting to keep perspective, wanting to appreciate something pristine, unhurried, carefully thought out.“

Außerdem verlost das SZ-Magazin gerade ein Buchpaket im Wert von satten 800 Euro. Das war dann endlich ein Grund für mich, das Registrierungsformular auszufüllen.

Und im Table Talk auf Salon gibt es einen sehr schönen Thread, von dem ich mal ein paar Aussagen klaue, weil ich mich so in ihnen wiedergefunden habe.

You Know You’re A Bookish, Geekish Sort When…

– …when your first thought, upon walking out of a building into an unexpected rain storm, is NOT “How can I protect my hair/clothes/shoes,” but is in fact, “How can I protect my book??” (Hab immer eins im regenfesten Rucksack.)

– …when you must re-read the same book roughly once a year. (Tim, Colleen McCullough, auch wenn’s peinlich ist.)

– …when you don’t run to make it into the subway car or bus (when you really might have made it) because you think, “More reading time while I wait for the next one.” (Denke ich fast jeden Morgen.)

– …when you boggle at people who say, “Yeah, I used to read a lot, but don’t have time anymore,” but they still have time to eat and sleep. (Ich kann nicht einschlafen, ohne vorher zu lesen. Selbst wenn es schon nach meiner normalen Schlafenszeit ist – es kommt mir einfach wie Verschwendung vor, diese Zeit der Ruhe nicht noch zu „verlesen“.)

– …you bring 5 books on your honeymoon–and read them all! (Das erste, worüber ich nachdenke, wenn ich in den Urlaub fahre: Was nehme ich für Bücher mit?)

– …when you own more dictionaries than shoes. (Zehn Paar Schuhe, 15 Lexika. Und dabei habe ich den zwanzigbändigen dtv-Brockhaus als eins gezählt.)

– …when you grieve over books you gave away decades ago. (Ein Mumins-Buch, und ich weiß, wem ich es geliehen habe.)

– …when you read the Bookcrossing site at work, trying to figure out how early you can leave so you can go out and look for the book that someone just released somewhere in your city. (Ich bringe es nicht übers Herz, meine Bücher auszusetzen. Nicht mal die, die ich doof fand und nie wieder lesen werde. Genausowenig will ich aber Bücher von anderen Leuten. Ich mag keine gebrauchten Bücher, ich kaufe alles neu.)

Lest selbst weiter, da sind noch so viele schöne Sätze. So wie der nächste:

I once had a button saying, “I don’t need speed-reading, I need speed-bookcase-building.”

Schönster Spam-Kommentar bisher:

Die Reise der Pinguine

La Marche de l’empereur (Die Reise der Pinguine, F 2005, 85 min)

Deutsche Stimmen: Thorsten Michaelis, Andrea Loewig, Adrian Kilian
Musik: Emilie Simon
Kamera: Laurent Chalet, Jérôme Maison
Drehbuch: Jordan Roberts, Michel Fessler, Luc Jaquet
Regie: Luc Jaquet

Deutscher Trailer

Deutsche Seite

Was ich an Naturdokumentationen so mag, sind die Bilder von Tieren oder Naturschauspielen, die ich so bisher noch nie gesehen habe. Deswegen hat mich zum Beispiel Deep Blue so fasziniert, weil ich dort Kreaturen zu Gesicht bekommen habe, von denen ich nicht mal wusste, dass sie existieren. Die Fakten, die man zu den Tieren wissen musste, wurden relativ sparsam aus dem Off erzählt, und man hatte genug Gelegenheit, die Bilder auf sich wirken zu lassen. So ähnlich hätte ich mir Die Reise der Pinguine gewünscht, denn dann hätte ich dem Film alle Punkte und Sterne und Daumen-nach-oben gegeben, die es gibt, denn was man zu sehen bekommt, ist majestätisch, ergreifend, lustig, rührend, faszinierend und einfach atemberaubend. Das Dumme ist nur: Das Produktionsteam konnte es leider nicht lassen, die Tiere zu vermenschlichen und einen dermaßen üblen Off-Kommentar von Vater, Mutter, Kind über den Film zu legen, dass man sich 85 Minuten lang nur die Ohren zuhalten möchte.

Schon beim ersten Kommentar: „Blablabla Hört unsere Geschichte“ dachte ich, ups, das könnte anstrengend werden. Und das wurde es auch. Die Pinguine wandern jedes Jahr zu Tausenden (grandioses Bild) durch die Antarktis, um sich in einem geschützteren Teil als direkt am Meer zu paaren. Hätte man doch so auch sagen können. Aber nein, stattdessen wandern die Viecher zur (Achtung, O-Ton, bei dem ich wirklich Schmerzen hatte) „Oase der Liebe“, wo sie den „Tanz der Verliebten“ miteinander tanzen. Und wie im Softporno auf Premiere wurden dann die Vögel auch nur von der Gürtellinie an aufwärts gezeigt, als der Tanz sich dem Ende zuneigte. Jedenfalls nehme ich an, dass sie den Samen der Leidenschaft (kein Zitat) verteilt haben: Die Hälse ruckeln rhythmisch, die Pingus schnäbeln sich nen Seewolf, und ein paar Filmminuten später plumpst ein Ei auf die Füße der Mutter.

Das Ei muss dann dem Männchen übergeben werden, der das Ausbrüten übernimmt. Die Eiübergabe gehört zum Spannendsten, was ich seit langem gesehen habe. Anscheinend sind die Eier noch so zart, dass sie es nur wenige Sekunden ohne den warmen Gefiederschutz der Eltern aushalten, so dass die Aktion schnell und koordiniert vor sich gehen muss. Der Film zeigt zuerst ein Pärchen, bei dem die Übergabe schief geht, das Ei bekommt einen Sprung, und der wächst sofort mit Eiskristallen zu. Schon dramatisch genug, aber auch diese berührende Szene kann man natürlich totquatschen. Bei „unseren“ Pinguinen geht aber alles gut, die Übergabe klappt, das Männchen hat das Ei, und das Weibchen kann erstmal essen gehen.

„Unsere“ Pinguine könnten übrigens auch alle anderen sein – ich habe verzweifelt versucht, auf Unterscheidungsmerkmale zu achten, aber für mich sahen sie wirklich alle gleich aus. Allerdings dürfen wir wirklich sehr nah an sie ran, und so habe ich persönlich zum ersten Mal die Federn aus der Nähe gesehen, die für mich immer wie ein Pelz wirkten; erst bei den kleinen, flauschigen Pinguinen sieht es wieder wie Gefieder aus. Die Füße erinnern mich an Dinosaurier, so hornig und schuppig und millionenjahrealt sehen die Krallen aus. Und außer dem oberkellnermäßigen Schwarz und Weiß haben die Pinguine auch noch einen leichten Gelbschleier, der sich am Hals abwärts bewegt, und auch am Schnabel ist ein gelber Streifen zu sehen.

Während das Männchen mit dem Ei nun den Schneestürmen bzw. den „Tränen des Winters“ trotzen muss, wandert das Weibchen ans Meer, um Futter für das Junge zu sammeln. Zum ersten Mal sehen wir hier in Unterwasseraufnahmen, wie elegant die Tiere vorankommen und blitzschnell Haken schlagen, um Fische zu fangen. Aber die Idylle währt nicht lange: Drohend bewegt sich eine Robbe auf die Pinguine zu – bzw. auf die Kamera und damit auf uns. Das Bild, das ein weitaufgerissenes Maul der Robbe zeigt, hätte auch aus Jurassic Park sein können. Einen Pinguin erwischt der Räuber – und der eklige Offtext war: „Das Monster (hallo?) hat gleich zwei Leben zerstört: das der Mutter und das des Kindes (hallo?), das nun nicht mehr gefüttert wird.“ Bliäch. Schnell wieder auf die brillanten Bilder konzentrieren: Unendliche Eisflächen, über die fauchend der Wind weht, stehen direkt neben Bildern von zarten Eisblumen und leise tropfenden Eiszapfen. Eine Polarnacht mit so vielen Sternen, wie ich sie noch nie gesehen hatte, beschienen vom Vollmond. Zerklüftete, rissige Eislandschaften und gleich danach vom Wasser rundgespülte, blauschwarze Formen – all das ergab ein fast unrealistisches Bild, so wunderschön sah es aus. Und dazwischen eben die Pinguine, die dem standhalten und weiter stoisch wandern, sich finden, sich vermehren, brüten, füttern und wieder zurückwandern.

Zurück zur Geschichte: Das Weibchen ist inzwischen wieder in der Oase (ich komme da seit zwei Tagen nicht drüber weg) und löst Männe ab, der den inzwischen geschlüpften Pinguinnachwuchs immer noch in seiner Bauchfalte wärmt. Kleine Pinguine kommen in meiner persönlichen Niedlichkeitsskala noch vor Koalabären und Kätzchen; insofern konnte nicht mal die naseweise Kinderstimme mein selig-debiles Mutterkreuzgrinsen ruinieren, das ich im letzten Teil des Films im Gesicht hatte. Trotzdem überlagerten die Stimmen eben immer die Bilder, was nach einiger Zeit wirklich richtig genervt hat. Vielleicht ist der Film im französischen Original nicht ganz so eklig, aber ich kann es mir kaum vorstellen, denn die Grundidee, den Tieren ein menschliches Bewusstsein zu geben, bleibt gleich doof. Natürlich wirken nun einige Szenen umso stärker, wenn man sich vorstellt, dass die Tiere eben nicht aus Instinkt handeln, sondern sich wirklich bewusst für den Marsch und einen Partner entscheiden. So zum Beispiel die Szene, die einem Bild der Massenwanderung folgt, wo wir einen einsamen, rufenden Pinguin sehen, der sein Volk verloren hat und deswegen keine Chance auf Überleben hat. Oder das Bild, in dem mehrere Eier auf dem eisigen Boden liegen, teilweise gesprungen, von denen wir wissen, dass die Jungen in ihnen auch Geschichte sind. Natürlich wirken die Pinguine nun so, als ob sie trauern, aber genau diese blöde Manipulation werfe ich dem Film vor. Die Bilder und die Geschichte sind eindrucksvoll genug – warum muss man daraus eine peinliche Märchenstunde fürs Familienministerium machen? Mein Tipp: Film angucken und dabei iPod mit textloser Blubbermusik auf die Ohren setzen. Müsste mehr Spaß machen als sich das Heiteitei-Geschwurbele aus dem Off anzuhören.

Widersprich mir … oder, nee, doch nicht

Salon.com hat ein neues Feature, das mir ein bisschen Kopfschmerzen bereitet: Man kann inzwischen nicht mehr nur einen letter to the editor schreiben, also einen klassischen Leserbrief (per E-Mail), der von der Chefredaktion abgesegnet werden muss, bevor er eventuell das Licht der Welt auf der Leserbriefseite erblickt – nein, man kann inzwischen zu jedem Artikel einen Kommentar hinterlassen. Wie in Weblogs. Und jeder Kommentar (der aber bei Salon weiterhin letter heißt) wird auch ohne redaktionelle Prüfung „gedruckt“ bzw. freigeschaltet.

Salon argumentiert unter anderem damit, dass sie eine derartige Menge an schöner Post bekommen, dass sie gar nicht mehr alles lesen können:

„Our letters to the editor have always been an extremely popular feature. But we have only been able to publish a small fraction of the mail we get, given the human labor it takes to cull and edit and code the letters for our publishing system before posting them to the site.

That has meant leaving a lot of passionate arguments and disagreement and praise buried in our private in boxes. We began to ask ourselves: What if we delivered on the original promise of Salon, and made our readers partners? What if we invite them to post their letters directly – mixing it up with us and with each other without editorial intervention?“

Aber genau diese angesprochene Menge an Widerspruch, Zustimmung, Spam oder simplem Blabla nervt mich unter vielen Weblogeinträgen. Mein Lieblingsbeispiel: Spreeblick. Zu fast jedem Eintrag kommen bergeweise Kommentare, und ich muss gestehen, wenn unter einem Eintrag eine Kommentarzahl von über 30 erscheint, klicke ich sie nicht mal mehr an, weil ich weiß, dass 25 davon Trackbacks sind zu Weblogs, die nur mal sagen wollten, wie toll sie den betreffenden Eintrag bei Johnny fanden, weitere drei Kommentare sagen bereits im Kommentarfeld, wie toll sie den Eintrag fanden, und gerade mal zwei haben irgendwas Relevantes beizutragen.

Und ehe jetzt bei mir die Kommentarfunktion außer Kontrolle gerät: Ja, natürlich war das überspitzt, und natürlich finden gerade bei Spreeblick auch ziemlich gute Diskussionen statt. Aber des Öfteren geraten solche „Diskussionen“ auch mal außer Kontrolle, der Tonfall wird ekliger oder die gleichen zwei, drei Argumente werden in diversen Formulierungen wieder und wieder gepostet.

Daher genieße ich bei meiner täglichen Lesetour, die schon größtenteils aus Weblogs besteht, eben die kleinen Oasen, in denen ein Artikel noch einfach ein Artikel sein darf und nicht fünf Sekunden nach seiner Veröffentlichung in der Luft zerrissen oder zugelobt wird. Ich will bei den meisten Einträgen gar keine anderen Meinungen lesen, weil mir die im Artikel reicht. Und wenn ein Artikel kontrovers ist, dann stehen drei Tage später die Leserbriefe auf der Seite, aber eben nur die, die wirklich was zu sagen haben, über die man vielleicht länger als fünf Sekunden nachgedacht hat, die neue Überlegungen aufwerfen oder die überzeugend und ohne die übliche Weblogpolemik die Gegenseite vertreten.

Auch die BBC-Newsseite gestaltet gerade ihre Have Your Say-Sektion um – mit ähnlichen Argumenten wie Salon:

„Running at around 10,000 emails a day we just do not have enough journalistic eyeballs looking at the inbox. Traditionally every comment which appears in a news debate has been put there by a journalist, carefully checked for grammar and spelling and made to look rather smart with the names and location of sender in bold.

All very good, and for people who prefer to read rather than contribute, a comprehensive collection of interesting thoughts. For those who want to see their name in print, not so good.“

Im letzten Satz verbirgt sich noch ein weiterer Aspekt, der mir manche Blogkommentare verleidet hat: der Wunsch, seinen Namen in einem bekannten Blog zu sehen und einen Link auf sein eigenes Weblog zu hinterlassen. Denn aus mehr bestehen einige Kommentare einfach nicht. Und manchmal muss man sich eben durch 20 von denen durchwühlen, bevor mal wieder ein Beitrag kommt, den man lesen will.

Dieser Eintrag hier ist übrigens kein doofes Kommentatoren-Bashing – ich freue mich über jeden (naja, fast jeden) Eintrag, der hier aufläuft; ich bin immer noch der Meinung, dass Weblogs auch deswegen so erfolgreich sind, weil es eben eine Möglichkeit für jeden Leser gibt, mal kurz „Einspruch!“ zu sagen statt der „Friss und stirb“-Mechanik anderer Medien, und ich selbst nutze die Möglichkeit zum Kommentieren auch recht gerne. Nicht ganz so exzessiv, aber ja, natürlich kommentiere ich auch und garantiert nicht immer wahnsinnig geistreich. Was damit zusammenhängt, dass ich Weblogs als eine Spielart der Kommunikation ansehe, als eine Publikation, die Diskussionen fördert oder sogar verlangt.

Aber Spiegel Online oder die BBC-Newsseite oder Salon sind für mich keine Webseiten, auf denen ich diskutieren will. Ich habe noch nie einen Beitrag auf diesen Seiten gelesen, den ich unbedingt kommentieren wollte (bis auf den oben angesprochenen auf Salon – deswegen auch dieser Blogeintrag). Ich habe noch nie einen Leserbrief an eine Zeitung oder ein Magazin geschrieben, weil ich so wahnsinnig dringend auf irgendwas aufmerksam machen wollte. Aber jetzt, wo ein kleines, jungfräuliches Kommentarfeld lockt, wo ein blinkender „Veröffentlichen“-Button nur darauf wartet, angeklickt zu werden, ist die Hürde verdammt niedrig geworden, über die man sich bequemen muss, um seine Meinung veröffentlicht zu sehen. Und ich befürchte für Salon und die BBC die gleichen Folgen, mit denen sich Weblogs zunehmend auseinandersetzen müssen: nutzlose Wortbeiträge, ohne die man hervorragend leben kann.

Wozu also diese neue Option? Muss man, nur weil man sich im Internet bewegt, alle Möglichkeiten nutzen, die das Internet bietet? Nein, muss man nicht. Ganz im Gegenteil: Ich persönlich hätte nichts gegen eine Abgrenzung gegenüber anderen Publikationen. Weblogs sind eine Spielart, Online-Magazine wie Salon eine andere. Man kann voneinander lernen, aber man muss nicht alles mitmachen, was das jeweils andere Medium zu bieten hat.