La Marche de l’empereur (Die Reise der Pinguine, F 2005, 85 min)
Deutsche Stimmen: Thorsten Michaelis, Andrea Loewig, Adrian Kilian
Musik: Emilie Simon
Kamera: Laurent Chalet, Jérôme Maison
Drehbuch: Jordan Roberts, Michel Fessler, Luc Jaquet
Regie: Luc Jaquet
Deutscher Trailer
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Was ich an Naturdokumentationen so mag, sind die Bilder von Tieren oder Naturschauspielen, die ich so bisher noch nie gesehen habe. Deswegen hat mich zum Beispiel Deep Blue so fasziniert, weil ich dort Kreaturen zu Gesicht bekommen habe, von denen ich nicht mal wusste, dass sie existieren. Die Fakten, die man zu den Tieren wissen musste, wurden relativ sparsam aus dem Off erzählt, und man hatte genug Gelegenheit, die Bilder auf sich wirken zu lassen. So ähnlich hätte ich mir Die Reise der Pinguine gewünscht, denn dann hätte ich dem Film alle Punkte und Sterne und Daumen-nach-oben gegeben, die es gibt, denn was man zu sehen bekommt, ist majestätisch, ergreifend, lustig, rührend, faszinierend und einfach atemberaubend. Das Dumme ist nur: Das Produktionsteam konnte es leider nicht lassen, die Tiere zu vermenschlichen und einen dermaßen üblen Off-Kommentar von Vater, Mutter, Kind über den Film zu legen, dass man sich 85 Minuten lang nur die Ohren zuhalten möchte.
Schon beim ersten Kommentar: „Blablabla Hört unsere Geschichte“ dachte ich, ups, das könnte anstrengend werden. Und das wurde es auch. Die Pinguine wandern jedes Jahr zu Tausenden (grandioses Bild) durch die Antarktis, um sich in einem geschützteren Teil als direkt am Meer zu paaren. Hätte man doch so auch sagen können. Aber nein, stattdessen wandern die Viecher zur (Achtung, O-Ton, bei dem ich wirklich Schmerzen hatte) „Oase der Liebe“, wo sie den „Tanz der Verliebten“ miteinander tanzen. Und wie im Softporno auf Premiere wurden dann die Vögel auch nur von der Gürtellinie an aufwärts gezeigt, als der Tanz sich dem Ende zuneigte. Jedenfalls nehme ich an, dass sie den Samen der Leidenschaft (kein Zitat) verteilt haben: Die Hälse ruckeln rhythmisch, die Pingus schnäbeln sich nen Seewolf, und ein paar Filmminuten später plumpst ein Ei auf die Füße der Mutter.
Das Ei muss dann dem Männchen übergeben werden, der das Ausbrüten übernimmt. Die Eiübergabe gehört zum Spannendsten, was ich seit langem gesehen habe. Anscheinend sind die Eier noch so zart, dass sie es nur wenige Sekunden ohne den warmen Gefiederschutz der Eltern aushalten, so dass die Aktion schnell und koordiniert vor sich gehen muss. Der Film zeigt zuerst ein Pärchen, bei dem die Übergabe schief geht, das Ei bekommt einen Sprung, und der wächst sofort mit Eiskristallen zu. Schon dramatisch genug, aber auch diese berührende Szene kann man natürlich totquatschen. Bei „unseren“ Pinguinen geht aber alles gut, die Übergabe klappt, das Männchen hat das Ei, und das Weibchen kann erstmal essen gehen.
„Unsere“ Pinguine könnten übrigens auch alle anderen sein – ich habe verzweifelt versucht, auf Unterscheidungsmerkmale zu achten, aber für mich sahen sie wirklich alle gleich aus. Allerdings dürfen wir wirklich sehr nah an sie ran, und so habe ich persönlich zum ersten Mal die Federn aus der Nähe gesehen, die für mich immer wie ein Pelz wirkten; erst bei den kleinen, flauschigen Pinguinen sieht es wieder wie Gefieder aus. Die Füße erinnern mich an Dinosaurier, so hornig und schuppig und millionenjahrealt sehen die Krallen aus. Und außer dem oberkellnermäßigen Schwarz und Weiß haben die Pinguine auch noch einen leichten Gelbschleier, der sich am Hals abwärts bewegt, und auch am Schnabel ist ein gelber Streifen zu sehen.
Während das Männchen mit dem Ei nun den Schneestürmen bzw. den „Tränen des Winters“ trotzen muss, wandert das Weibchen ans Meer, um Futter für das Junge zu sammeln. Zum ersten Mal sehen wir hier in Unterwasseraufnahmen, wie elegant die Tiere vorankommen und blitzschnell Haken schlagen, um Fische zu fangen. Aber die Idylle währt nicht lange: Drohend bewegt sich eine Robbe auf die Pinguine zu – bzw. auf die Kamera und damit auf uns. Das Bild, das ein weitaufgerissenes Maul der Robbe zeigt, hätte auch aus Jurassic Park sein können. Einen Pinguin erwischt der Räuber – und der eklige Offtext war: „Das Monster (hallo?) hat gleich zwei Leben zerstört: das der Mutter und das des Kindes (hallo?), das nun nicht mehr gefüttert wird.“ Bliäch. Schnell wieder auf die brillanten Bilder konzentrieren: Unendliche Eisflächen, über die fauchend der Wind weht, stehen direkt neben Bildern von zarten Eisblumen und leise tropfenden Eiszapfen. Eine Polarnacht mit so vielen Sternen, wie ich sie noch nie gesehen hatte, beschienen vom Vollmond. Zerklüftete, rissige Eislandschaften und gleich danach vom Wasser rundgespülte, blauschwarze Formen – all das ergab ein fast unrealistisches Bild, so wunderschön sah es aus. Und dazwischen eben die Pinguine, die dem standhalten und weiter stoisch wandern, sich finden, sich vermehren, brüten, füttern und wieder zurückwandern.
Zurück zur Geschichte: Das Weibchen ist inzwischen wieder in der Oase (ich komme da seit zwei Tagen nicht drüber weg) und löst Männe ab, der den inzwischen geschlüpften Pinguinnachwuchs immer noch in seiner Bauchfalte wärmt. Kleine Pinguine kommen in meiner persönlichen Niedlichkeitsskala noch vor Koalabären und Kätzchen; insofern konnte nicht mal die naseweise Kinderstimme mein selig-debiles Mutterkreuzgrinsen ruinieren, das ich im letzten Teil des Films im Gesicht hatte. Trotzdem überlagerten die Stimmen eben immer die Bilder, was nach einiger Zeit wirklich richtig genervt hat. Vielleicht ist der Film im französischen Original nicht ganz so eklig, aber ich kann es mir kaum vorstellen, denn die Grundidee, den Tieren ein menschliches Bewusstsein zu geben, bleibt gleich doof. Natürlich wirken nun einige Szenen umso stärker, wenn man sich vorstellt, dass die Tiere eben nicht aus Instinkt handeln, sondern sich wirklich bewusst für den Marsch und einen Partner entscheiden. So zum Beispiel die Szene, die einem Bild der Massenwanderung folgt, wo wir einen einsamen, rufenden Pinguin sehen, der sein Volk verloren hat und deswegen keine Chance auf Überleben hat. Oder das Bild, in dem mehrere Eier auf dem eisigen Boden liegen, teilweise gesprungen, von denen wir wissen, dass die Jungen in ihnen auch Geschichte sind. Natürlich wirken die Pinguine nun so, als ob sie trauern, aber genau diese blöde Manipulation werfe ich dem Film vor. Die Bilder und die Geschichte sind eindrucksvoll genug – warum muss man daraus eine peinliche Märchenstunde fürs Familienministerium machen? Mein Tipp: Film angucken und dabei iPod mit textloser Blubbermusik auf die Ohren setzen. Müsste mehr Spaß machen als sich das Heiteitei-Geschwurbele aus dem Off anzuhören.