#12von12 im Mai 2017

Die anderen 12von12er gibt’s wie immer bei Caro.

Vor dem Wecker aufgewacht. Eigentlich stehe ich, wenn ich walken gehen will, um 6 auf. Ich freute mich aber darüber, dass es früher war, denn dann komme ich auch früher wieder nach Hause und kann nochmal an F. rumpuscheln, bevor der los muss. Außerdem freute ich mich über die Chance auf Niederschlag, denn in der Regenjacke gehe ich gerne durch die Gegend, weil ich das Geräusch von Regen auf der Kapuze so mag. Hat dann aber nur so ein bisschen memmig rumgenieselt.

Da ich morgens noch recht bräsig bin, lege ich alles zum Walken am Vorabend raus. Die Klamotten liegen in Anziehreihenfolge im Bad, die Schuhe stehen mit Fußspitzen in Richtung Wohnungstür im Flur. Ich ahne, dass das übertrieben ist, aber es sieht so motiviert aus. (Diss-Thema: „Inszenierung von Sportartikeln in der Werbefotografie: Winckelmann, Riefenstahl, Koons, Goldin?“) In der Küche liegen die entwirrten Kopfhörer, weil ich gerne leise Musik höre, während ich vor mich hinmarschiere. Dazu gibt’s ein Glas Wasser, damit ich nicht ganz nüchtern rausgehe, und einen Hub Asthmaspray, damit sich auch die Lunge auf die Runde freuen kann.

Das ging leider etwas zäher als sonst, ich fühlte mich sehr langsam (war ich auch) und hatte erstmals ein bisschen Knieprobleme. Nicht gelaufen, nur gegangen bzw. geschlichen. Dafür acht Eichhörnchen gesehen. Hey, A-Hörnchen, ich weiß, wo deine Nüsse liegen!

Mein Sofafrühstück bestand wie üblich aus Cappuccino und Saft, dazu gab’s Cornflakes und Weintrauben. Hunger!

Neues Buch angefangen. Nach A Little Life fühlte ich mich abgehärtet genug, um endlich den Strunk zu lesen. Ich ahne aber nach 100 Seiten, dass das eine andere Art Herausforderung wird als Life.

Hande von Vinoroma empfahl neulich die Pasta von Mancini, und weil ich ja auf alles höre, was Katha und Hande sagen, habe ich mir mal ein Kilo geordert. Ich kann Handes Urteil vollumfänglich bestätigen: richtig gutes Zeug! Die Spaghetti fassen sich viel rauer an als meine üblichen De Ceccos und scheinen mir auch dicker zu sein.

Ein Überbleibsel aus meiner Abnehmzeit ist, dass ich mir Nudeln abwiege, weil ich inzwischen weiß, von wie viel (oder wenig) ich satt werde. Ich kann es blöderweise aber immer noch nicht abschätzen, wieviel ich in der Hand habe, wenn ich einfach ein Bündel Spaghetti nehme, also wiege ich sie weiterhin ab. Meistens komme ich der Zielzahl recht nahe, gestern lag ich mit den ungewohnt dicken Mancinis aber weit daneben. Aber deswegen wiegen wir ja ab. Auf die richtige Menge reduziert und ab ins Wasser damit. Sobald die Nudeln dort sind, besteht das Wasser quasi nur noch aus Stärke, und die herrliche Tomatensauce (Marcella Hazan, kennt ihr ja), die ich mir dazu kochte, klebte ganz wunderbar an den Spaghetti. Gerne wieder.

Nebenbei: schönes Packungsdesign. (Diss-Thema: „Inszenierung von Grundnahrungsmitteln in der Werbefotografie der 1950er bis 2000er Jahre: Von der Pflicht zum Genuss.“)

Falls ihr das nicht eben schon gegoogelt habt: Für eine satte Portion 400 g gute Dosentomaten mit einer Zwiebel, halbiert, und einem ordentlichen Esslöffel Butter circa 45 Minuten köcheln lassen. Ab und zu die Tomaten am Topfrand zerdrücken, danach durch ein Sieb passieren, mit Salz und Zucker abschmecken. Pures Tomatenglück. Bei mir gab’s noch unfotogenen Parmesan drüber.

Ich muss immer darüber grinsen, dass man für eine Sauce, die nur aus drei Zutaten besteht, auch drei Gerätschaften dreckig machen muss: Topf, Sieb und irgendein Gefäß, um die passierte Sauce aufzufangen. (Diss-Thema: „Porzellanherstellung in München. Vom Luxusgut zur Massenware.“)

Nachtisch. In der überaus hässlichen Verpackung steckt ein kleinformatiges Magnum mit Himbeerschlotz und einer zweiten Schokoschicht.

Dann saß ich brav am Schreibtisch. Die Bücher über Vergangenheitsbewältigung liegen zuhause und nicht in irgendwelchen Bibliotheken, was mir gestern ganz gut passte. Ich war, total überraschend, ein winziges bisschen müde und daher froh, am eigenen Schreibtisch wegzunicken anstatt in der Stabi. (Diss-Thema: einfach mit diesem Kram weitermachen, weil dieser Kram echt spannend ist.)

Abends per Chauffeur zu F.

Dort noch ein sehr schmackhaftes Abendbierchen genossen: Das Franz Josef ist überraschend fruchtig, ohne süß zu sein. Gefällt sehr.

(Beim Einschlafen über Masterarbeit und Dissertation nachgedacht. What else is new?)

Was schön war, Donnerstag, 11. Mai 2017 – Angetippt

Wir erwachten gemeinsam, dösten viel zu lange rum, F. ging irgendwann, ich duschte gemütlich, frühstückte gemütlich, bloggte gemütlich und wollte mich endlich um kurz vor 10 ausgehfein machen, um ins ZI zu fahren, als ich, einer spontanen Eingebung folgend, meinen Kalender anklickte, um zu überprüfen, ob heute wirklich nichts war und ich den ganzen Tag im ZI sitzen könnte. Das war sehr clever, denn so sah ich, dass das zweite unserer drei Kolloquien heute war und nicht morgen, wie ich kleiner Schafkopf es mir falsch gemerkt hatte. Und auch nicht um 12, sondern um, genau, war ja klar, 10. Ich schaffte es, in dreizehn Minuten mir irgendwelche Klamotten überzuwerfen, meinen Rucksack fürs ZI zu packen, mein Fahrrad aus dem Keller zu zerren, zum Institut für Kunstgeschichte zu radeln, dort alles bis auf mein Notizbuch in ein Schließfach zu werfen und die drei Treppen zum Besprechungsraum in der Bibliothek hochzuhetzen.

Nur fünf Minuten zu spät bekam ich so noch fast das ganze Referat einer Kommilitonin mit, von der ich sogleich ein neues Wort lernte: Calligraffiti, also Graffiti in Schriftform. Tolles Thema. Eine weitere Dame befasst sich in ihrer Bachelorarbeit mit Swoon und geht eventuell noch auf weitere Frauen, die Street Art herstellen, ein, die ich auch alle nicht kannte. Sie nannte auf ihrem Handout zum Beispiel Hera, Miss Van, ELLE und Lady Aiko. Auch die beiden anderen Künstler, die jetzt eine BA-Arbeit kriegen, kannte ich nicht: Wilhelm Laage und Joel-Peter Witkin. Das waren zwei sehr spannende Stunden, in denen ich auch vom MUCA erfahren habe, das mir peinlicherweise kein Begriff war. Gleich mal vorbeigehen.

Danach radelte ich ins ZI und starrte meinen Rechner an. Seit ungefähr einer Woche würfele ich im Kopf erste Sätze durch die Gegend, die aber alle doof klingen. Vorgestern in der Stabi schrieb ich endlich mal einen auf und dann noch einen zweiten und fünf weitere, war mir aber beim Schreiben schon bewusst, dass das noch nicht der Anfang ist, den ich haben will. Abends sprach ich endlich mal mit F. über mein Kopfgewusel und dass ich mal wieder so viel Zeug habe, dass ich nicht weiß, mit welchem winzigen Detail ich anfangen soll. Der Mann stellte schlaue Fragen, ich hatte irgendwann die Glühbirne über dem Kopf und gestern saß ich dann im ZI, löschte den Anfang vom Mittwoch und schrieb einen neuen. Und dann schrieb ich einfach weiter, las noch ein paar uralte Kataloge von Kiefer, die ich noch nicht kannte, und machte um 16 Uhr Feierabend. Vor mir lagen vier schöne Seiten, die mich ganz hervorragend in die Untiefen meiner Masterarbeit schubsen. Puh. Endlich angetippt. Den Rest rocke ich jetzt runter.

Was schön war, Mittwoch, 10. Mai 2017 – „Lohengrin“-Vorspiel

F. und ich sahen uns Insgeheim Lohengrin im Residenztheater an bzw. in einer seiner Außenstellen, dem Cuvilliés-Theater. Das alleine ist ja schon schön, denn wenn’s langweilig ist, kann man sich immerhin viel barocke Pracht angucken. (Was ich öfter gemacht habe.) Das Stück folgt der Idee des Neobanalismus – den Begriff habe ich auf der Website gelernt und werde ihn jetzt dauernd benutzen, FÜR ALLES.

Was mir gefallen hat: dass ich wenigstens den Anfang des Lohengrin-Vorspiels hören durfte und zwar nicht aus den schraddeligen MacBook-Lautsprechern, sondern in einem anständigen Theater, denn es gehört zu meinen Lieblingen und ist wunderschön und nicht mal die Tatsache, dass danach noch drei Stunden NEOBANALES Geplapper folgte, konnte mir die fünf Minuten madig machen. Die ersten zwanzig Minuten war ich dem Stück sogar sehr zugetan. Fünf Wagner-Fans treffen sich in einer Airbnb-Wohnung, um Wagner zu hören und darüber zu sprechen. Sie lesen sich Wagners manchmal seltsame Regieanweisungen aus ihren Reclams vor und diskutieren, sie erzählen sich, welche Farbe für sie welche Oper hat und protzen mit angelesenem Wagner-Wissen (genau mein Ding). Dann allerdings beginnen die persönlichen Erzählungen, die nun nichts mehr mit Wagner zu tun haben, und ab da hatte mich das Stück verloren. Vermutlich weil ich gerade wieder durch Anselm Kiefer und Friedrich Nietzsche in der Masterarbeit an Wagner rumgrabe, stellte mein Hirn trotzdem alle möglichen Verbindungen her, die vermutlich gar nicht vorgesehen waren. Die Story über das frierende Kind nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs? Eindeutig ein Hinweis auf den Missbrauch Wagners im „Dritten Reich“. Die Geschichte über die betrunkene Frau, die ihrem älteren Freund nicht gestehen will, dass sie Jungfrau ist und sich daher volltrunken irgendwen in der Kneipe schnappt, um den Job zu erledigen? Eindeutig ein Hinweis auf die eigensinnigen Frauenfiguren, die sich für Dinge opfern, die es nicht wert sind wie Senta im Holländer. Oder auch auf dusselige Damen wie Elsa im Lohengrin, die ihre Klappe nicht halten kann und ihren Ritter unbedingt nach seinem Namen fragen muss anstatt sich dem anonymen Kerl hinzugeben. Close your eyes and think of Brabant.

Das Stück schafft es, in seinen drei Akten die zunehmende Intimität zwischen den Figuren zu verdeutlichen, was aber überhaupt keinen Sinn ergibt, denn angeblich haben sie sich schon oft genug getroffen, um alle Opern Wagners durchzuhören (okay, so viele sind das ja nicht), und Lohengrin ist jetzt die letzte. Danach legen alle ihre Schlüssel auf den Tisch und gehen. Ernsthaft: Wer den Ring miteinander durchgestanden hat, der ist sich vermutlich schon näher gekommen. Außerdem hat schon die Prämisse des Stücks genervt: Man muss sich im heutigen München nicht konspirativ treffen, um Wagner zu hören. (Gerade nicht in München.) Wagner gehört mit Mozart zu den meistgespielten Komponisten weltweit, außer in Israel, aus Gründen. Alleine deswegen waren wir in der Pause sehr mit Augenrollen beschäftigt. Aber was dann auch schön war: Ich konnte diesen einzigartigen F.-Blick genießen, den der Mann über Jahre perfektioniert hat, den „Ich verachte schlechtes Theater“-Blick. Ganz großartig. So eine Mischung aus Fassungslosigkeit und Genervtheit. Die brauche ich auch noch. Ich gucke immer bloß schlecht gelaunt. (Pausensekt half.)

PS: Die Nachtkritik fand’s auch eher banal, während der wütende FAZ-Kritiker anscheinend ein Bruder im Geiste von F. ist. (Nach unten scrollen.)

Was schön war, Dienstag, 9. Mai 2017 – „A Little Life“

Ich musste die Uni gestern schwänzen und ich konnte auch nicht ins ZI fahren, denn ich wollte A Little Life zuende lesen, das mich seit Tagen in seinem Bann hatte. Es ist kein leicht zu lesender Roman, denn eine der vier Hauptfiguren leidet unermüdlich und einsam vor sich hin, und als Leserin leidet man mit und weiß nie so recht, ob man ihn jetzt durchschütteln oder in den Arm nehmen will, was beides keine guten Ideen wären bei seinem Hintergrund. Das ganze Ausmaß seines Schmerzes enthüllt sich erst im Laufe der gut 800 Seiten, und obwohl man recht schnell ahnt, wo es hingeht, nimmt einen doch jede Seite mit. Die letzten 100 Seiten habe ich quasi durchgeheult, weil ich nur noch wollte, dass es vorbei ist.

Und dann eben doch nicht. Die Sprache ist unwiderstehlich, auch wenn ich manchmal gerne einen Adjektivschlenker weniger gehabt hätte; da ist eine Aussage auf die Zwölf und dann muss unbedingt noch eine Dreizehn oder eine Vierzehn draus gemacht werden. Die Figuren sind manchmal etwas platt, dann aber doch vielschichtig skizziert, so dass man ihnen gerne folgt. Das Motiv des Aushaltens wird im Laufe des Romans immer schwerer, haha, auszuhalten, aber auch das habe ich dem Buch verziehen, weil es trotz aller Schwere mühelos drei Jahrzehnte beschreibt, die sich nicht sprunghaft, sondern organisch entwickelt anfühlen.

Ich kann jede Perlentaucher-Kritik nachvollziehen und lege euch das Ding einfach mal ans Herz. Nun muss ich allerdings sehr überlegen, was ich als nächstes lese. Vielleicht traue ich mich endlich an Strunks Der goldene Handschuh ran, um das ich seit einem Jahr ängstlich schleiche. Abgehärtet bin ich jetzt.

Nachtrag: mein Interview von Tanja Praske

Ich erwähnte es letzte Woche bereits, dass ich da drüben ein paar Fragen beantwortet habe. Weil ich so lange über die Antworten nachgedacht habe, kommen sie jetzt auch ins eigene Blog. Nochmal Danke für die Fragen an Tanja.

1. Stelle dich doch bitte kurz mal vor: Wer bist du? Was ist dein beruflicher Hintergrund? Und was machst du aktuell?

Ich wurde 1969 in Hannover geboren und habe nach dem Abitur verschiedenes gemacht. Erstmal ein Studium abgebrochen (Anglistik und Geschichte), dann im Kino gearbeitet (als Kartenabreißerin angefangen, als stellvertretende Leiterin aufgehört) und in einer Kneipe als Servicekraft und Zapferin; ich kann also super Filmrollen und Bierfässer wechseln.

Was ich noch gemacht habe: schreiben. Schon immer. In der Schule bei der Schülerzeitung, dann bei uns auf dem Dorf für die Lokalzeitung und schließlich kurz für die Hannoversche Allgemeine Zeitung. Dann fing mein bester Freund an, als Werbetexter zu arbeiten und erzählte mir, was er den ganzen Tag so macht. Ich meinte: Das kann ich auch. Er meinte: Dann mach doch. Und vier Wochen später hatte ich einen Praktikumsplatz in Hamburg. Daraus sind dann knapp 15 Jahre in der Werbung geworden, die letzten fünf davon als selbständige Texterin.

Das ist aber alles gefühlt ein anderes Leben. Seit fünf Jahren studiere ich in München Kunstgeschichte; den Bachelor habe ich im Sommer 2015 gemacht, derzeit schreibe ich an meiner Masterarbeit.

2. Du hast als freie Werbetexterin und Autorin fest im Sattel gesessen. Deine Auftraggeber waren große Firmen. Auch für die Zeit hast du geschrieben. Warum hast du damit „gebrochen“ und dich dem Studium der Kunstgeschichte hingegeben? Wie hat dein Umfeld darauf reagiert?

Als „Autorin“ habe ich mich höchstens mal fünf Minuten lang bezeichnet, nachdem ich mein Buch übers Dicksein veröffentlich hatte. Auch fürs Zeit-Magazin habe ich nur kurz arbeitet; Kochrezepte schreibe ich doch lieber flapsig ins Blog anstatt in einem Stil, der mir nicht liegt, auf Hochglanz. Ich kam mir dabei sehr schnell albern vor.

Werbung war eine feine Sache, aber nach 15 Jahren merkte ich, dass ich mich immer öfter wiederhole. Ich habe mich auf Autokataloge oder generell Katalogliteratur, also lange Texte statt knackiger Anzeigen, spezialisiert. Und auch wenn Autobauer sagen, dass jedes neue Auto das Nonplusultra ist, ist es eben doch immer wieder nur: ein Auto. Das heißt, ich schreibe über das Design, den Innenraum, den Motor, technischen Kram, fertig. Klar macht man für jede Karre eine andere Kampagne, spricht andere Käufer*innen an, denkt sich neue Textmechaniken aus, aber ich hatte trotzdem irgendwann das Gefühl, meinen Job nur noch auf Autopilot zu machen und immer genervter von meiner Langeweile zu werden. Ich wollte wieder etwas lernen, mich herausfordern, mich wieder anstrengen, über neue Dinge nachdenken.

Durch die Selbständigkeit hatte ich ein bisschen … okay, eine Menge Geld zur Seite legen können, und ich überlegte, ob ich einfach mal ein halbes Jahr lang aussetzen sollte, vielleicht reisen, mehr lesen, öfter in Museen gehen. Daraus entstand die Idee, nochmal zu studieren, also quasi ein dreijähriges Sabbatical zu machen und dann frisch und mit vielen neuen Einsichten wieder in die Werbung zurückzukehren. Ich habe nicht wirklich damit gerechnet, irgendwo angenommen zu werden, aber ich hatte drei Zusagen von vier Unis und habe mich schließlich für München entschieden. (Meine Immatrikulation in München habe ich verbloggt; dieser Eintrag ist einer der Greatest Hits im Blog.) Blöderweise habe ich bereits im zweiten Semester gemerkt, dass mir Studieren weitaus mehr Freude macht als Werben, weswegen ich nach dem Bachelor noch den Master drangehängt habe.

Mein Umfeld war geteilter Meinung: Alle Freund*innen und Kolleg*innen fanden es super, und von jeder zweiten kam ein Satz à la „Ach, ich wünschte, ich könnte das auch.“ Mein damaliger Lebensgefährte fand es eher doof, weil wir plötzlich eine Wochenendbeziehung hatten – unter anderem deswegen heißt der gute Mann jetzt leider auch „damaliger“ Lebensgefährte. Womit ich gar nicht gerechnet hatte: Mein Vater hat das erste und bis jetzt einzige Mal seine Papa-gibt-Töchterlein-wichtige-Lebensratschläge-Stimme aufgesetzt und mich versucht, davon abzubringen. Seine Argumente, die ich natürlich auch alle nachvollziehen konnte, waren das gute Geld, der sichere Job (Texter*innen werden so ziemlich überall gesucht, nur so als Tipp) und die alte Weisheit, dass Arbeit halt nicht immer Spaß macht. Mein einziges Argument dagegen, und ich halte es immer noch für wichtiger als alle anderen: Ich habe nur dieses eine Leben. Und jetzt gerade verfüge ich über das Geld und die Zeit, etwas zu machen, was ich machen möchte. Also mache ich das auch.

3. Wie finanzierst du dich und das Studium? Arbeitest du noch als Texterin? Was sind deine kurzfristigen Ziele?

Ich gönne mir seit fünf Jahren den Luxus, fast ausschließlich von meinen Ersparnissen zu leben, die jetzt aber auch so gut wie aufgezehrt sind. Anfangs habe ich noch nebenbei getextet, das aber schnell gelassen. Der naive Plan, der sich schon im ersten Semester erledigt hatte, war: 20 Stunden die Woche für die Uni, 20 Stunden texten. Ich merkte aber schnell, dass ich auf Autotexten sowas von überhaupt keine Lust habe, wenn mein Kopf gerade über Kathedralen nachdenkt. Und da ich nicht wirklich arbeiten musste, habe ich irgendwann alle Jobs abgesagt und nur noch studiert. Das war ein großes Geschenk, das man vermutlich erst zu schätzen weiß, wenn man 15 Jahre lang sinnlose Meetings überlebt hat. Ich habe mich jedenfalls oft gefragt, wieso ich mit 20 Studieren so langweilig fand, während ich heute nichts lieber tun würde als noch zu promovieren und weiter über Kunst nachzudenken.

Ich erwähnte meine Spezialisierung auf Autokataloge. Das sind langfristige Projekte, die (zumindest damals vor fünf Jahren, als ich den letzten geschrieben habe) zwischen sechs und zwölf Monate dauerten. Deswegen wurde ich als Texterin auch nicht mal eben für drei Tage, sondern eher für drei Wochen oder sogar Monate gebucht. Das war zum Geldverdienen sehr schön, aber als Job neben dem Studium ging es leider nicht. Oder ich hätte meine Ansprüche an mich selbst herunterschrauben müssen, denn damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet – wie gerne ich in der Bibliothek sitze und stundenlang vor mich hinlese. Und wie gerne ich eben nicht nach den ersten Erkenntnissen sage, so, fertig, das schreiben wir runter und dann gehen wir in den Biergarten, sondern stattdessen sage, ja, das klingt gut, aber lass mal gucken, ob wir noch eine Gegenstimme finden. Und natürlich finde ich eine und kann weiter stundenlang lesen. Ich kann aber nicht entspannt lesen, wenn ein Katalog geschrieben werden muss, und ich kann keinen guten Katalog schreiben, wenn ich lieber in der Bibliothek wäre. Also habe ich mich für eins von beiden entschieden.

Eines meiner kurzfristigen Ziele wäre, beides wieder zu verbinden, aber schlauer als in den Anfangssemestern, wo ich schlicht genug damit zu tun hatte zu verstehen, was Studieren und wissenschaftliches Arbeiten überhaupt bedeuten. Wie gesagt, ich würde gerne noch promovieren, muss aber dringend mal wieder das Konto auffüllen. Bis ich ein eventuelles Stipendium bekomme, würde ich wieder werben wollen, aber vielleicht nur drei oder vier Tage die Woche – die anderen wäre ich komplett unerreichbar, weil ich in meiner Lieblingsbibliothek des Zentralinstituts für Kunstgeschichte sitze und selig ein Buch nach dem anderen verschlinge.

4. Du hast 2015 zwei spannende Semesterarbeiten verfasst über a) Heimatbezug in Blogs und auf Instagram, und b) Open Access, wissenschaftliches Bloggen und Software als Chance für Kunsthistoriker. Wie schätzt du die Entwicklung der Digitalen Kunstgeschichte ein? Diese ist sehr vielfältig mit neuen Forschungsrichtungen, die nicht nur etablierte Kunsthistoriker verunsichern. Muss es das? Wo liegen für dich die Chancen und Risiken des Digitalen für die Forschung?

Die Chancen habe ich ganz gut in der Hausarbeit zu Open Access zusammengefasst, daher hier nur einige Aspekte, die mich persönlich betreffen. Durch wissenschaftliches Bloggen zum Beispiel zwingt man sich, öfter über sein Thema nachzudenken und macht es sichtbar. Durch das Blog sind Menschen auf mich aufmerksam geworden, mit denen ich gar nicht gerechnet hätte: Ich habe über meine Hausarbeit zu Anselm Kiefer geschrieben, über den ich jetzt auch meine Masterarbeit schreibe, und wurde von der Albertina eingeladen, ihre Kiefer-Ausstellung als Pressevertreterin anzuschauen – also schön ohne Publikum, das vor den Bildern rumsteht. Alleine für diese (bezahlte) Reise hätte sich das Bloggen schon gelohnt, aber auch das Art Centre Basel ist auf mich aufmerksam geworden und hat mich um einen längeren Katalogbeitrag gebeten; der Katalog erscheint im Mai.

Ich habe also durch mein Blog meinen ersten ernstzunehmenden kunsthistorischen Auftrag bekommen. In der ersten Mail des Art Centres stand ein schöner Satz, über den ich mich immer noch freue: „Ich mag Ihren klaren Schreibstil, gerade auch bei den akademischen Texten für die Uni.“ Den habe ich mir eher durch Werbung und Bloggen erarbeitet als durch die Uni, kann ihn aber anscheinend auch wissenschaftlich umsetzen.

Publizieren ist natürlich nicht alles. Auch in der Forschung sehe ich eher Chancen als Risiken durch das Digitale, denn es ermöglicht uns, Fragen zu stellen, die wir ohne die neuen Hilfsmittel nicht gehabt hätten oder nicht beantworten könnten. Hier sehe ich aber auch meine ganz persönliche Grenze. In meiner Bachelorarbeit habe ich mich mit digitalen Architekturmodellen im Vergleich zu klassischen Architekturdarstellungen auseinandergesetzt. In der Architektur macht das Digitale immer noch am meisten für mich Sinn – in den anderen Bereichen der Kunstgeschichte hadere ich inzwischen ein bisschen damit. Wenn ich mir die Angebote zu digitaler Kunstgeschichte an meiner Uni anschaue, nehme ich sie entweder als Marketing für Museen wahr (z.B. App-Entwicklung), als neue, bildliche Dokumentationsform (gescannte Deckengemälde statt fotografierte) oder als sehr nah an der Informatik. Ich finde es spannend, als Kunsthistorikerin mehr übers Coden erfahren zu können, aber ich frage mich, warum man dafür Kunstgeschichte studieren soll. Für derartige Problemstellungen gibt es ja Informatikerinnen, die ich fragen kann.

Ich stehe Studiengängen wie Digital Art History oder Digital Humanities ein wenig kritisch gegenüber, weil ich einen Studiengang Analoge Kunstgeschichte auch nicht belegen wollen würde, beides zusammen aber für sehr sinnvoll halte. Für mich sind die neuen digitalen Möglichkeiten erst einmal Arbeitsmittel, genau wie Kugelschreiber und Notizblock, und keine Forschungsrichtung, in die ich gehen will – auch weil ich die Beschäftigung mit dem digitalen Bild eher bei den Bildwissenschaften oder den Visual Studies sehe als in der guten, alten Kunstgeschichte. Wobei ja seit Jahren diskutiert wird, diese Fächer alle unter einen Hut zu bekommen. Ich persönlich bleibe bei der Geschichte, freue mich aber, dass mein Fach auf einmal irre modern ist.

5. Was ist dein Themenschwerpunkt in der Kunstgeschichte? Was fasziniert dich daran? Was glaubst du, damit beruflich anfangen zu können bzw. was sind deine Ziele?

Meine Masterarbeit beschäftigt sich mit dem Frühwerk von Markus Lüpertz und Anselm Kiefer, ich bewege mich also Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre. Ich vergleiche den Umgang der beiden Künstler mit der nicht-bewältigten NS-Vergangenheit der jungen Bundesrepublik. In den Semestern davor habe ich viel zur Kunst des Nationalsozialismus gearbeitet. Mich interessiert dabei weniger die Kunst, die in dieser Zeit entstand, sondern, unser Dozent drückte es so schön aus, das „Betriebssystem Kunst“. Also wie funktioniert Kunst in einer Diktatur im Gegensatz zu einer Demokratie? Welche Rolle spielten neben den Künstler*innen Auktionshäuser, Museen, Kunstvereine, der Staat, die Kunstgeschichte oder die Kunstkritik?

Mein Nebenfach im Studium war Geschichte, und je länger ich studiere, desto mehr merke ich – das klang in der letzten Frage schon an –, dass mich das „-geschichte“ einen Hauch mehr interessiert als das „Kunst-“.

Ob ich jemals etwas damit anfangen kann, weiß ich nicht. Für eine klassische Kunsthistorikerinnenkarriere bin ich schlicht zu alt, und ehrlich gesagt will ich auch nicht mehr für einen Volontärshungerlohn arbeiten; die Summen, die ich in Stellenausschreibungen sehe, grenzen für mich an Unverschämtheit für jemanden, der eine fünfjährige Ausbildung hinter sich hat. Ich hoffe darauf, dass eine kulturelle Institution oder Agentur mit einer nicht-klassischen Kunsthistorikerin zusammenarbeiten möchte, die zwar keine 25 mehr ist, aber dafür einen Riesenberg an Enthusiasmus und Lebenserfahrung aus diversen Bereichen mitbringt. (Ich kann auf der Weihnachtsfeier die Bierfässer wechseln!) Ich habe durchaus Ideen, wie man Museumsmarketing, Social-Media-Aktivitäten, Besucherbespaßung und wissenschaftliche Forschung in einem Haus gestalten könnte, die meine Kenntnisse aus dem Studium mit denen aus der Werbung verbinden.

Ich ahne aber, dass ich mir diesen Job selbst backen muss und dass einige Museen eventuell kein Geld für ihn haben werden. Mal sehen. Ich mache jetzt meine Masterarbeit fertig, überdenke mein Promotionsthema, bewerbe mich um Stipendien und dann gucke ich, wie’s weitergeht.

6. Du bloggst seit 2002 auf www.ankegroener.de. Ein Weblog im ursprünglichen Sinne, das heißt es ist ein Webtagebuch. Du schreibst das, was dich an dem Tag beschäftigt hat, ins Web. Deine Themen sind sehr vielfältig und aktuell konzentriert auf: Kunstgeschichte, Zeitgeschehen, FC Bayern, Food und Filmkritiken. Ich kann das gar nicht alles auflisten. Hat sich das Bloggen, die Art und Weise, das Reden darüber seit deiner Podiumsdiskussion auf der re:publica 2011 nennenswert verändert?

Ich habe 2002 mit Filmkritiken angefangen, inzwischen gehe ich kaum noch ins Kino, daher ist das kein Thema mehr für mich. Auch über Fußball schreibe ich meist nur, wenn ich die Qualität von Stadionwürstchen vergleiche (der FC Augsburg gewinnt knapp vor Altona 93). Aber im Prinzip hast du recht: Ich schreibe darüber, was mich beschäftigt. Das war in den letzten Jahren hauptsächlich der große Umbruch in meinem Leben: ein neuer Job, wenn man das Studium so bezeichnen möchte, eine neue Stadt, eine andere Wohnung, ein neuer Mann an meiner Seite und eine deutlich unsichere Zukunft als vorher – und davon war nur das Studium geplant, der Rest ist eben passiert.

Um mir selbst über einiges klar zu werden und vor allem, um nicht zu vergessen, was sich gerade alles ändert und wie es mich beeinflusst, habe ich angefangen, wieder ganz klassisch Tagebuch zu schreiben, wie 2002. Jeden Tag. Inzwischen nenne ich die Einträge „Was schön war“, um mich bei allem Durcheinander vor allem daran zu erinnern, was die Tage gut gemacht hat. Und das war manchmal eben mein Mittagessen oder ein Bayernsieg.

Ob sich das Bloggen verändert hat, ist schwierig zu sagen, weil ich nicht mehr viele Blogs lese und auch die Diskussionen um dieses Medium nicht mehr aktiv verfolge (Oma Gröner hat schon alles gesehen). Früher hatte ich mindestens 50 Blogs, die ich jeden Tag angeklickt habe, heute sind es fünf, die Pflicht und Vergnügen sind. Ich lese außer diesen wenigen nur noch ausgewählte Artikel, auf die mich Twitter oder Facebook aufmerksam machen.

Generell sind mir Blog-Moden immer egaler geworden; die Diskussionen, ob man mit Blogs Geld verdienen darf oder muss, ob man Werbung schalten darf oder muss, ob man Kommentare haben darf oder muss – ist mir alles egal. Ich schreibe für mich, und anscheinend wollen es Menschen lesen, was mich freut. Siehe nächste Frage.

7. Warum gibt es bei dir keine Kommentarfunktion? Wie kommen deine Leser mit deinem „Themen-Bauchladen“ klar? Berührt dich das überhaupt, ob sie damit klarkommen? Was bedeutet dir das Bloggen?

Meine Leser*innen kommen mit meinem Bauchladen ganz hervorragend klar. Die Zugriffszahlen sind seit Jahren halbwegs konstant, ganz egal, worüber ich schreibe. Mit den Filmkritiken ging’s los, dann kam irgendwann Pärchenkram dazu, dann habe ich angefangen, Golf zu spielen, worüber ich seitenlang bloggen musste (ich habe nie wieder so viele Mails zu einem Thema bekommen und der Tenor der meisten war: Das interessiert mich überhaupt nicht, aber ich lese es trotzdem!), dann fing ich an, anständig zu kochen und mich für Wein zu interessieren, dann kamen Fat Acceptance und Feminismus und schließlich Kunstgeschichte. Und selbst das lesen die Leute, was mich natürlich freut. Eine meiner Lieblingsmails zu diesem Thema lautete – ich zitiere ausschnittsweise:

„Es macht mir großen Spaß, regelmäßig die Einträge zu lesen und dabei fast jedesmal etwas spannendes zu lernen […] [Ich] hatte mich bisher nicht für Kunstgeschichte und Kunst im spezielleren (also mehr als im Urlaub mal durch ein Museum schlurfen, um die Bilder anhand ihrer Farbigkeit zu loben und noch aus dem Schul-Kunstunterricht erhalten gebliebenes gefährliches Halbwissen -> „van Gogh, das war doch der mit dem Ohr?!?“ o_O…) interessiert. Seit die Freundin und ich das Blog lesen, behaupten wir bei jedem porösen Gesteinsanteil älterer Bauwerke vehement, dass das Nagelfluh ist (soll erstmal einer das Gegenteil beweisen, haha […], wollen auch dringend mal in dieses ZI [Zentralinstitut für Kunstgeschichte] und dort alles bewundern und ich hab zumindest die eine Wissenslücke geschlossen, dass Guernica nicht (nur) ein Lied der Manic Street Preachers ist.“

Es freut mich sehr, dass meine Begeisterung für mein Fach auch auf Menschen überspringt, die damit eigentlich nichts am Hut haben. Ein größeres Kompliment kann man meinen Texten nicht machen. Trotzdem brauche ich nicht unter jedem Eintrag Beifall (oder auch Schulterzucken oder Kritik), gerade wenn ich über sehr persönliche Dinge schreibe. Menschen, die mir daraufhin etwas mitteilen möchten, schreiben mir Mails oder sprechen mich auf Twitter an, und das sind meistens sehr sinnvolle oder hilfreiche Anmerkungen. Hassmails bekomme ich extrem wenige und wenn, dann garantiert bei Themen wie Feminismus oder Fat Acceptance; das scheinen immer noch ganz fürchterliche Aufreger zu sein, obwohl beide unser Zusammenleben um so vieles einfacher machen würden.

Ich habe seit 2005 keine Kommentare mehr im Blog und es hat weder die Zugriffszahlen verändert noch die Wahrnehmung meines Blogs. Ich persönlich mag die Ruhe unter den Einträgen sehr gerne und lese auch äußerst selten in anderen Blogs Kommentare, geschweige denn auf Nachrichtenseiten. Vielleicht mag ich auch deshalb das Lesen in der Bibliothek so gerne: Ich kann mich auf die Stimme einer Autorin konzentrieren und stehe nicht mitten in einer Kakophonie aus Meinungen. Ich muss allerdings gestehen, dass mir bei den kunsthistorischen Einträgen ein fachlicher Austausch schon manchmal fehlt. Das hatte ich vorher bei keinem anderen Thema.

Bloggen bedeutet für mich vor allem, eine Meinung zu haben. Oder eine Stimme. Natürlich könnte ich meine ganzen schönen Erkenntnisse über die Städtische Galerie Rosenheim (die mit dem Nagelfluh im Portikus) auch in ein nicht-öffentliches Dokument schreiben, aber dann würden mindestens zwei Leute nicht wissen, wie beeindruckend Picasso ist.

8. Mich interessieren naturgemäß vor allem deine kunsthistorischen Texte bzw. dein Schreiben über Kunst. Hier mag ich auch sehr gerne deine Favorite Entries im Archiv. Fließen Ideen daraus in deiner wissenschaftlichen Arbeit mit ein, oder ist es eher ein befreiendes Brainstorming und Verarbeiten einer anderen Ideenwelt? Werden diese Texte genau so viel gelesen wie deine anderen? Bei mir explodieren die Zugriffe auf Beiträge über die ultimativen Blogger- oder Social-Media-Tipps, während Ausstellungs-/Museumsbesprechungen generell weniger gelesen werden. Aber mein Blog ist anders aufgebaut als deines. Trotzdem, ist das bei dir ähnlich oder anders, weil deine Leserschaft eine andere ist? Du schreibst „Tagesberichte“ und lässt die Leser nah an deine Gedanken- und Gefühlswelt heran.

Ich weiß nicht genau, welche Einträge mehr Zugriffe bekommen als andere, ich ahne es nur anhand der Reaktionen darauf. Ansonsten habe ich einen schraddeligen Umsonst-Counter auf der Seite, nicht mal Google Analytics, weil es mir eher wurscht ist, wer was liest und woher jemand dabei kommt. Anscheinend lesen irgendwelche Menschen meine Texte, schicken nette Mails oder Amazon-Päckchen oder haben durch meine Begeisterung wieder mehr Motivation fürs eigene Studium. Das reicht mir als Bestätigung und als Ansporn, weiter zu schreiben.

Ich weiß, das klingt immer wie Pseudo-Bescheidenheit oder gleichgültige Lässigkeit, aber ich schreibe in erster Linie für mich, um meine Entwicklung festzuhalten. Da ich aber öffentlich schreibe, habe ich natürlich meine Leserschaft im Hinterkopf. Das heißt, ich schreibe so, dass es lesbar, spannend, interessant, unterhaltsam ist. Das heißt auch, dass ich über manches nicht schreibe, weil es den Rest der Welt schlicht nichts angeht. Ich mache aber auch viel Persönliches öffentlich, weil ich weiß, dass ich mit kaum einer Gefühlsregung alleine auf der Welt bin. Ich habe von persönlichen Blogs in den letzten 15 Jahren so viel gelernt, bin auf so viele Themen gestoßen oder habe Hilfe erfahren, dass ich einfach etwas zurückgebe.

Deswegen bin ich auch überhaupt kein Fan von Blogs, die auf Teufel komm raus etwas von mir wollen oder mir erzählen, wie ich mein Leben zu leben habe. Dazu gehört auch „10 Tipps, wie Museen soziale Medien besser nutzen können“ oder ähnliches, weil jedes Museum anders ist, eine andere Zielgruppe hat und vielleicht auch einfach auf Snapchat verzichten kann, ohne dass die Welt untergeht. Das ist jetzt keine Kritik an speziell deinen Listen – jede*r sollte schreiben, worauf er oder sie Lust hat, das ist ja das Tolle am Bloggen –, aber ich persönlich überfliege das meist ohne großen Erkenntnisgewinn. Gerade solche Listen wie „10 Dinge, die jedes Museum auf Instagram machen sollte“ rufen bei mir nur Augenrollen hervor. Macht auf Instagram, was ihr wollt – außer vielleicht als große Institution miese Fotos zu posten, wenn ihr euch schon auf einer Fotoplattform bewegt. Aussagen wie „10 Dinge, die in jeder Werbeanzeige vertreten sein sollten“ würde auch niemand ernstnehmen, weil klar ist, dass jedes Produkt einen einzigartigen Auftritt haben muss.

Tipps wie „Beteiligen Sie sich am #lampenmittwoch und am #treppenhausfreitag, weil das Ihrem Publikum zeigt, dass Sie das Medium verstanden haben“ machen mich irre. Nach 20 Leuchtmitteln im Stream habe ich eh vergessen, zu wem jetzt welche gehören. Nebenbei ist es mir als eventuelle Besucherin eures Hauses auch ziemlich egal, wie bei euch die Beleuchtung aussieht. Vor allem die in der Kantine. (Die Alte Pinakothek darf von mir aus aber gerne jeden Freitag Hans Döllgasts irrwitzige Treppe herzeigen.)

Ich würde mir von jedem Museum einen persönlichen Stil wünschen, sowohl inhaltlich als auch in der Bildauffassung und beim Text. Aber das kostet natürlich Zeit und Geld und die geistige Arbeit für ein Konzept und die haben viele Institutionen für Social Media nicht. Dann frage ich mich, ob man es nicht lieber lassen sollte, diese Medien weiter halbgar zu bespielen, nur um irgendwie dabei zu sein.

Zurück zu meinem Blog: Meine Texte über Kunst dienen mir gerne als Verlaufskurve, gerade wenn ich länger an einem Thema knabbere. In den vergangenen zwei Semestern habe ich mich mit dem Maler Leo von Welden (1899–1967) beschäftigt, der in der Nähe von Rosenheim gelebt hat. Mir war am Anfang der Arbeit noch überhaupt nicht klar, welche Fragen ich an sein Werk hatte, und mir hat es sehr geholfen, einfach runterzuschreiben, was ich am jeweiligen Tag gelernt oder gelesen hatte – und zwar so, dass meine Leser*innen es nachvollziehen können. Besonders geliebt habe ich die Archivarbeit – das wusste ich vorher auch nicht, dass ich neben bergeweise Büchern auch wirklich gerne bergeweise alte Akten und Aufzeichnungen lese. (Falls irgendeine Münchner Institution mal ihre Geschichte aufgearbeitet haben möchte – Mail an mich!) Auch dazu gab’s natürlich Leserpost, je mehr ich über von Welden herausfinden konnte: „Die Recherchen für Ihre Hausarbeit sind spannender als jeder Krimi!“

Meist entstehen beim Aufschreiben fürs Blog konkretere Gedankengänge zu einem Thema. Dinge etwas flapsiger und mit einer unbekannten Leserin statt dem Dozenten im Hinterkopf aufzuschreiben, der eh alles weiß, hat mir bisher immer geholfen.

9. Museumsfrage: Du hast kürzlich sehr differenziert über die neue Online-Sammlung der Pinakotheken geschrieben. Es ist richtig, dass Museen ihre Sammlungen digital verfügbar machen. Dabei ist es in meinen Augen kein Beinbruch, wenn am Anfang nicht alles perfekt ist. Wo siehst du die Aufgaben von Museen im digitalen Raum? Was ist sinnvoll, was weniger bzw. was wünschst du dir von Museen, auch gerne ganz analog?

Da ähnelt meine Antwort dem Satz, den ich eben schon aufgeschrieben habe: Jedes Museum ist anders. Daher kann ich kaum generell sagen, was jedes Museum für mich tun soll. Ich teile mich zudem auch gerne in zwei Persönlichkeiten: die Kunsthistorikerin, die mit einem Detektivblick durch die Räume geht, und die Besucherin, die gerne zwischendurch mal sitzen und Kaffee trinken möchte. Obwohl, hey, das ist eine Anforderung an alle Museen: SOFAS! Das kunsthistorische Museum in Wien ist wundervoll und ich habe nach meinem Besuch ewig allen Interessierten davon vorgeschwärmt, aber was bei allen hängengeblieben ist, ist: DIE HABEN DA SOFAS!

Ganz generell erwarte ich von Museen, dass sie mich darüber informieren, was man bei ihnen sehen kann. Klingt so simpel, aber bei vielen Museumswebsites fühlt es sich so an, als sollten die Besucher doch bitte froh sein, dass überhaupt die Öffnungszeiten zu finden sind. Als Kunsthistorikerin hätte ich gerne die ganze Sammlung, als Besucherin wenigstens ein paar Meisterwerke (oder was immer die betreffenden Kurator*innen dafür halten). Meine Mutter fragte mich neulich, ob ich wüsste, ob was von Lüpertz oder Kiefer im Hannoverschen Sprengel-Museum hinge, damit sie sich mal angucken könne, womit sich das Kind so beschäftigt. Und das konnte ich ihr nach dem Besuch der Website leider nicht sagen.

Ich weiß, dass Abbildungen schwierig sind, aber eine Datenbank aus MuseumPlus generiert, die wenigstens den Titel des Werks und ob es ausgestellt ist, ausspuckt? Ist das möglich? (Wenn ich jetzt digitale Kunstgeschichte studiert hätte, wüsste ich das vielleicht selber.)

Ich wünsche mir von Museen außerdem, dass sie nicht jeder App besinnungslos hinterherhecheln, und dass sie, im Bemühen, die jungen hippen Digital Natives abzuholen, nicht ihre Stammkundschaft vergessen, die vielleicht lieber ein Faltblatt als ein Tablet in der Hand hat und sich vor dem Besuch auch keine Führung aufs iPhone laden möchte. Trotzdem erwarte ich eine Neugier auf neue Medien und die Möglichkeiten, die sie bieten, aber das erwarte ich eigentlich in jedem Lebensbereich. Eine Bank, bei der ich persönlich vorbeikommen muss, um eine Überweisung zu tätigen, oder einen Autohersteller, bei dem ich mir einen Katalog nicht online herunterladen kann, kann ich nicht ernstnehmen.

Zu guter Letzt wünsche ich mir mehr Forschung zur eigenen Sammlung und eine publikumswirksame Aufbereitung (vielleicht in einem Blog, hint, hint). Aber das mag ein sehr persönliches Interesse sein. Dieser Promotionsstudiengang der Leuphana-Universität klingt für mich wie das Paradies, und wenn wir sowas in München hätten, würde ich dafür vor der Studierendenkanzlei campieren. (Alternativ vor dem Lenbachhaus oder der Pinakothek der Moderne.)

10. Dein Lebensmotto für die LeserInnen: Was möchtest du ihnen mitgeben?

In den letzten fünf Jahren, die mein Leben gehörig durcheinander gebracht, aber mich definitiv zu einem glücklicheren Menschen gemacht haben, dachte ich oft an einen Satz von Arthur Ashe: „Start where you are. Use what you have. Do what you can.“ Das hat mir bei Trennungsschmerz, Prüfungspanik und Zukunftsangst bis jetzt sehr gute Dienste geleistet. Geh einfach los, mit allen Talenten, die du hast, und streng dich an. Du wirst schon irgendwo ankommen.

Was schön war, Sonntag/Montag, 7./8. Mai 2017 – Laufen, Kunstgucken, Lesen

Sonntagmorgen ging ich wieder laufen bzw. gehen. Ausnahmsweise war ich ganz alleine auf der Strecke, und so begann ich, ganz in Ruhe meine Runden zu drehen, ohne darauf achten zu müssen, ob von hinten ein schnellerer Mensch ankommt, während ich gerade eine Pfütze umrunde. Spotify spielte mir die gesamten melancholischen 80er-Jahre-Songs der Welt vor, es wurde heller und heller, aus der dunklen, grünen Gasse, die am Anfang meiner Läufe/Gänge auf dem alten Nordfriedhof liegt und die ich so mag in ihrer gefühlten Unendlichkeit, wurde eine freundliche Parklandschaft, und ich ging und ging, ein schwarzes Eichhörnchen lief vor mir über den Weg, ein anderes erklomm einen Baum und ich sah ihm zu, bis ich es oben in den Blättern nicht mehr sehen konnte, und ich ging und ging, es begann leicht zu nieseln und hörte wieder auf, ich lief zwischendurch ein wenig, ich las Grabsteine und bewunderte Statuen, und ich ging und ging und ging einfach weiter, obwohl ich die Strecke, die ich mir vorgenommen hatte, schon erlaufen hatte, weil die Musik so gut war, das Wetter genau meins, mir nichts wehtat und mein Kopf immer leerer wurde, bis dieser eine Moment kam, in dem alles klar vor mir lag, wo ich mir keine Sorgen mehr machte um meine Zukunft und die Miete und die Masterarbeit, weil ich wusste, dass gerade alles gut war und alles gut werden würde, und ich ging und ging und ging irgendwann sehr ruhig und glücklich nach Hause.

Um 11 saß ich mit F. in der Pinakothek der Moderne, wo wir uns im Rahmen des Dokfestes Beuys anschauten. Der Saal war sehr gut gefüllt, was mich etwas überraschte; ich hätte nicht gedacht, dass Beuys so zieht. Das Publikum war ungefähr das, was auch in meinen Kunstgeschichtsvorlesungen saß – überwiegend über 60 –, und genau wie dort wunderte ich mich auch hier über viele Lacher im Publikum, wenn sperrige Werktitel von Beuys genannt wurden oder Ausschnitte aus seinen Performances zu sehen waren. Ich hatte vorausgesetzt, dass diese Titel und Arbeiten 30 Jahre nach dem Tod des Künstlers allmählich zur Allgemeinbildung gehörten und selbst wenn nicht, sie kein Grund zur Belustigung waren. F. und ich waren uns einig, dass Lachen auch ein Zeichen von Unsicherheit sein kann – und gerade bei Beuys steht man ja gerne vor Vitrinen und Räumen und weiß nicht so recht, was diese Dinge jetzt von einem wollen. Genau das mag ich aber an Beuys; er war der Künstler, bei dem ich mir abgewöhnt habe, Kunst verstehen zu wollen. Mit Beuys konfrontiere ich mich gerne – besonders im Lenbachhaus – und gucke einfach, was mit mir passiert.

Der Film ist keine Biografie, sondern macht das ähnlich: Er präsentiert Ausschnitte und Versatzstücke von Beuys und überlässt es der Zuschauerin, was sie damit anfangen möchte. Eingebettet ist alles in ein Zitat von Beuys, in dem er sagt, dass seine Kunst nur im Zusammenspiel mit der Gesellschaft geschieht; seine Aufgabe ist es, Fragen zu beantworten, die die Gesellschaft hat, ohne diese Fragen wäre seine Kunst nichts. (Ich hoffe, ich habe das halbwegs richtig paraphrasiert.) Deswegen ist ein großer Teil im Film auch den 7000 Eichen in Kassel gewidmet, was ich sehr clever fand.

Mir war der Film einen Hauch zu lang, und ich persönlich hätte gerne mehr von den Diskussionen um Kunst erfahren, die in den 1960er, 1970er Jahren stattfanden, aber das wäre dann ein anderer Film geworden. Bei einer Szene zuckte ich aber doch schmerzlich zusammen: Wenn Beuys einem Interviewer erzählt, dass nach jedem seiner Fernsehauftritte irgendjemand bei ihm anruft, nur um „Idiot!“ oder „Arschloch!“ ins Telefon zu pöbeln. F. und ich mussten an Leute im Theater denken, die nach Vorstellungen, die ihnen nicht gefallen haben, unbedingt Buhrufe loswerden müssen anstatt einfach zu gehen. Diese Hybris, dass die eigene Meinung so wichtig – und vor allem richtig – ist, dass sie jemandem lautstark mitgeilt werden muss, der diese Meinung nicht teilt, ist so anstrengend. Und meiner Meinung nach auch ein Zeichen von Unsicherheit. Da ist plötzlich etwas, das über mein Verständnis, über meine Kenntnis hinausgeht, das an irgendwas reibt und kratzt und dafür sorgt, dass ich mich unwohl fühle. Dann habe ich die Möglichkeit, am Verständnis oder an der Unkenntnis zu arbeiten, indem ich googele oder in eine Bibliothek gehe oder mich mit anderen Menschen austausche. Oder ich pöbele doof und beschränkt in Kommentarspalten oder Theatersälen rum, das geht natürlich auch.

PS: Die Kritik im Perlentaucher meint auch, dass man nach dem Film sofort was über Beuys lesen möchte (ging mir auch so), weiß aber außerdem viel zum Urheberrecht zu sagen, das für Regisseur Andres Veiel auch Thema war. Einige der Bilder, Werke oder Ausschnitte, die er für seine Erzählung haben wollte, durfte er nicht verwenden, weswegen er vieles umschneiden musste. Ich augenrolle immer härter, wenn es um Bildrechte geht.

Nach dem Film spazierten wir noch durch die Pinakothek, wenn wir schon mal da waren. Ich sagte meinem Kiefer (Nero malt, 1973) Guten Tag, lief wieder auf Carl Andre herum (ich gehe so gerne auf Kunst spazieren, wenn ich darf) und vermisste meinen Lieblingsflavin, der gerade einer Installation von Pipilotti Rist weichen musste. Dann guckte ich online, ob von Herrn Lüpertz vielleicht was zu sehen war, fand aber nichts. Immerhin weiß ich jetzt, dass die Pinakotheken auch eine Version der Helme, sinkend – dithyrambisch haben, was ich vorher nicht wusste. Die hätte ich gerne mal gesehen, denn über die schreibe ich gerade (auch). Dass sie nicht hängen, bestätigt mein leise gefälltes Urteil über Lüpertz, aber das kann natürlich auch nur eine Platzfrage sein.

Wir standen am längsten vor Antonio Sauras Triptychon Crucifixión – darüber hat F. geschrieben.

Den Rest des Tages fraß ich mich weiter durch A Little Life (wie Samstag) und setzte das den kompletten Montag über fort. Die Masterarbeit muss warten, bis ich das Buch durchgelesen habe. Prioritäten! Im Kopf steht eh alles, das schreib ich jetzt einfach runter. Ich bin seit Sonntagmorgen tiefenentspannt.

Was schön war, Samstag, 6. Mai 2017 – Lesetag

Nachdem ich am Freitag den vorletzten Brocken des Studiums weggeschaufelt hatte – mein Referat zur Masterarbeit –, verschlief ich den Rest des Tages gnadenlos. Ich merke neuerdings immer erst, nachdem ich Dinge erledigt habe, wie sehr sie mich angespannt haben, denn meistens macht sich mein Kopf direkt danach aus, brabbelt nur noch alte Simpsons-Zitate oder 80er-Jahre-Songfetzen vor sich hin, ist aber sonst zu nichts mehr zu gebrauchen.

Daher entschied ich mich, dieses Wochenende mal ganz klassisch als Wochenende zu nutzen. Ich würdigte meine ganzen Uni-Bücher und -Ausdrucke keines Blickes, sondern verzog mich mit Gebäck und Kaffee auf die Couch, um den ganzen Tag einen Roman zu lesen: A Little Life von Hanya Yanagihara. Ich bekomme nicht mehr viele Buchkritiken mit; meistens spült mir die Bingereader Dinge in die Twitter-Timeline oder ich freue mich über schöne Cover auf Instagram. Eben dort sah ich dauernd Life und hatte den Eindruck, dass das anscheinend toll sei. Die Leseprobe gefiel, also wurde es gekauft. Als ich selbst das Cover instagramte, war das Feedback allerdings eher verhalten.

Ich bin jetzt auf Seite 300 von 800, und mir gefällt es bis jetzt recht gut. Ich mag die Sprache, auch wenn sie manchmal ein bisschen zu sehr in sich selbst verliebt ist. Ich mag auch die Art, wie von den vier (männlichen, meh) Protagonisten erzählt wird; man bekommt immer einen längeren Einblick in das Leben eines Einzelnen, bevor die Perspektive wechselt und der Nächste beleuchtet wird. Bisher kam einmal ein kleiner Einschub in der Ich-Perspektive, ansonsten guckt man von draußen auf alles rauf. Was einen Hauch anstrengend ist, ist das Grundgefühl, das über dem gesamten Buch liegt: Da ist was Fürchterliches passiert oder vielleicht wird noch was Fürchterliches passieren; ich weiß nicht. ob das noch 500 Seiten so weiter geht, aber manchmal würde ich mich über kleine Atempausen im ganzen Drama freuen. Vielleicht können die Jungs einfach mal ein Eis essen und das kritiklos und ohne innere Monologe oder melancholisch-mystische Flashbacks super finden. Außerdem haben mich die vielen, vielen Sachbücher der letzten fünf Jahre völlig verdorben; ich kann mich kaum noch in Geschichten fallen lassen, sondern frage dauernd innerlich „Wieso?“ „Wo kommt das jetzt her?“ „Erklär mir das bitte und behaupte hier nicht einfach rum“ oder auch „Was? Ach komm!“. Der Herr Fahrenbach kommentierte bei Instagram mit dem Stichwort „tragedy porn“, und das finde ich bisher ganz passend. Das Buch suhlt sich manchmal ein bisschen zu sehr in seinem Leid, aber wie gesagt, ich habe es noch längst nicht durch. Ich freue mich aber sehr darauf, heute weiterlesen zu können, bevor ich mich morgen wieder an Kiefer und Lüpertz abarbeiten werde, brave Studentin, die ich (noch, wimmer) bin.

Hausarbeit „Die Berichterstattung über Amnesty International in der ‚Frankfurter Allgemeinen Zeitung‘ 1961–1979“

Oder wie meine Geschichtsdozentin meinte: „Das wäre ein schöner Untertitel gewesen – ich hätte mir eine These als Titel gewünscht.“ Da hat die Dame recht.

Das war dann auch das bisschen Beef, das sie mit der Arbeit hatte: Generell wären ein paar Thesen nett gewesen. Sie bescheinigte mir eine Riesenfleißarbeit, die für eine Hausarbeit schon fast zu viel war, aber wenn ich schon so tolle Dinge rausfinde wie: Die Leserbriefe waren konservativer als der redaktionelle Inhalt, dann wäre es nett gewesen, dazu eine These aufzustellen und das nicht einfach so hinzuschreiben. Daher ist die Arbeit eine 1,3 geworden und keine 1,0. Sprachlich und formal herausragend. (Duh.)

Das war meine letzte Amtshandlung in Geschichte. Gestern hatte ich mein letztes Referat im Studium; ich präsentierte unserem Kolloquium meine Masterarbeit. Nach dem Vortrag klopfte mir meine Prüferin auf die Schulter, was mich seltsam gerührt hat, und meinte, ich solle aufpassen, keine Dissertation zu schreiben. Das habe ich auch seit einigen Tagen im Hinterkopf, keine Bange. In einem Kurs, in dem wir unsere Ausstellung in Rosenheim im September vorbereiten, sitze ich nur noch freiwillig und übernehme keine Aufgaben mehr; das heißt, da werde ich eher sporadisch hingehen, so wie ich mich kenne. Ansonsten habe ich jetzt nur noch die Masterarbeit runterzuschreiben und sie bis zum 10. Juli abzugeben.

Der lange Abschied vom viel zu kurzen Studium beginnt: jetzt.

Stir-Fry: Rindfleisch mit leicht scharfem Brokkoli

Dieses Rezept habe ich in den letzten Wochen mehrfach zubereitet, und ehe ich jedesmal wieder umrechnen muss, wieviel nun eine halbe cup Wasser ist, schreibe ich es schnell auf. Ich weiß auch gar nicht, ob es wirklich ein Stir-Fry ist, ich weiß nur, dass es verdammt gut schmeckt und in 30 Minuten auf dem Tisch steht, was ziemlich super ist, wenn man hungrig aus der Bibliothek kommt.

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Für zwei Personen.

450 g mageres Rindfleisch in mundgerechte Stücke schneiden.

60 ml Sojasauce mit
2 EL frisch geriebenem Ingwer (vulgo: ein daumengroßes Stück),
1 EL braunem Zucker (am besten Muscovado oder Demerara, aber Rohrzucker tut’s auch) und
2 TL Speisestärke vermischen. Das Rindfleisch darin für 20 Minuten marinieren.

In einer großen Pfanne oder einem Wok
1 EL Pflanzenöl erhitzen (ich nehme gerne Erdnussöl). Das Fleisch darin bei mittlerer Hitze anbraten; ich lasse es eher medium. Wieder ins Sojasaucenschüsselchen kippen und in der gleichen Pfanne

1 Kopf Brokkoli, in mundgerechte Röschen zerteilt, anbraten, bis er beginnt, braun zu werden. Das dauert nur wenige Minuten. Mit
120 ml Wasser ablöschen, schnell umrühren und sofort einen Deckel auf die Pfanne setzen. Den Brokkoli zwei, drei Minuten dämpfen, bis er weicher geworden, aber noch bissfest ist. (Guck selber, wie lange das Ding braucht.)

Den Deckel beiseite legen und

3 Knoblauchzehen, gehackt,
1 TL geröstetes Sesamöl und
Chiliflocken in die Pfanne geben. Das Originalrezept will einen viertel Teelöffel, aber selbst ich als totale Scharfmemme mache hier nix unter einem Teelöffel.

Das ganze weiterbraten lassen, bis der Knoblauch zu duften beginnt – dauert laut Buzzfeed 30 Sekunden, ich gebe ihm meist eine Minute –, dann das Fleisch kurz unterrühren und zügig auf den Teller damit. Bei mir gibt’s dazu Reis, den man entspannt aufsetzen kann, während das Fleisch mariniert; es schmeckt aber auch einfach so.

Was schön war, Dienstag/Mittwoch, 2./3. Mai 2017 – Unizeug

Im Februar des vergangenen Wintersemesters schrieb ich meine letzte Vorlesungsklausur. Die Ergebnisse sind eigentlich immer nach wenigen Tagen online, auch weil wir die Möglichkeit einer Nachholklausur haben. Meine Vorlesung – die zur osmanischen Architektur – wurde allerdings nicht vom kunsthistorischen, sondern vom Institut für den Nahen und Mittleren Osten angeboten; daher machte ich mir keine Gedanken, dass in meinem Transcript of Records, das ich online einsehen kann, ewig „Angemeldet“ bei der Klausur stand und nicht „Bestanden“, denn das kannte ich schon von meinen Geschichtsvorlesungen. (Ein „Nicht bestanden“ entsprach nicht meinem Bauchgefühl.)

Der Notenschluss war nun allerdings Mitte April, wenn ich mich richtig erinnere, und noch immer tauchte kein Ergebnis auf. Ich meldete mich vorsorglich für eine weitere Vorlesung in diesem Semester an, falls ich wider Erwarten doch durchgefallen war, denn das wäre jetzt arg ärgerlich: Die Master-Arbeit ist fertig, aber mir fehlen noch drei lausige ECTS-Punkte von 120, weil ich eine Vorlesung zu wenig habe. Unser Semester begann letzte Woche, aber ich war zu bockig, um zur ersten Sitzung zu gehen, denn ich war mir sicher, bestanden zu haben. Ich fragte stattdessen mal bei uns im Institut nach, wo es hieß, keine Ahnung, ich müsste beim anderen Institut fragen oder beim Prüfungsamt. Ich mailte also irgendwen beim Nahen und Mittleren Osten an, denn die E-Mail-Adresse meiner Dozentin stand nicht mehr auf der Website; die Dame war eine Gastdozentin der TU Istanbul und hat vermutlich gerade andere Sorgen. Beim Osten reichte mich ein Professor an einen Mitarbeiter weiter, von dem ich aber die ganze letzte Woche nichts hörte. Ich richtete mich seelisch darauf ein, Dienstag morgen vorm Prüfungsamt rumzulungern, guckte aber trotzdem noch mal online nach, bevor ich mich aufs Fahrrad setzte – und sah ein „Bestanden“.

Mittags bekam ich dann auch endlich die Leo-von-Welden-Hausarbeit wieder und sah die schöne 1,0 auf dem Deckblatt, die natürlich auch noch nicht online gewesen war. Ich DMte das freudig an F., der mir das hier zurückschickte, worüber ich seitdem gackere:

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Für meine fußball-unaffine Timeline: Das ist der Herr Bobadilla vom FC Augsburg, der sich nach seinem 4:0 gegen Hamburg vor der Fankurve in Pose wirft. Quasi direkt vor meiner Nase. Der gute Mann!

Gestern saß ich den ganzen Tag im ZI und bastelte endlich mein Referat fertig, das ich am Freitag halten muss. Der erste Probedurchgang war natürlich viel zu lang, weil ich natürlich wie immer viel zu viel Zeug habe, aber ach, nach neun Semestern wundere ich mich darüber nicht mehr. Allerdings habe ich jetzt schon wieder Panik, dass meine 120.000 Zeichen nicht ausreichen werden. Was müssen Lüpertz und Kiefer auch so viel malen, herrgottnochmal.

In other news: Masterchef Australia hat wieder angefangen und ich bin ein kleiner glücklicher Puschel.

Hausarbeit „Rainer Zimmermanns Expressiver Realismus. Das Fallbeispiel Leo von Welden“

In meiner ersten Hausarbeit zu Leo befasste ich mich mit seiner Zeit im Nationalsozialismus, da diese weitgehend unerforscht war. Für meine zweite wollte ich mich eigentlich mit seinem Wirken in der Nachkriegszeit auseinandersetzen, mein Dozent meinte aber, es wäre ganz schlau, noch einen weiteren Aspekt mit in die Arbeit zu nehmen – nicht dass das Prüfungsamt noch was zu meckern hätte, denn eigentlich sollen wir nicht zweimal über den gleichen Gegenstand schreiben. Was ich im Master, wo man sich ja spezialisieren soll, für eine eher quatschige Idee halte, aber nun gut.

So nahm ich fachgerecht Rainer Zimmermanns Idee des sogenannten Expressiven Realismus auseinander, den sein Erfinder für eine Stilrichtung hält, den ich aber gerne völligen Kappes nenne. Danach überprüfte ich, ob Leo von Welden, wenn es diese Stilrichtung denn gäbe, ein expressiver Realist wäre, was er natürlich nicht ist, weil Kappes. Damit könnt ihr euch die Lektüre meiner Forschungsarbeit eigentlich schenken, aber natürlich kann ich das alles ganz herrlich begründen und habe auch wieder viele tolle Fußnoten aus vielen tollen Archiven dabei. Insofern: Enjoy.

(1,0.)

Was schön war, Montag, 1. Mai 2017 – Mein erstes Wagyu

Akute Unlust, am Referat weiterzuarbeiten. Ich gab mich hemmungslosem Konsum von Serien und einem neuen Roman hin, bis ich abends zu F. fuhr, um mit ihm im Theresa essen zu gehen.

Das Theresa ist so ein bisschen „unser Laden“ – so wie andere „unser Lied“ haben, haben wir halt „unser Steak-Restaurant“ –, und daher hatten wir uns sehr gefreut, dort mal wieder essen zu gehen. Es ist nicht ganz günstig, weswegen wir das nicht alle vier Wochen machen. Was schön war: die freundliche Begrüßung, der Tisch in unserer Lieblingsecke, sofortiges Jackenwegbringen und Nach-Wasser-Fragen sowie die Beratung zum aktuellen Fleischangebot und den passenden Beilagen. Wir entschieden uns für ein Stück Wagyu-Flank und ein Stück Hanging Tender, die uns gleich auf zwei Portionen verteilt serviert wurden. Im Theresa gibt es keine festen Portionsgrößen, es wird angeboten, was da ist und das dann wild verteilt; mir gefällt das sehr gut. Auch die Beilagen teilten wir uns, wobei ich die dick geschnittenen, knusprigen Pommes fast alleine verzehrte, während F. seine geliebten Speckbohnen für sich behielt. Die knackigen Pariser Erbsen mit Kopfsalat gab’s für uns beide. Dazu ließen wir uns einen Ribero del Duero schmecken, der zunächst nur nach Barrique-Vanille schmeckte und recht dünn daherkam, im Laufe des Abends aber zu einem vanillefreien breitschultrigen Holzfäller wurde. Und ich genoss mein erstes Stück Wagyu-Rind und war sehr angetan.

Was leider nicht so schön war, und das ist das erste Mal, das wir das im Theresa erlebten: Der Service nahm sich anscheinend eine lange Pause oder hatte seine Augen nicht mehr ganz so auf. Bei kleinen Tischen wie unseren steht die Weinflasche gerne auf einem langen Servicetisch, und der Kellner gießt einem dauernd nach. Das ist schön, aber nur, wenn’s funktioniert. Nachdem ich das erste Mal fünf Minuten vor meinen leeren Glas gesessen hatte, schenkte mir F. nach und stellte die Flasche wieder ab; beim nächsten Mal holten wir sie uns und bunkerten sie danach. Nachdem unser Geschirr abgeräumt wurde, dauerte es ewig, bis mal jemand nachfragte, ob wir vielleicht noch was wollten, dann dauerte es ewig, bis wir die Karte hatten, dann dauerte es ewig, bis Dessert (für F.) und Käse (für mich) kamen, und dann war die Käseauswahl auch noch total lachhaft. Vier nichtssagende Stückchen, aber immerhin leckerer Feigensenf. Ich tunkte etwas missmutig mein Brot in den Senf und aß die Weintrauben und die Erdbeeren. Eigentlich wollten wir noch einen Espresso trinken, waren inzwischen aber so genervt, dass wir zahlten (was ewig dauerte) und dann gehen wollten – wenn wir unsere Jacken gehabt hätten. Auch darauf mussten wir warten, während ein Bro-Kellner noch mal kurz mit einem Kumpel schnackte, bevor er sich dazu herabließ, uns unser Zeug zu bringen. Der blöde Abschluss, aber dafür kann das Theresa natürlich nichts: Wir hatten unsere nassen Regenschirme in den Schirmständer am Eingang platziert, und irgendein Idiot hatte sich den Schirm von F. gegönnt, den dieser gerade einen Tag lang besessen hatte.

Leider etwas missgelaunt stapften wir durch den Regen heim, konnten uns aber immerhin noch über die beiden Damen am Nachbartisch amüsieren, die in einem der besten Fleischläden Münchens vor zwei Caesar Salads und Pommes saßen, weil die eine Dame anscheinend gerade Vegetarierin geworden war.

Was schön war, Sonntag, 30. April 2017 – HEIMFUCKINGSIEG

Bei einem 4:0 gegen den direkten Konkurrenten HSV sind Versalien mehr als angebracht.

Vor dem gestrigen Spieltag stand der FC Augsburg auf dem drittletzten Tabellen- und damit Relegationsplatz. Da möchte niemand hin, auch der HSV nicht, der ein Pünktchen vor dem FCA lag. F. und ich fuhren ziemlich schweigsam von München nach Augschburg, weil wir beide widerlich nervös waren. Ich quatschte mich selbstoptimistisch in ein 2:0 rein, aber F. konnte nicht aufgeheitert werden. Dieses Mal saßen wir nicht zusammen, weil seine Beisitzer alle schön an ihren Dauerkarten festhielten. Daher suchte ich mir ein Plätzchen weiter unten am Rasen. Bisher hatte ich immer weit oben gesessen; das mag ich, weil man so schön den Überblick hat, aber unten ist halt alles etwas unmittelbarer, darauf hatte ich mal wieder Lust. Ich richtete mich seelisch auf Regenjacke ein, die ich ja seit einigen Tagen besitze, aber gestern war herrliches Sommerfußballwetter – also für alle anderen. Ich finde Sonne ja nur von drinnen durch Bibliotheksfenster schön, packte aber brav Sonnenbrille und Basecap ein und wusste, es sind nur 16, 17 Grad, keine 29, das wird schon gehen. Dass ich vergaß, mich einzucremen und heute nicht besonders attraktiv aussehe, nehme ich als wiederholtes Lehrgeld. Wenn ich mir irgendwann mal was aufs Handgelenk tätowieren lasse, was ich nie werde, weil ich es nicht mag, wenn mich von da aus irgendwas anbrüllt, dann wird dort „CREM DICH EIN, DU NUSS!“ stehen.

Der Spielverlauf ließ mich aber eh vergessen, dass ich in der Sonne sitze, weil ich mit Anfeuern, Klatschen und Brüllen beschäftigt war. Der Block, in dem ich saß, grenzt fast an die Heimkurve, daher wurde bei uns auch stets mitgesungen. Ich sang nicht – ich kenne peinlicherweise immer noch nur die Bayerngesänge und wollte wirklich nicht unangenehm auffallen, bei gleicher Melodie den komplett falschen Text zu singen –, sondern freute mich die ganze Zeit darüber, dass Augsburg endlich mal wie jemand spielte, der weiß, wie Fußball geht und ebenfalls weiß, dass er mit einem Bein in der zweiten Liga steht, wenn er sich jetzt nicht endlich mal zusammenreißt.

Spon schreibt, dass das der höchste Heimsieg in der Bundesligageschichte des FCA war, und so fühlte sich die Atmosphäre nach dem Spiel rund ums Stadion auch an. Überall standen noch Grüppchen, tranken noch was, klatschten sich ab – oder kauften den Fan-Shop leer wie F. Ich stellte mich in den Schatten und las mein Stadionsuhrkamp, bis der Herr im neuen Trikot wiederkam. Auf der Rückfahrt gab’s ein Siegerbierchen, danach beendeten wir den Abend bei Spargel und Weißwein. (Und ich begann sinnlos zu cremen.)

Ein kleiner Nicht-Tagebuch-Hinweis: Tanja Praske, die derzeit bei uns an der LMU einen Lehrauftrag für digitale Kunstgeschichte hat, stellte mir ein paar Fragen zu meinem Berufswechsel, zu Social Media und wie ich so über Bloggen denke. Bei Interesse bitte mal rüberklicken; ich habe recht lange über die vielen, spannenden Fragen nachgedacht.

Mir ist natürlich erst nach Abgabe meiner Antworten mein Standardsatz eingefallen zur Frage, was mir Bloggen bedeutet, daher hier ein kleiner Nachtrag: Bloggen ist für mich inzwischen so selbstverständlich, dass ich es überhaupt nicht mehr hinterfrage. Ich ahne, dass ich hier ewig weiter vor mich hinschreiben werde, einfach weil ich es schon so lange mache. Und weil ihr da draußen mitlest, wer immer ihr auch seid.