Was schön war, Samstag, 9. Mai 2020 – Regen, Tee, Wein

Morgens vom Regen aufgewacht. Ewig lange geschlafen, so dass ich meine Balkonpflanzen noch nicht hatte gießen können. Das übernahm dann der Regen. Perfekte Arbeitsteilung.

Mir selbst erneut auf die Schulter geklopft, damals beim Einzug das Bett nicht an die dafür vorgesehene Wand geschoben zu haben, sondern an die gegenüberliegende. Denn so sieht man vom Bett aus immer ins Grüne. Solange draußen irgendwas grün ist.

Ein Päckchen Tee aka ein Kilo aus der Packstation geholt. Meine geliebte Droge ist wieder im Haus.

Gleich die erste Kanne gekocht und mit ihr erfolgreich am Schreibtisch die Jahre 1936 und 1937 korrigiert. 1936 wird mich noch einige Stunden im ZI kosten, aber da kann ich ja jetzt wieder hin.

Ein bisschen gekocht und das Ergebnis gerne verspeist.

Abends kam F. vorbei, wir saßen zum ersten Mal in diesem Jahr gemeinsam auf dem Balkon, die Lichterkette leuchtete, und nach ungefähr neun Wochen schliefen wir erstmals wieder gemeinsam ein.

Merksatz von Sue Reindke: „Whoever brings you the most peace, should get the most of your time.“

Roy Horn, Who Dazzled Audiences as Half of Siegfried & Roy, Dies at 75

Die Entstehungsgeschichte des Duos war mir nicht bekannt. Und wie erfolgreich die Herren waren, auch nicht.

„Roy Uwe Ludwig Horn was born on Oct. 3, 1944, in Nordenham, Germany, near Bremen. Like Mr. Fischbacher, who was five years older and raised in Rosenheim, a village in Bavaria, Mr. Horn grew up in the turmoil of wartime and postwar Germany. While Mr. Fischbacher was drawn to magic, Mr. Horn was taken with animals, including his wolfdog Hexe, and a cheetah, Chico, at a zoo in Bremen where the boy took an after-school job feeding animals and cleaning cages.

It was a chance meeting in 1957, when both were working on a German cruise ship, that led to their partnership. Mr. Fischbacher, a steward, was entertaining passengers with magic tricks, and Mr. Horn, a cabin boy, caught his act.

“I told Siegfried if he could make rabbits come out of a hat, why couldn’t he make cheetahs appear?” Mr. Horn recalled. He said he smuggled Chico out of the zoo and aboard the ship in a laundry bag. The new trick, he said, was a hit with passengers.

They formed a partnership in 1959. By 1964, Mr. Horn and Mr. Fischbacher, still with Chico, were on the road, performing in cabarets and theaters in Germany and Switzerland. The results were mixed — Chico ate steak, the men potatoes — until Princess Grace of Monaco saw them at a 1966 charity benefit in Monte Carlo and gave them a rave notice.“

Tagebuch Freitag, 8. Mai 2020 – Hefemonster

Morgens den wöchentlichen Einkauf erledigt. Dazu zuerst zum Karstadt geradelt, weil ich dort auf Tofu hoffen konnte, den mein Nebenan-Edeka immer nur in ungeraden Wochen in ungeraden Jahren und dann auch nur Dienstags hat. Beim Karstadt wollte ich auch Granny-Smith-Äpfel kaufen, die mein Nebenan-Edeka Sie wissen schon. Tofu war da, Großmütterchen Schmidt nicht. Dann halt Golden Delicious genommen, ich kann nach Wochen keine roten Äpfel mehr sehen und wollte endlich wieder grüne. (My brain works in mysterious ways.)

Danach zum Edeka geradelt, um die restlichen Einkäufe abzuarbeiten, die ich nicht so weit tragen wollte, auch nicht auf einem Gepäckträger. Gleich neben den Zitronen, die ich erwarb, lagen natürlich acht Millionen Granny-Smith-Äpfel. Ich verkniff mir einen Spontankauf, weil ich den schon im Zeitschriftenladen im Karstadt ausgereizt und mir die neue Vogue gegönnt hatte. Ewig nicht mehr gelesen, darauf hatte ich Lust. Nach der Lektüre weiß ich: Die Überschriften-Wortspiele sind auf ähnlich fürchterlichem Niveau wie in der Auto, Motor, Sport.

Schwer bepackt das Rad nach Hause geschoben (bei Klopapier am Lenker fahre ich nicht, sondern schiebe), alle Einkäufe verstaut, mir meinen Frühstücks-Flat-White gemacht und mich auf den Balkon gesetzt, so lange die blöde Sonne da noch nicht war. Ach ja, zum Einkaufen, also der fünfminütigen Radfahrt, so dick eingecremt wie für einen Acht-Stunden-Strand-Aufenthalt. So stelle ich mir jedenfalls lange Zeiten am Strand vor, ich habe das noch nie gemacht. Spaziergänge im November am Meer, ja bitte. Rumliegen bei 30 Grad – niemals!

Ich warf spontan, denn der Edeka hatte Hefe, einen Teig für Zitronenschnecken zusammen, wo ich dusseligerweise die Menge von Trocken- zu Frischhefe nicht wirklich überdacht hatte. Ein Tütchen, ein Würfel, wo ist der Unterschied? Da ist er:

Schon nach dem ersten Aufgehen des Teigs musste ich feststellen, dass er über die Teigschüssel hinausgeklettert war bzw. mein abdeckendes Handtuch nach oben gewölbt hatte. Auf die Idee, daraus zu lernen und vielleicht den Teig in zwei Portionen zu teilen und zweimal zu backen, kam ich natürlich nicht. Dementsprechende Monster produzierte dann auch die Backform, unter der ich im Ofen noch ein Blech einschieben musste, ehe noch mehr Teig auf den Ofenboden platschte. Meine Gefrierfächer sind jetzt bis zum Bersten gefüllt, aber ich hatte immerhin einen sehr schmackhaften Late Lunch.

Während der Teig ruhte oder im Ofen zu Gebäck wurde, arbeitete ich weiter am Kapitel zu 1936, das mir ausnehmend gut gefällt. Muss ich zwischendurch ja auch mal loswerden. So sehr ich noch mit einigen Kapitelabschnitten hadere, in denen meine Diss eventuell ein bisschen in eine Aufzählung von Ausstellungen und Werken abrutscht, was aber meiner Meinung nach sein muss beim ersten und vermutlich letzten Buch über diesen Herrn, so sehr mag ich die Kapitel zu 1934 und 1936, wo ich mich mit den großen Ausstellungen zur Autobahn beschäftige. Die lesen sich auch atmosphärisch dichter, weil ich schlicht mehr Archivgut zur Verfügung hatte, aus dem ich eine Erzählung basteln konnte.

Ich bin trotzdem nicht mit 1936 fertiggeworden. Schaffe ich hoffentlich heute.

Abends wäre eigentlich Date Night mit Herrn F. gewesen, aber die fiel aus Gründen leider aus. Ich tröstete mich mit den ersten beiden Folgen von The Last Dance, über dessen hymnische Besprechungen ich zwar schon gestolpert war, aber mich interessiert Basketball halt so null. F. hatte sich dafür sogar einen Probemonat Netflix gegönnt, obwohl ich ihm – natürlich – meinen Zugang angeboten hatte. (Muss ich da irgendwas reinlesen, Dr. Sommer?) Vorgestern schwärmte er mir wieder davon vor, und so knickte ich ein – und blieb natürlich hängen. Wie ich schon bei der Lektüre von Gentlemen, wir leben am Abgrund feststellen durfte: Bereite mir irgendwas gut auf, dann interessiert mich auch alles.

Tagebuch Donnerstag, 7. Mai 2020 – Fried Chicken und rote Haut

Sehr unkonzentriert gearbeitet, nicht mal mit 1936 fertiggeworden, wobei das auch das dickste Kapitel ist und jetzt so langsam die ganzen Autobahngemälde kommen. Trotzdem erfreulich wenige Korrekturen gemacht, es ist inzwischen mehr ein kritisches Überprüfen von jedem Satz, jedem Absatz und jedem Unterkapitel und dem Check, ob auch alle Erkenntnisse in den drei Zwischenfaziten erwähnt werden oder wenn nicht, warum nicht. Wenn es nicht wichtig genug für das Fazit ist, kann ich dann vorne kürzen? Und so weiter. Der Textbrocken bleibt ein Textbrocken und ich weiß überhaupt nicht mehr, wie ich jemals so viel schreiben konnte, obwohl ich das Ding ja erst vor zwei Wochen vorerst beendet hatte. Mein Reste-Dokument, also das, in das ich alle gekürzten Dinge reinwerfe, ist inzwischen 39 Seiten lang.

Dann wollte ich eine Mail an ein städtisches Archiv schicken und musste mich kurz über die blöden Kontaktformulare auf der Website aufregen, weil ich persönlich lieber mit dem eigenen Mailprogramm arbeite – auch weil ich Mails gerne in bestimmte Ordner lege, um sie wiederzufinden bzw. einen Überblick zu haben, wen ich denn jetzt schon mit wilden Fragen belästigt habe. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, gefühlt zum hundertsten Mal, nicht mehr auf Twitter rumzumeckern, sondern dort nur noch nette Dinge zu schreiben, aber natürlich meckerte ich auf Twitter. Und bekam dafür sehr schlaue Antworten, warum Website-Formulare durchaus Vorteile haben. Sogar die angemeckerte Stadt meldete sich, obwohl ich den betreffenden Nachfolgetweet nach ungefähr einer Minute wieder gelöscht hatte. Nach den Antworten streute ich brav Asche auf mein meckerndes Haupt und nehme mir zum gefühlten einhundertersten Mal vor, nicht mehr auf Twitter zu meckern.

Gestern hätten F. und ich einen Tisch im Werneckhof gehabt, weil es dort vor einem Jahr so nett gewesen war, aber das Restaurant ist natürlich noch geschlossen. Der dortige Koch hatte sich vor ein paar Wochen aber einen lustigen Imbiss überlegt, mit dem er sich und sein Personal beschäftigen kann, und so schmachteten F. und ich schon länger auf Fried Chicken aus einem Schwabinger Hinterhof. Gestern schien mir ein guter Tag zu sein, um endlich mal eine Portion für uns zu holen. Ich musste eh in die Stabi, also setzte ich mich auf mein Fahrrad, brachte zwei Bücher weg und holte zwei neue. Inzwischen sitzt vorne am Eingang jemand mit Klickzähler, dann noch jemand an der Ausleihe und einer an der Rückgabe. Alles ist mit Absperrbändern und Hinweisschildern versehen und es fühlt sich immer noch creepy an, vermutlich weil es so irre leer ist. Ich halte die Maßnahmen immer noch für sinnvoll und trug auch gestern meinen Mundschutz; nicht nur im Gebäude und beim Imbiss, sondern, ein bisschen aus Faulheit, ein bisschen aus Angst, gleich ab der eigenen Haustür. Bei diesen Temperaturen beschlägt die Brille auch nicht mehr und ich kann okay atmen.

Beim Imbiss hatte ich mich auf etwas längere Wartezeit eingestellt, auch weil gerade vorgestern das ZDF berichtet hatte, wie Nakamura in seinen Insta-Storys verriet, aber 16.30 Uhr war anscheinend eine perfekte Zeit: Der Mittagspausenrush war durch, der Abendessenrush noch nicht da, und so stand kein einziges Menschlein vor mir. Familybox geordert, auf dem Gepäckträger verstaut und zu F. geradelt.

Der Autoverkehr in München scheint wieder beim Stand vor den Ausgangsbeschränkungen angekommen zu sein, die herrliche Zeit, in der man angstfrei radeln konnte, ist vorbei. Alles war voll, alle waren genervt, aber ich hatte immerhin Fried Chicken, das ich genussvoll mit F. auf dessen Balkon verspeiste. Das wurde natürlich auf Insta gepostet – und Nakamura kommentierte, woraufhin ich ein einziges Herzchenaugen-Emoji wurde, ich Huhn.

Die ungefähr 30 Minuten Radfahrt bei 20 Grad, von denen ich zehn noch mit Jacke bestritt, sorgten dann auch unfassbarerweise für den ersten Sonnenbrand des Jahres. Ich weiß ja, dass meine Haut Sonne doof findet, aber nach sechs Wochen zuhause mit Ausnahme des kurzen wöchentlichen Einkaufstrips hat sie anscheinend völlig verlernt, mit diesem Feuerball umzugehen. Ich tippe diese Zeilen mit Wund- und Heilsalbe auf Armen und Nacken und freue mich im Nachhinein über den Mundschutz, denn meine Wangen, sonst auch gerne feuerrot, sind top und schmerzfrei.

Tagebuch Mittwoch, 6. Mai 2020 – Zweiter Korrekturgang, 1933 bis 1935

Was die Überschrift sagt. Wieso dauert das denn immer noch so laaaange? Mpf.

Aber: Die staatlichen Archive öffnen auch so langsam ihre Türchen wieder. Ab nächste Woche kann man mit Voranmeldung (also wie früher) vorbeikommen, man kriegt nur keine Bleistifte mehr von der Aufsicht und die bestellten Akten liegen schon am Platz. Ist mir recht. Wenn jetzt noch das Archiv des Deutschen Museums … pretty please? Habe Mundschutz, bin vorsichtig.

Zum Mittagessen Pseudo-Spaghetti-Carbonara, weil noch Schinken im Kühlschrank lag, der wegmusste. Vergessen zu fotografieren. Ärgerlich, Carbonara geht bei Insta immer.

Abends ein Angebot für Werbetexte per Mail verschickt und zwei Sekunden nach „Senden“ panisch gecheckt, ob ich auch brav „Euro“ statt „Reichsmark“ geschrieben habe. Verdammtes Korrekturlesen.

Tagebuch Dienstag, 5. Mai 2020 – Zweiter Korrekturgang, 1926 bis 1932

Was die Überschrift sagt. Wobei ich kaum noch korrigieren muss, ich werfe nur Zeug raus oder in die Fußnoten. Außerdem entschlacke ich den Text, indem ich die ganzen Bildangaben auch in die Fußnoten verlagere. Ich freue mich jetzt schon darauf, diesen Absatz, der im Kapitel zu 1942 steht, zu entzerren:

„Protzen zeigte in der Ausstellung insgesamt 16 Ölgemälde aus seiner 1941 angefertigten Reihe „Deutscher Osten“: Ordensburg Golau (Gohlau/Gollub I, 1941, WV 390, 82 x 130 cm, Katalogpreis 2200 RM), Gollub (1941, WV 391, 82 x 130 cm, 2200 RM), Fischersiedlung bei Kulm (1941, WV 392, 82 x 130 cm, 2800 RM), Siedlung und Arbeitsdienst Kulm (1941, WV 393, 68 x 95 cm, 1200 RM), Kulm (1941, WV 394, 68 x 105 cm, 1500 RM), An der Drewenz (1941, WV 395, 80 x 110 cm, 1500 RM), In der Weichselniederung bei Kulm (1941, WV 396, 82 x 130 cm, 2200 RM), Weichsel bei Graudenz (1941, WV 398, 100 x 169 cm, 3500 RM), Danzig (1941, WV 402, 140 x 204 cm, 7000 RM), Krantor Danzig (1941, WV 403, 100 x 165 cm, 4000 RM), Danzig, am Fischmarkt (1941, WV 404, 140 x 204 cm, 6000 RM), Marienburg (1941, WV 405, 120 x 200 cm, 4000 RM), Marienwerder (1941, WV 406, 100 x 165 cm, 3000 RM), Marienburg im Winter (1942, WV 407, 100 x 165 cm, 3000 RM), Weichselniederung bei Graudenz (vermutlich Weichselniederung, 1941, WV 397, 82 x 130 cm, 2200 RM) sowie Kulm Marktplatz (1942, WV 408, 100 x 165 cm, 4000 RM), das im Katalog abgebildet wurde.“

Beim Schreiben war es einfacher, alles hintereinander wegzutippen, aber beim Lesen wird man irre. Die Bildtitel sind im Dokument kursiv, aber dafür bin ich im Blog zu faul.

Ansonsten bastelte ich am Abbildungsverzeichnis, jetzt, wo ich mich nicht mehr so stark auf den Text konzentrieren muss und bin jetzt schon bei 40 Abbildungen. Slow Clap.

Lustige Mailverkehre mit verschiedenen Bibliotheken gehabt, was Kopien von Ausstellungskatalogen angeht, die ich gerade als Fernleihe nicht bekommen kann wegen geschlossener Lesesäle. Gestern fragte ich in der Stabi Berlin nach einem Katalog, den ich mir Anfang März als Fernleihe hatte kommen lassen. Die UB München hatte mir am 17. März mitgeteilt, dass sie den Katalog wieder hätten zurückschicken müssen wegen Corona usw. Ich dachte also, der Katalog ist längst wieder in Berlin und fragte vor Ort nach. Dort sagte man mir lustigerweise, nee, der Katalog ist in München – ist das vielleicht sogar Ihre eigene Fernleihe? Ich also Mail an die UB mit Schilderung des Sachverhalts. Heute morgen Mail der UB: Katalog ist längst wieder in Berlin. Eventuell hat Corona jetzt eines der letzten Exemplare dieses Katalogs auf dem Gewissen, denn anscheinend weiß gerade niemand, wo er ist.

Immerhin ist er noch an zwei Standorten in Salzburg zu finden, frag ich halt da nach.

Eigentlich sollte er laut KVK sogar im ZI sein, aber da ist er nicht. Mein Bällebad ist seit heute wieder geöffnet, nur mit einem Drittel der Kapazität, aber immerhin. Und: Man kann nicht mehr durchgehend ab morgens im Lesesaal sitzen, es gibt zwischen 13 und 14 Uhr eine Zwangspause, in der irgendwas desinfiziert wird, und danach kommt man, wenn man vormittags da war, nicht mehr rein. Ich so: „NOOOOO!“ F. so: „Kriegste wenigstens mal ne zeitige Mittagspause.“

Mittags- aka Nachmittagsessen, WEIL ICH UM 13 UHR HALT NOCH KEINE PAUSE MACHEN WILL: Halloumi, Brokkoli und ne Runde Radieschen, die ich kurzerhand in ein Honigdressing warf, weil ich keine Lust auf diese ziepige Schärfe hatte. Abends hocherfreut festgestellt, dass der im Balkonkasten ausgesäte Salat zartgrün durch die Erde lugt. Und auch im Eierkarton auf dem Fensterbrett schaut eine einzige ausgesäte Tomate in Richtung Himmel. Wenn das hier alles wieder ohne Desinfektion und Mundschutz funktioniert, bin auch ich als Kinderlose wieder in den 1950er-Jahren angekommen mit meinem Sauerteig, meinem Minigärtchen und meinen Handarbeiten.

Das war’s. Sehr ruhiger, emsiger, schöner Tag. Bis auf den Ausstellungskatalog. (Vorletzte Hoffnung Uni Wuppertal. Ich zähle auf euch! Sonst: Servus, Salzburg, ihr Racker!)

Tagebuch Montag, 4. Mai 2020 – Mit Büchern arbeiten

Da konditioniert man sich wochenlang auf Datenbanken und PDFs und dann liegen da plötzlich wieder Bücher vor einem. Aus einer Bibliothek! Ich wusste gar nicht mehr, wie man mit denen umgehen soll.

Aber hey, ich fand mich doch recht schnell in dieses Medium hinein und ergänzte weiter lustig Dinge in der Diss, hauptsächlich in den Abschnitten, wo es um die Arbeiten von Protzen für das Deutsche Museum geht. Das Archiv ist leider immer noch geschlossen und auf der Website ist auch noch kein angepeilter Öffnungstermin zu erkennen. Aber auch durch Bücher – und ein paar Scans, die ich laut Dateiname im Januar 2018 vom Bestandskatalog des Deutschen Museums gemacht hatte – konnte ich ein bisschen was anlegen. Was mir allerdings erst gestern auffiel und mich seitdem wahnsinnig macht: Eins meiner liebsten Bilder des Herrn, über den ich eigentlich promovieren wollte, war eine Auftragsarbeit für das Deutsche Museum. Wusste ich nicht. Hätte ich wissen können. Hatte ich sogar schon mal im Original gesehen. Danke, Schirn.

Carl Grossberg: Der gelbe Kessel, 1933, Öl auf Holz, 94 x 74 cm, Von der Heydt-Museum Wuppertal.

(Quelle: WikiCommons. Das Bild ist in den USA bereits gemeinfrei, hier vermutlich nicht, mir gerade wurst. Bin immer noch auf die Erben stinkig.)

Am frühen Abend einen Doppelregenbogen gesehen, brav instagrammt und dabei gemerkt, dass gerade meine komplette Münchner Timeline Doppelregenbögen instagrammte. Like.

Abendbrot vom feinsten, dieses Mal nicht TK, aber mit Basilikum vom Balkon. #Was_schön_war

Will the Food Habits of Scallion Nation Outlast Quarantine?

Schöner Artikel über Dinge, die wir in seltsamen Zeiten tun. Im Artikel versteckt ist ein Twitter-Thread der Autorin, die ihre Leser*innen fragte, welche Angewohnheiten sie von Eltern und Großeltern übernommen hätten, mit denen man Geld sparen könnte. Interessante Antworten.

Ich bin in einem Haushalt groß geworden, in dem ich Kleidung meiner älteren Cousine auftrug und sie dann an meine jüngere Schwester weiterreichte. Bei uns wurde das Silberpapier von Schokoladentafeln aufgehoben, weil man damit noch Butterbrote einwickeln konnte, auf Briefumschlägen wurden Notizen gemacht, mein Vater schleppte altes Geschäftspapier – zum Beispiel mit veralteten Adressen oder Briefköpfen – kistenweise nach Hause, auf dem ich dann rummalte. Das Papier ist bis heute nicht aufgebraucht. Meine Mutter reicht mir heute noch Leinenhandtücher weiter, die sie aus Bettlaken meiner Großeltern genäht hat; es gibt keine besseren Geschirrtücher, ich habe in meinem ganzen Leben einmal Geschirrtücher gekauft, weil ich mal welche in bunt oder mit Mustern haben wollte, es aber danach gelassen, denn, wie erwähnt, es gibt keine besseren, fusselfreieren, schnelltrocknenden Geschirrtücher als diese. Gefrierbeutel wurden selbstverständlich ausgewaschen und mehrfach verwendet, und so herrliche Plastikbecher wie die Mövenpick-Eispackungen ersparten Tupperware. Ich habe es nach meinem Auszug von zuhause als absoluten Luxus empfunden, mir Tupperware (no name) zu kaufen, um endlich keine alten Eiscontainer mehr benutzen zu müssen, fange jetzt aber auch an, diese aufzuheben. Und seit bei mir das Geld nicht mehr ganz so locker ist, wasche ich Gefrierbeutel aus und benutze Backpapier mehrfach, solange es nicht völlig durchgefettet ist. Nahrungsmittel mit abgelaufenem Datum haben mich noch nie erschreckt, und ja, auch auf meinem Fensterbrett wachsen gerade Frühlingszwiebeln.

„Recently, the writer Jenny G. Zhang called the trend of growing scallions in jars “Victory Sills.” A perfect name, and a nod to the food gardens people were first encouraged to grow as their civic duty during World War I.

But liberty or victory gardens, fueled by wartime scarcity, were a relatively short-lived movement (though provision gardening has made a comeback recently). As soon as many Americans realized that gardens weren’t totally necessary, that all the extra work of maintaining them year round was, well, work, millions of gardens were abandoned.

The end of self-isolation could mean a return to all the conveniences of a pre-pandemic food era, to an unstable, fragile food system. But for those who live through the pandemic, it could also shape a collective response, and all of these small habits could add up to a meaningful shift that changes our food culture.“

Tagebuch Samstag/Sonntag, 2./3. Mai 2020 – Wochenende

Das Motto war: ausruhen. Nichts erledigen, nichts müssen, nichts machen. Nichts gebacken, nichts gekocht, die gute TK-Pizza genossen, den Tee kalt werden gelassen, die Diss ignoriert. Viel gelesen und viel nachgedacht über Dinge, die ich hier im Blog nicht verhandele. Das war nötig und das hat sehr gut getan.

Einzige produktive Tätigkeit: einen weiteren Mundschutz produziert, dank eines Leserinnentipps mit nur zwei Nähten (man kann aber noch eine dritte setzen, was ich beim nächsten Mal vermutlich tun werde). Die einfach nachzubastelnde Videoanleitung steht hier, mein Exemplar sieht so aus und hat nicht mal eine halbe Stunde gedauert.

Haha, sehe gerade auf dem Bild, dass ich das eine Gummiband nochmal vernähen muss. Danke, Weblog. Ich hatte den Mundschutz gestern schon getragen und danach ausgekocht, anscheinend hat das schon gereicht, um meine rustikale Fertigung auf den Prüfstand zu stellen.

Tagebuch Donnerstag/Freitag, 30. April/1. Mai 2020 – Nähen und Nähe

Donnerstag war Schreibtischtag, eher unkonzentriert, aber immerhin ist mir eine Sache fürs Abbildungsverzeichnis eingefallen, über die ich tagelang gegrübelt habe. Für den Rest des Lebens merken: vielleicht einfach mal Dinge machen anstatt ewig Pro-und-Contra-Listen im Kopf aufstellen und paralysiert rumsitzen.

Am Freitag habe ich dann Dinge gemacht.

Donnerstag holte ich nach einem kurzen Spaziergang zur Packstation die erste Stofflieferung meines Lebens für mich ab und packte sie zuhause sehr ehrfürchtig aus.

Nach dem Bewundern kam alles in die Waschmaschine und Freitag wurden die drei Stücke erstmal gebügelt. Ich hatte nach günstigen Stoffen geschaut, weil ich ahnte, dass die Mundschutze daraus keine Design- und Schönheitspreise gewinnen würden, aber ich mochte Muster und Farben natürlich, sonst hätte ich kein Geld dafür ausgegeben.

Der Akademikerinnenschreibtisch wurde hergerichtet, wie ein Foto aus der Hüfte für F. zeigt. Auf dem Rechner holte ich das vorgestrige Hauskonzert von Herrn Levit nach.

Omas Nähkiste hatte ich vor ein paar Tagen sortiert; was ich mit dem ganzen Stopfgarn anfange, weiß ich noch nicht, aber wenn die Pandemie mich irgendwas gelehrt hat, dann: erstmal aufheben. Außerdem habe ich Nähgarn in vielen Farben, ein paar Spulen (? wie nennt man die Papierröllchen, auf denen das Garn wohnt?) hatte ich selbst auch schon angeschafft für die wenigen Näharbeiten, die ich mir in der Vergangenheit zugetraut hatte, hier mal eine aufgerissene Naht am Lieblingsshirt, da ein Knopf an der Bluse locker.

Neben den Stoffen hatte ich bei einem anderen Laden ein bisschen Zubehör gekauft: Schneiderkreide, einen Nahtauftrenner und 200 Stecknadeln. Stoffschere und Bügelbrett sind vorhanden, eine Nähmaschine leider nicht. Bestellt hatte ich bei Butinette – die machen Bandenwerbung beim FC Augsburg und den Namen hatte ich mir gemerkt, weil er so albern klang und ich ihn deshalb googeln musste. Bandenwerbung wirkt, People!

Den gebügelten Stoff zurechtgelegt und dabei gemerkt, dass mein Schreibtisch kein Nähtisch ist, vielleicht nächstes Mal doch in der Küche arbeiten weil mehr Platz? Dann die Maskengröße abgemessen. Beim letzten Basteln hatte ich mir die Maße von 17 x 34 cm gemerkt, die passt mir gut. Außerdem zwei Ohrengummis mit je 20 cm Länge. Danke, Oma, dass du Gummiband aufgehoben hast. Meine Mutter erzählte neulich am Telefon, sie habe im Radio gehört, dass Gummiband knapp wird, weil gerade alle Mundschutze nähten. Noch ein Lerneffekt der Pandemie: Dieses Just-in-Time, also eine Produktion nach momentanem Bedarf, hat auch seine Tücken. Hey, generell hat der Kapitalismus Tücken, irre Erkenntnis.

Beim letzten Mal hatte ich einfach die Stofflage gefaltet und zusammengenäht, wobei ich außen nicht unbedingt hübsche Nähte produzierte. Noch ein Lerneffekt, ich lerne momentan ja dauernd: den Stoff auf die hässliche Seite drehen, dann zusammennähen, dann umdrehen – unsichtbare Nähte. Toll. Irgendeinen Denkfehler hatte ich beim Gummibandannähen gemacht, womit auch der Nahtauftrenner zum Einsatz kam (sehr vorausschauend eingekauft), aber mir fällt schon nicht mehr ein, was genau ich verdaddelt habe.

Mit meinen schicken und fies spitzen Stecknadeln, wundert mich, dass ich den Stoff nicht vollgeblutet habe, konnte ich auch eine Falte mehr anstecken als bei der letzten Produktion. Ich gab mir auch mehr Mühe beim Rand, aber mit dem bin ich immer noch unglücklich, weil er so fransig aussieht. Auf Insta kam der Tipp, die Ränder einzuschlagen, um sie zu versäumen, das teste ich mal. Ist das etwa die legendäre Nahtzugabe, von der ich schon so viel gehört habe? Oder ich nähe fies einen Stoffstreifen über den Rand, den ich natürlich auch erstmal säumen müsste. Mit Maschine in zehn Sekunden gemacht (glaube ich), aber per Hand dauert das halt.

Auch den Drahtbügel für die Nase nähte ich anders ein als beim letzten Mal, wo ich einfach um den Bügel rumgenäht hatte. Hier nähte ich unter ihm eine Naht, allerdings nicht über die ganze Breite; an den Seiten wird er eh von den Gummienden am Platz gehalten.

Das hat viel Freude gemacht, auch wenn ich alle zehn Minuten „Au!“ gesagt habe. Diese sehr neue Beschäftigung fühlt sich an wie meine ersten Kochversuche vor über zehn Jahren: Da fand ich es sehr hilfreich, jemanden mit mir am Herd und auf dem Markt zu haben, der mich an die Hand nimmt. Hier finde ich es gerade sehr spannend, Dinge selbst herauszufinden. Hey, falls jemand in München seine Nähmaschine zu einem pandemiegerechten Preis loswerden will und sie mir an die Haustür bringt (kein Auto zum Abholen), täte ich die mit Kusshand nehmen. Mail genügt. Ansonsten stümpere ich einfach weiter vor mich hin.

Nebenbei: Eine Bekannte von mir näht gerade Mundschutze und verkauft sie, falls noch jemand einen braucht. Das ist die Lebensgefährtin des Herrn, dessen Dauerkarte vom FCA ich besitze. Sag noch mal jemand, dass Fußball alberner Zeitvertreib ist. Ich bin trotzdem dagegen, dass die Bundesliga ihren Spielbetrieb wieder aufnimmt. Aber falls sie es trotz meines Unwillens tun, sitze ich natürlich beim Anstoß am Laptop, ist klar.

Abends hatte ich ein Date mit F. Darüber breite ich den Mantel des Schweigens, aber das war sehr schön und wir waren etwas weniger viktorianisch als die beiden Male davor. Trotzdem getrennt geschlafen, weil wir beide gerade unruhige Nächte haben. Aber das hat mich sehr gefreut, dass wir uns beide getraut haben, dem anderen wieder näher zu kommen.

Links vom 1. Mai 2020

Zwei Longreads für den Feiertag.

Pilgrimage

Susan Sontag traf als 14-Jährige ihren literarischen Helden Thomas Mann und ich möchte jeden Absatz rauskopieren, weil es um so viel mehr geht: um die Faszination des Lesens, um die Suche nach Gleichgesinnten und die Suche nach sich selbst.

„I considered telling him that I loved “The Magic Mountain” so much that I had read it twice, but that seemed silly. I also feared he might ask me about some book of his which I had not read, though so far he hadn’t asked a single question. “ ‘The Magic Mountain’ has meant so much to me,” I finally ventured, feeling that it was now or never.

“It sometimes happens,” he said, “that I am asked which I consider to be my greatest novel.”

“Oh,” I said.

“Yes,” said Merrill.

“I would say, and have so replied recently in interviews . . .” He paused. I held my breath. “ ‘The Magic Mountain.’ ” I exhaled.“

Why the Coronavirus Is So Confusing

Der Untertitel schubst in die richtige Richtung: „A guide to making sense of a problem that is now too big for any one person to fully comprehend.“

„The coronavirus is not unlike the Y2K bug—a real but invisible risk. When a hurricane or an earthquake hits, the danger is evident, the risk self-explanatory, and the aftermath visible. It is obvious when to take shelter, and when it’s safe to come out. But viruses lie below the threshold of the senses. Neither peril nor safety is clear. Whenever I go outside for a brief (masked) walk, I reel from cognitive dissonance as I wander a world that has been irrevocably altered but that looks much the same. I can still read accounts of people less lucky—those who have lost, and those who have been lost. But I cannot read about the losses that never occurred, because they were averted. Prevention may be better than cure, but it is also less visceral.

The coronavirus not only co-opts our cells, but exploits our cognitive biases. Humans construct stories to wrangle meaning from uncertainty and purpose from chaos. We crave simple narratives, but the pandemic offers none.“