2023 revisited

(2022, 2021, 2020, 2019, 2018, 2017, 2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009, 2008, 2007, 2006, 2005, 2004, 2003.)

1. Der hirnrissigste Plan?

Zu glauben, dass wir alle dasselbe Internet kennen.

2. Die gefährlichste Unternehmung?

E-Mails schreiben.

3. Die teuerste Anschaffung?

Zwei neue Billy-Regale mit Aufsatz fürs Arbeitszimmer, damit ich nicht weiter über Bücherstapel stolpere. Oder die drei Frühstücke in Amsterdam für F. und mich. Müssten ungefähr genauso viel gekostet haben, du schöne, überlaufene Touristadt.

4. Das leckerste Essen?

Der erste Krug-Champagner im Brothers. Der Oger-Champagner von Benoit Marguet im Waltz, von dem ich ernsthaft geträumt habe. Die zwei, drei Hellen mit Schwester und Schwager im Obacht. Alle Cocktails in der Bar Tantris. Der Volnay, mit dem uns das Tantris DNA ins Burgund schickte, aus dem wir nicht wieder herauskommen.

Der frittierte Blumenkohl in der Schreiberei. Alle Saucen im Tantris und im Tantris DNA. Jeder einzelne Gang bei Tohru und im Alois. Das Kaiseki-Menü im Masa in Frankfurt. Das vegetarische Menü im Flore in Amsterdam. (You had me at Kohlrabi.) Jede Erdnusssauce, die ich über meinen Gemüsereis geschlotzt habe. Das bei Niedrigtemperatur gegarte Rindfleisch, das der Schwager zu Weihnachten servierte.

5. Das beeindruckendste Buch?

Sachbuch:
– Anatol Regnier: Jeder schreibt für sich allein. Schriftsteller im Nationalsozialismus
– Gregor Hofmann: Mitspieler der „Volksgemeinschaft“. Der FC Bayern und der Nationalsozialismus
– Steffen Mau: Lütten Klein. Leben in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft

Fiktion:
– Klaus Mann: Mephisto. Roman einer Karriere
– Colson Whitehead: The Nickel Boys
– Bernardine Evaristo: Girl, Woman, Other

6. Der ergreifendste Film?

Die Frage könnte ich auch mal streichen. Ich schaue kaum noch Filme, gehe quasi überhaupt nicht mehr ins Kino, weiß nicht mehr, was gerade angesagt ist. Ich gucke Serien, das war’s, gerne Altbekanntes, das nebenbei läuft. Ich merke da aber auch, dass sogar die Lieblinge mich nicht mehr so mitnehmen. Selbst „Masterchef Australia“, jahrelang ein Garant für gute Laune, war mir in diesem Jahr irgendwie egal.

Ich ersetze die Frage durch:

6. Was hast du 2023 gelernt?

Dass ein Job, der wie ein Traum klingt, nicht immer ein Traumjob sein muss. Dabei aber auch festgestellt, dass ich bisher von dieser Erkenntnis verschont wurde, das ist ja auch mal schön, das zu merken. Dass unverhofft Pläne um die Ecke kommen, von denen ich nicht mal wusste, dass ich sie habe, weil ich mit Menschen geredet habe anstatt alleine auf dem Sofa vor mich hinzuhadern. Dass ich nie genug Bücherregale haben werde. Okay, das wusste ich vermutlich schon vor diesem Jahr.

7. Die beste Musik?

Die 80er-Jahre-Playlist, die ich auf dem Weg von Düsseldorf nach Hause immer höre.

8. Das schönste Konzert?

Moderne Musik mit „Der gelbe Klang“, Mahlers 2. Sinfonie in der Isarphilharmonie, natürlich die Wiener Philharmoniker, vor allem weil Dvořák, Daniil Trifonov und Igor Levit, beide eine Liga für sich und doch absolut unterschiedlich. Aber eigentlich ist jedes Konzert mit F. toll, weil wir meist über Neues sprechen können und manchmal, nur manchmal, danach noch irgendwo auf ein bis fünf Getränke einkehren.

9. Die tollste Ausstellung?

Die ständige Sammlung im Dresdner Albertinum hat mir sehr gefallen, wobei ich mich da auf meine Zeit (20. Jahrhundert) beschränkt habe. Ignacio Zuloaga in der Kunsthalle. Charlotte Salomon und Turner im Lenbachhaus mochte ich sehr, das kann aber auch daran liegen, dass ich gerade bei Salomon dauernd unten war, weil’s halt ging, einfach in der Mittagspause kurz rein. In Amsterdam waren wir für Vermeer, das war schön, aber noch mehr beeindruckt hat mich Keith Harings „Amsterdam Notes“, das nach Jahrzehnten mal wieder im Stedelijk hing. „(K)ein Puppenheim“ im Münchner Stadtmuseum war wild und bunt und zu groß, hat mich aber gut unterhalten. Porzellan im Zwinger geht immer, genau wie die Moritzburg in Halle, wo die Dauerausstellung zum 20. Jahrhundert zu meinen liebsten gehört. Geht da mal hin! Und ins Stadtmuseum Kaufbeuren, da kann man dauernd Dinge hochheben, aufdecken, an Zeug ziehen, Knöpfchen drücken und überhaupt ist das dort alles eine totale Entdeckungsreise. Vorsatz fürs nächste Jahr: öfter in Stadtmuseen gehen. Gibt ja genug davon.

10. Die meiste Zeit verbracht mit …?

… mir und dem Nachdenken darüber, wie ich in diese Welt passe.

11. Die schönste Zeit verbracht mit …?

… backen und kochen und essen und Wein trinken. Das ist meine Komfortzone und aus der muss ich mal so überhaupt gar nicht raus.

12. Vorherrschendes Gefühl 2023?

Hä, was?

13. 2023 zum ersten Mal getan?

An einer Universität gelehrt. In einem Museum gearbeitet. Einen Forschungsantrag … fast fertig ausformuliert; hier hätte ich gerne „abgeschickt“ eingetragen, aber ich bastele lieber noch ein paar Wochen. Eine Fortbildung zu Provenienzforschung absolviert. In Sterneläden den Wein flaschenweise geordert und nicht mehr gläserweise. Champagner auch. Ein armenisches Kochbuch besessen. Koriander in Bohnensalat geworfen. Die guten weißen Stoffservietten im Alltag benutzt, denn wozu habe ich sie sonst, mache ich mit dem Silber ja auch. Hebräisch gelernt. Meinen Patenonkel beerdigt.

14. 2023 nach langer Zeit wieder getan?

Wochenlang nicht gebloggt. Zweimal erkältet gewesen (immer noch kein Covid gehabt, darf gern so bleiben, es ist inzwischen pure Glückssache, glaube ich, trotzdem: Tragt Masken). Regelmäßig Romane aus der Stadtbibliothek geliehen anstatt sie zu erwerben. Eine KZ-Gedenkstätte besucht. Vorstellungsgespräche gehabt. Festangestellt gewesen. Geflogen (erstmals nach März 2020). In Berlin, Amsterdam, Düsseldorf und Dresden gewesen. Dafür nach Jahren regelmäßiger Besuche mal nicht in Wien, das fehlt total.

15. Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten können?

[Kann ich hier nicht schreiben 1]. [Kann ich hier nicht schreiben 2]. Selbstzweifel, schlaflose Nächte und überflüssige Tränen durch [Kann ich hier nicht schreiben 1 und 2].

Wasser im mütterlichen Keller zu Weihnachten.

Das Erstarken rechter und rechtsextremer Parteien in Deutschland und dass einige demokratischen Parteien gefühlt nur zugucken und manche Medien Öl ins Feuer gießen. Wie dünn muss das Drahtseil über dem Abgrund denn noch werden? (Ich habe wochenlang nicht gebloggt, hier liegen noch ein paar Metaphern und Verallgemeinerungen rum.)

16. Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?

Mich selbst, dass Kapitalismus halt so funktioniert und ich gut gelaunt mitspielen muss, um nicht unter einer Brücke zu enden.

17. Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?

Das Mütterchen regelmäßiger anzurufen, auch wenn’s eigentlich gerade nichts zu erzählen gibt. Gibt es dann nämlich doch immer.

18. Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?

Besuch von Schwesterchen und Schwager in München sowie alle Essens- und Konzerteinladungen durch F. Ich würde ohne ihn verhungern (naja) und verblöden.

19. Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?

„Bei dir fühle ich mich sicher.“

20. Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?

„Danke für deine Hilfe.“

21. 2023 war mit einem Wort …?

Verwirrend.

What Anke ate in 2023

(2022, 2021, 2020, 2019, 2018, 2017, 2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010)

Leseliste 2023

2022, 2021.

Bücher, die ich euch empfehlen möchte, haben einen Stern (kann man gut machen) oder zwei Sterne (kann man sehr gut machen).

1. Han Kang (Ki-Hyang Lee, Übers.): Die Vegetarierin *
Ein anstrengendes Frauenbild, was aber Sinn ergibt, denn genau das wird angeprangert. Faszinierend zu lesen, aber definitiv kein Gute-Laune-Buch.

2. Max-Jacob Ost: Aus Liebe zum Spiel. Uli Hoeneß, das Geld und der deutsche Fußball **
Auch wenn man sich wie ich null für Hoeneß interessiert, sehr spannend und lesbar. Viel über die Bundesliga und ihre Entwicklung in den letzten 50 Jahren gelernt.

3. Don DeLillo: White Noise *
Erste Hälfte fand ich großartig, auch die Schilderung des Chemieunfalls und die unmittelbaren Folgen auf einzelne Figuren. Dann glitt es für mich ab in zu viel Gequatsche und ab da hatte mich das Buch verloren. Die letzten 40 Seiten quergelesen.

4. Barbara Bloemink: Florine Stettheimer. A Biography *
Bisschen viel erklärbärig, was die Werkbeschreibungen angeht, zu viel Poesie. Aber: tolle Abbildungen, schöner Gesamtbogen.

5. Karl Jakob Hirsch: Kaiserwetter *
Schöne moderne Sprache (1931), leider aber, wie zu erwarten gewesen war, zu viele männliche Figuren. Mich hätten ein paar der Damen mehr interessiert, die einfach so aus dem Plot fielen.

6. David de Jong (Michael Schickenberg/Jörg Pinnow, Übers.): Braunes Erbe. Die dunkle Geschichte der reichsten deutschen Unternehmerdynastien *
Spannend erzählt, mir manchmal zu journalistisch und zu wenig akademisch-historisch, aber das will das Buch ja auch gar nicht sein. Macht logischerweise nie gute Laune.

7. Joseph Roth: Die Kapuzinergruft **
Roth halt. Roth geht immer.

8. Anatol Regnier: Jeder schreibt für sich allein. Schriftsteller im Nationalsozialismus **
Bin über den maskulinen Untertitel gestolpert, konnte aber befriedigt feststellen, dass es auch Schriftstellerinnen gab, mit denen es sich zu beschäftigen lohnt. Sehr lesbares Kompendium, sehr viele Schlaglichter, sehr viele Fäden, die man auch nach dem Buchende verfolgen möchte.

9. Margret Greiner: Charlotte Salomon *
Nerviger Stil, zu viel Roman, trotzdem die Geschichte mitgenommen, lese aber doch deutlich lieber Sachbücher zu Künstler*innen.

10. Joseph Roth: Die Legende vom heiligen Trinker **
Roth halt. Roth geht immer.

11. Hans Fallada: Der Trinker **
Fallada halt. Fallada geht immer.

12. Sayaka Murata (Ursula Gräfe, Übers.): Das Seidenraupenzimmer **
Von Murata hatte ich im letzten Jahr Die Ladenhüterin gelesen, was zu meinen Lieblingen gehörte. Das hier fängt etwas behäbig an und dreht dann völlig durch.

13. Clemens Meyer: Als wir träumten **
Die NZZ meinte, 300 Seiten zu lang, ja, vielleicht, aber ich habe auch diese 300 Seiten gerne gelesen.

14. Benjamin von Stuckrad-Barre: Noch wach? *
In sich und die eigene Stimme total verknallt , aber dann doch so verführerisch runtergeschrieben, dass ich es in einem Zug durchgelesen habe.

15. Joseph Roth: Hiob **
Ihr wisst schon.

16. Anne Enright: The Green Road **
Verschiedene Personen erhalten verschiedene Stimmen, um sich im letzten Kapitel zusammenzufinden. Gerade das letzte Kapitel fand ich am beliebigsten, aber für alle anderen lohnt es sich.

17. Lipika Pelham: Jerusalem on the Amstel *
Sehr viel gelernt über die jüdischen Einwander*innen aus dem Spanien und Portugal der Inquisition und wie diese mithalfen, das Goldene Zeitalter der Niederlande zu begründen. Manchmal wiederholt sich einiges, manche Abzweigungen habe ich nicht verstanden. Trotzdem eine Empfehlung.

18. Jörg Johnen: Warhol und das schreckliche Kind **
Johnen erzählt, wie er als schwuler Mann in der alten Bundesrepublik aufwuchs und wie Kunst und Literatur ihn nicht am Leben verzweifeln ließen. Außerdem ein bisschen Kunstmarkttratsch. Runtergelesen.

19. Wolfgang Koeppen: Eine unglückliche Liebe *
Von Koeppen habe ich bisher alles verschlungen und geliebt, mit diesem schmalen Band von 1934 habe ich gehadert. Vielleicht weil es noch nicht nach dem Koeppen klang, den ich so mag.

20. Franny Moyle: Turner. The Extraordinary Life and Momentous Times of J.M.W. Turner **
Wurde mir von einer Kuratorin aus dem Lenbachhaus geliehen, weil ich für das Museum einen Newsletter und einen Blogeintrag über den Maler schreiben sollte. War manchmal sehr kleinteilig, was für die Kuratorin natürlich toll war, für mich, die eher einen Überblick suchte, der über die Wikipedia hinausgeht, war es irgendwann etwas zu viel. Trotzdem klare Empfehlung für alle, die mehr über den Maler wissen möchten.

21. Gregor Hofmann: Mitspieler der „Volksgemeinschaft“. Der FC Bayern und der Nationalsozialismus **
Große Empfehlung, nicht nur für Fans dieses Vereins. Ja, es geht um Fußball und Trophäen, aber noch mehr geht es um den nationalsozialistischen Staat bzw. die „Hauptstadt der Bewegung“ München und wie man sich beidem anpasst oder verweigert. Sehr detailreich und für ein wissenschaftliches Buch sehr lesbar geschrieben.

22. Michiko Aoyama (Sabine Mangold, Übers.): Frau Komachi empfiehlt ein Buch *
Keine große Literatur, aber ein charmantes kleines Buch, das mich ein paar Tage begleiten konnte. Ich habe die Story der Bibliothekarin, deren Buchempfehlungen weit mehr sind als nur Lesetipps, gerne verfolgt.

23. Alena Schröder: Bei euch ist es immer so unheimlich still **
An einem Vormittag runtergelesen. Wie Schröders erstes Buch sehr dicht geschrieben, wenn mir auch manche Klischees der Dorfbewohner*innen zu klischeeig geworden sind.

24. Klaus Mann: Mephisto. Roman einer Karriere **
Zu Recht ein Klassiker. Teilweise anstrengend, wenn es um Schilderungen einer Schwarzen Person geht, und dicke Menschen mochte Mann wohl auch nicht, aber das nehme ich in Kauf.

25. Ernst Wiechert: Das Totenhaus **
Wiechert war 1937 für einige Monate in Buchenwald interniert. Nach seiner Entlassung schrieb er den Roman Das einfache Leben, was ein großer Erfolg in Deutschland wurde, bevor er die Kraft hatte, im Totenwald über Buchenwald zu schreiben. Er vergrub das Manuskript; das Buch wurde erst 1946 veröffentlicht. Es kolportiert etwas Sprache und Inhalt der NS-Zeit, es hat kaum Abstand zu den Geschehnissen, wie denn auch, und das kann man ihm durchaus vorwerfen. Mich hat das Buch verstummen lassen. Absolute Empfehlung.

26. Colson Whitehead: The Nickel Boys **
Die Geschichte über einen Schwarzen Jugendlichen, der in einer Besserungsanstalt im Florida der 1960er Jahre landet, beruht auf einer wahren Begebenheit. Ähnlich hervorragend lesbar wie Whiteheads The Underground Railroad. Wichtige Details der Geschichte des Schwarzen Amerikas, die ich so noch nicht kannte oder wahrgenommen habe.

27. Ernst Wiechert: Das einfache Leben **
Überrascht gern gelesen und hier verbloggt.

28. Steffen Mau: Lütten Klein. Leben in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft **
Sehr viel gelernt, sehr viel nachgedacht.

29. Bov Bjerg: Der Vorleser *
Schöne Grundidee, aber hört für mich irgendwie mittendrin auf. Trotzdem gern gelesen.

30. Michael Wildt: Die Ambivalenz des Volkes. Der Nationalsozialismus als Gesellschaftsgeschichte **
Aufsatzsammlung, weswegen sich manches wiederholt. Trotzdem sehr aufschlussreich.

31. Jörg Skriebeleit: Erinnerungsort Flossenbürg. Akteure, Zäsuren, Geschichtsbilder **
Sehr vieles über die Orte von Konzentrationslagern nach 1945 gelernt. Auch noch nie darüber nachgedacht, was nach der Befreiung mit diesen Stätten, Häusern, Geländen passierte.

32. Tobias Rüther: Herrndorf. Eine Biographie **
Viel über Herrndorfs Kunst erfahren, bevor es zur Literatur ging. Macht eine schöne Schleife ums Gesamtwerk.

33. Ina Seidel: Das Wunschkind *
Halb gelesen, halb quergelesen, weil man nach 300 Seiten irgendwann ahnt, wie es endet und das macht es dann nach weiteren 300 Seiten auch.

34. Wolfgang Herrndorf: In Plüschgewittern *
Klingt nach Anfang der 2000er, ist okay gealtert, aber mein Liebling von Herrndorf ist es nicht geworden. Und Anfang der 2000er kam halt auch Kracht, und von dem liebe ich alles.

35. Ernst Wiechert: Die kleine Passion *
Angelehnt an die Passion Jesu und ein bisschen zu sehr ins Leiden der Hauptfiguren verliebt. War mir fast unangenehm, ihnen beim Schmerz zuzusehen.

36. Wolfgang Herrndorf: Arbeit und Struktur **
Hätte ich mich an das Buch oder das Blog, das ich regelmäßig las, vor drei, vier Jahren erinnert, wäre mir Papas Zustand vielleicht verständlicher gewesen. Nach der Veröffentlichung hatte ich mich gefragt, wieso man das Blog als Buch rausgeben muss – jetzt weiß ich es: Es liest sich auf Papier, geringfügig lektoriert und vor allem mit einem Nachwort versehen, doch anders. Oder ich habe inzwischen viel dazugelernt, das mag auch immer sein.

37. Keiichirō Hirano (Nora Bierich, Übers.): Das Leben eines Anderen *
Tolle Idee, für mich zu schwafelig umgesetzt.

38. Matthew Perry: Friends, Lovers and the Big Terrible Thing *
Lag ewig auf der „Lese ich irgendwann“-Liste, dann las ich es an Perrys Todestag komplett durch. Hat mich in seiner Schonungslosigkeit und mit den ewigen Wiederholungserscheinungen seiner Sucht, der Perry nicht entrinnen konnte, etwas verstört. Goodbye, Mr. Bing. We’ll try to keep it down.

39. Bernardine Evaristo: Girl, Woman, Other **
Toller Stil, spannende Geschichte, mich hat das Buch sehr abgeholt und mir gesagt, dass ich nicht alleine bin.

40. Emma Cline: The Guest **
Mochte ich noch lieber als den Erstling The Girls von Cline. Ich fragte mich zwar zwischendurch, warum ich mich für die Hauptfigur interessieren sollte, aber genau das hat mich dann am Buch gereizt.

41. Gabriele Tergit: So war’s eben *
Anstrengend, weil kaum lektoriert, aber genau deshalb hat man die Möglichkeit, der Autorin sehr nahe zu kommen. Wenn man sich ein bisschen in der Zeit auskennt, kann man zwischen den Zeilen viel entdecken.

42. Christoph Zuschlag: Einführung in die Provenienzforschung **
Einführung halt. Kommt in das Fach mit den Überblickswerken.

43. Raphaela Edelbauer: Die Inkommensurablen **
Fing toll an, hing im Mittelteil etwas durch, hatte mich zum Schluss aber wieder. Eine wilde Mischung aus historischem Roman und totalem Spinnertum, was ich eigentlich überhaupt nicht mag, aber hier hat es funktioniert. Muss jetzt alles andere von Edelbauer lesen.

44. Uwe Neumahr: Das Schloss der Schriftsteller: Nürnberg ’46. Treffen am Abgrund **
Neumahr hangelt sich an der Chronologie der Nürnberger Prozesse entlang und schreibt über die Schriftsteller*innen, die den Prozess beobachteten. Jede*r kriegt ein Kapitel; manche habe ich verschlungen, andere waren mir im Nachhinein komplett egal. Trotzdem sehr interessiert gelesen.

Nicht beendet:
– Tom Drury: Hunts in Dreams. Will clever sein, nervt aber nur.
– Mithu Sanyal: Identitti. Zu drei Vierteln durchgehalten, obwohl ich es schon nach 100 Seiten weglegen wollte. Das Nachwort habe ich lieber gelesen als den Rest des Buchs. Identitätspolitik bleibt für mich eher ein Sachbuchthema.
– Charles Frazier: Thirteen Moons. Sein Cold Mountain fand ich großartig, das hier hatte mir zu viele Kerle, die mich nicht interessiert haben.

„In jener Zeit erließ Kaiser Augustus den Befehl an alle Bewohner seines Weltreichs, sich in Steuerlisten eintragen zu lassen. Es war das erste Mal, dass solch eine Erhebung durchgeführt wurde; damals war Quirinius Gouverneur von Syrien. So ging jeder in die Stadt, aus der er stammte, um sich dort eintragen zu lassen.

Auch Josef machte sich auf den Weg. Er gehörte zum Haus und zur Nachkommenschaft Davids und begab sich deshalb von seinem Wohnort Nazaret in Galiläa hinauf nach Betlehem in Judäa, der Stadt Davids, um sich dort zusammen mit Maria, seiner Verlobten, eintragen zu lassen. Maria war schwanger. Während sie nun in Betlehem waren, kam für Maria die Zeit der Entbindung. Sie brachte ihr erstes Kind, einen Sohn, zur Welt, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Futterkrippe; denn sie hatten keinen Platz in der Unterkunft bekommen.

In der Umgebung von Betlehem waren Hirten, die mit ihrer Herde draußen auf dem Feld lebten. Als sie in jener Nacht bei ihren Tieren Wache hielten, stand auf einmal ein Engel des Herrn vor ihnen, und die Herrlichkeit des Herrn umgab sie mit ihrem Glanz. Sie erschraken sehr, aber der Engel sagte zu ihnen: „Ihr braucht euch nicht zu fürchten! Ich bringe euch eine gute Nachricht, über die im ganzen Volk große Freude herrschen wird. Heute ist euch in der Stadt Davids ein Retter geboren worden; es ist der Messias, der Herr. An folgendem Zeichen werdet ihr das Kind erkennen: Es ist in Windeln gewickelt und liegt in einer Futterkrippe.“ Mit einem Mal waren bei dem Engel große Scharen des himmlischen Heeres; sie priesen Gott und riefen: „Ehre und Herrlichkeit Gott in der Höhe, und Frieden auf der Erde für die Menschen, auf denen sein Wohlgefallen ruht.“

(Neue Genfer Übersetzung)

Ich wünsche euch allen ein friedliches, fröhliches, besinnliches, schönes, gesegnetes Weihnachtsfest. Danke fürs Lesen, auch wenn es derzeit eher mein Mastodon-Account ist.

Ein anderes Dankeschön …

… an eine*n unbekannte*n Schenker*in, denn dem geöffneten Bücherpaket lag kein Zettel mit Absender oder Grußbotschaft bei – ob das nun Absicht war oder der Zettel beim Transport verloren gegangen ist, kann ich leider nicht sagen. Aber immerhin ist das Buch unbeschadet bei mir angekommen, und ich kann nun „Deutschland aus jüdischer Sicht. Eine andere Geschichte vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart“ von Shulamit Volkov lesen (übersetzt von Ulla Höber). Vielen Dank für die Überraschung, ich habe mich sehr gefreut!

Nebenbei kann ich Volkovs hebräischen Namen schon ansatzweise in der Wikipedia entziffern; ich hatte vor wenigen Wochen die brillante Idee, mit Duolingo Hebräisch zu lernen. Mehr als die Hälfte des Alphabets kann ich noch nicht, aber das macht bisher großen Spaß. Und wenn man in der Provenienzforschung unterwegs ist, kann es (leider) nicht schaden, ein paar hebräische Buchstaben lesen zu können.

Edit, 30 Minuten nach Veröffentlichung: Schenkerin hat sich gemeldet. Internet ist super.