Karoline Döring fragte vorgestern auf Twitter, ob es Studierenden bei den Hausarbeiten helfen würde, eine Literaturliste zu bekommen oder gar eine vorgebene Forschungsfrage:
„Ich merke grad wie komplex das Schreiben von HA für Studis sein muss. #empathie und überlege schon, wie ich besser unterstützen kann. / Allein der Schreibprozess ist extrem komplex. Wenn noch wiss. Recherche & Beurteilung wiss. Publikationen bzgl. ihrer Relevanz hinzukommt …“
Ich twitterte zurück, einige andere auch, aber ich dachte, das könnte ich auch mal verbloggen, was mir im Studium beim Vorbereiten von Referaten und Hausarbeiten geholfen hat. Sehr subjektiv natürlich.
Referats- und Hausarbeitsthemen
Ich persönlich fand Seminare hervorragend, wo in der ersten Sitzung jede*r eine Liste bekam, auf der Themen standen, die von der Dozentin kurz vorgestellt wurden und für die man sich dann melden konnte. Man wusste ungefähr, was in dem Thema steckte und vor allem, wann der Referatstermin im Semester war. Ich persönlich mochte die Mitte des Semesters gerne, dann hatte ich genug Zeit für die Vorbereitung, aber auch danach noch genug Zeit für die Hausarbeit. Am Semesterende musste ich schließlich auch für Klausuren lernen und hätte dann ungern noch ein Referat vorbereitet, daher habe ich diesen Zeitpunkt stets vermieden, außer jetzt bei Leo von Welden, denn über den Mann kann ich inzwischen fast im Schlaf etwas erzählen. Ich kenne aber auch genug Studis, die gerne alles ewig aufschieben.
Eine vorgebene Forschungsfrage hätte ich doof gefunden, aber gerade in den ersten Semestern war ein Schubs in die richtige Richtung sehr hilfreich. Vielleicht hatte ich mit meinen Proseminaren Glück, denn ich musste mich dort nur mit jeweils einem Werk auseinandersetzen und nicht mit einem ganzen Lebenswerk; das heißt, mein Fokus war schon sehr übersichtlich. Wenn ich aber statt „Diptychon des Martin van Nieuwenhove von Hans Memling“ im ersten Semester „Hans Memling“ als Thema gehabt hätte, wäre es sinnvoll gewesen, mir wenigstens anzudeuten, was die wichtigsten Werke Memlings sind, die ich dem Kurs vorstellen sollte, denn ich kenne sie noch nicht, weil ich ein ahnungsloses Erstsemester bin. Was mich elegant zum zweiten Punkt bringt:
Literaturlisten
Auch hier: In den ersten zwei Semestern ist man schlicht damit beschäftigt, sich einen Überblick über ALLES zu verschaffen. Man hat von nichts richtig eine Ahnung, man weiß noch nicht, auf was man sich irgendwann mal spezialisieren will, man guckt dauernd in neue Themen rein, kurz: Man weiß schlicht nicht, wer jetzt das Wichtigste zum Thema gesagt hat. Daher fand ich in den ersten Semestern Literaturlisten absolut sinnvoll, um überhaupt einen Anfangspunkt zu guter Literatur zu haben. Das müssen keine zehn Werke zu einem Thema sein, drei Hinweise tun’s auch.
Welche genau das sind, müsste man vielleicht auf den jeweiligen Studi abstimmen. Wer im Seminar schon einen bräsigen Eindruck macht, sollte vielleicht nicht gleich das 700-seitige Standardwerk auf französisch kriegen, während die sich immer meldende Dame in der ersten Reihe garantiert mehr vertragen kann als den dreiseitigen Aufsatz „Renaissanceporträts für Dummys“. Vielleicht einfach beide Werke auf die Liste setzen.
Einige meiner Dozierenden wollten zwei Wochen vor dem Referat eine Literaturliste und dann eine Woche später das Handout haben, das sehr klar darüber Auskunft gibt, wo das Referat hingeht. Generell fand ich es großartig, wenn man das Referat vorher mit der Dozentin besprechen musste (oder ihr eben ein pdf schicken musste), denn dadurch wird auch für den Kurs gewährleistet, dass da vorne kein Totalausfall sitzt. Der Dozent kann frühzeitig eingreifen und verwirrte Geister sanft in die richtige Bahn lenken. So hatte ich bei meinem Amnestyreferat eine viel zu spezielle Forschungsfrage gewählt, während ich im Referat doch erstmal einen Überblick für den Kurs geben sollte; das teilte mir die Dozentin durch die Blume mit und zack, hielt ich ein schönes Referat, und der Kurs hatte auch was davon.
Ich hatte nie ein Problem damit, der Dozentin vorab eine Literaturliste zu zeigen, aber so richtig glücklich war ich nie mit ihr, weil ich noch längst nicht damit fertig war, Stoff zu suchen. Zwei Wochen vor dem Referatstermin hatte ich mir ja gerade erst einen Überblick verschafft und buddelte mich nun tiefer ins Thema rein, was natürlich noch mehr Literatur nach sich zog. Daher standen auf meinen Listen vermutlich immer nur die Klassiker zum Thema. Andererseits hat mich ein Dozent auch einmal auf genau die Klassiker aufmerksam gemacht, die eben nicht drauf standen, und die waren für das Referat wirklich wichtig.
Beim Handout habe ich mich stets über Obergrenzenangaben gefreut, die aber, wenn ich mich richtig erinnere, gerade zweimal in neun Semestern kamen, nämlich: nicht mehr als zwei Seiten, basta. Kein Mensch braucht ein achtseitiges Handout, auf dem das gesamte Referat in Stichworten steht. Und ich glaube, es ist auch ein Lernziel, Dinge zusammenfassen zu können.
Überhaupt:
Ansagen
In den ersten Semestern war ich schlicht blöd. Ich traue mich wirklich nicht mehr, meine Hausarbeiten aus dieser Zeit nochmal anzugucken und vielleicht sollte ich sie auch tunlichst aus dem Internet zerren, denn sie können nur mies sein. Und mit mies meine ich: Ich habe Dinge missachtet, von denen ich nicht wusste, dass ich sie beachten soll, weil sie mir schlicht niemand gesagt hat.
Das geht los bei Fachbegriffen: Wie stellt man einen Forschungsstand zusammen und was ist das überhaupt? Als ich diese Ansage im ersten Geschichtssemester bekam, fragte ich nach der Stunde eine Kommilitonin, was das sei, weil das anscheinend alle wussten, nur ich nicht. Dozentinnen verwenden logischerweise Begriffe, über die sie gar nicht mehr nachdenken. Kleiner Tipp: Wir Studis sind anfangs grundsätzlich doof. Wir wissen nichts. Bitte erklärt uns alles. Ernsthaft.
Oder noch besser: Schreibt es uns auf. Ich greife heute noch auf Listen aus eben diesem Semester zurück, auf der schlaue Internetportale stehen, durch die ich auf Quellen und Aufsätze komme bzw. die Fundorte von diversen Zeitschriften im Historicum – die habe ich mir auch nach neun Semestern (und sieben in Geschichte) nicht gemerkt. Ich gucke bei jeder Hausarbeit auf ein Handout aus dem dritten Semester, in dem der Dozent akribisch notiert hatte, wie lang welcher Teil einer Hausarbeit sein sollte und was genau in den jeweiligen Teil reingehört (seitdem weiß ich, dass meine Einleitungen früher viel zu lang waren – die sollten nicht mehr als zehn Prozent der Gesamtarbeit ausmachen). Eine andere Dozentin machte sich die Mühe, uns das richtige Tempus zu nennen, in dem geschichtswissenschaftliche Hausarbeiten geschrieben werden (Präteritum). Das kriegt man natürlich alles irgendwie mit, je mehr Aufsätze man selber liest, aber so eine strunzdumme, idiotensichere Liste ist ein Gottesgeschenk. Wie gesagt, ich nutze sie immer noch. Ich ahne, dass ich für die Diss noch mal nachschauen werde, wie genau ich jetzt welche Quellenart im Literaturverzeichnis angebe und in welcher Reihenfolge. (Ansonsten gucke ich gerne in dieses Buch, das ich jeder*m Geschichtsstudierenden empfehlen kann.)
Wichtigste Ansage für mich war: Wie erarbeite ich eine Forschungsfrage? Das war die große Glühbirne im dritten Semester, meinem ersten Geschichtssemester, in dem mir klar geworden ist, dass es nicht mein Job ist, anderer Leute Hirnschmalz hübsch zusammenzufassen, sondern stattdessen aus anderer Leute Hirnschmalz eine neue Frage zu formulieren oder Zweifel anzumelden oder eine Replik zu entwickeln. Oder eben an ein Werk eine Frage zu stellen, die noch niemand gestellt hatte (der Königsweg), für den man aber erstmal den Forschungsstand kennen musste, wenn man weiß, was das ist. In Kunstgeschichte hatte mir das niemand so explizit erklärt, obwohl meine Proseminare alle gut waren. Aber richtiges wissenschaftliches Arbeiten wurde mir eindeutig besser im Historicum beigebracht.
Feedback
Ich persönlich finde es sehr wichtig, Feedback zu bekommen, denn wie soll ich sonst was lernen? Aber das fällt sehr unter Eigenverantwortung des Studierenden. Feedbackgespräche brauchen nur fünf Minuten lang zu sein, außer es war alles grütze, aber den Fall hatte ich netterweise nur einmal. Da habe ich das Feedback auch gleich vor den versammelten Zuhörerinnen gekriegt, als der Dozent mich mitten im Referat liebevoll bat, doch bitte nicht weiterzusprechen, das sei so gar nicht das, was er sich vorgestellt hätte. Da hat auch das Vorgespräch nicht geholfen, aus dem ich verwirrt gekommen war, dann aber doch dachte, ich hätte alles verstanden, was ich aber offensichtlich nicht hatte. Das habe ich so richtig verkackt, und bei eigener Blödheit helfen natürlich auch die besten Dozenten und fünf Vorgespräche nichts.
Ich weiß, dass Feedback direkt vor dem Zuhörern für manche Referentinnen doof ist, aber meiner Meinung nach hilft das allen, gerade in den Anfangssemestern, wenn die Dozentin kurz sagt, was am Referat gut und was vielleicht verbesserungswürdig war. Ich persönlich hätte mich gefreut, wenn mehr als nur eine Dozentin meine grafisch begeisterungsfähigen Kommilitoninnen darauf hingewiesen hätte, dass es in Kunstgeschichte echt super ist, die Bilder flächenfüllend auf die Powerpoint-Folie zu ziehen und dass wir keine Schnörkelschrift mit Animationen brauchen.
Schreiben
Zum Thema „Aber wie genau schreibe ich denn jetzt Satz 1 bis Satz 1000?“ kann ich leider nichts sagen, denn das konnte ich netterweise schon vorher. Vor 20 Jahren habe ich von Wolf Schneider Bücher über gutes Deutsch gelesen, keine Ahnung, ob die noch was taugen; ich ahne, dass da schon neue Ratgeberinnen nachgewachsen sind. Ich halte mich weiterhin an Regeln aus meiner Zeit im Journalismus sowie der Werbung, die ich auf wissenschaftliches Schreiben modifiziert habe: Schreib so, dass du es selber lesen willst. Lies dir die Hausarbeit notfalls laut vor, dann stolperst du von ganz allein über Sätze, die keiner kapiert. Benutze Wörter, die jede versteht und keine, von denen du glaubst, der Dozent will sie hören. Schreib deutsch, kein fachchinesisch. Mach Punkte. Viele Punkte. Kein Mensch braucht Sätze über sieben Zeilen. (Schreib aber nicht so wie ich in den letzten drei Sätzen, denn das ist werbisch und nicht wissenschaftlich.) Aber ich glaube, der erste Punkt ist der wichtigste: Schreib so, dass du es selber lesen willst. Ich erwische mich immer noch dabei, auf Pointe zu texten und ich behaupte, das darf man auch in akademischen Arbeiten. An meinen Einstiegs- und Rausschmeißersätzen arbeite ich deswegen recht lange. Okay, am Rest auch, was mich zu den letzten Tipps bringt. Erstens: Lass es gegenlesen! Und zweitens: Gib niemals die erste Fassung ab, sondern frühestens die fünfte. Bei mir ist es meist die zwanzigste, aber mir muss man meine Werke ja immer aus der Hand reißen, weil ich so an ihnen hänge und weiß, dass man immer alles besser machen könnte.