Was schön war, Samstag, 10. Juni 2017 – Luxus

Luxus: genug Geld zu haben, um einkaufen zu gehen, ohne auf Preise achten zu müssen. Im Supermarkt zwischen überquellenden Regalen zu stehen, in der Obst- und Gemüseabteilung so viel wunderbare Ware zu finden. In meinem Einkaufswagen landeten Kirschen, Zitronen, Äpfel, Paprika, eine Gurke, dann ging ich zum Metzger, um mir Pastrami zu gönnen, die für mich kein Alltagsprodukt ist, warum auch immer. Ich kaufte für mich frisch geschnittenen Käse, meine Lieblingspasta, die etwas teurer ist als die Hausmarke, aber auch viel besser schmeckt, und freute mich darüber, Geld zu haben, um es für Dinge ausgeben zu können, die mir Freude machen.

Luxus: zu wissen, man liegt richtig gut in der Zeit und kann die Masterarbeit auch mal einen Tag liegen lassen. Ich habe sie gestern überhaupt nicht angeguckt und setze mich dafür heute an den Schreibtisch.

Luxus: die Zeit zu haben, eine Zeitung durchzulesen. Also richtig durchzulesen, auch die Artikel im Wirtschafts- und Finanzteil, die ich unter der Woche manchmal nicht mal angucke, weil es schon so spät am Abend ist und ich keine Lust mehr auf Dinge habe, die ich nicht sofort verstehe, so wie ich das Feuilleton verstehe.

Luxus: ein bequemes Bett, tiefer Schlaf. Okay, bis auf das übliche Aufwachen mitten in der Nacht, weil mir ein guter Satz zu Lüpertz eingefallen ist, mit dem ich ihn sehr effektiv von Kiefer absetzen kann. Mir selbst per iPhone gemailt, was irgendwie auch totaler Luxus ist (die Einfachheit von Dingen wie WLAN). Und es ist Luxus, nachts Aufgeschriebenes am nächsten Morgen lesen zu können, weil man es getippt anstatt im Halbschlaf handschriftlich irgendwo hingeschmiert hat.

Was schön war, Freitag, 9. Juni 2017 – Fast fertig (in Anführungszeichen)

Entspannt erwacht, pünktlich im ZI gewesen, den Lieblingsplatz hinten in der Ecke im klimatisierten Lesesaal gekriegt. Den zweiten von drei Lüpertz-Teilen, den ich vorgestern verfasst hatte, durchgelesen und bis auf wenige Korrekturen abgenickt. Mich dann an den dritten und letzten gesetzt, konzentriert gearbeitet, und um kurz nach 15 Uhr war ich dann fast mit der Arbeit fertig. Ich bin jetzt bei 97.000 Zeichen, mir fehlt noch der vermutlich recht kurze Abschnitt mit einem direkten Kiefer-Lüpertz-Vergleich, und dann kommt schon die Zusammenfassung, womit die Arbeit dann fertig ist. Ich soll zwischen 100.000 und 120.000 Zeichen abgeben.

Damit habe ich in einer Wochen 35.000 Zeichen Lüpertz geschafft, was ich mir zwar vorgenommen, aber nicht wirklich geglaubt hatte. Und wo ich gerade die Lüpertz-Zeichen gezählt habe: Kiefer hat momentan 33.000 Zeichen, was mich jetzt selbst überrascht. Gefühlt habe ich zu ihm mehr geschrieben. Ts. Zeichenzählfunktion, du kleines Überraschungsei.

Mit Fußnoten bin ich übrigens bei 153.000. Vielleicht versteht ihr jetzt, warum ich in den vergangenen drei Semestern so an der ollen Zeichenbegrenzung gelitten habe, denn da wurden die Fußnoten mitgezählt. In Geschichte konnte ich immer schön das ganze Nebenbei-Wissen in die Fußnoten packen und blieb entspannt im vorgegebenen Rahmen, in Kunstgeschichte zählte alles, und ich hatte immer das Gefühl, ich schreibe nur Stümpfe statt anständiger Argumentationen.

Jetzt, wo die Masterarbeit fast durch ist, würde ich irrsinnig gerne wieder Stümpfchen schreiben. Vielleicht immatrikuliere ich mich in Philosophie oder Politikwissenschaften. Vor ein paar Tagen ist mir nämlich siedendheiß eingefallen, dass ich mit dem Ende des Studium nicht nur mein herrlich günstiges Semesterticket verliere, sondern – was viel schlimmer ist – nicht mehr in die ganzen Unibibliotheken darf. OMG DIE HISTORICUMSBIBLIOTHEK! SIE IST FÜR MICH VERSCHLOSSEN! In die blöde KuGi-Bib will ich gar nicht mehr, denn ins ZI komme ich ja weiterhin, aber DIE HISTORICUMSBIBLIOTHEK!

Okay, ich schreib mich für irgendwas ein. Dieser Abschied geht mir zu schnell. Ich bin noch nicht vorbereitet!

Herzlich über eine Formulierung in der FAZ gelacht because it’s true:

„Doch je banaler das Werk, desto mehr drehen die Documenta-Katalogschreiber rhetorisch auf: Agnes Denes’ bepflanzte Pyramide ist ‚eine soziale Struktur – sozial, weil das gepflanzte Material Vorstellungen von Evolution und Regeneration vermittelt; die Arbeit fördert außerdem eine Mikrogesellschaft aus Menschen, die sich um die laufende Pflege kümmern.‘ So klingt es, wenn in der Kunstwelt zwei Leute Blumen gießen.“

(Niklas Maak: „Vor der Tür“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9.6.2017, S. 11.)

Und dann war da noch das:


Meine erste kunsthistorische Veröffentlichung liegt endlich auf meinem Schreibtisch. Wenn ich meinen Namen zum ersten Mal in der Suchmaschine des Zentralinstituts für Kunstgeschichte finde, mach ich eine Flasche Schampus auf.

Der Katalog zu dieser Ausstellung erscheint leider nur auf Englisch und Französisch. Ich werde in nächster Zeit mal meine liebsten Katalogtexte auf Deutsch ins Blog stellen. Schöner Studiumsabschluss.

*wimmer*

Was schön war, die ganze Woche

Derzeit sehen meine Tage alle gleich aus: Ich sitze ab neun, meist bis 16 oder sogar 17 Uhr ohne Pause im ZI und schrubbe Zeichen an meine Masterarbeit. Dann kaufe ich ein, das Eingekaufte wird dann verkocht (gestern gab’s zum Beispiel diesen herrlichen Lammburger aus dem guten, alten River Cottage Everyday-Kochbuch), dann gucke ich Masterchef Australia, dann lese ich zwei Stunden die FAZ, und dann lungere ich entweder bei F. oder vor ein, zwei Serienfolgen rum, bis ich sehr müde ins Bett falle. Ab und zu stehe ich um 6 auf und walke, aber ich muss zugeben, dass ich in dieser Woche außer am Sonntag jedesmal den Wecker ausgetreten und weitergeschlafen habe – geistige Arbeit strengt eben doch an, und es gibt Weniges, was mich so sehr angenervt sein lässt wie zu wenig Schlaf. Der ist im Moment eh ein bisschen launisch, was aber daran liegen könnte, dass ich gerne um drei Uhr aufwache, weil mir noch irgendwas IRRSINNIG WICHTIGES FÜR DIE MA-ARBEIT eingefallen ist, das ich mir sofort per Mail schicken muss; dann pingt natürlich mein iPhone, und ich wundere mich kurz, welcher Idiot mir denn nachts um drei … oh. Okay.

Das ist momentan ein sehr gutes Leben, das ich führe, aber es gibt gerade nicht so irrsinnig viel fürs Blog her. Aber dafür für meinen Kopf. Und wir wissen ja: Ist das Köpfchen gesund, freut sich der Mensch.

Salted Chocolate Chip Cookies

Bisher habe ich immer ein älteres Rezept für amerikanische, quietschige Schokokekse genutzt, aber dieses Rezept von David Leibovitz gefällt mir neuerdings besser. Vermutlich auch, weil es nicht ganz so irre süß ist. Aber logischerweise noch süß genug.

Im folgenden Rezept wird nach gesalzener Butter verlangt. Die habe ich nie im Haus, daher nehme ich ungesalzene, mache aber aus dem unten angegebenen halben Teelöffel Salz für den Teig einen dreiviertel und bestreue außerdem jeden Keks noch mit ein bisschen Meersalz. Bei mir kommen insgesamt um die 30 Kekse aka zweieinhalb Bleche aus dem Rezept raus. (Plus ein, zwei Esslöffel roher Teig zum Wegnaschen.)

115 g gesalzene Butter (Raumtemperatur) mit
110 g braunem Zucker oder Rohrzucker und
100 g Kristallzucker schaumig aufschlagen. (Edit: Insgesamt 150 g Zucker tun’s auch.)

1 Ei dazugeben und verrühren. In die Masse noch

180 g Mehl, Type 405,
1/2 TL Natron und
1/2 TL flockiges Meersalz (diese flachen Plättchen) geben und unterrühren. Zum Schluss noch
200 g grob gehackte dunkle Schokolade unterrühren. (Edit: 150 g Schokolade tun’s auch.)

Wer mag, fügt noch 1/2 Teelöffel Vanilleextrakt hinzu, ich lasse den grunsätzlich weg. Außerdem kann man gerne noch gute 100 g Nüsse in den Teig geben, auch das will ich nicht.

Den Teig mindestens eine Stunde kalt stellen. Im Originalrezept steht was von über Nacht, aber mit sowas fangen wir gar nicht erst an. Der Teig muss so fest geworden sein, dass man aus ihm problemlos mit der Hand walnussgroße Bällchen formen kann, ohne dass alles an einem kleben bleibt. Bei mir reicht da eine gute Stunde im Kühlschrank.

Auf ein mit Backpapier belegtes Blech jeweils zwölf von den Bällchen legen, bitte mit entsprechendem Abstand, die Kekse fließen auseinander, so dass sie zum Schluss gute fünf, sechs Zentimeter Durchmesser haben. Wer größere Kekse will, macht größere Bällchen. Wie oben beschrieben, habe ich die Kekse noch mit ein paar Flocken Meersalz bestreut.

Im auf 180° vorgeheizten Backofen für zwölf Minuten backen, dabei nach sechs Minuten das Blech einmal drehen. Diesen Tipp habe ich bei meinem Hamburger Backofen nie gebraucht, der buk brav gleichmäßig, hier in München habe ich gemerkt, dass das einen großen Unterschied macht, also drehe ich neuerdings. (Dämlicher Ofen.)

Bitte nicht sklavisch an die zwölf Minuten halten, sondern selbst mal in den Ofen gucken. Wenn die Kekse am Rand ganz leicht gebräunt sind, sind sie fertig, was in meinem Fall heißt: am Rand knusprig und innen zäh. Sie sehen dann in der Mitte noch nicht fertig aus, sind es aber.

Was schön war, Sonntag, 4. Juni 2017 – Drei Viertel

Morgens wieder Walken gewesen und dabei den Unterschied zwischen „Regen im März, wenn es 10 Grad sind und man eine Regenjacke trägt“ und „Regen im Juni, wenn es 17 Grad sind und man keine trägt“ kennengelernt. Ist beides toll. Ich mag das Regengeräusch auf meiner Kapuze, aber ich hasse nasse Wege, weil ich ja bekanntlich etwas unsicher unterwegs bin. Sommerregen fühlt sich stattdessen wie eine Mitnehmdusche an; das war herrlich.

Generell bin ich immer nervös, wenn ich mir durchlese, was ich am Vortag verfasst habe, denn ich erwarte grundsätzlich mies formulierten Quatsch. Der erste Schwung Lüpertz war aber okay, ich kann beruhigt mit dem zweiten anfangen (nur nicht heute, weil Feiertag und geschlossene Bibliotheken, hmpf).

Ich habe mir zum ersten Mal den kompletten bisherigen Stand der MA-Arbeit ausgedruckt und durchgelesen, um ein Gefühl dafür zu kriegen, ob man einen großen Bogen sieht oder das alles gefühlt einzelne Blöcke sind, denn so habe ich sie innerlich angedacht, aber so sollen sie natürlich nicht klingen. Heißt: Ich habe einzelne Stoffsammlungen zu den einzelnen großen Themenblöcken angelegt, also: Einleitung und Forschungsstand, Vergangenheitsbewältigung in der Bundesrepublik, deutsche Kunst nach 45, die sich mit der NS-Zeit beschäftigt, Georg Baselitz, Gerhard Richter und dann die großen Blöcke Anselm Kiefer und Markus Lüpertz, abschließend ein Vergleich sowie als Rausschmeißer die Zusammenfassung. Natürlich habe ich, wenn ich schreibe, immer im Hinterkopf, was ich schon geschrieben habe, um mich darauf beziehen zu können. Deswegen schreibe ich auch von vorne nach hinten und erst, wenn ich genau weiß, wo ich hin will. Der Twitter-Account des LMU-Schreibzentrums hat mir mal gesagt, dass man Menschen, die so schreiben, Architekten nennt. Andere fangen irgendwo an, kommen zum Schluss, fügen vorne noch was ein und schreiben die Einleitung als letztes, was sich mir überhaupt nicht erschließt. In der Einleitung lege ich fest, wie meine Forschungsfrage lautet und zeige den Weg auf, sie zu beantworten; ich bastele mir also schon das Gerüst für die Arbeit. Ehe ich das nicht habe, weiß ich gar nicht, wo ich hin will. Daher schreibe ich die Einleitung grundsätzlich zuerst, um mir selbst darüber klarzuwerden, was ich eigentlich aufschreiben möchte. Wenn ich dabei schon ins Stottern gerate, weiß ich, dass irgendwas in der grundsätzlichen Ausrichtung knirscht.

Das habe ich dieses Mal allerdings erst gestern gemerkt. Als ich den ganzen Schwung – ich bin jetzt zu drei Vierteln fertig und bin bei gut 72.000 Zeichen; 100.000 sollen es werden – durchgelesen hatte, fiel mir auf, dass ich eine latent andere Frage beantwortet habe als die, die in der Einleitung steht. Kurz gegrinst, korrigiert – und dann las sich das alles doch viel besser als ich insgeheim befürchtet hatte. Und ja, man sieht den großen Bogen, aber ein paar Stützpfeiler muss ich hier und da noch einbauen.

Mich um das Basteln des irrwitzig langen Abbildungsverzeichnisses gedrückt, indem ich mit Steuerkram anfing, als mir einfiel, dass mich mein bester Freund ums Korrekturlesen seiner Website gebeten hatte. Mich so auch erfolgreich vor der Steuererklärung gedrückt.

Was schön war, Samstag, 3. Juni 2017 – Alltag, in a good way

Morgens bin ich nicht vom Wecker geweckt worden, was eigentlich schön ist, aber das lag nur daran, dass ich vergessen hatte, ihn zu stellen. Eigentlich wollte ich pünktlich zur Öffnung um 9 in der KuGi-Bib sitzen, denn mein geliebtes ZI ist am Wochenende geschlossen. So weckte mich eine DM von F., der gerade in Venedig die Biennale unsicher macht, und weil der Mann weiß, wie gerne ich schlafe, kam die DM auch erst um 8.45 Uhr. Super rücksichtsvoll, aber gestern wäre 8 besser gewesen. Ohne Frühstück gehe ich auch nicht aus dem Haus, und so war ich etwas später dran als geplant. Trotzdem war ich immerhin noch kurz vor 10 in der Bib – wo ich immer noch eine der ersten war. So hatte ich mir das vorgestellt.

Der Kiefer-Teil der Masterarbeit ist durch, jetzt habe ich Herrn Lüpertz in der Mangel. Die Einleitung hatte ich vorgestern schon angefangen, aber noch nicht beendet, denn ich wollte sie ähnlich anlegen wie die zu Kiefer. Dafür brauchte ich ein paar Bücher, die ich hoffte, in der KuGi-Bib zu finden. Dort war ich seit der Bachelorarbeit nicht mehr, denn seit dem 6. Semester darf ich ins ZI, und jetzt, wo ich da rein darf, sehe ich wirklich keinen Grund mehr, in irgendeine andere kunsthistorische Bibliothek zu gehen. Warum, merkte ich gestern am Lüpertz-Regal wieder: In der KuGi-Bib standen gut zehn Kataloge, im ZI stehen zweieinhalb Regalmeter.

Daher fand ich nicht alles, was ich suchte, aber immerhin ein bisschen. Ich schloss die Einleitung ab, so weit es ging, und begann mit dem ersten Werkkomplex, den ich diskutieren will: das Gemälde und den Kurzkatalog Westwall (Gemälde von 1967 (oder 1968, da ist sich die Literatur nicht einig); Kurzkatalog, von Lüpertz geschrieben und bebildert, von 1969). Beides beschrieb und diskutierte ich, korrigierte dann wie immer am bisher Geschriebenen noch ein bisschen rum und machte gegen 14 Uhr Feierabend, denn für den nächsten Werkkomplex brauche ich dringend andere Kataloge, als die, die ich gestern zur Verfügung hatte. Das mache ich dann nächste Woche schön im ZI. Da gibt’s dann auch eine Klimaanlage und keine Fenster, die bei 27 Grad von seltsamen Menschen aufgerissen werden können.

Auf dem Rückweg von der Bibliothek noch schnell eingekauft; Sardellenfilets, Crème fraîche und Romanasalat für einen Caesar Salad, auf den ich spontan Lust hatte (Zitronen, Knoblauch, Olivenöl und Parmesan habe ich natürlich immer im Haus), ein Pfund Kirschen, das mich anlachte, und Brot.

Zuhause dann 400 g Kirschen verputzt und dazu einen Liter Eistee zubereitet und quasi geext, weil er so schmackhaft war. Abends dann den Salat genossen.

Sehr über eine DM von F. gelacht. Gestern stand bei ihm und seinem Reisebegleiter unter anderem der deutsche Pavillon auf dem Plan, der, wie wir alle wissen, noch heute so aussieht, wie ihn die Nationalsozialisten umgebaut haben. Deswegen hat Hans Haackes Germania ja auch so schön funktioniert.

Auf Instagram gibt es den komplett sinnfreien, aber doch irgendwie netten Hashtag #wazifubo für Wartezimmerfußboden, an dem ich mich auch gerade mal wieder beteiligt habe. F. schickte mir gestern aus Venedig ein Bild: Er hatte einfach mal im Deutschen Pavillon die Bodenplatten fotografiert und das ganze mit dem meiner Meinung nach ausgezeichneten Hashtag #nazifubo versehen. Made my day.

Was schön war, Freitag, 2. Juni 2017 – Doctor’s Orders

Vormittags saß ich länger bei meiner Hausärztin, um so Grundzeug abzuklären, das nicht ins Blog gehört. Bzw. eigentlich saß ich nicht bei meiner Hausärztin, sondern bei einer anderen Ärztin, die für sie freitags da ist. Da einige Untersuchungen aber zeitnah gemacht werden sollten, wartete ich nicht, bis in vier Wochen ein Termin bei meiner Ärztin frei gewesen wäre, sondern nahm den gestrigen.

Die Ergebnisse waren alle so, wie ich sie haben wollte, was mich sehr erleichtert hat. Die Ungewissheit war auch ein Grund, warum es in den letzten Tagen hier etwas ruhiger war; das lag doch mehr auf meiner Seele als ich dachte. Aber seit gestern weiß ich, dass alles in Ordnung ist, und deswegen verschlief ich gestern auch fast den ganzen Nachmittag; da war mir anscheinend ein sehr großes Gebirge vom Herzen gefallen.

Die neue Ärztin kannte mich noch nicht, weswegen wir erstmal über meine Krankheitsgeschichte, Lebensgewohnheiten und mich sprachen, und irgendwann waren wir dann bei Herrn Kiefer, Louise Bourgeois, Rebecca Horn, abends schön kochen und bloß nicht auf das Löffelchen Sahne mehr achten, Essen als Genuss und Walken, das auch zügiges Spazierengehen sein darf, so lange es mindestens 30 Minuten sind, am besten dreimal die Woche. Die Dame war sehr zufrieden mit mir und zitierte Rainer Hunold, der mal gesagt haben soll: „Der liebe Gott hat mich nicht dünn gewollt.“ Und dann meinte sie noch, ich hätte so eine Begeisterung für Kunstgeschichte, ich sollte auf jeden Fall promovieren.

Ich habe jetzt also quasi eine ärztliche Anweisung, und wenn ich schon beim Essen und bei der Bewegung alles richtig mache, wäre das ja total fahrlässig, diese Anordnung zu ignorieren.

Was schön war, die ganze Woche halt

Ich sitze in den Untiefen meiner Masterarbeit und komme, wie zu erwarten war, vom Hölzchen aufs Stöckchen. Manchmal hinterfrage ich meine Entscheidung, mich mit Anselm Kiefer auseinanderzusetzen, weil sich schon eine Million Kunsthistoriker*innen vor mir mit ihm auseinandergesetzt haben. Aber dann stolpert man über einen Text aus der NS-Zeit, dessen Bebilderung er in einem seiner frühen Werke verwendet hat – sein Papa war Kunstlehrer und hob einfach mal Die Kunst im Deutschen Reich auf – und stellt fest, ja, natürlich, das Bildmaterial haben alle schon identifiziert, aber mit dem Text hat sich anscheinend noch niemand auseinandergesetzt. Dann mach ich das jetzt, yay! (Vermutlich sitzt in Südkorea oder Chile gerade jemand an seiner Arbeit und denkt sich das gleiche.) Und wie ich aus meiner Hausarbeit von vor anderthalb Jahren weiß, hat sich auch noch niemand seine Wagnerreferenzen mal so richtig angeguckt außer „Wagner = Hinweis aufs ‚Dritte Reich‘, fertig“ bzw. nur in Auszügen. Das kann ich in dieser Arbeit zwar auch nur auf wenige Werke bezogen leisten, aber ein paar schöne Sätze, die sich auf Aufführungen beziehen, die ich selber gesehen habe und die mir als Argumentation dienen, kann ich immerhin bieten.

Bei Lüpertz werde ich nicht so irrwitzig viel Neues haben; da kann ich nur den frühen Katalogen beipflichten und den heutigen widersprechen. Mpf.

Ich vermisse die Archivarbeit, die ich bei Leo von Welden leisten konnte. Ich vermisse das Gefühl, in Dokumenten zu wühlen, die noch niemand angeschaut bzw. in meinen beabsichtigten Zusammenhang gesetzt hat. Trotzdem glaube ich, dass die Entscheidung, speziell für Kiefer, richtig war, denn den mag ich ganz einfach. Ich werde nicht müde, mich durch die vielen Kataloge zu blättern, weil ich es immer wieder spannend finde, sein Werk zu betrachten.

Und irgendwann kaufe ich das hier (runterscrollen und großklicken).

Was schön war, Sonntag, 28. Mai 2017 – Ruhetag

Den ganzen Tag bei runtergelassenen Rolläden auf der Couch verbracht, Sonntagszeitung gelesen, ab und zu was Kleines gekocht, ein, zwei Serienfolgen geguckt, Nach Schwimmkursen (Kraulen) für Erwachsene gegoogelt, Zugverbindungen nach Karlsruhe gegoogelt, die Arbeit nicht angefasst.

Me and my penis: 100 men reveal all

100 Geschichten über Männlichkeit. Und Penisbilder halt.

„What surprised [the author of the book] most? “A lot more men feel a sense of shame or anxiety about their size, or an aspect of their performance, than I would have thought. What really moved me is how much that shame and inadequacy had bled into different parts of their life.” She says many were teased as children about their penis and never recovered from it.

Not all felt inadequate, of course: she talks about how much she loved the man who compared his penis to a badly behaved uncle at a wedding, and the man who described his “as a barometer of my health” and wants “to put sex back on its pedestal”.

Dodsworth was amazed by how many found themselves talking about their fathers, in particular absent fathers, bad fathers, aggressive fathers. Often, their father’s penis was the first they had seen when they were young, and they found it intimidating.“

Die Fans haben nicht Helene Fischer ausgepfiffen, …

Die Eventisierung von Fußball nervt. In der Halbzeitpause will ich persönlich keine Show haben, sondern in Ruhe aufs Klo, was zu trinken holen oder auch einfach nur mal 15 Minuten ins Leere gucken. Eine Pause darf gerne eine Pause bleiben.

„Wer über Jahre ins Stadion geht, der bemerkt, wie der Fußball sich von Sport immer mehr zur Show wandelt. Es gibt Eröffnungsfeiern mit Djs, die Stimmung erzeugen sollen, aber oft in großer Peinlichkeit enden, die Ecken werden bei kleineren Vereinen vom lokalen Autohaus und bei größeren von DAX-Konzernen präsentiert, die Anstoßzeiten des Bundesliga-Spieltags werden immer mehr zerschossen (nächste Saison wird erstmals auch am Montag gespielt, was es für berufstätige Menschen immer schwerer macht, in ein Stadion zu gehen) und am Ende der Modernen-Fußball-Skala sagt der Adidas-Chef Kasper Rorstedt, er könne sich vorstellen, dass das Pokalfinale auch mal in Shanghai stattfindet. Wegen des asiatischen Marktes und man schließlich wachsen müsse. Kasper Rorstedt kann man nicht auspfeifen, Helene Fischer schon.“

Was schön war, Samstag, 27. Mai 2017 – Sutsche

Morgens wieder gegangen bzw. ein Drittel der Strecke in Etappen gelaufen. Der Friedhof, auf dem ich rumschleiche, hat vier Eingänge; einer davon führt auf eine etwas größere Straße und liegt gegenüber einer weiteren, die gerade auf ihn zuläuft. Dass der Eingang baulich deutlich anders ist als die anderen drei, ist mir erst gestern aufgefallen, denn durch die auf ihn zulaufende Straße wehte ein Wind, der mich auch immer erwischte, als ich am Eingang vorbeiging. Das war ähnlich schön wie im Hochsommer mit dem Rad an den Springbrunnen der LMU entlangzufahren – die kühlen einen auch immer für eine Millisekunde runter.

Laufend von einer Walkerin überholt worden. Ich bin anscheinend wirklich sehr langsam. Scheißegal. Ich laufe. Dabei muss ich immer an einen Satz aus der Reha denken, den meine damalige, stets gut gelaunte und positiv unterstützende Physiotherapeutin mal sagte: „Laufen ist eigentlich kontrolliertes Vorwärtsfallen.“ Ich neige dazu, mich zu weit nach hinten zu lehnen, wenn ich gehe oder stehe, weil mein rechter Ballen noch was kann, während meine rechten Zehen nur noch Deko sind; daher fühle ich mich auf dem hinteren Fußteil sicherer als auf dem vorderen. Beim Laufen habe ich mir angewöhnt, so zu tun, als würde ich mit dem Brustkorb ein Startband durchlaufen wollen, das heißt, ich lehne mich bewusst nach vorne. Alleine das macht das Laufen schon einfacher, und ich bin im Nachhinein nochmal dankbar für meine Therapie.

Nebenbei: Wie fantastisch das körpereigene Gleichgewichtssystem funktioniert, weiß man auch erst zu schätzen, wenn Einzelteile plötzlich haken.

Nachmittags exzessive Zeitungslektüre. Einen interessanten Buchtipp von Herrn Bahners bekommen; die dazugehörige Veranstaltung in meiner Nähe ist leider schon ausgebucht.

Abends dann wieder am Schreibtisch, wo ich mich unter anderem über eine Formulierung freute.

Das wissenschaftliche Schreiben ermöglicht es einem, recht übergangslos von einem Punkt zum nächsten zu kommen, daher auch die praktischen Unterteilungen in 1.2.1, 1.2.2 etc. Trotzdem versuche ich, wenn es möglich ist, einen Übergang zu schaffen, damit sich meine Arbeit eher wie ein langer Fließtext liest. Gestern konnte ich die Themen „Werke, in denen Kiefer Bilder von sich selbst nutzt“ mit „Werke, in denen Kiefer sich anderweitig mit der NS-Zeit auseinandersetzt“ schön verbinden, was zwar vermutlich nur mir auffällt, aber das war ein guter Moment beim Schreiben.

Was schön war, Freitag, 26. Mai 2017 – Lernen

Den Vormittag vertrieb ich mir mit Lesen, allerdings nichts für die Uni; mein Kopf war unwillig. Es war immerhin nichts ganz Fachfremdes, denn ich las weiterhin mit großem Genuss The Vanishing Man: In Pursuit of Velazquez von Laura Cumming. Cumming erzählt die Geschichte eines Gemäldes von Velázquez, genauer gesagt, spürt sie einem englischen Buchhändler im 19. Jahrhundert hinterher, der als einer der ersten (nach dem Maler selbst) erkannte, dass der angebliche Van Dyck auf einer Auktion eben keiner ist. Das Buch erzählt fast nebenbei vom Prado, dem spanischen Hof, der Wandlung vom Palast zum Museum, wie Kunstgeschichte in den vergangenen Jahrhunderten praktiziert wurde (wenn überhaupt – wir sind eine recht junge Disziplin), welche Wege Gemälde damals von Spanien nach England nahmen, wo sie ausgestellt waren (gerne in Herrenhäusern) und wo man sie als Publikum trotzdem sehen konnte. Ich lernte auch den Namen einer der ersten weiblichen Kunsthistorikerinnen Englands – Anna Brownell Jameson –, über die anscheinend, laut unserer Suchmaschine, seit 1983 nichts Namhaftes mehr veröffentlicht wurde. Kommt auf die Liste mit Dissthemen. Man weiß ja nie. Wer waren denn eigentlich die ersten deutschen Kunsthistorikerinnen? Keine Ahnung.

Nachmittags zwang ich mich dann aber wirklich an den Schreibtisch und watete durch Sekundärliteratur, puschelte an der Einleitung rum, schloss den ersten Teil von Kiefer ab (Thema Faszination des Faschismus und Verdrängung) und … hatte keine Lust auf den zweiten (die individuelle deutsche Schuld). Aber immerhin: Die angedachte Gliederung trägt, ich bin schon bei der Hälfte der Zeichenzahl, und alles liest sich gut. Bis zum ersten bis fünfzehnten Korrekturgang natürlich, wenn sich’s noch besser lesen wird.

Abends unfassbaren Burgerschmacht, aber keine Lust gehabt, die anderthalb Kilometer zurückzulegen, die mich von meinen Lieblingsburgern – und Lieblingspommes OMG – trennen. Auch keine Lust auf Foodora oder ähnliche Kuriere gehabt. Also in die Küche gegangen und Pasta mit irgendwas gezaubert, was ziemlich großartig war. (Spinat, Bacon, Schalotte, Pinienkerne.)

Apropos Pommes: Wenn irgendjemand einen Tipp für mich hat, wie ich diese wunderbaren belgischen Pommes hinkriege – eher dicker, außen knusprig, innen weich –, ohne dass ich 40 Minuten lang mit einem Thermometer über siedendem Öl hängen muss, gerne her damit. Ich habe zuhause noch nie richtig gute Pommes fabrizieren können und bin für jeden Hinweis dankbar. Pommes sind mein Endgegner. Und fisselige Patisserie, aber dafür hab ich keinen rechten Ehrgeiz.

Was schön war, Donnerstag, 25. Mai 2017 – Feiertag

Ewig ausgeschlafen. Ich hatte Mittwoch einen ausgezeichneten Tag im ZI und darob gute Laune, dann kam eine Mail, die mir diese Laune sofort vertrieb, dann ein Anruf, der meine Laune wieder besser machte, und dann verkosteten F. und ich einen hannöverschen Gin, den ich ihm zum Geburtstag geschenkt hatte, mit vier verschiedenen Tonics. Goldberg wins again, aber das gibt’s bei uns um die Ecke nur in so ollen 0,2-Fläschchen, damit kann man ja nicht arbeiten. Wir bleiben daher beim Thomas Henry, den wir in 0,7 nach Hause schleppen können. Den Gin müsst ihr übrigens trotz cleverem Namen und schöner Flasche nicht kaufen. Mpf.

Dann wie gesagt, ewig geschlafen. Im Nachhinein glaube ich, dass diese Mail mal wieder einen Haken an etwas gemacht hat, was noch im Hinterkopf war, und da sind anscheinend trotz Enttäuschung so viele Steine von den Schultern gepurzelt, dass ich danach ewig schlafen musste.

Den gestrigen Nachmittag mit Buch und Gebäck auf der Couch anstatt am Schreibtisch verbracht, abends spontan bei netten Menschen viel Rotwein mit viel Käse genossen. „Wir haben eigentlich gar nichts zum Essen da.“ Und vier Stunden später saßen wir immer noch rum und knabberten.

Gemeinsam eingeschlafen.

Ein unsterbliches Dankeschön …

… an Sandra, die mich mit Rebecca Skloots The Immortal Life of Henrietta Lacks überrascht hat. Über das Buch bin ich durch einen Artikel in der NYT aufmerksam geworden, der über die TV-Verfilmung berichtete; den Artikel las ich gar nicht erst, sondern klickte nach einem Absatz stattdessen auf die Buchrezension:

„The woman who provides this book its title, Henrietta Lacks, was a poor and largely illiterate Virginia tobacco farmer, the great-great-granddaughter of slaves. Born in 1920, she died from an aggressive cervical cancer at 31, leaving behind five children. […]

To scientists, however, Henrietta Lacks almost immediately became known simply as HeLa (pronounced hee-lah), from the first two letters of her first and last names. Cells from Mrs. Lacks’s cancerous cervix, taken without her knowledge, were the first to grow in culture, becoming “immortal” and changing the face of modern medicine. […]

Bought and sold and shipped around the world for decades, HeLa cells are famous to science students everywhere. But little has been known, until now, about the unwitting donor of these cells. Mrs. Lacks’s own family did not know that her cells had become famous (and that people had grown wealthy from marketing them) until more than two decades after her death, after scientists had begun to take blood from her surviving family members, without their informed consent, in order to better study HeLa.“

Das klang nach einem Buch, das ich dringend lesen wollen würde. Vielen Dank für das Geschenk und die Widmung, ich habe mich sehr gefreut.

Was schön war, Dienstag, 23. Mai 2017 – Duh

Pünktlich um 9 saß ich im ZI, denn diese Woche ist Himmelfahrt, wo mein geliebtes zweites Zuhause fieserweise geschlossen ist, weswegen ich von Montag bis Mittwoch durcharbeiten wollte. Dann lasse ich die Arbeit Donnerstag in Ruhe, wobei mein Kopf ja eh weiterdenkt, und mache Freitag noch einen entspannten Ausklang.

Ich hatte gehofft, den Kiefer-Teil in dieser Woche wenigstens bis zum First Draft zu prügeln, aber ich weiß noch nicht, ob ich das schaffe. Gestern verbrachte ich nämlich vier Stunden mit … ja, mit was eigentlich? Eins der ersten Werke, die ich von Kiefer beschreibe, ist die Fotostrecke Besetzungen, die er schon 1969 als studentische Abschlussarbeit erstellt hatte, die aber erst 1975 veröffentlicht wurde, in einem Magazin namens Interfunktionen, das danach den Betrieb einstellen musste, weil alle Anzeigen zurückgezogen wurden und alle Künstler*innen, die für die Gestaltung zugesagt hatten, auch nicht mehr wollten. In Besetzungen inszeniert sich Kiefer, indem er sich in der Schweiz, in Italien und in Frankreich teilweise vor schicken Bauwerken wie dem Kolosseum, teilweise irgendwo am Vesuv fotografieren lässt, manchmal in einer Armeehose, machmal im Anzug. Das einzig wirklich Aufregende ist, dass er auf jedem Bild den Hitlergruß zeigt. Das kam 1975 nicht wirklich gut an, und damit endete die Geschichte von Interfunktionen. Marcel Broodthaers zog seine Beteiligung am Magazin mit der Frage zurück: „Who’s this fascist who thinks he’s an antifascist?“ [1]

Die Fotos, die in Besetzungen verwendet werden, nutze Kiefer 1969 noch drei weitere Male und zwar in Büchern: Heroische Sinnbilder I und II sowie Für Jean Genet (manchmal auch nur Für Genet genannt, ich habe den richtigen Werktitel noch nicht rausgefunden. Irgendwann werde ich würfeln). Über die Sinnbilder und Besetzungen gibt es ein sehr ausführliches Essay bei der Tate (mit Bildern), das mir durchaus noch was Neues erzählen konnte.

Aber auch dort fand ich nicht die kompletten 18 Bilder, aus denen Besetzungen besteht, und die hätte ich gerne mal gesehen. Ich wühlte in diversen Ausstellungskatalogen, die sich mit Kiefers Büchern befassten, aber auch die boten nur Auszüge. Ich las mich durch mehrere Bücher über Künstlerbücher, googelte, suchte, blätterte. Und nach vier Stunden, in denen ich ungefähr drei Sätze geschrieben hatte, fiel es dem kleinen, doofen Zehntsemester ein: Du sitzt hier an der Quelle, du dumme Nuss. Das ZI hat alles, ALLES. Die hauseigene Suchmaschine angeworfen, und natürlich ist die betreffende Ausgabe der Interfunktionen da. Nur als Rara-Bestand, aber das kann man ja bestellen. Ich füllte einen Bestellschein aus – und gleich noch einen für eine Ausgabe von 1943 von Die Kunst im Deutschen Reich, denn aus dem Heft bediente sich Kiefer in Sinnbilder auch noch, und freue mich nun auf heute, wo ich mal wieder in altem Zeug blättern werde.

Dann schrieb ich meine Interpretation der Werke auf, ohne sie in aller Ausführlichkeit gesehen zu haben, plötzlich war die Arbeit 10.000 Zeichen länger und ich verhungerte. Die Arbeit wie immer auf den USB-Stick gezogen, Feierabend, nach Hause geradelt, auf dem Weg die FAZ gekauft, weil ich gestern irrtümlicherweise die Rundschau im Briefkasten hatte, aber ich wollte die FAZ haben, weil ich eine Rezension zum neuen Münchner Tannhäuser erwartete. Die war auch da: „übersubventionierter Münchner Murks.“ Jetzt bin ich doch froh, keine 143 Euro für die Karte ausgegeben zu haben, gucke mir aber natürlich trotzdem den Gratis-Livestream am 9. Juli an. Alleine, um mich über den Man Bun von Klaus Florian Vogt zu amüsieren. (Trailer unterm Livestream-Link.)

Ach komm, Bonus-Pilgerchor.

[1] Mehring, Christine: „Continental Schrift. The Story of Interfunktionen“, in: Artforum 5 (2004), S. 178–183, hier S. 179.

< quote >

In der FAZ gibt es gerade eine Serie zur Weimarer Republik; Teil 1 und 2 sind schon online, gestern gab’s den dritten (Edit 28.5., ist jetzt auch online), aus dem ich zwei schöne Absätze zitieren möchte. Der erste bestätigte mir, was ich mir gerade für die Masterarbeit zum Thema Vergangenheitsbewältigung angelesen habe (den Begriff gibt es übrigens seit ungefähr Anfang der 1960er Jahre). Den zweiten fand ich schlicht sehr erhellend.

„Will man die Weimarer Republik gerecht beurteilen, ist ein Blick über die Grenzen hilfreich. Und dieser Blick ist ernüchternd: Kaum eine der nach dem Ersten Weltkrieg neugegründeten Demokratien überlebte die europäische Krise des Parlamentarismus, in fast allen ergriffen schon seit den 1920er Jahren autoritäre, faschistische oder Militärdiktaturen die Macht. Auch jetzt ist wieder ein europäischer Vergleich angebracht: Heute zählt die Bundesrepublik weltweit zu den stabilsten Demokratien, in kaum einem Staat sind nationalistische Populisten vergleichbar schwach, noch nie sind sie bisher in den Bundestag gekommen. Die Bundesrepublik zählt zu den wenigen Staaten, in denen die derzeitige Renationalisierung beziehungsweise ein auflebender Nationalismus keine Breitenwirkung erlangt hat, was nicht zuletzt auf den antitotalitären Grundkonsens in der Bundesrepublik und ihre nachhaltige Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur zurückzuführen ist.

Wie wesentlich es ist, die Jugend zu gewinnen, dafür bietet die Weimarer Republik ebenfalls ein warnendes Beispiel: Den überalterten demokratischen Parteien standen nur zwei gegenüber, deren Funktionäre, Mitglieder und Wähler überwiegend jung waren, die NSDAP und die KPD [.] Sie vermittelten scheinbar Zukunftsperspektiven und Aufbruchstimmung, die heutigen Nationalisten aber Untergangsstimmung.“

Horst Möller: „Zwischen Feinden und Freunden“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.5.2017, S. 6.

(Wo die eckige Klammer steht, ist im Original ein Doppelpunkt, aber das wären dann zwei Doppelpunkte in einem Satz, und bei solchen Scheußlichkeiten kommt meine innere Korrekturfee durch.)