Croissants

Das Gute an Sommerferien ist: Man hat so richtig Zeit für Hefeteig. Wobei sich der hier auch entspannt über einen Abend verteilt anfertigen lässt, dann legt man die Hörnchen über Nacht in den Kühlschrank, holt sie raus, bevor man morgens unter die Dusche geht, und wenn man sich ein bisschen länger als gewohnt im Bad aufhält, kann man danach quasi sofort backen.

Ja, es ist vermutlich weniger zeitaufwendig, einfach zur Bäckerin nebenan zu gehen, aber ich freue mich trotzdem, endlich mal die Herausforderung Blätterteig bezwungen zu haben. Daher hier nun ein gut funktionierendes Croissant-Rezept, natürlich von Aurélie, durch deren Video ich auch das Macaronbacken hingekriegt habe.

Für acht bis zehn Croissants, je nachdem, wie gut ihr beim Teigabschneiden seid.

In einer Schüssel
500 g Mehl, Type 405, mit
1 TL Salz und
50 g Zucker mischen.

30 g frische Hefe in
310 g Wasser auflösen. Das Hefewasser zur Mehlmischung geben und kurz zu einem weichen, klebrigen Teig verkneten. Die Schüssel mit einem feuchten Tuch abdecken und für 30 Minuten in den Kühlschrank stellen.

250 g Butter zu einem Quadrat ausrollen, circa 15 mal 15 cm. (Bitte keine streichzarte Butter oder irgendwas, dem Wasser zugesetzt wurde, verwenden, das läuft sonst alles einfach aus den Teiglingen heraus. Stinknormale Butter, gerne Bio. Eh klar.) Das Ausrollen geht am besten, indem man die Butter auf ein Stück Backpapier legt und um sie herum das Papier zu einem Quadrat faltet, in dem die Butter nun eingepackt ist; bei Aurélie ist das im Video bzw. auf ihren Phasenfotos gut zu sehen. Mit einem Nudelholz auf die Butter klopfen, bis sie sich im Papierquadrat ausgebreitet hat. In den Kühlschrank legen.

Nach der Ruhezeit den Teig auf die ordentlich bemehlte Arbeitsfläche kippen bzw. ihn vorsichtig aus der Schüssel holen. Nicht nochmal kneten, er soll seine Fluffigkeit behalten. Vorsichtig zu einem Rechteck ausrollen, das etwas mehr als doppelt so groß wie das Butterquadrat ist. Die Butter auf die eine Hälfte des Teigs legen, die andere darüberlegen.

Nun den Teig um ein Viertel drehen und ihn wieder zu einem Rechteck wie eben ausrollen. (Diese Drehung war die erste Tour.) Dann das obere Drittel des ausgerollten Teigs nach unten schlagen und das untere darüber, so dass der Teig nun wie ein fast quadratischer Briefumschlag aussieht. In Backpapier einschlagen und für 30 Minuten im Kühlschrank ruhen lassen.

(Einschub: Aurélie bürstet immer das Mehl vom Teig. Ich hatte kein passendes Werkzeug im Haus und habe das daher nur oberflächlich mit der Hand erledigt. Ging auch, aber ich werde mir jetzt trotzdem diesen tollen Mehlbesen zulegen, einfach weil es so aussieht, als würde es irre Spaß machen, damit Mehl von Teigen zu fegen.)

Das Tournieren noch zweimal machen: aus dem Kühlschrank holen, um ein Viertel drehen, ausrollen, Briefumschlag basteln, 30 Minuten Ruhezeit.

Und dann noch ein insgesamt viertes Mal drehen, ausrollen, falten, aber jetzt verarbeiten wir den Teig weiter. Nachdem ihr den Briefumschlag gebastelt habt, rollt ihr den Teig ein letztes Mal zu einem langen Rechteck aus ungefähr einen halben Zentimeter hoch. Aus dem hoffentlich nun halbwegs ordentlichen Rechteck acht bis zehn Dreiecke schneiden und zu Croissants aufrollen. Auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech legen und ein wirklich allerletztes Mal unter einem Tuch bei Zimmertemperatur 30 Minuten lang gehen lassen.

(Wahlweise auch über Nacht in den Kühlschrank legen oder gleich einfrieren. Meine lagen gestern Nacht rum und wurden heute morgen gebacken. Dazu habe ich sie erst einmal eine Stunde lang Zimmertemperatur annehmen lassen und sie dann noch 30 Minuten gehen lassen. Immer schön nach Aurélie richten.)

Mit einer Mischung aus
1 Eigelb und
3 EL Milch bestreichen und im auf 190° vorgeheizten Ofen mit Umluft für 25 Minuten backen.

Et voilà! Croissants! Man sagt übrigens dauernd „et voilà“ beim Tournieren, ich glaube, das muss so. Anders kann man kein französisches Backwerk zubereiten.

Tagebuch, Dienstag, 10. Juli 2018 – Sommerferienbeginn

Ich erwähnte neulich schon einmal, dass mein Kopf sich anscheinend gerade eine Auszeit nimmt. Das habe ich natürlich nur zwei, drei Tage ernstgenommen und schön weiter an der Diss gearbeitet, brav jede Minute nutzend, die ich nicht für Jobs brauche. Aber seitdem häuften sich Kleinigkeiten, die mich meine Strategie „Augen zu und durch“ überdenken ließen.

Als wir in der Puppenkiste waren, schaltete ich mein Handy ab – und in der Pause fiel mir meine PIN nicht mehr ein, die ich auf dem iPad täglich ungefähr 50mal eingebe. Letzte Woche saß ich in der Stabi und schrieb lustig Dinge aus Katalogen und Büchern in meine Stoffsammlung, und als mich F. abends danach fragte, konnte ich ihm keinen einzigen Text mehr nennen, den ich morgens noch so lesenswert gefunden hatte. Selbst als ich das Dokument auf dem Rechner öffnete und es überflog, wusste ich nicht mehr, warum ich genau diese Zeilen notiert hatte. Und Montag stieg ich gleich zweimal an der falschen U-Bahn-Station aus; das erste Mal schob ich es auf meine Unkonzentriertheit, weil ich gerade Finnegans Wake vor der Nase gehabt hatte, aber das zweite Mal konnte ich mir nicht mehr erklären. Ich kann in meiner eigenen Stadt nicht mehr U-Bahn fahren! Ehe ich meine eigene Haustür nicht mehr finde oder ich meinen Namen vergesse (ODER MEINE CAMPUS-E-MAIL, MIT DER ICH MICH ÜBERALL EINLOGGE OMG), mache ich jetzt Ferien. So. Basta.

Seit Montag überlegte ich daher pflichtschuldig, wo ich denn mal hinfahren könnte, um mich abzulenken. F. hatte mir Urlaub auf dem eigenen Sofa verboten – „das ist kein Urlaub! Du musst mal raus“ –, womit er vermutlich recht hat. Ich ging im Kopf meine üblichen Städte durch, in die ich mal wieder wollen würde, um in schönen Museen rumzulungern, Dresden, Berlin, Leipzsch, Madrid? Aber irgendwie stresste mich das mehr als dass es mich vorfreute.

Und dann kam gestern eine Mail (DANKESCHÖN) mit einem Link zu Literaturhotels. Das klang schon mal interessant, und eine Location sprach mich auch sofort an, weil sie nicht so irre weit weg war. Die ist für mich im Moment nicht bezahlbar, aber das erste Bild, das man auf der Site sieht, zeigt grüne Wiesen, viel Wald, ein Kirchlein und Berge. Und in dem Moment wusste ich, was ich dringend haben möchte: Natur zum Draufgucken. Keine Stadt, keine Museen, nicht so irre viele Leute, nur irgendwas Nichtmenschengemachtes zum Anglotzen.

Die erste Idee war natürlich MEER OMG MEER ICH WILL ANS MEER bis mir einfiel, dass ich nicht mehr im Norden wohne. Damit waren Sylt und Rügen raus, denn ich hatte keine Lust auf eine achtstündige Zugfahrt. Ich weiß seit kurzem, dass es ernsthaft einen Direktflug von München nach Westerland gibt, und seit ich das weiß, weiß ich, was ich an meinem nächsten Geburtstag machen werde, ha! So kurzfristig waren diese Flüge aber zu teuer und deswegen schwenkte ich um auf einen der vielen Seen, die hier in Bayern so rumliegen. Ich suchte nach Hotels mit Seeblick, die im Juli natürlich auch schon eher Mangelware waren, aber ich fand eine bezahlbare Pension, von der man in fünf Minuten am Wasser ist, wo der Biergarten auf der Website heimelig lockt, deren Küche einen Teller vom Guide Michelin hat und wo im Nachbarort ein Sternelokal ist, wo ich nächste Woche alleine essen gehen werde. F. bleibt brav zuhause, und ich werde vier Tage lang nur rumliegen, spazierengehen, aufs Wasser gucken, Bootfahren, wo-hoo!, viel Wein trinken und Zeug lesen, das nichts mit der Diss zu tun hat. Und wenn ich wieder in München bin, mache ich das noch ein paar Tage im Englischen Garten.

Das Referat morgen für die Korrekturfee ziehe ich noch durch, es wird aber etwas weniger professionell werden als geplant, denn wie gesagt, mein Kopf ist schon seit Tagen (oder Wochen) am See, während der Rest von mir das erstmal kapieren musste. Ob es im Blog auch eine Auszeit gibt, weiß ich noch nicht; aus Erfahrung weiß ich, dass man immer am meisten zu erzählen hat, wenn man eine Blogpause ankündigt, daher lasse ich das mal.

Ich war schon nach der Buchung gestern entspannter als vorher. Jetzt schreibe ich noch flugs ein paar Kundenmails, dass ich nächste Woche auf nichts reagieren werde, und dann schneide ich das gestern gebackene Brot an und beginne meine Sommerferien.

Tagebuch, Sonntag, 8. Juli 2018 – Back- und Schreibwerk

Den Morgen verbummelte ich neben F., was ich sehr genoss. Obwohl ich blöd von uns geträumt hatte. Im Traum hatte der Herr schon diverse Möbel zusammengeschraubt für unsere gemeinsame Wohnung, obwohl wir die doch noch gar nicht haben! Ich quengelte, wurde aber mit Schokolade ruhig gestellt. … Ich glaube, das beschreibt unsere Beziehung ganz gut: Der Mann kümmert sich, und ich esse Süßigkeiten.

Dann ging ich nach Hause und konnte mich nicht so recht entscheiden: Brioche backen? Oder gleich brav an den Schreibtisch? Twitter wusste die Lösung: Das geht doch beides, Kind! Also setzte ich einen schnuffigen Hefeteig an und ließ ihn vor sich hingehen, während ich an der Diss weiterwerkelte bzw. am Referat dazu, das ich Donnerstag meiner Korrekturfee halten werde.

Gestern habe ich endlich kapiert, warum mir dieses Referat solche Schwierigkeiten bereitet. In der Stoffsammlung für die Diss habe ich meinen Doktorvater bzw. meine Mitpromovierenden als Publikum im Hinterkopf, die sich auch alle in der Zeit der Neuen Sachlichkeit oder der NS-Zeit herumtreiben. Da muss ich also deutlich weniger erklären, wenn ich erzählen möchte, worum es mir geht. Bei der Korrekturfee muss ich viel früher ansetzen, damit sie überhaupt weiß, warum mir dieses kleine Nischenthema so am Herzen liegt und warum es wichtig ist, darin rumzubohren. Denn wenn ich schon den Ausgangspunkt nicht vermitteln kann, ist der Rest des Vortrags nur Rummeinen.

Das verstand ich erst gestern, dass ich zwei Vorträge vorbereiten muss. Aber obwohl das mehr Arbeit ist, klappt die Ausarbeitung des ersten nun endlich und ich werfe nicht mehr dauernd Folien hin und her.

Damit war ich dann den ganzen Tag beschäftigt. Zwischendurch schob ich die neue Folge Masterchef Australia dazwischen – diese Staffel begeistert mich nicht so recht, aber ich gucke sie natürlich trotzdem – und aß ein Brot mit Pastrami und Estragonsenf, wonach ich wieder an den Schreibtisch ging. Am späten Nachmittag formte ich ein paar Kugeln aus dem Hefeteig und legte sie in die Muffinform (ich habe keine Briocheförmchen), dann las und schrieb ich wieder, dann buk ich Brioches, dann las und schrieb ich wieder, dann aß ich ein Brioche, das leider nicht so der Bringer war, doofes ergoogeltes Rezept, dann las ich wieder, ärgerte mich über die Diss von 1990, weil sie mir wichtige Quellen vorenthielt und rumbehauptete, und dann war mein Tee alle und ich machte Feierabend.

Aus den doofen Brioche machte ich herzhaften French Toast, guckte zwei Folgen Suits und las zum Einschlafen Joyce.

Tagebuch, Samstag, 7. Juli 2018 – Lesen und lesen lassen

Da mir der Freitagnachmittag mit dem Bachmannpreis so gut gefallen hatte, saß ich am Samstagvormittag gespannt vor dem Rechner, um die letzten vier Texte anzuhören. Hier gibt’s einen kleinen Überblick, auch mit Links zu den Texten und den Jurydiskussionen.

Mir persönlich gefiel der Text von Özlem Özgül Dündar am besten; mich wunderte allerdings seine Schreibweise. Ich las nie mit, sondern ließ mir vorlesen, aber auf Twitter bekam ich mit, dass der Text anscheinend ohne Interpunktion und Großschreibung einfach so vor sich hinfließt. Beim Vortrag klang das nicht so, insofern bin ich ganz dankbar, eine Lesung mitbekommen zu haben. Obwohl mich seit dem letzten Kapitel des Ulysses, das genauso geschrieben ist, nichts mehr abschrecken kann. Wenn ich einen Text lesen will, dann lasse ich mich von fehlenden Kommata nicht mehr aufhalten. (Ich lese allerdings weiterhin keine Texte in weiß auf dunklem Grund im Internet.)

Ich fand es spannend, dass in der Jurydiskussion das Stichwort der Pietà fiel, denn das kam mir auch in den Sinn bei diesem Text über vier Mütter, von denen einige Opfer bzw. Opfermütter sind und eine Tätermutter ist. Ich mochte die sehr persönliche Herangehensweise an ein leider aktuelles Thema, gerade im Unterschied zu einem anderen Text, der sich auch mit der Geschichte der Bundesrepublik befasste und eitel scheiterte. Fand ich jedenfalls. Dündar wurde gerade mit dem KELAG-Preis ausgezeichnet, quasi der dritte Platz (weil die dritthöchste Preissumme). Bov Bjerg, dessen Text mich fast genauso begeistern konnte, erhielt den zweithöchst dotierten Preis, und der Bachmannpreis ging an Tanja Maljartschuk, die gefühlt den klassischsten Text vortrug, jedenfalls von denen, die ich mitbekommen hatte. Die anderen Texte werde ich jetzt brav nachlesen. Das hat mir alles sehr gut gefallen, und ich werde mir das für nächstes Jahr im Kalender eintragen, um Zeit zu haben, vor dem Livestream zu sitzen.

Den Rest des Tages verbrachte ich mit Fußballgucken und Referatformulieren. Letzteres ging zäher voran als mir lieb war. Jedesmal, wenn ich denke, jetzt weiß ich endlich, was ich sagen will, hinterfrage ich mich wieder. Ich hätte nicht gedacht, schon im Anfangsstadium der Diss – denn so fühlt es sich auch nach acht Monaten noch an – so rumzueiern. Praktischerweise hat F. immer einen guten Tipp, wie ich mein eigenes Gedankenknäuel auflösen kann, und damit werde ich mich heute befassen.

Ein paar weitere Seiten in Finnegans Wake bezwungen. Wenn man sich mal so richtig doof fühlen will, ist das Buch wirklich perfekt. Am Freitag twitterte ich noch launig, dass das Buch ein totales Wellnessbuch sei, denn man versteht halt nichts und muss sich mit nichts aufhalten. Aber so leicht will ich es dem Joyce ja auch nicht machen, ich will schon wissen, ob er nur Quatsch geschrieben oder sich wenigstens Mühe dabei gegeben hat. Daher suche ich immer einen Sinn, gebe meist auf, manchmal nicht, lese weiter, vergesse gerne, was ich eben gelesen habe und eiere quasi genauso rum wie bei der Diss. An manchen Sätzen knabbere ich rum, weil sie mir gefallen, an anderen, weil sie für mich überhaupt keinen Sinn ergeben, mich aber ein Wort oder ein Ausdruck daran hindern, einfach weiterzulesen. So was hier zum Beispiel:

„We can’t do without them. Wives, rush to the restyours! Ofman will toman while led is the lol.“

„The restyours“ bedeutet für mich schön patriarchalisch der Ehemann, der aus einer Frau ein Ganzes macht, ohne ihn ist sie unvollkommen. „Ofman“ ließ mich natürlich sofort an A Handmaid’s Tale denken, wo die Frauen keine eigenen Namen mehr haben, sondern als Besitz eines Mannes gekennzeichnet sind, wie die Hauptfigur Offred (Of Fred). Aber was heißt dann „toman“? Und woher zum Teufel kennt sich Joyce im Interweb aus LOL?

Aber der gute Mann versorgte mich ein paar Seiten weiter mit einem Begriff, den ich sofort in meinen Sprachschatz übernommen habe: Twitterlitter. Ihr kriegt jetzt den ganzen Satz, Moment:

„Gaping Gill, swift to mate errthors, stern to checkself, (diagnosing through eustacetube that it was to make with a markedly postpuberal hypertituitary type of Heidelberg mannleich cavern ethics) lufted his slopingforward, bad Sweatagore good murrough and dublnotch on to it as he was greedly obliged, and like a sensible ham, with infinite tact in the delicate situation seen the touchy nature of its perilous theme, thanked um for guilders received and time of day (not a little token abock allthe same that that was owl the God’s clock it was) and, upon humble duty to greet his Tyskminister and he shall gildthegap Gaper and thee his a mouldy voids, went about his business, whoever it was, saluting corpses, as a metter of corse (one could hound him out had one hart to for the monticules of scalp and dandruff droppings blaze his trail) accompanied by his trusty snorler and his permanent reflection verbigracious; I have met with you, bird, too late, or if not, too worm and early: and with tag for ildiot in his secondmouth language as many of the bigtimer’s verbaten words which he could balbly call to memory that same kveldeve, ere the hour of the twattering of bards in the twitterlitter between Druidia and the Deepsleep Sea, when suppertide and souvenir to Charlatan Mall jointly kem gently and along the quiet darkenings of Grand and Royal, ff, flitmansfluh, and, kk, ‘t crept i’ hedge whenas to many a softongue’s pawkytalk mude unswer u sufter poghyogh, Arvanda always aquiassent, while, studying castelles in the blowne and studding cowshots over the noran, he spat in careful convertedness a musaic dispensation about his hearthstone if you please, (Irish saliva, mawshe dho hole but would a respectable prominently connected fellow of Iro-European ascendances with welldressed ideas who knew the correct thing such as Mr. Shallwesigh or Mr. Shallwelaugh expectorate after such a callous fashion, no thank yous! when he had his belcher spuckertuck in his pucket, pthuck?) musefed with his thockits after having supped of the dish sot and pottage which he snobbishly dabbed Peach Bombay (it is rawly only Lukanpukan pilzenpie which she knows which senaffed and pibered him), a supreme of excelling peas, balled under minnshogue’s milk into whitemalt winesour, a proviant the littlebilker hoarsely relished, chaff it, in the snevel season, being as fain o’t as your rat wi’fennel; and on this celebrating occasion of the happy escape, for a crowning of pot valiance, this regional platter, benjamin of bouillis, with a spolish olive to middlepoint its zaynith, was marrying itself (porkograso !) erebusqued very deluxiously with a bottle of Phenice-Bruerie ’98, followed for second nuptials by a Piessporter, Grand Cur, of both of which cherished tablelights (though humble the bounquet ’tis a leaman*s farewell) he obdurately sniffed the cobwebcrusted corks.“

(James Joyce: Finnegans Wake, London 1992, S. 36–38.)

Was wollte ich sagen? Ach ja: Meine Liste von Nervensägen auf Twitter heißt jetzt Twitterlitter. Much obliged, James.

Was schön war, Freitag, 6. Juli 2018 – Fast alles

Bei Regen aufgewacht. Den Tagesplan Tagesplan sein gelassen und mich eine halbe Stunde an F. gekuschelt, der morgens immer ewig braucht, um in die Gänge zu kommen, während ich eigentlich mit dem ersten Weckerklingeln aufstehe (sonst schlafe ich bis Mittags durch. Snoozen ist mein Feind). Aber wenn da schon jemand neben dir liegt und rumdöst, kann man dabei ja einfach mal mitmachen, es drängte gerade nichts auf dem Zeitplan. Das war schon mal sehr schön.

Eine große Kanne Tee gekocht und jede Tasse genossen.

Dann eine Premiere. Die Kaltmamsell bloggt seit Jahren aufopferungsvoll aus Klagenfurt von den Tagen der deutschsprachigen Literatur (#tddl, #tddl18), so auch in diesem Jahr. Ich habe das immer interessiert gelesen, denn die Zusammenfassungen der vorgetragenen Geschichten waren so gut, dass ich eine Vorstellung von ihnen bekam, und von den Jury-Diskussionen hinterher ebenso. Manche der Geschichten habe ich online nachgelesen, die meisten allerdings nicht. Das liegt vielleicht auch daran, dass deutschsprachige Literatur ziemlich weit an mir vorbeigeht. Mal bekomme ich eine*n Buchpreisträger*in mit, die lese ich dann manchmal sogar, aber so richtig passe ich nicht auf dieses Genre, wenn man es so nennenn kann, auf.

Gestern kam ich aber schon so schön in den Tag rein, der Einkauf war schnell und angenehm (und bei Regen, yay! Endlich anständiges Wetter), ich hatte eine Schale Stachelbeeren erstanden, die ich für F. verarbeiten wollte, der sich selbst gerne als „Stachelbeerinfluencer“ bezeichnet, der kleine Irre. Ich googelte mir ein Rezept für Stachelbeerkompott zusammen, das ein bisschen mehr hermachte als einfach Früchte matschig zu kochen.

Einschub: 50 g Zucker mit 50 g Butter in einer Pfanne karamellisieren lassen, dann 500 Stachelbeeren, von Stielen und Blütenansätzen befreit, dazugeben. So lange köcheln lassen, bis die Früchte weich werden und aufzuplatzen beginnen; das hat bei mir keine zehn Minuten gedauert. Früchte vorsichtig zerdrücken, abkühlen lassen, ab ins Gläschen. Oder noch besser gleich mit Vanillepudding oder so genießen. Ich habe den Rest, der nicht in F.s Glas passte, mit Vanillejogurt gegessen und dachte mir, och, Stachelbeere, doch ganz okay. Muss ich aber auch nicht dauernd haben. Im Gegensatz zu anderen Leuten. Einschub Ende.

Ich ging also in die Küche, um mich ans Kompott zu machen, und wo ich sonst Spotify auf dem Laptop zum Kochen anklicke, wählte ich gestern spontan die Website des Bachmannpreises, wo auch gerade eine Geschichte begonnen hatte. Ich war mit dem Putzen der Früchte und dem Kochen längst fertig, als der Text endete, aber anstatt die Website zu schließen, hatte ich mich an den Küchentisch gesetzt und der Verfasserin Tanja Maljartschuk weiter zugehört. Nach der Pause lauschte ich dann Bov Bjerg, dessen Blog ich ewig gelesen und über dessen Bucherfolg ich mich sehr gefreut hatte, und war von seinem Text begeistert. Von der Geschichte Anselm Nefts war ich dann nicht mehr ganz so begeistert, fand aber auch hier die Jury-Diskussion erhellend und spannend.

Danach fragte ich mich, warum ich erst jetzt auf den Geschmack dieser Veranstaltung gekommen bin, aber ich ahne, dass es damit so ist wie mit allem: hat eben alles seine Zeit. Vor fünf Jahren dachte ich halt noch, ach, prätentiöse Literatur, und jetzt beschäftigte ich mich die ganze Zeit mit prätentiöser Kunst und rede genauso darüber und finde gar nichts Komisches oder Anstrengendes daran. Vermutlich, weil es eben nicht prätantiös ist, sondern ich einfach die Geduld finden musste, mich mit Dingen auseinanderzusetzen, die herausfordernder sind als amerikanische Popcornfilme.

Heute um 10 geht’s weiter.

In Finnegans Wake weitergelesen und die Stelle gefunden, von der Clay Shirky sich hat inspirieren lassen:

„The great fact emerges that after that historic date all holographs so far exhumed initialled by Haromphrey bear the sigla H.C.E. and while he was only and long and always good Dook Umphrey for the hunger-lean spalpeens of Lucalizod and Chimbers to his cronies it was equally certainly a pleasant turn of the populace which gave him as sense of those normative letters the nickname Here Comes Everybody.“

Ja, so liest sich das ganze Buch. Beziehungsweise noch komplizierter. Hätte ich vor fünf Jahren auch noch nicht lesen wollen. Bei mir steht das Zitat auf Seite 32, weiter bin ich noch nicht, das dauert alles irre lange.

Ulysses war übrigens ein total normales Buch. Finnegans Wake ist wie abstrakte Kunst lesen. Oder anders: Ich schaue auf Worte und warte immer, ob sich aus ihnen ein Sinn ergibt. Wenn ja, schön, wenn nicht, gehe ich weiter.

Die Curryreste von vorgestern gegessen. Stimmt also, Curry darf gerne noch eine Nacht durchziehen.

(Ich muss jetzt dem Bachmannpreis lauschen, ich stelle das jetzt online und ergänze nachher noch was. Ähem.)

Abends mit F. Belgien dabei zugeschaut, wie es Brasilien aus dem Turnier wirft. Das war endlich mal wieder ein richtig gutes Fußballspiel. Zuvor gab’s Brioche und Stachelbeerkompott, über das der Herr sich augenscheinlich gefreut hatte.

Nach Hause gegangen (das war das einige Nicht-Ganz-so-Schöne des Tages), denn F. musste heute früh raus und ich wollte ausschlafen. Das tat ich dann auch etwas länger als geplant, weswegen ich heute im Blogverzug bin. Gestern abend war ich zu faul zum Schreiben und heute kam halt der Bachmannpreis dazwischen. Aber dort ist eben jemand im Studio umgekippt, wenn ich das richtig gesehen habe, weswegen gerade Lesepause ist und ich diese wenigen Sätze noch unelegant einstreuen kann.

Tagebuch, Donnerstag, 5. Juli 2018 – Schreibtischtag

Morgens war mal wieder ein Blutbild fällig. Zu meiner Hausärztin gehe ich auch deshalb gerne, weil ihre Mitarbeiterinnen mit Spritzen umgehen können. Eine von beiden hatte vor ein paar Jahren vermutlich noch nicht ganz so viel Erfahrung, und als sie nach meinen unsichtbaren Venen suchte, bat sie doch lieber ihre Kollegin an die Spritze, anstatt an mir rumzustochern. Das wusste ich sehr zu schätzen. Gestern zapfte sie mir dann erstmals ruckzuck Blut ab und das, wie ich heute morgen feststellen darf, ohne einen blauen Fleck zu hinterlassen, der bei mir eigentlich immer Standard ist, ganz egal, wie professionell da jemand in meiner Armbeuge hantiert.

Ich musste an eine Klinik in Hamburg denken, zu der ich mal zur Blutabnahme geschickt wurde. Die machen quasi nichts anderes, das war Blutabnehmen im Akkord. Dementsprechend guckte die Dame auch nur auf meine Arme, tastete nicht mal, zückte die Nadel und piekste mich blitzschnell und völlig schmerzfrei. Ich brachte meine Freude und mein Erstaunen darüber irgendwie verbal zum Ausdruck – und sie rollte nur mit den Augen, so nach dem Motto, pfft, das ist doch nix. Ich hätte ihr gerne gesagt, doch, das ist ne Menge, jemandem keine Schmerzen zufügen zu müssen und anscheinend echt gut im Job zu sein. Bis auf das Verhalten der Patientin gegenüber vielleicht, daran könnte man noch mal arbeiten. (Gibt es ein deutsches Wort für bed-side manners?)

Das Mehrfamilienhaus, in dem ich wohne, wird neu gestrichen. Dafür begannen an Montag freundliche Herren, ein Gerüst aufzubauen, das bis gestern in den sechsten Stock wuchs. Ich war sehr überrascht davon, wie schnell das ging. Und mir wurden immer Dinge aus dem Weg geräumt, als ich mit dem Rad durch den Hof musste. Dankeschön!

Was ich am heimischen Schreibtisch in den letzten Tagen gelernt habe: EIN BOHRER IN DIE HAUSWAND IST ECHT LAUT! Und es ist komisch, wenn plötzlich jemand im fünften Stock an deinem Fenster vorbeispaziert. Ich habe jetzt quasi ein doppeltes Fensterbrett, auf das seit heute nacht gar lauschig der Regen prasselt. Leider nicht so laut wie ich gehofft hatte; ich mag das Regengeräusch doch so gerne.

Regen heißt aber auch: Ich muss die irre Spannung, welche Farbe es denn nun wird, noch ein paar Tage aushalten. Vermisse das Gelb jetzt schon.

Nach dem Besuch bei der Ärztin war ich wieder im Teahouse, um meine Nilgiri-Vorräte aufzustocken. Die beiden Tütchen vom Dallmayr und eben vom Teahouse waren längst alle, weil ich das Zeug gefühlt eimerweise trinke. In den letzten Tagen hielt ich mich mit Earl Grey über Wasser, aber gestern war die Zeit gekommen, erstmals in meinem Leben ein ganzes Pfund Tee zu kaufen. Keine kleinen Tütchen mehr, nix da!

Eigentlich wollte ich auch eine große Dose dazu haben, aber die freundliche Dame hinter der Theke meinte, große Dosen wären nur dann gut, wenn der Tee nicht lose darin läge, sondern in einer Tüte, die man verschließen könne. Sonst käme ja immer noch Luft an den Tee und das sollte es ja möglichst nicht. Gerade eine so große Dose sei nicht empfehlenswert. Das fand ich nett, dass sie mir 20 Euro ausredete.

Jetzt liegt mein Korakundah in einer schicken 100-g-Dose, die ich aus der großen Tüte immer wieder auffülle. Die kleine Dose steht im Regal, wo sie hübsch aussieht, die große Tüte liegt im Schrank in einer hässlichen Plastikdose, die aber auch ihren Job macht.

Den Rest des Tages verbrachte ich am Schreibtisch mit der Grossberg-Diss. Die Verfasserin hatte einen anderen Ansatz als den, den ich ausarbeiten möchte, insofern glaube ich, dass ich noch an ihre Arbeit anlegen kann. Sie hat die Bilder Grossbergs sehr ausführlich beschrieben und sie in Themengebiete zusammengefasst, ordnet sie aber äußerst sparsam in den historischen Kontext ein. Klar erwähnt sie das Bauhaus, das Deutsche Reich in den 20ern, aber spätestens ab den 30ern wird das sehr dünn. Insofern ist genau meine Baustelle noch offen. Daher bin ich doch etwas zuversichtlicher als vorgestern, dass ich noch eine neue Forschungsleistung für Grossberg erbringen kann. Auch wenn sie viele Fragen schon beantwortet hat, die sich mir während meiner bisherigen Recherche gestellt haben.

Ich suche meinen Gesamtverlauf des Browsers gerne einen Tag später nochmal durch, ob ich was Schickes gelesen habe, das ich euch hier weiterempfehlen möchte. Gestern habe ich mich bis auf wenige Ausnahmen echt nur auf Seiten rumgetrieben, die was mit der Diss zu tun hatten: Bibliotheken, Archive, digitalisierte Zeitschriften, Auktionshäuser, Bilddatenbanken, die Wikipedia. Das hat mich dann doch selbst etwas überrascht.

Abends lecker Curry mit F., einen sehr wohlschmeckenden Perlwein vom neuen Lieblingsweingut hinterher (zum Curry ging er leider nicht), auf den ich mich seit seiner Lieferung mittags gefreut hatte, gemeinsam eingeschlafen.

Tagebuch, Mittwoch, 4. Juli 2018 – Letzte Sitzung vor den Klausuren, die mir seit zwei Semestern egal sind, ha!

Um zehn saß ich brav im Hörsaal, wo die letzte Sitzung der Eichhörnchenvorlesung stattfand. Oder wie sie richtig heißt, die Vorlesung zu Materialien der modernen Malerei. Der Dozent hatte sich für diese Stunde einen Gast eingeladen, dessen Namen ich mir leider nicht notiert habe, aber der gute Mann promoviert gerade zum Thema Fotografie. Genau dazu referierte er auch eine gute Stunde, ich notierte mir wie immer Bücher oder Aufsätze, die für mich spannend klangen, und nebenbei blitzten im Kopf wieder Dinge auf, die für meine Dissertation wichtig sein könnten. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie genau der Referent mich in diese oder jene Richtung schubste bzw. was genau er sagte, denn das hatte alles gar nichts mit meinem Thema zu tun, aber inzwischen genügen irgendwelche Reize und mein Kopf legt an die Diss Fragezeichen an, die ich jetzt notgedrungen beantworten muss. Will. Werde. (Hoffentlich.)

Danach sagte der Dozent noch kurz was zur Klausur, ich klinkte mich geistig aus, auch bei den üblichen Fragen, die nach der Erklärung kamen und die nie was bringen. Zum Abschluss wurde ich dann aber wieder hellhörig, denn der Herr meinte, dass eine Kollegin ihm gesagt hätte, dass Teile seiner Vorlesung verbloggt worden wären – das hätte ihn sehr gefreut und seine Tochter auch, die habe das gerne gelesen und wüsste nun, was ihr Vater eigentlich genau macht.

Ich wollte nach der Stunde eh runtergehen und mich persönlich bedanken. Ich war zur Vorlesung nicht angemeldet, weil ich als Doktorandin eingeschrieben bin und daher keine ECTS-Punkte mehr sammele, weswegen ich nicht den üblichen Link zur Evaluation der Lehrkräfte zugeschickt bekam, unter dem ich sonst immer lobhudele wie nichts Gutes. (Meistens jedenfalls.) Also wollte ich das persönlich erledigen und hatte nun auch einen Gesprächsanfang: „Ich bin das Blog.“ Der Dozent meinte, dass meine Art der Vorbereitung – Dinge verbloggen – vermutlich eine effektivere Klausurvorbereitung war als das blöde Auswendiglernen der Folien, die er eh nur als „Fragment“ ansieht. Den Gedanken hatte ich beim Bloggen auch schon mal. Ich meinte, dass ich, gerade weil ich nicht für die Klausur lerne, sondern mir fürs Blog nur die großen Bögen gemerkt oder aufgeschrieben habe, auch anders zugehört hatte. Solange ich wusste, dass ich abgefragt werde, habe ich zehn Semester lang bei jedem Fakt überlegt, ob der wohl klausurrelevant sein könnte … ach, lieber zuviel als zuwenig aufschreiben. Das war bestimmt kein Fehler, aber ich merke jetzt, in der ersten Vorlesung ohne Abschlussklausur, dass ich dem Dozent viel aufmerksamer, weil unselektiver zugehört habe. Ich habe warten können, bis ein Gedanke abgeschlossen war und konnte mich dann entscheiden: Will ich das im Blog teilen oder ist das zu spezifisch für meine Leserschaft? Ist das wirklich so interessant, skurril, spannend, dass damit auch Leser*innen etwas anfangen können, die mit Kunstgeschichte sonst weniger am Hut haben? Anders ausgedrückt: Will ich mir das selber merken oder will ich hier nur sitzen und zuhören und dem Zufall vertrauen, was mein Kopf davon behält? Das ging bei den bisherigen Vorlesungen nicht – und wie ich schon ahnte, habe ich mir von diesem Semester weitaus mehr gemerkt als in den zehn Semestern vorher. Ich hatte immer auf die Klausur hingelernt und danach alles wieder vergessen. Durch das Aufschreiben im Blog – also der selbstgewählten Wiederholung des Stoffes, den ich dazu auch noch so aufbereiten musste, dass man ihn versteht, auch wenn man nicht in der Vorlesung saß – merkte ich mir viel mehr als jemals zuvor. Neulich stolperte ich in einer NS-Publikation über die Analogie von Mensch und Technik, also dass technische Hilfsmittel Verlängerung des menschlichen Körpers seien und konnte grinsend feststellen, alter Hut, die Idee hatte im 19. Jahrhundert auch schon jemand, das habe ich schon am Anfang der Vorlesung gelernt.

Nach der Vorlesung radelte ich in die UB, wo drei dicke Bücher in der Ausleihe auf mich warteten und ein äußerst schmales in der Fernleihe, das ich auch nur in den Lesesaal mitnehmen durfte. Der bisher kürzeste Ausstellungskatalog zu Grossberg stammt von 1960, hat sechzehn Seiten und liegt sonst wohlbehütet in der Unibibliothek Stuttgart. (Ich gucke immer interessiert auf die Buchstempel und winke im Geist in die anderen Bibliotheken. You rock!) Dort fand ich sehr hilfreiche Zitate und Hinweise, notierte mir brav alles und gab den Katalog dann wieder ab. Gute Heimreise, kleines Bändchen!

Ich holte noch ein weiteres Buch aus der Stabi und verglich kurz: die Dissertation aus der UB hat über 500 Seiten, zwei Bände und wiegt gefühlt zwei Kilo. Die aus der Stabi ist nur DIN-A5-groß, hat gute 200 Seiten und wiegt nicht mal ein Pfund. Team kürzere Dissertationen! Immer an die ausleihenden Studis denken, die auf Rädern unterwegs sind und Puddingärmchen haben!

Die 500-Seiten-Diss beschäftigte mich dann den Rest des Tages. Sie hat leider ein bisschen mein inneres Gleichgewicht ruiniert, denn in ihr finden sich gefühlt dutzende von Dingen, die ich im Nachlass herausfinden wollte. Den hat anscheinend doch schon einmal jemand durchwühlt und zwar nicht der Herr im Katalog 1976 und auch nicht die Tochter Grossbergs im Katalog 1994 (der letzte große zu ihm), die beiden Auswertungen kannte ich, vermisste aber für mich wichtige Infos. Die fand ich teilweise hier in der Diss von 1990. Das ist zwar einerseits toll – ich hatte mit einigen meiner Theorien fett recht –, aber andererseits total doof, denn das wollte ich doch alles rausfinden und erstmals publizieren. Außerdem finden sich hier Dinge, die in allen Publikationen danach zu Grossberg anscheinend komplett ignoriert wurden, und ich frage mich seit gestern, ob das bewusst passiert ist oder einfach niemand diese Diss gelesen hat. Einen elementaren Fakt zu Grossbergs Leben, den ich hier nicht ausplaudern will, habe ich so noch nirgends gelesen und wundere mich daher seit gestern arg.

Ich habe gestern nicht alle 500 Seiten geschafft, weil ich mit dem für mich wichtigen Teil begonnen hatte (Ende 20er Jahre bis zu seinem Tod 1940), aber heute lese ich den Rest, und dann muss ich sehr gut nachdenken, ob meine Diss überhaupt noch funktioniert. Momentan glaube ich ja, denn die Verfasserin hatte eine andere Zielrichtung als ich, aber das hat mich gestern doch kurz aus der Bahn geworfen.

Aber ich hatte immerhin frisch gebackenenes Buttermilchbrot zur Aufheiterung, das ich gestern teilweise zu einem ordentlichen Steak Sandwich mit Paprika und Zwiebeln verwandelte. Da ich dazu keinen gesonderten Blogeintrag schreiben werde, hier die Zutaten: 585 g Weizenmehl, Type 550, 205 g Wasser, 200 g Buttermilch, 12 g Salz, 0,5 g Frischhefe. Zubereitung wie das Weizenbrot ohne Buttermilch. Bitte kaufen Sie dieses Backbuch, es macht sehr glücklich.

Spinat-Parmesan-Knödel mit Ofentomaten

Eigentlich gehört auch noch Salbeibutter ans Rezept, aber ich hatte und wollte keinen Salbei. Und einen Zweig Rosmarin für die Tomaten hatte ich auch nicht, aber dafür spontan gekauften Spinat, weswegen ich dieses Rezept ergoogelte. Das kommt auf die Liste fürs erneute Kochen, das war nämlich gut gegoogelt.

Für acht eher kleine Knödel (also nicht die bayerische Semmelknödelgröße, eine international bekannte Einheit, wie ich glaube).

250 g altbackene Brötchen (bei mir Weizenbrot) fein hacken.
1 Zwiebel sehr fein hacken und in
1 EL Butter glasig dünsten.

140 ml Milch erhitzen (nicht kochen), mit
Muskat und
Salz würzen. Mit der Zwiebelbutter über das Brot geben. Gut durchmischen und abgedeckt 15 Minuten quellen lassen.

Blattspinat waschen und von Strünken befreien, so dass 300 g dabei herauskommen. (Sagt jedenfalls das Rezept. Ich habe die Hälfte vom Rezept gemacht und hatte statt 150 g Spinat nur gut 100 und das hat auch gereicht). Den Spinat in reichlich kochendem
Salzwasser für 30 Sekunden blanchieren und sofort in
Eiswasser abschrecken. Gut abtropfen lassen, dann sehr gut ausdrücken und fein hacken.

2 Eier verquirlen,
40 g Parmesan reiben. Wenn die 15 Minuten Quellzeit rum sind, beides plus den Spinat in die Brotmischung geben und alles zu einem Teig verkneten. Acht Knödel formen und diese mit einem feuchten Tuch abgedeckt 15 Minuten ruhen lassen.

In einer feuerfesten Form
450 g Strauchtomaten (wer mag, lässt die Rispen dran) waschen, abtrocknen und mit
3 EL Olivenöl,
2 Zweigen Rosmarin (bei mir gerebelt),
2 angedrückten Knoblauchzehen,
2 Lorbeerblättern sowie
schwarzem Pfeffer und
Meersalz mischen. Im auf 180 Grad vorgeheizten Ofen auf der zweiten Schiene von unten für 20 Minuten backen, bis die Tomaten weich sind.

Reichlich Salzwasser aufkochen. Die Knödel nach der Ruhezeit hineingeben, die Hitze sofort reduzieren und für 15 bis 20 Minuten knapp unter dem Siedepunkt garziehen lassen. Mit einer Schaumkelle herausnehmen, kurz abtropfen lassen und mit den Ofentomaten servieren. Wer mag, reibt noch etwas Parmesan darüber (mag ich immer).

Wie gesagt, keine Salbeibutter bei mir, dafür einfach ein bisschen Butter mit Olivenöl erwärmt und fertig. Das fand ich auch sehr nötig; der weiche Buttergeschmack fängt die Säure der Tomaten gut ein und hat für mich alles sehr rund gemacht. Außerdem sind Knödel ohne Sauce, wie wir wissen, einen Hauch trocken, trotz des schönen Spinats.

Tagebuch, Montag, 2. Juli 2018 – Stabi, Fuppes, Weizenbrot

Morgens zur Stabi geradelt, dabei wie üblich Monologe mit Autofahrern geführt: „Ja, klar, blink halt nicht, passt schon … nee, fahr ruhig bis an meinen Hinterreifen an der Ampel, dann bin ich garantiert schneller weg … ach, Sicherheitsabstand, das ist doch was für Anfänger, hast recht …“

Tief durchgeatmet, mich nicht ärgern lassen, auch nicht von den Radler*innen, die an einer Baustelle mal eben den Fußweg benutzten, ohne abzusteigen (ja, Kinder, das ist auch scheiße), an der Stabi aber schon keinen Platz mehr an den Fahrradständern gefunden, so voll war es morgens bereits. Mir fiel ein, dass das Semester ja gerade in die Endrunde geht – die Termine habe ich gar nicht mehr im Kopf, seit ich mich nicht mehr für Prüfungen anmelden oder Klausuren schreiben muss. Nur noch zwei Wochen, dann ist mein zweites Promotionssemester schon wieder rum bzw. die Zeit der Vorlesungen in diesem Semester. Nur noch eine Eichhörnchensitzung!

In der Stabi zwei Jahrgänge der Straße aus meinem Regal gezerrt und darin Aufsätze über die künstlerische Auseinandersetzung mit den Reichsautobahnen nachgelesen, die ich in Ansätzen schon aus anderen Werken kannte. In meiner üblichen Fußnotenfaszination über Paul Bonatz, einen der Hauptverantwortlichen für den Brückenbau der Autobahnen, gestolpert und über ihn ein paar Aufsätze gelesen, ich hab ja Zeit. Ein Zitat von ihm ist mir im Gedächtnis geblieben, ich las es, als ich gerade im ZI saß: Er meinte, die Architektur des „Dritten Reiches“ wäre quasi komplett Schrott, aber die beiden Führerbauten am Königsplatz in München seien wirklich gut gelungen. Als jemand, der dauernd in einem dieser Bauten sitzt, nicke ich das mal ab.

Außerdem blätterte ich in einigen Ausstellungskatalogen über die Neue Sachlichkeit und war wie immer hingerissen. Ich glaube, ich habe meine künstlerische Heimat gefunden. Aus Neugier und Interesse treibe ich mich in den späten 30ern herum, aber die 20er schaue ich mir immer gerne an. Praktisch, dass ich den Zeitumfang meiner Diss mal auf 1925 bis 1940 gesetzt habe, best of both worlds.

Neben mir blätterte eine junge Dame in diversen Jahrgängen der Brigitte und ich guckte ab und zu mal rüber – meist, wenn sie einen Karton öffnete, in dem ein Jahrgang lag, denn dann schwappte eine Welle modriger Luft zu mir rüber. Die Straße hat nicht so gestunken. Ich lasse das mal so stehen. Der junge Herr rechts von mir blätterte in gar nichts, er guckte sehr lange stumm auf irgendwelche Notizen, legte dann seinen Kopf auf seine Arm und ruhte sich ein bisschen aus.

Im Scanraum der Stabi gelernt: Man kann bei Overheadscannern die Platten, auf denen man die Bücher ablegt, seitlich hochklappen, so dass die Bücher nicht ganz flach liegen – gut fürs Buch (oder für einen Jahresband von Nazikram) und der Scan ist trotzdem plan. Wieder fasziniert von dieser Technik gewesen – und mich verschämt daran erinnert, dass ich bei der ersten Benutzung dieser Dinger die Bücher mit dem Schriftbild nach unten auf die Platten gelegt hatte, wie man das von Kopierern halt kennt und mich gewundert habe, dass ich immer nur den schwarzen Einband auf dem Vorschaubild hatte.

Pünktlich zum Fußball zuhause gewesen, es aber nicht ertragen, Brasilien zuzugucken bzw. Neymar. Nebenbei Zeitung gelesen … oder nee, Zeitung gelesen und nebenbei stumm den Livestream laufen lassen. Das Daumendrücken für Mexiko hat nicht geholfen. Vor dem nächsten Spiel Masterchef Australia geguckt, dann erstaunt Japan zugeschaut und mich über die schöne, ruhige Hymne gefreut. Immerhin waren hier meine Daumen auf der Seite der Sieger.

Mich den ganzen Tag von Cold Brew und belegten Broten ernährt, mein Weizenbrot hält sich sehr gut, wird nicht trocken und schmeckt auch nach Tagen noch super. Im Kühlschrank steht schon Buttermilch fürs nächste Rezept aus dem tollen Backbuch.

Was schön war, Sonntag, 1. Juli 2018 – In der Puppenkiste

Als ich das erste Mal zum Fußball mit nach Augsburg kam, spielte F. den Fremdenführer und wies mal hierhin, mal dorthin, was es da alles gab im Fuggerstädtchen, ich nickte und hatte keine Ahnung, und dann kam irgendwann der Satz: „Und da hinten geht’s zur Puppenkiste.“ Und ich so: „Wie, die Puppenkiste? Die gibt’s wirklich?“

Für mich war die Augsburger Puppenkiste ein Fernsehstudio in Köln, in dem Jim Knopf und Lukas wohnten und dann übers Plastikplanenmeer nach Lummerland fuhren. Aber nein, es gibt wirklich ein Theater in Augsburg, das 1948 eröffnet wurde und wo zum Beispiel der Räuber Hotzenplotz seit 1966 die Kaffeemühle der Großmutter klaut. Und genau das schauten F. und ich uns gestern an.

Wenn ich alleine dagewesen wäre, wäre ich vermutlich am Theater vorbeigelaufen, denn es befindet sich in einem ehemaligen Spitalgebäude – übrigens von Elias Holl, den ich aus dem Studium kannte; den Goldenen Saal im Augsburger Rathaus hatte ich mal in einer Vorlesung gesehen. Eine unscheinbare Tür führt in einen kleinen Vorraum, in dem es eine Garderobe gibt, ein Café, das aus geschätzt zehn Tischen besteht und einer kleinen Merchandisinginsel, wo man neben Shirts, Büchern und Postkarten auch die bekanntesten Marionetten kaufen kann. Von der Puppenkisten-Website habe ich gelernt: Jim und Lukas wohnen wirklich nur im Fernsehen, dieses Stück ist als Bühnenproduktion viel zu aufwendig.

Nebenbei bin ich jetzt schon gespannt darauf, welche Marionette in der nächsten Bundesliga-Saison anstatt eines Wimpels an den Kapitän der Gastmannschaft übergeben wird, die gerade beim FC Augsburg spielt; in der abgelaufenen Saison war es ausgerechnet der Hotzenplotz – natürlich stilecht mit einem grünweißroten Fanschal um den hölzernen Hals.

F. kannte das Theater schon, ich wie gesagt nicht, und ich war unerwartet aufgeregt, als wir in den Gewölbesaal traten und in der dritten Reihe Platz nahmen. F. hatte die Karten schon im letzten September gekauft; die Dinger sind so schnell weg wie Karten für die Bayreuther Festspiele, aber deutlich günstiger. Er hatte auch brav darauf geachtet, möglichst weit vorne zu sitzen, denn, wer hätte es gedacht, die Kiste ist quasi wirklich eine Kiste. Die Bühne ist winzig, und ich habe keine Ahnung, ob man in der letzten, der 20. Reihe, überhaupt noch was sehen kann. Ich war schon gerührt, bevor es überhaupt losging, denn die Flügel der Kiste kannte ich natürlich aus dem Fernsehen und war gespannt, ob sie sich wirklich seitlich öffneten oder einfach nach oben weggezogen wurden.

Sie öffneten sich seitlich, wie es sich gehört und ich verdrückte ein kleines Tränchen, ich Marionettenmemme.

Im ersten Bild singen der Kasperl und der Sepperl der Großmutter ein Geburtstagsständchen. Den Kasperl kenne ich auch aus dem Stadion; er sagt immer das Spielergebnis voraus, meist allerdings falsch. Deswegen war ich sehr über die Theaterstimme des Kasperl irritiert, denn sie war anders. Das lag daran, dass wir gestern ernsthaft noch die Sprechstimmenaufnahmen von 1966 hörten – so wurde der Zauberer Petrosilius Zwackelmann (Petersilius Wackelzahn) vom Puppenkistengründer Walter Oehmichen eingesprochen, der seit 1977 tot ist. Aber warum auch Dinge ändern, die anscheinend seit 50 Jahren funktionieren? Ich hatte erwartet, dass die ganzen Kinderscharen um uns herum, die mit iPads und Laptops groß werden, nicht mehr von Holzpuppen an deutlich sichtbaren Schnüren fasziniert werden können, aber damit lag ich tollerweise total falsch. Sobald sich der rote Vorhang hinter den Kistenflügeln öffnete, war Ruhe im Saal (bis auf die stets blubbernden Kleinstkinder, aber das muss so) und die Kinder lachten über die gut platzierten Witze genau wie ich, erfreuten sich genau wie ich daran, dass Zwackelmann von einem Besen verkloppt wird oder dass ein Schnupftabaksack plötzlich Beine hat und staunten genau wie ich lautstark über ein besonders dramatisch ausgeleuchtetes Bühnenbild (der Unkenpfuhl! Huuuuh! Ich will die Unke als Marionette!).

Zwischen den einzelnen Bildern ging der Vorhang immer kurz zu – und sofort begannen die Gespräche um uns herum. „Mama, wieso hat der Kasperl …“ „Willst du dem Papa erzählen, was der Räuber gemacht hat?“ und ähnlich. Ich ahne, dass die Umbaupausen auch dazu da sind, damit man kleinen Kindern notfalls noch schnell erklären kann, was da gerade passiert ist. Das schien zu funktionieren, die Gespräche brachen immer sofort ab, sobald der Vorhang sich wieder öffnete. Das Publikum war übrigens geschätzt nur zur Hälfte im Kindesalter, wenn überhaupt. In der ersten Reihe saß zum Beispiel ein kleiner Junge, dem sich gleich vier gut gelaunte Erwachsene als Begleitperson angedient hatten.


(Deko auf dem Merchandisingstand.)

Was mich überraschte: Die Marionetten waren deutlich kleiner als ich dachte. Aber klar, wenn man als Puppenspieler*in eine 80-Zentimeter-Puppe bewegen muss, ist das vermutlich irre anstrengend und vor allem schwer zu koordinieren. Was ich auch lustig fand und mich an meine erste Ballettaufführung denken ließ: dass man das hölzerne Geklapper der Füße auf dem Bühnenboden hört. Daran musste ich mich erst gewöhnen, wie auch an das für meine Ohren immer noch anstrengende Augsburger Schwäbisch. Mit Bairisch komme ich inzwischen halbwegs klar, aber in Augsburg wird eher geschwäbelt. Und dann auch noch, wie F. es nannte, eher maulfaul. Vieles wird verwischt oder verschluckt, weswegen ich mich in der Pause beschwerte, dass das total fies gegenüber uns armen Norddeutschen ist. F. nur so: „Dann baut’s eich halt selba a Puppakischt.“ Werde den Mann jetzt ins Ohnsorg-Theater schleppen müssen. Oder in irgendwas Plattdeutsches. Im Programmheft steht übrigens eine Übersetzung für viele Ausdrücke, aber davon hat man leider während der Vorstellung nichts. Gerade den Sepperl, der auch noch betont doof sprach, habe ich kaum verstanden. Außer bei einem seiner Lieder, aber der Reim war auch idioten- bzw. norddeutschensicher, der ging ungefähr so: „Ich bin das arme Sepperle, ich bin ein kleines Depperle.“ Aus dem Programmheft übernehmen werde ich aber ab sofort den Ausdruck „Simpelfranzn“ für „Stirnhaare mit waagrechter Schnittlinie.“

Die Vorstellung dauerte knapp anderthalb Stunden, wobei es nach knapp einer Stunde eine Pause gab. Danach wurde der Zauberer verprügelt, aus der wirklich tollen Unke wurde eine total langweilige Fee, der Zauberer fiel in die Hölle, der Hotzenplotz wurde aus einem Gimpel wieder zu einem Mensch verwandelt und zum Schluss kriegten alle, auch der Wachtmeister Dimpflmoser, von der Großmutter einen anständigen Zwetschgendatschi. Der Vorhang fiel und die Klappe schloss sich blitzschnell. Keine Verbeugung der Marionetten oder sogar der Spieler*innen. Letzteres findet wohl bei den Vorstellungen für Erwachsene statt, aber bei den Stücken für Kinder ist das Ende sehr kurz und schmerzlos. Ich fand das ein bisschen schade, aber andererseits: Wenn man als Kind noch nicht die Theatererfahrung gemacht hat, dass sich am Ende alle verbeugen, dann muss das ja auch nicht sein.

Leider war die Kasperleampel in der Nähe des Theaters gestern nicht eingeschaltet, die hätte ich auch gerne noch gesehen. So trösteten wir uns mit Guinness und Kilkenny und eher mäßigen Pommes in einem Biergarten um die Ecke, sahen das Elfmeterschießen von Spanien und Russland und fuhren gemütlich (g’miatlich) mit dem Regionalzug wieder nach München.

Das war sehr ungewohnt, mal ohne Stadionklamotten nach Augsburg zu fahren, aber wirklich schön. Die Puppenkiste. Es gibt sie wirklich.

Tagebuch, Samstag, 30. Juni 2018 – Kopf runterfahren

Seit Tagen merke ich an mir, dass mir Namen nicht mehr einfallen. Nach den ersten Gedanken in Richtung ALZHEIMER GEHIRNTUMOR NÄCHSTES JAHR WIRST DU 50 fällt mir dann meistens ein, dass ich seit der Abgabe der Masterarbeit im letzten Juli keinen Urlaub mehr hatte. Ich war mit F. im Juli 2017 für zwei Tage in Kassel auf der documenta und dann im Februar ein hektisches Wochenende in Frankfurt, um noch die Weimar-Ausstellung in der Schirn mitzukriegen, aber ansonsten war ich nicht wirklich weg aus München. Ein paar Hamburg-Trips, teils beruflich, teils privat, meistens halbe-halbe, ein langes Wochenende in der alten Heimat bei den Eltern, was nie Urlaub ist, sondern eher Stress – netter Stress, aber Stress – und einen halben Tag in Halle auf dem Rückweg kommen noch dazu. Ansonsten habe ich mich nie wirklich ausgeruht und den Kopf aus allem rausgezogen. Direkt nach der MA-Arbeit garantiert, da ging auch nichts mehr, aber auch das fand auf dem heimischen Sofa statt und unter dem Vorzeichen „Du musst jetzt wieder Werbung machen, sonst sitzt zu in einem Jahr im alten Kinderzimmer, weil du München nicht mehr finanzieren kannst.“ Auch nicht unbedingt entspannende Vorzeichen.

Seit Januar diesen Jahres bin ich wieder eher Texterin als Doktorandin, was immerhin das letzte Problem deutlich verkleinert hat. Dieses Jahr ist locker finanziert und ein paar Reserven für das nächste konnte ich auch schon zurücklegen, wie man das als Selbständige halt macht. Trotzdem hoffe ich ein bisschen darauf, dass noch ein paar mehr Jobs reinkommen, denn dann kann ich auf der Baustelle wieder ruhig schlafen.

Wenn ich nicht für Geld am Schreibtisch gesessen habe, tat ich das für Luft, Liebe und Wissenschaft (Bloggen, rührselige DMs an F. schreiben, Dissertation). An so ziemlich jedem Tag, an dem ich wusste, ich muss nichts für die Werbung machen, drängelte der kleine Doktorhut im Hinterkopf, dass ich dann gefälligst was für die Diss tun sollte. Da ich ja nie weiß, wann der nächste Job bei mir aufschlägt, sollte ich doch bitte jede freie Zeit für die Kunstgeschichte nutzen. Natürlich habe ich auch diverse Tage einfach vor Netflix vergammelt, das muss schließlich auch sein. Aber gefühlt habe ich mir seit Juli letzten Jahres keine vernünftige Auszeit mehr genommen. Also mehr als hier mal einen Tag und da mal ein Wochenende. Ich bräuchte gefühlt mal mindestens eine Woche weg von hier, in eine andere Stadt, Museen angucken, viel zu viel essen und lange schlafen.

Eigentlich hatten F. und ich Paris für dieses Jahr geplant, vielleicht wird’s jetzt doch eher Wien, das war letztes Mal so nett da, wir werden sehen. Aber ich ahne, dass ich allmählich wirklich mal raus muss. Mir machen derzeit meine Jobs Spaß, mir macht die Wissenschaft noch mehr Spaß, aber sobald ich mit diesen Pflichtteilen des Tages durch bin, fährt mein Kopf quasi auf Null runter. Wenn mich am Donnerstag nicht ausgerechnet Facebook an den Geburtstag meines besten Freundes erinnert hätte, hätte ich den glatt vergessen, so sehr ist mein Kopf schon raus.

Gestern lag ich dementsprechend nur rum, guckte Serien und Fußball, und schlief auch alleine zuhause, um mal ohne Wecker oder Sonnenlicht wach zu werden (letzteres ist bei F. immer mein Problem, weil der Herr kein Freund von Jalousien oder Gardinen ist, was das Allererste ist, womit ich mich in neuen Wohnungen, in die ich einziehe, beschäftige: Tageslicht muss beherrschbar sein!). Ich ging gestern normal um kurz vor Mitternacht ins Bett – und wachte heute gegen 11 Uhr auf. Ich glaube, mein Körper möchte mir irgendwas sagen.

Tagebuch, Mittwoch bis Freitag, 27. bis 29. Juni 2018 – Matschbirne

Mittwoch war wieder ein Geleetag – ich watete in meinen ganzen Diss-Dokumenten rum, ohne zu irgendeinem Punkt zu kommen. Und dafür hatte ich auf die Eichhörnchenvorlesung verzichtet! Andererseits war ich so weder in einem Hörsaal noch in der Bibliothek, als mein Handy klingelte und sich ein neuer Job ankündigte. Das war schön.

Überhaupt finde ich es gerade schön, dass sich alle Kunden und Kundinnen an mich wenden anstatt umgekehrt. Es bestätigt sich immer mehr, dass die Jobs dadurch reinkommen, dass ich einen anderen Job gut gemacht habe, dass mich ein Texterkollege oder eine -kollegin weiterempfiehlt, so wie ich das auch mache, wenn ich keine Zeit habe, dass Leute mein Blog lesen oder sogar mein Buch. Um irgendeine Ecke kommt immer was. Allerdings noch nie über meine lustigen Akquisemails oder Xing und bis jetzt auch noch nicht über Designerdock, bei denen ich mich im November letzten Jahres angemeldet habe. Aber noch sind die 18 Monate ja noch nicht rum, in denen sie mich mal anrufen könnten.

Das Ausscheiden DER MANNSCHAFT habe ich sehr emotionslos hingenommen. Das hat mich selbst überrascht, wie emotionslos ich war, aber als der eklige Rumpelfußball endlich vorbei war, dachte ich nur, yay, in zwei Tagen kommt die Bundesliga-Terminvorschau raus, und dann gibt’s wieder anständigen Fuppes.

Das komische schwarzrotgelb verzierte Teilchen bei meinem Bäcker mit dem schönen Namen „Endspielteilnehmer“ liegt jetzt verschämt weiter hinten in der Vitrine.

Donnerstag auch vom heimischen Schreibtisch aus gearbeitet, Protzen-Bilder, fragt nicht, ich seh die schon gar nicht mehr, ich schneide nur aus und notiere Größenangaben und Titel und höre meinen Spotify-Mix der Woche dreimal hintereinander durch. Noch ein paar Aufsätze gelesen und wieder mit allem gehadert. Doofe Idee, tolle Idee, halbgare Idee, ich weiß gar nichts mehr. Ich verfranse mich schon wieder auf zwanzig Baustellen, anstatt den roten Faden weiterzuverfolgen, den ich vor ein paar Tagen in den Fingern hatte. Ein Elend, diese Wissenschaft.

Und wie immer, wenn ich wieder mit allem hadere, erinnert mich F. an den schönen Satz, der ihn durch seine Diss getragen hat: „If you know what you’re doing more than fifty percent of the time, it’s not research.“ Den sticke ich mir jetzt auf ein Kissen. Aber das habe ich, glaube ich, schon öfter im Blog angekündigt und nie gemacht und deswegen vergesse ich diesen Satz immer und F. muss ihn dauernd wiederholen.

Weitere, ich glaube sechs, Seiten an zwei Tagen in Finnegans Wake bezwungen. Das Ding ist ein einziges Rätsel, aber völlig faszinierend. Es ergibt beim ersten Lesen überhaupt keinen Sinn und beim zweiten auch nur, wenn man sich irgendeine Story dazu ausdenkt, aber zwischendurch kommen schöne Satzfetzen oder Worte, auf denen ich rumdenken kann beim Einschlafen.

„And laughtears!“

„As innocens with anaclete play popeye antipop.“

Antipop! 1939! Natürlich hat das überhaupt nichts mit Pop Art oder Popmusik zu tun, aber ich finde es so spannend, aus diesen alten Worten, die für Joyce damals eine andere Bedeutung hatten, eine neue zu schnitzen. Oder Assoziationen brodeln zu lassen, die Joyce noch nicht haben konnte. Weil jede neue Leserin neue Dinge denkt und die Zeit immer weiter voranschreitet, in der neue Leserinnen mit neuen Gedanken kommen, ist das Buch quasi ein ständiger work in progress. Das war übrigens der Arbeitstitel des Werks, als es in Vorabdrucken erschien. Das fühlt sich für mich im Nachhinein sehr prophetisch an.

„Echoland.“

Echoland! Vor meinem geistigen Auge entsteht der große Nachwenderoman. Oder ein Alternative-Rock-Album. Vor deinem auch? Schreib’s auf! Nimm’s auf!

Als einzige Gegenmaßnahme zum Rumgelieren und Fadenverlieren am Freitag brav im ZI gewesen, wo ich hingehöre. Versucht, mich nicht noch weiter zu verfransen, sondern nur die Fragen zu beantworten, die ich beim Aufsatzlesen am Donnerstag hatte. Hat natürlich nicht geklappt. Wieder neue Baustellen aufgemacht. Aber immerhin noch schöne Texte zu Grossberg gefunden und viele seiner Bilder angeschaut.

Ich stelle naiv-erstaunt den Unterschied von einer langen Forschungsarbeit zu BA- und MA-Arbeit fest, die mir im Nachhinein wie hingeworfene Notizen erscheinen. Ich habe jetzt die Freiheit, bei allem, was ich lese, in die Tiefe zu gehen, mich mit jedem Bild zu beschäftigen, das mir über den Weg läuft, jede Abzweigung in meinen Gedanken mitzunehmen, denn ich habe weder eine Zeit- noch eine Zeichenbegrenzung. Und was ich anfangs so befreiend fand, schüchtert mich jetzt zunehmend ein.

Neuerdings hat die U2 keinen Zehn-, sondern einen Fünf-Minuten-Takt. Ich behaupte, ich habe ein einzigartiges Talent, gerade am Hauptbahnhof, wenn ich vom Zug komme und ECHT NACH HAUSE WILL, die U-Bahn genauso zu verpassen, dass ich neun Minuten auf die nächste warten muss. Ich komme die Rolltreppe runtergehetzt und sehe, gerade verpasst, na super, neun Minuten warten, eine Ewigkeit, jammerjammerjammer. Daher freute ich mich sehr über die Fahrplanumstellung.

Da ich in den letzten Tagen kein Fahrrad gefahren bin (Reifen waren nicht anständig aufgepumpt) und mit der U-Bahn ins ZI fuhr, konnte ich den neuen Takt gleich ausprobieren. Was soll ich sagen? Jetzt komme ich die Rolltreppe am Königsplatz runtergehetzt und sehe, gerade verpasst, na super, vier Minuten warten, eine Ewigkeit, jammerjammerjammer.

Fahrradreifen aufgepumpt.

Was schön war, Dienstag, 26. Juni 2018 – Weiterhin Zeit fürs ZI

Der Lesesaal gehörte mir nur zehn Minuten alleine, aber hey, immerhin. Danach las und schrieb ich und hing in Aufsätzen über Autobahnmalerei, Architekturzeichnungen, deutsche Kunst in den 1930er Jahren und Ausstellungen in der Bundesrepublik mit Kunst aus der NS-Zeit rum. Nachmittags verlegte ich die Arbeit ins Home Office und schrieb weiter an meinem Referat, auch um mir selbst klarzumachen, was genau meine nächsten Schritte sind. Ich formulierte die Einzelteile der Einleitung an und merkte beim Aufzählen der Dinge, die ich methodisch leisten möchte, dass ich zwar noch sehr viel zu tun habe, aber alles allmählich ein schönes Bild ergibt. Dummerweise dauert die Bildbearbeitung vom Nachlass immer noch an, weswegen ich mit meiner eigenen Deadline Ende Juni etwas brechen muss; bis dahin habe ich nicht alle Bilder fertiggestellt und durchgeschaut, die ich präsentieren möchte. Aber auf ein paar Tage kommt es für den internen Ablauf natürlich nicht an.

Abends mit F. am Küchentisch die letzten Tage nacherzählt, an denen wir uns nicht gesehen haben. Der Herr macht gerade ein bisschen in Familienforschung, die sich genau mit der Zeit überschneidet, in der ich mich bewege, weswegen sich da interessante Parallelen von Kunst zu Naturwissenschaft ergeben. Wir tranken außerdem einen weiteren Wein vom Weingut Wechsler, einen Spätburgunder Rosé. Das ist nach zwei unterschiedlichen Rieslingen der dritte Wein der Winzerin, der mir sehr gut geschmeckt hat. Im Kühlschrank liegt noch ein Sauvignon blanc, aber ich ahne jetzt schon, dass ich mich mal durch ihr gesamtes Weingut trinken werde.

Trial runs for fascism are in full flow

Fieser thematischer Break, ich weiß. Ich bin seit November 2016 (Trump) und noch mehr seit September 2017 (AfuckingD) äußerst angespannt. (Vermutlich trinke ich deswegen soviel Wein.) Ich konnte aber nie genau formulieren, warum diese Anspannung nicht nachlässt. Dieser Artikel hilft dabei, macht alles aber nur noch unheimlicher.

„Fascism doesn’t arise suddenly in an existing democracy. It is not easy to get people to give up their ideas of freedom and civility. You have to do trial runs that, if they are done well, serve two purposes. They get people used to something they may initially recoil from; and they allow you to refine and calibrate. This is what is happening now and we would be fools not to see it. […]

It is this next step that is being test-marketed now. It is being done in Italy by the far-right leader and minister for the interior Matteo Salvini. How would it go down if we turn away boatloads of refugees? Let’s do a screening of the rough-cut of registering all the Roma and see what buttons the audience will press. And it has been trialled by Trump: let’s see how my fans feel about crying babies in cages. I wonder how it will go down with Rupert Murdoch.“

(via @dogfood)

Was schön war, Montag, 25. Juni 2018 – Das Wochenende ist rum, die Bibliothek ist wieder offen, wo-hoo!

Also die im Zentralinstitut für Kunstgeschichte, denn in die wollte ich, mein Herzblatt, mein allerliebster Ort der Welt, mein Handschmeichler, mein Softeis, meine Kuscheldecke, mein Bällebad.

(Schon gut, schon gut.)

Nachdem ich wochenlang auf Protzen geguckt habe und meine innere Deadline allmählich näher rückt, nach der ich meiner Korrekturfee ein erstes Referat zur Diss halten werde, musste ich dringend meine Grossberg-Lektüre auffrischen. Das letzte Mal hatte ich im November letzten Jahres was zum Herrn notiert und zwar viel zu wenig. Ich weiß zwar, was ich sagen will, aber bevor ich das tue, lese ich lieber noch mal ein paar Dinge nach. Das war daher der ganze Tagesplan für gestern: alle Grossberg-Kataloge aus dem Regal ziehen (das sind nicht viele), lesen, schreiben, im Kopf schon mit Protzen vergleichen und mich des Lebens freuen. Und genau das habe ich dann auch gemacht. Hach!

Das tat so gut, mal aus dem ganzen naturalistischen Kram von Protzen aufzutauchen und wieder auf anständige Bilder zu gucken. Ich fühlte mich ernsthaft wie frisch geduscht. Im Hinterkopf hatte ich meine kurzen Gespräche, die ich kürzlich im Lenbachhhaus führte, als ich dort im Archivgut rumwühlen durfte. Sowohl die Archivarin als auch die Bibliothekarin und vor allem meine Bekannte, die Kuratorin fürs 19. Jahrhundert und die Neue Sachlichkeit, guckten äußerst sparsam, als sie mir die Unterlagen rüberreichten: „Protzen? Echt? Warum?“ Als ich piepsig meinte, irgendwer müsse das ja mal machen, meinte die Kuratorin sehr bestimmt: „Nee, das muss keiner.“ Als ich dann erwähnte, dass ich den Herrn mit Grossberg vergleichen wollte, wurde sie noch bestimmter: „Nimm nur Grossberg OMG NIMM NUR GROSSBERG GROSSBERG IST SUPER!“ WEISS ICH, DESWEGEN WILL ICH JA DIE FORSCHUNGSLÜCKE SCHLIESSEN! Aber gestern, eben mit ernsthaft hunderten von eher ollen Protzen-Bildern im Hinterkopf, merkte ich wieder sehr, sehr deutlich, WIE SUPER GROSSBERG IST. Herrgott, hat der Mann tolles Zeug produziert. In der Ausstellung im Dezember in München überlegte ich ernsthaft, mein Konto komplett zu plündern und 23.000 Euro für ein Aquarell rauszuhauen, das das Anzeiger-Hochhaus in Hannover zeigt.

Neues Item auf der Bucketlist: einen Grossberg besitzen. Die Ölbilder kann ich mir ü-ber-haupt nicht leisten, die Aquarelle unter großen Schmerzen, aber hey, so eine kleine Bleistiftzeichnung gibt’s schon für 4000. (Dissertationsgeschenk! Plus Tantris-Besuch! Schreib schneller, Anke! Und mach zwischendurch noch ein bisschen Werbung, um dir Kunst und Festessen leisten zu können!)

Bevor ich mich weiter in den Herrn verliebe, sollte ich vielleicht mal langsam Kontakt zu seinen Erben aufnehmen, die zu zweit seinen Nachlass verwalten. Die wenige Literatur macht quasi in jeder zehnten Zeile klar, dass der Mann kein NS-Maler war. Das sieht, glaube ich, auch jede, die auf seine Werke guckt, aber trotzdem hat sich die Literatur bis jetzt relativ stillschweigend um die Zeit zwischen 1933 und seinem Tod 1940 herumgedrückt, um ihn bloß nicht in die Nähe der Schmuddelkinder rutschen zu lassen. Da werde ich bei der Kontaktaufnahme vermutlich sehr diplomatisch formulieren müssen, um in den Nachlass gucken zu dürfen. „Hallo? Ich interessiere mich für Grossberg zur Zeit des Nationalsozialismus … Hallo? … Sind Sie noch dran?“

Zurück zu gestern: Nach knapp sieben Stunden Arbeit im ZI konnte ich nicht mehr sitzen und hatte alles gelesen, was in den Kopf passte. Noch schnell einen kleinen Handapparat im Regal für mich angelegt, da gucke ich heute weiter rein.

Zuhause weiter hirntot Protzen-Bilder bearbeitet; ich bin ungefähr mit einem Drittel seiner Werke durch, ich werd irre und darf gar nicht an die vielen Bilder denken, die ich von seinen Fotoalben, einem Gästebuch, dutzenden von Werbegrafiken und ein paar Dokumenten gemacht habe – vielleicht bin ich bis Weihnachten damit durch.

Masterchef Australia, zwei Folgen Suits, keine Lust auf Fuppes gehabt. Ein Baguette, das ich Sonntag gebacken hatte, verspeist. Sehr zufrieden und inspiriert eingeschlafen.

Jean-Michel Basquiat Is Still an Enigma

The Atlantic über Basquiat und seine Rezeption. Die gerade beendete Ausstellung in der Schirn wird auch erwähnt; F. und ich hatten sie uns mit großem Erkenntnisgewinn angesehen.

„What critics seem to be striving for on behalf of Basquiat isn’t understanding but respectability, which anyone looking at the paintings can immediately see Basquiat was uninterested in. These canvases were made by a young man, barely out of his teens, who never lost a teenager’s contempt for respectability. Trying to assert art-historical importance on the paintings’ behalf, a critic comes up against their obvious lack of self-importance. Next to their louche irreverence, the language surrounding them has felt clumsy and overwrought from the beginning. What little we know for sure about Basquiat can be said simply: An extraordinary painterly sensitivity expressed itself in the person of a young black male, the locus of terror and misgiving in a racist society. That, and rich people love to collect his work. We have had a hard time making these two go together easily. But so did he.“

Gestern hatte mein liebster Stillleben-Maler Juan Sánchez Cotán Geburtstag. Ich schrieb mal über ihn, und der schöne Twitter-Account von Fake-Rubens informiert seit gestern über sein Werk.

Tagebuch, Sonntag, 24. Juni 2018 – Teig bearbeiten, Bilder bearbeiten

Den Samstagabend verbrachte ich zunächst alleine zuhause und guckte relativ emotionslos DER MANNSCHAFT dabei zu, wie sie kurz vor dem Vorrundenaus stand, was mir überraschend egal war. Irgendwo war da die winzige Hoffnung darauf, dass mit dem Ausscheiden vielleicht auch der Scheiß-Schland-Wahn wieder aufhören würde, der seit 2006 immer schlimmer und sinnloser geworden war. Die widerlichen Diskussionen um Özil und Gündogan hatten mich sehr erschreckt. Dass die Fotoaktion der beiden mit Erdogan äußerst dämlich gewesen war – geschenkt. Aber dass nun auf einmal aus gewissen Ecken darüber spekuliert wurde, ob die beiden deutsch genug für die deutsche Nationalmannschaft seien, erinnerte mich fatal an Ariernachweise und ähnlichen Rotz und nahm mir einen großen Teil der Vorfreude auf die WM. Dass sie in einer Quasi-Diktatur stattfindet, konnte ich bräsig ausblenden.

Als aber ausgerechnet der Querpasstoni den Siegtreffer im Spiel gegen Schweden erzielte, eskalierte ich doch. Verdammter Fußball.

Dass draußen vor der Tür die hupenden Autos eine Party feierten, als hätte DIE MANNSCHAFT schon das Finale erreicht, fand ich allerdings arg übertrieben, albern und nervig, und zack, war die schlechte Laune wieder da.

Den Restabend und die Nacht verbrachte ich bei F., mit dem ich netterweise immer bessere Laune habe. Die Nacht wurde deutlich kürzer als gedacht, denn irgendwer *hust* ich *hust* wollte nach dem Durchschnittswein noch einen schönen Whisky haben und danach noch einen und dann noch einen. Leider vergaßen wir beide, dazu ausreichend Wasser zu trinken, weswegen ich schon nachts mit Kopfschmerzen aufwachte. Als ob ich noch nie Alkohol im Glas gehabt hätte. Wie so eine Laientrinkerin. Schlimm.

Dafür lungerten wir am Sonntagmorgen ewig rum; mein Arbeitstag begann daher deutlich später als geplant. Ich bearbeite immer noch die riesige Bildausbeute vom Donnerstag und ahne allmählich, warum Dissertationen so lange dauern. Zwischendurch faltete ich Baguetteteig und buk, befreite dann die Küche vom üblichen feinen Mehlstaubüberzug, schob die neue Folge Masterchef Australia ein und ging wieder an den Schreibtisch. Meine Gliederung für die erste Präsentation meiner Diss wird allmählich so, dass sie mir gefällt. Die fülle ich jetzt im Laufe dieser Woche mit schnaften Fakten auf, indem ich im ZI sitze und mich darüber freue. Darauf ein Tässchen Tee!

Nanette

Hannah Gadsby, in die ich mich bei Please Like Me verknallt habe, beendet ihre Comedykarriere – mit einem Comedyprogramm. Es ist ein wilder Ritt durch Lachen, Unwohlsein, laut ihren Kritiker*innen not enough lesbian content und Kunstgeschichte und ich finde, ihr solltet das alle sehen.

Die NYT hat das Programm im März gesehen, schreibt ziemlich spoilerfrei darüber und erwähnt vor allem den Knackpunkt der ganzen Comedyshows, die von Menschen aufgeführt werden, die sich Hass und Ausgrenzung ausgesetzt sehen, was auch Gadsby aufnimmt: „Her self-mocking nebbish is a familiar persona, but there comes a moment when she drops and deconstructs it, and that turning point makes you re-evaluate everything you saw before. “Do you know what self-deprecation means coming from somebody who exists on the margins?” she asks. “It is not humility; it is humiliation.”“

Gadsby spricht darüber, wie ihr schon als Kind beigebracht wurde, dass Homosexualität etwas Verachtenswertes ist und dass sie es teilweise immer noch nicht abschütteln kann. Ich begebe mich mal auf dünnes Eis, wenn ich sage, dass das mit Dickenhass ähnlich ist. Ich weiß, dass ich okay bin, aber an manchen Tagen muss ich mir das wirklich selber nochmal sagen, um nicht wieder sinnlos Lebenszeit und Energie darauf zu verschwenden, über Magen-OPs, Sport in freier Natur ohne Angst vor Scheißsprüchen und Anerkennung von Arschlöchern nachzudenken. Rebel Wilson als Amy brachte es in Pitch Perfect auf den Punkt mit einem Witz, über den vermutlich nur nicht-dicke Menschen lachen, indem sie sagt, sie nennt sich von sich aus Fat Amy, bevor die skinny bitches es tun, was sie sowieso tun werden. So ähnlich funktioniert Gadsbys Comedy: Sie macht homophobe Witze, bevor die anderen es tun, und genau damit sei jetzt Schluss. Sie möchte und muss ihre Geschichte anders erzählen und deswegen will sie die ganze Scheiße, der sie täglich ausgesetzt ist, nicht auch noch als Grundlage für Scherze benutzen. Dieser Weg der Katharsis sei für sie der falsche. Und ich glaube, für uns als Publikum auch.