Was schön war, Mittwoch, 14. März 2018 – Münchner Allerlei

Ich mogele ein bisschen, ein paar der schönen Dinge waren schon Montag und Dienstag, aber gestern und vorgestern hatte ich so herrlich thematisch saubere Einträge.

Montag war ich wieder laufen. Also laufen wie laufen und nicht wie walken. In den letzten drei Monaten, wenn ich Runtastic glauben darf, war ich kein einziges Mal morgens unterwegs, sondern habe schön ausgeschlafen. Das war anscheinend nötig, Winterschlaf ist bestimmt gesund, und ich habe deswegen auch kein schlechtes Gewissen. Es hat mich aber schon überrascht, dass die Pause so lang war.

Ich ging Sonntag bewusst früh schlafen, weil ich mich endlich wieder fit und motiviert genug fühlte, um um 6 Uhr aufzustehen und mich in enge Klamotten zu werfen. Das ging sogar besser als ich dachte; ich wachte von allein um 5.50 Uhr auf und stand auch sofort auf. Der Sonnenaufgang war für 6.30 Uhr angesagt, daher verzichtete ich auf mein Stirnlämpchen und auch auf die Thermotights; das warme Oberteil zog ich aber noch an, und das war auch alles richtig so. Die erste Runde ging ich noch in der Dämmerung, aber dann war es gefühlt von jetzt auf gleich taghell. Und was noch schöner war: Die erste Runde legte ich teilweise laufend zurück.

Ich bin die weltschlechteste Läuferin, denn ich laufe nicht, sondern ich denke übers Laufen nach. Gerne eine halbe Runde, und dann denke ich darüber nach, wieso ich jetzt nachgedacht habe anstatt einfach zu laufen, und damit bin ich wieder eine halbe Runde beschäftigt und dann bin ich wieder an dem Punkt auf der Runde, an dem ich eigentlich gerne loslaufe, aber ich muss halt wieder darüber nachdenken, ob ich das gerade kann.

Ich schrieb schon einmal darüber, warum Laufen für mich so eine große Sache ist. Die Kurzfassung: Ich bin körperlich eigentlich nicht in der Verfassung, laufen zu können, ich humpele halt eher vor mich hin. Und wenn ich mir vornehme zu laufen, dann muss ich vorher darüber nachdenken: Tut mir gerade nichts weh? Fühle ich mich stark genug vom Rücken her? Bin ich konzentriert genug dafür, Knie und Oberschenkel und Hüfte die Job vom Fuß übernehmen zu lassen, ohne über mich selbst zu stolpern? Bin ich wach genug? Ernsthaft, weil: Wenn ich müde bin, bin ich eben nicht mehr konzentriert genug auf meine Füße bzw. den rechten Fuß, der gerne vergisst, was sein Job ist. Wenn ich abends müde oder morgens noch nicht wach bin, neige ich dazu, nach hinten zu fallen, weil ich vergesse, Gewicht auf den vorderen Fußteil zu legen und so einfach gerade zu stehen. Deswegen halte ich mich morgens gerne an Türrahmen oder Duschstangen fest, um nicht umzufallen, und abends gerne an Wänden oder Menschen. Falls du bei einer Veranstaltung zufällig neben mir stehst und ich dich plötzlich aus heiterem Himmel am Ellenbogen oder an der Schulter anfasse, hau mich bitte nicht gleich, sondern gib mir zwei Sekunden Zeit, um dir zu erklären, dass du mich gerade vorm Umfallen bewahrt hast und dass ich wirklich nichts von dir will, weder sexuell noch deine Handtasche. (Deswegen sitze ich gerne abends. Nicht weil ich fett und faul bin, sondern weil ich ungern umfalle. Aber das nur nebenbei.)

Zurück zum Laufen: Ich habe es mir irgendwie angewöhnt, in mich hineinzuhorchen, ob ich jetzt echt und wirklich laufen will. Und ich habe mich selber ein bisschen im Verdacht, darüber zu lange nachzudenken, weil ich natürlich weiß, dass Laufen anstrengender ist als Walken und Walken mir ja eigentlich total ausreicht, um Bewegung zu kriegen und fit zu bleiben. Andererseits weiß ich auch, wie großartig ich mich fühle, wenn ich popelige 300 Meter laufe anstatt sie zu gehen, weil ich das ja eigentlich gar nicht kann und deswegen fühle ich mich danach wie Superwoman. Deswegen hatte ich mir Montag vorgenommen, sofort beim Betreten der Runde loszulaufen anstatt wieder in meinen üblichen Nachdenkrhythmus zu verfallen. Und genau das habe ich dann auch gemacht – und mich wie Superwoman gefühlt. Auch die nächsten beiden Runden begann ich gnadenlos laufend, weil’s halt ging, und die letzte Runde ging ich dann entspannt. Bis mir einfiel, dass ich ja nicht zum Bummeln hier bin, also sagte ich mir meinen üblichen Motivationssatz WALK LIKE YOU MEAN IT und hetzte nach Hause. Das war toll. Auch toll war, dass es die ganze Zeit ein bisschen nieselte, weswegen nicht so viele Leute unterwegs waren. Und ich habe festgestellt, dass mein Thermooberteil nicht nur wärmt, sondern auch ein bisschen wasserabweisend ist.

Dienstag war dann schön, dass ich abends mal wieder für F. kochen konnte. Ich ließ den puscheligen Mix der Woche auf Spotify laufen, warf Zeug in Pfannen und Schüsseln, schraubte schon mal den Wein auf und stand irgendwann mitten in meiner Küche mit dem Glas in der Hand, bei gedämpftem Licht, mit Musik im Ohr und Duft in der Nase und dachte: Das ist schön so.

Und geschmeckt hat’s auch.

F. und ich unterhielten uns gestern über Stephen Hawking, den mein Superfreund sogar mal getroffen hat. F. erklärte mir, dass der Begriff „Quarks“ von James Joyce stammte, aus Finnegans Wake nämlich. Die Inspirationsquelle kann ich sehr nachvollziehen; ich denke bei jedem dritten Satz im Ulysses: Oh, diese zwei bis fünf Wörter wären ein schöner Bandname.

Und dann kaufte ich beim Café nebenan neue Kaffeebohnen (Espressobohnen hab ich noch), und als ich nach Hause kam, lag eine weitere Packung Kaffeebohnen im Briefkasten, die mir Arnulf netterweise hat zukommen lassen, und dann klingelte noch ein Kurier mit Kaffeebohnen, die mir ein Kunde schickte.

Ich lade dann jetzt mal halb München zum Kaffeeklatsch ein. Bring your own Thermoskanne, bitte, ich habe nur eine!

Ein doppeltes Dankeschön …

… an Antje, die gleichzeitig Körper und Geist beschenkt hat. Im ersten Päckchen lag eine Quicheform. Ich besitze natürlich eine schöne Pie-Form (hier im Bild), aber ich wollte schon länger eine mit einem Hebeboden haben, damit ich meine Quiches oder ähnliches nicht immer wie ein Berserker aus der Form spachteln muss und jegliche hübsche Optik ruiniere.

Im zweiten Päckchen lag Philipp Bloms Die zerrissenen Jahre: 1918 -1938, das ich aus meinem Geschichtslektürekurs kenne. Zunächst wollte ich es nicht lesen, aber mein Kommilitone hat es verstanden, dem Kurs das Werk sehr schmackhaft zu machen. Ich las noch einmal rein und packte es auf den Wunschzettel. Da liegt es nun nicht mehr. Vielen Dank für die Geschenke, ich habe mich sehr gefreut.

Was schön war, Montag, 12. März 2018 – Sol Gabetta

F. und sein Mütterchen haben schicke Abonnementskarten bei Münchenmusik. Gestern konnte seine Mutter leider nicht ins Konzert gehen, weswegen ich die Begleitung machen durfte, was mich sehr gefreut hat. Das Finnish Radio Symphony Orchestra spielte mit der argentinischen Cellistin Sol Gabetta im Gasteig auf, der eierlegenden Wollmilchsau aller Veranstaltungsorte. Dort kannte ich bisher nur die Räume, in denen die Stadtbibliothek ist, einige Unterrichtsräume der VHS, in denen ich mal Italienisch gelernt hatte, und die Räumlichkeiten, in denen sich Orgakram vom Filmfest München abspielt. Daher musste ich erstmal fragen, wie ich denn zur Philharmonie käme. Netterweise kann man dafür den gleichen Eingang benutzen, den ich kenne, entspannt mit der Rolltreppe in den ersten Stock fahren und dann im Gebäudeinneren zur Philharmonie schlendern. Wusste ich auch noch nicht. F. gab fürsorglich meine Jacke ab, während ich mir den verwinkelten Brutalismusbau anschaute und mich wunderte, wie hier irgendjemand ohne Hilfe seine Eingangstür zum Saal findet. Der Saal selbst hat einen lustigen Grundriss, und ich habe noch nie so gut bei einem philharmonischen Konzert gesessen. Kein Wunder, dass F.s Familie diese Karten nie wieder hergeben wird.

Das Konzert begann mit Jean Sibelius, den ich immerhin vom Namen her kannte, aber ich hätte kein Stück benennen können. Für uns wurde die Sinfonie Nr. 7 in C-Dur Op. 105 gegeben, die mir sehr gut gefiel. Dann verkleinerte sich das Orchester etwas, und die Solistin des Abends, Sol Gabetta, betrat die Bühne, nachdem ein Helferlein ihr ein kleines Podest neben das Dirigentenpodest gestellt sowie ihren Notenständer in Kniehöhe aufgebaut hatte. Die Dame hatte von vornherein gewonnen, weil unter ihrem langen Kleid Glitzerschuhe hervorblitzten. Dann begann das Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 (bereits in den 1930er Jahren angefangen, 1955 in dieser Fassung fertiggestellt) von Bohuslav Martinů, und ich war von den ersten Tönen an begeistert. Auch von Gabetta, die sehr mitging, was ich äußerst charmant fand. Wenn sie nichts zu tun hatte, wippte sie im Takt mit, schüttelte auch gerne mal ihre Arme, als ob sie auf einem Popkonzert im Publikum war, und ich hätte mich nicht gewundert, wenn sie die Melodie mitgepfiffen oder irgendwann dem ersten Geiger neben ihr mit einem schwungvollen „Wo-hoo!“ ihre Begeisterung zu verstehen gegeben hätte.

Noch toller war natürlich ihr Spiel. Ich habe in meinen Zehnerjahren jahrelang Geige gespielt, aber darin leider keine große Meisterschaft entwickelt (Saiten hassen mich). Ich fand es immer irre schwierig, die Lagen zu wechseln, also Entfernungen auf dem Griffbrett zu überwinden. Nun ist eine Geige ja winzig, und beim Cello wundere ich mich daher noch viel mehr darüber, wie man in Sekundenbruchteilen das ganze Griffbrett bespielen kann. Über den Kontrabass möchte ich gar nicht nachdenken, dann brauche ich Riechsalz. Ich habe Gabetta sehr gerne bei ihrer Arbeit zugeschaut, auch weil sie so schön changierte zwischen absoluter Konzentration auf ihren Job, die man ihr sehr ansah, und dazwischen eben die kleinen Pausen, in denen sie völlig entspannt dem Orchester lauschte.

Aber: Wer zum Teufel ist Bohuslav Martinů und wieso habe ich bisher noch nichts von ihm gehört? Ich war total gebannt, vor allem vom zweiten Satz, bei dem ich mal wieder vergaß zu atmen, weswegen ich wieder einen fiesen Hustenanfall hatte. Ich bin für klassische Konzerte einfach nicht gemacht. Ich erwische mich auch gerne dabei, wie ich meinen Kopf vogelartig nach vorn vorschiebe, um ja nichts zu verpassen. Das merke ich daran, dass mein Hals irgendwann knackt, weil er gerne wieder normal auf meiner Wirbelsäule sitzen würde anstatt so albern verschoben. Vermutlich steht mir auch der Mund offen und ich sehe wie ein kompletter Idiot aus. Das lohnt sich aber, auf jeden Fall für sowas wie das Werk von Martinů. Hier könnt ihr es hören. Falls ihr gerade keine halbe Stunde Zeit habt, nehmt den zweiten Satz, der beginnt hier bei Minute 9.

Vielleicht wollt ihr euch auch Frau Gabetta bei der Arbeit angucken. Ich habe wahllos Camille Saint-Saëns rausgegriffen, auf YouTube findet sich aber noch viel mehr von ihr.

In der Pause gab’s standesgemäß Häppchen und Rosésekt und wir unterhielten uns darüber, wieso wir, unabhängig voneinander, nicht viel früher schon einen Tisch für die Pause vorbestellt haben, egal wo. Ich stand immer ewig in der Opernpause am Sektstand an und schaffte es kaum noch, aufs Klo zu kommen, bis F. bei unserem ersten gemeinsamen Besuch einen vorbestellten Tisch vorschlug. Auf die Idee war ich noch nie gekommen, weil ich das irgendwie immer zu posh fand. Total bescheuert, denn man kommt entspannt an seinen Stehtisch, wo der Sekt auf einen wartet und muss nicht doof anstehen. Im Gasteig kostet das nicht mal einen Aufpreis, während man in der Oper ein bisschen mehr fürs Getränk zahlt. Egal. Ich habe mich daran sehr schnell gewöhnt und genieße das inzwischen sehr.

Nach der Pause gab’s noch Tschaikowskys 5. Sinfonie, die irgendwie durchrauschte. Hübsch halt, aber F. dachte laut Eigenaussage an Wohnungskram, während ich im Kopf mit Arbeit beschäftigt war. Die Zugabe habe ich nicht erkannt, aber ich würde auch auf Tschaikowsky tippen, denn auch Gabettas Zugabe war von diesem Komponisten. Die habe ich immerhin erkannt; es war Kuda, kuda aus Eugen Onegin, die einzige Arie, die ich mir aus dieser Oper mal gemerkt habe, als ich sie vor vielen Jahren in Berlin sah.

Was schön war, Sonntag, 11. März 2018 – Freizeit

Gemeinsam aufgewacht. Bestes Frühstück der Welt genossen: kalte Pizza vom Vorabend.

Den Tag auf dem Sofa verbracht mit Zeitung, Ulysses, Hay Day, Banana Bread und Kaffee, oh so much Kaffee weil oh so much lecker. Ich glaube, ich muss bereits nächste Woche eine neue Packung Espressobohnen kaufen, so schnell wie ich die derzeit verarbeite. Aber sie sind so gut!

Arbeit ignoriert und auf heute verschoben. Stattdessen den bisherigen Italien-Urlaub von Frau Nessy nachgelesen. Danach war ich äußerst tiefenentspannt. Hier geht’s los.

Bei Candy Crush das Level 2000 erreicht und mich ein bisschen schmutzig gefühlt. Ich muss bei derartigen Meilensteinen immer an eine Karte von Postsecret denken, das ich nicht mehr regelmäßig lese, weil es mir zu abfällig und egozentrisch geworden ist, aber manche Karten bleiben dann doch bei einem. Auf dieser stand sinngemäß: „Du stirbst an Krebs und ich wünsche mir, dass du damit aufhörst, Candy Crush zu spielen.“ Ich habe diese Karte im ersten Momenten als sehr nachvollziehbar empfunden – vergeude deine Zeit nicht mit Quatsch, sondern genieße dein vermutlich nur noch kurzes Leben oder mach wenigstens was Sinnvolles damit. Im zweiten Augenblick dachte ich mir aber: Was für eine Pappnase, die jemanden, der oder die im Sterben liegt, noch vorschreiben will, wie er oder sie das Sterben gestalten soll. Vielleicht lenkt Candy Crush besser ab als Twitter oder total tiefsinnige Gespräche mit Angehörigen oder Freundinnen, vielleicht muss man auch nicht dauernd was Sinnvolles machen, nein, Moment, man muss garantiert nicht dauernd was Sinnvolles machen. Man darf auch gerne mal so richtig schön sinnfrei Zeit verfließen lassen, wenn es einem gut tut. Es spricht überhaupt nichts dagegen, Wochen mit Chips und Sofa und Netflix zuzubringen anstatt mit Fitnessstudio, Uniblibliothek und Fine Dining. Und gegen letzteres spricht im Umkehrschluss genauso wenig. Macht doch alle, was ihr wollt, solange es niemandem weh tut. Und spielt Candy Crush, das tut nämlich wirklich niemandem weh. (Okay, bis auf diese eine Postkartenschreiberin. Es tut mir leid, dass du einen geliebten Menschen verlierst. Ich würde dir einen Kaffee anbieten, wenn ich dich kennen würde.)

Was schön war, Freitag/Samstag, 9./10. März 2018 – Doktorand*innen-Kolloquium

Die Betreuung von Doktorand*innen an der LMU oder sogar nur am kunsthistorischen Institut ist unterschiedlich, was schon bei der Form der Promotion beginnt: Wenn man sich für eine Promotion am Institut entscheidet, ist man in den Lehrstuhl eingebunden, lehrt meist in geringem Umfang und ist halt wissenschaftliche Angestellte. Der andere Weg ist die klassische Individualpromotion, bei der man nicht an der Uni lehrt oder forscht, sondern irgendwo anders; die meisten meiner Mitstreiter*innen, die ich Freitag erstmals alle in einem Raum kennenlernen konnte, arbeiten bei Museen, Archiven oder kunsthistorischen Einrichtungen wie dem ZI. Einige wenige so wie ich machen etwas ganz anderes und promovieren gezwungenermaßen nebenbei, was dazu führt, dass wir ziemlich raus sind, was fachliche Diskussionen angeht oder auch nur den Austausch mit anderen Menschen, die ein ähnliches Projekt betreuen. Damit auch wir eine Art Anlaufstelle haben, hat mein Doktorvater einfach mal ein Kolloquium ins Leben gerufen, in dem alle seine Schützlinge ihr Thema kurz vortragen und wir dann darüber diskutieren. Nicht jede*r musste vortragen – ich hätte auch noch gar nichts sagen können –, aber es war trotzdem spannend, den anderen zuzuhören. Die Wahl des Doktorvaters bedingte auch eine gewisse thematische und/oder zeitliche Eingrenzung, denn der Mann hat natürlich seine Spezial- und Interessensgebiete, weswegen wir mit ihm arbeiten wollen. Daher hatte ich bei vielen Vorträgen das Gefühl, schon zu wissen, worum es ging, was ziemlich toll war.

Ich kann natürlich die meisten Themen jetzt nicht genauer ausplaudern, aber mir hat jeder Vortrag etwas gebracht. Ich muss gestehen, dass ich sowohl Freitag als auch Samstag den jeweils letzten Vortrag (oder sogar die zwei letzten) geschwänzt habe (Hunger, Arbeit), aber dafür ist man ja erwachsen. Hat das wenigstens einen Vorteil.

Was ich aus den diversen Themen und Methodikdiskussionen für mich mitgenommen habe und hoffentlich nicht wieder vergessen werde: Ich muss keine Enzyklopädie schreiben. Das glaube ich natürlich bei jeder Hausarbeit und meine, versagt zu haben, wenn ich genau das eben nicht erledigt habe, und natürlich weiß ich auch, dass das Quatsch ist, aber ich habe bei mir schon wieder die ungute Tendenz festgestellt, Themen gleich zu verwerfen, weil ich weiß, dass ich sie nicht komplett (was auch immer das heißt) behandeln werde können. Mir haben viele der Vorträge mal wieder vor Augen geführt, dass das auch nicht mein Job ist. Ich muss ein Thema schlaglichtartig beleuchten, kann ein paar lustige Exkurse machen und einiges vertiefend abhandeln, aber ich muss nicht jeden Fetzen Papier oder Leinwand behandeln, der zu diesem Thema existiert. Das soll eine Diss werden und kein zwanzigbändiges Lexikon.

Ebenfalls spannend waren für mich die Diskussionen zur Datenerhebung. Ich meine zwar, davor gefeit zu sein, stapelweise Archivgut digitalisieren oder sogar verschlagworten zu müssen, aber ich fand es trotzdem interessant zu sehen, welche Möglichkeiten es überhaupt gibt, Daten zu erheben und zu klassifizieren. Ich habe lustige Programme kennengelernt, die ich vermutlich nie brauche, aber ich weiß jetzt, dass es sie gibt. Was vielleicht interessant für mich wird, wenn ich vor meinem Datenberg sitze und mir selbst überlegen muss, nach was ich den Kram denn überhaupt ordnen will. Bisher hat das ernsthaft mit diversen Word-Dokumenten bei mir funktioniert, weil ich durch meine Arbeit als Katalogtexterin gewöhnt bin, den Überblick über lange Texte zu behalten. Ich ahne aber auch, dass eine Masterarbeit etwas anderes ist als eine Diss und daher sollte ich mir vielleicht jetzt schon Gedanken darüber machen, ob es noch etwas Sinnvolleres gibt als meine Word-Sammlungen.

Ein kleiner Nebenaspekt wurde in diesem Zusammenhang auch angesprochen: die össeligen Lizenzierungsmodelle von Software. Wenn man Glück hat, übernimmt eine Institution wie Uni oder Forschungsstelle die Gebühr für ein Programm, mit dem man dann ewig arbeiten kann. Wenn man Pech hat, beginnt man mit einem Programm zu arbeiten, das mittendrin sein Lizensierungsmodell ändert und nur noch Lizenzen auf Zeit verkauft. Dann tippt man lustig zwei Jahre Daten ein – und kann sich danach eventuell das Programm nicht mehr leisten, weil es plötzlich irre teuer geworden ist. Das ist netterweise niemandem von uns passiert, aber darüber habe ich auch noch nie nachgedacht.

Ich fand es auch mal wieder gut für mich und meine eigene wimmerige Konstitution zu hören, dass eben noch nicht alles ausgeforscht ist. Ich glaube auch nach zehn Semestern, die mir das Gegenteil bewiesen haben, dass alle guten Themen schon weg sind und immer, wenn ich über eins nachdenke, haben schon tausend andere das auch gemacht. Ich weiß, dass das Quatsch ist, aber manchmal falle ich doch wieder in dieses Loch. Am Freitag wurden zwei Dissertationen vorgetragen zu Themen, bei denen ich mir sicher war, dass dazu schon alles gesagt wurde. Ich glaube nicht, dass ich hier Geheimnisse verrate, daher: Sie gingen um Heinrich Hoffmann und den US-Kunstschutz während des Zweiten Weltkriegs. Da hätte ich Wetten angenommen, dass da schon alle Archive leergelesen sind, aber die Wette hätte ich sehr deutlich verloren, wie ich jetzt weiß. Zu hören, dass ein Doktorand im Kunstarchiv Nürnberg noch Kisten öffnen konnte, in die nie jemand reingeguckt hatte, nachdem der Nachlassverwalter den Deckel draufgemacht hatte, fand ich sehr spannend.

Auch wieder wichtig für mich und meinen Hinterkopf: vielleicht mal nicht mit einer festen Frage in die Archive gehen, sondern die Quellen entscheiden lassen, wo es hingehen soll. Das habe ich ja eigentlich bei meiner Arbeit zu Leo von Welden schon gelernt, dass es sehr aufschlussreich sein kann, einfach mal alles durchzuwühlen, was einem freundliche Archiv-Mitarbeiterinnen oder Heimatmuseumsmenschen vor die Nase legen. und dann zu gucken, was man daraus machen kann. Im Kolloquium berichtete eine Doktorandin, dass es ihr bei ihrem Thema genauso ging: Eine Stadtarchiv-Mitarbeiterin aus (Stadt behalte ich mal für mich) meinte so nebenbei zu ihr, dass da ein großes Aktenkonvolut wäre, das sich vielleicht für sie lohnen würde. Und dann stellte die Dame fest, dass dieses Konvolut eine ziemliche Rarität war, was NS-Unterlagen angeht, denn genau diese Art von Akten hatte die betreffende NS-Organisation sehr großflächig vernichtet – bis auf diesen Berg und noch ein paar kleine weitere in sehr wenigen anderen Städten. Aber sowas erfährt man natürlich nicht, wenn man mit einer festen Frage ins Archiv kommt.

Dann ging es auch um Begrifflichkeiten und Definitionen. Was mich an vielen Diskussionen, gerade online und auf Twitter, inzwischen wahnsinig macht, ist, dass kaum noch definiert wird, worüber eigentlich gesprochen wird. Jeder hat einen schwammigen Begriff im Kopf, aber anstatt erstmal klar zu fassen, worum es geht, pöbeln alle auf unterschiedlichen Ebenen herum und kommen so natürlich nie auf einen Nenner. In unserem Fall ging es um eine Diss, die sich mit, auch das ist kein Geheimnis, die Diss kannte ich schon von der Herbsttagung des Arbeitskreises Provenienzforschung, sogenannten (hier werde ich schon vorsichtig) jüdischen Kunsthandlungen in München befasst, die zur NS-Zeit „arisiert“ wurden. Wir sprachen darüber, dass schon diese Klassifizierung – jüdische Kunsthandlung – ein Unding ist, denn damit machen wir uns die NS-Vorgabe zu eigen. Man kann davon ausgehen, dass viele oder sogar alle Kunsthändler*innen jüdischen Glaubens diese Tatsache – ihre Religionszugehörigkeit – nicht als ihren Hauptcharakterzug wahrgenommen haben, vor allem nicht in Bezug auf ihre berufliche Tätigkeit (außer sie handelten exklusiv mit Judaica, aber ich meine mich daran zu erinnern, dass es so ein Geschäft nicht gab). Wir übernehmen hier also als Grundlage der Forschung eine Einteilung aus rassistischen Gründen. Das muss in der Arbeit natürlich dargelegt werden, warum man ausgerechnet eine derartige Abgrenzung nun weiterführt. Unser Doktorvater erinnerte an Ernst Gombrich, der 1996 auf einem Kongress genau zu diesem Thema streitbar sagte: „[]ch bin der Meinung, dass der Begriff der jüdischen Kultur von Hitler und seinen Vor- und Nachläufern erfunden wurde.“ (Quelle)

Insgesamt mochte ich es sehr, mal wieder mit Menschen in einem Raum zu sitzen, die über ähnliche Dinge wie ich nachdenken, wenn auch nicht genau in der gleichen Ecke wie ich. Es war schön, sich mal wieder mit Themen zu beschäftigen, die an meines angrenzen, und es war sehr befriedigend zu merken, wieviel ich dann doch in den letzten Jahren gelernt und gelesen und erfahren habe, wenn es um das Betriebssystem Kunst im Nationalsozialismus geht. Es hat mich sehr motiviert, mich wieder in die Arbeit zu schmeißen, die in den letzten Monaten sehr kurz gekommen ist, weil ich schlicht mit Geldverdienen beschäftigt war. Ich freue mich schon auf unseren nächsten Termin, der vermutlich im Herbst stattfinden wird. Vielleicht kann ich dann immerhin schon grob sagen, was ich eigentlich so mache.

Ein süßes Dankeschön …

… an Uta, die mich mit einem Fresspaket bedachte. In der Packstation lag ein Kuchen des Augsburger Konditorei-Cafés Eber, der mir nach dem Doktorand*innen-Kolloquium gestern, über das ich morgen schreiben werde, weil es heute noch weitergeht, sehr recht kam. Statt brav ein Käsebrot zu essen, gab’s ein Stück Trüffeltorte mit Marzipan zum Abendbrot, was ich sehr in Ordnung fand. Vielen Dank für das Geschenk und die nette Karte, ich habe mich sehr gefreut. Und F. auch, der explizit zum Mitessen aufgefordert wurde. Der Herr muss sich allerdings beeilen, ich genieße gerade Torte zum Frühstück.

Was schön war, Donnerstag, 8. März 2018 – Ruhe

Twitter fast den gesamten Tag lang ignoriert. Das war sehr angenehm.

Kleinkram weggearbeitet, eine Einladung bekommen, für ein paar weitere Texte angefragt worden, von denen ich bereits zwei erstellt hatte, die anscheinend gut beim Kunden angekommen sind.

Endlich mal wieder längere kunsthistorische Texte gelesen. Gleich mal wieder die Diss angezweifelt, herrgottnochmal. (Das war nicht schön.)

Zwei frische Brezn zum Mittag, mit Salami vom Metzger nebenan und fiesem Stinkekäse und Gurken und Tomätchen. Den ganzen Tag davon satt gewesen.

Den zweiten Espresso ausprobiert, den ich vorgestern gekauft hatte – ein Kracher. Den dürft ihr bitte alle mal bestellen. Ganz weich und voll im Geschmack, aber nicht zu puschelig, der hat schon Wums. Ich behaupte, ein leichtes Nussaroma herauszuschmecken und keine Schokolade.

Total erfolglos Latte Art geübt, aber das war okay. Dafür schöne YouTube-Videos geguckt, bei denen Leute das hinkriegen.

Banana Bread gebacken. Und noch einen Flat White zum abendlichen Stück gemacht, schon gut. Trotzdem durchgeschlafen. (Gemeinsam.)

Was schön war, Mittwoch, 7. März 2018 – Alltag

Das war ein angenehmer Arbeitstag: Ich konnte meine Projekte schön nacheinander abarbeiten, keine Mails oder Anrufe rissen mich aus meinem Flow, stattdessen tippte ich konzentriert vor mich hin und bekam nachmittags auch gutes Feedback aus gleich zwei Ecken. Den größten Brocken konnte ich bis abends fertigstellen, der geht heute raus, nachdem er noch eine Nacht vor sich hinsimmern durfte. Pünktlich Feierabend gemacht.

Meine Mittagspause verbrachte ich damit, zu einem Café um die Ecke zu schlendern, von dem ich wusste, dass sie in der Region rösten ließen. Ich bat um zwei Sorten, damit ich vergleichen konnte, möglichst wenig fruchtbetont, gerne kräftiger. Der freundliche junge Mann hinter der Theke fragte, mit was ich die Bohnen denn zubereiten wollte (also Siebträgermaschine oder was anderes), erklärte mir die Aromen von verschiedenen Sorten, wo genau die Bohnen verarbeitet wurden und fragte, ob er mir die mahlen sollte, was ich verneinte. Ich fühlte mich gut beraten, kaufte zwei Sorten – einmal die Bohnen, die das Café als ihren Lieblingskaffee ausschenkt und eine, die nach Schokolade schmecken soll, was ich bisher noch bei keinem Kaffee rausgeschmeckt habe – und bereitete mir zuhause gleich eine Tasse zu. Ich stellte befriedigt fest, dass die Haussorte wirklich kaum nach Säure schmeckte, stattdessen eher angenehm holzig und nach einem starken Körper. Der Schokoladenkaffee wartet noch auf mich.

Die Kitchen-Impossible-Folge vom Sonntag hatte ich bruchstückhaft am Montag und Dienstag nachgeschaut, bis ich sie mittendrin abbrach wegen kompletter Genervtheit von beiden Köchen. Was aber übrig geblieben war: der dringende Wunsch, ein dickes Rösti zuzubereiten. Bisher hatte ich das immer aus rohen Kartoffeln hergestellt und es waren vermutlich auch eher Kartoffelpuffer. Dienstag abend hatte ich Pellkartoffeln aufgesetzt, die ich gestern abend rieb. Ich ließ Zwiebeln in der Pfanne in Butterschmalz glasig werden, gab dann die Kartoffeln hinzu, briet sie ein bisschen an und formte dann einen dicken Berg, den ich so gut es ging, an den Pfannenboden andrückte. Deckel drauf und bei mittlerer Hitze zehn bis fünfzehn Minuten braten. Nach dieser Zeit linste ich vorsichtig in die Pfanne, um zu gucken, ob sich ein schöner braun-knuspriger Boden gebildet hatte. Hatte er – aber ich schaffte es leider trotzdem nicht, den Rösti vernünftig zu wenden, er zerbrach, als ich die Pfanne umdrehte, um ihn auf den Deckel gleiten zu lassen. Ich briet ihn trotzdem brav weiter, salzte und pfefferte, machte noch einen schnellen Gurkensalat dazu und fand ihn auch zerbrochen äußerst schmackhaft. Kartoffeln mit Röstaromen halt. Was soll daran auch nicht schmackhaft sein?

Den Abend mit der FAZ auf dem Sofa verbracht, endlich The Good Fight von Sonntag nachgeschaut, früh schlafen gegangen.

Wo ich gerade meine Zeitung erwähne: die New York Times veröffentlichte gestern einen Artikel, in dem jemand sich zwei Monate lang von seinem Smartphone befreite und nur noch Zeitungen und Zeitschriften las, um sich über Nachrichten zu informieren. Ganz so drastisch praktiziere ich das nicht, aber ich habe mich trotzdem wiedergefunden:

„It has been life changing. Turning off the buzzing breaking-news machine I carry in my pocket was like unshackling myself from a monster who had me on speed dial, always ready to break into my day with half-baked bulletins.

Now I am not just less anxious and less addicted to the news, I am more widely informed (though there are some blind spots). And I’m embarrassed about how much free time I have — in two months, I managed to read half a dozen books, took up pottery and (I think) became a more attentive husband and father.

Most of all, I realized my personal role as a consumer of news in our broken digital news environment.“

Den Zeitfaktor würde ich für mich verneinen: Das Überfliegen meiner Twittertimeline geht weitaus schneller als die Zeitungslektüre. Ich räume mir, seit ich die FAZ abonniert habe, immer eine Stunde am Tag Zeit frei, um sie lesen zu können. Das klappt nicht immer, dann lese ich am nächsten Tag wenigstens das Feuilleton nach und überfliege den Politikteil. Inzwischen lese ich auch auszugsweise den Wirtschaftsteil, während Finanzen immer noch ignoriert werden.

Wo ich dem Autoren aber dringend zustimmen möchte: Ich fühle mich weitaus besser informiert, weil ich das Gefühl habe, Nachrichten zu lesen, Einordnungen, und keine Kommentare. Vor allem keine auf 280 Zeichen. Das ist in letzter Zeit eh ein Problem für mich geworden: das ewige Rummeinen, gerne im blasierten Tonfall, als ob alle anderen Menschen auf der Welt Idioten wären. Ich habe meine Timeline mal wieder durchgekehrt, wobei nicht nur die Rummeinenden rausgeflogen sind, sondern auch viele Accounts, die rein akademisch waren – das betrifft mich einfach nicht mehr. Ich folge weiterhin Menschen, die ich persönlich kenne und verzeihe ihnen, dass ich nicht immer einer Meinung mit ihnen bin, was vermutlich auf Gegenseitigkeit beruht. Ich folge weiterhin Museen und kulturellen Institutionen, weil ich meine Infos zu ihren Sammlungen oder Aktitiväten lieber auf Twitter lese als auf Facebook. Ich bin eh kurz davor, alles aus Facebook rauszuwerfen und nur noch die lustigen Tasty-Videos zu gucken, ansonsten ist mir die Plattform sehr egal geworden. Und auch Twitter strengt mich derzeit mehr an als dass es mir etwas bringt. Jahrelang war das Tweetbot-Fenster links am Bildschirm und ich hatte es immer im Augenwinkel, aber neuerdings erwische ich mich immer öfter dabei, es zu minimieren oder gleich ganz auszuschalten. Es ist so herrlich ruhig auf einmal. Ich öffne das Fenster wieder, wenn ich fünf Minuten Ablenkung brauche, aber dann verschwinden alle Stimmen wieder im Dock. Mal gucken, wie sich das entwickelt.

Was schön war, Dienstag, 6. März 2018 – Klackzischmmhhmmm

Zwischen 2001 und 2007 besaß ich eine kleine Siebträger-Espressomaschine, bevor ich sie gegen eine von Nespresso eintauschte, die ich bis vor Kurzem religiös benutzte. Seit gut einem Jahr beschäftige ich mich aber etwas mehr mit dem Produkt Kaffee und seiner Zubereitung, mahle seitdem meine Bohnen selber (mit der Hand oder mit Opas Maschine), benutze meine French Press, achte auf Wassertemperatur und Mahlgrad und probiere mich durch diverse Sorten Kaffee. Meine bisherige Lieblingssorte gibt es leider nicht mehr, weswegen ich jetzt, nachdem das Internet durchgespielt ist, mal allen Münchner Röstereien Besuche abstatten werde, wozu hat man die denn sonst.

Immer wenn ich länger über Kaffee nachdachte, vermisste ich meine Siebträgermaschine mehr und mehr. Also nicht die von vor 15 Jahren, die machte fürchterlichen Kaffee, was aber auch daran gelegen haben könnte, dass ich bereits gemahlenes Pulver kaufte und das auch monatelang rumliegen ließ, bevor ich es benutzte, und dass ich dazu auch diese bescheuerte fettarme Milch trank, denn damals war ich noch der Meinung, Vollmilch sei wegen ihrer Kalorien Teufelswerk. Dass dabei nur Plörre rauskommen kann, war fast vorprogrammiert. Auch deswegen mochte ich das System Nespresso so gerne, denn es produziert, trotz aller Kritik, die man an diesem System haben kann, stets sehr guten Kaffee. Aber nach einem Jahr Selbermahlen und Kaffee neu entdecken, ging es mir auf den Zeiger. Ich recherchierte nach erschwinglichen und vor allem kleinformatigen Siebträgermaschinen, für die ich in meine winzigen Küche Platz hätte, fand eine, die mir gefiel und die anscheinend auch guten Espresso produzieren kann, und ging gestern brav im lokalen Einzelhandel einkaufen. (Ich verlinke trotzdem ihrwisstschon.)

Eigentlich wollte ich sie in Silber haben, aber der Elektroladen hatte sie auch in schwarz und überraschenderweise gefiel sie mir in dieser robusteren Farbe etwas besser (man sah schlicht nicht jeden Fingerabdruck). Zuhause probierte ich meinen neuen Liebling natürlich gleich aus. Ich mahlte frisches Pulver, drückte es so fest es ging an, was nicht so richtig ging, weil nur ein Plastiktamper beilag, der nicht viel taugt, also muss ich nochmal einkaufen, dann probierte ich mit der Kaffeemenge ein bisschen rum, bevor mir einfiel, dass ich vielleicht irgendwann noch mal schlafen wollte, also beließ ich es bei drei Flat White als Einstieg, immerhin über den Nachmittag verteilt.

Mein derzeitiger Kaffee (irgendein Fair-Trade-Kram aus dem Supermarkt, Fehlkauf) ist recht säuerlich, was mir bei der French Press etwas aufstößt, mir gestern aber gut gefiel, denn den French-Press-Kaffee trinke ich schwarz, während ich beim Espresso immer Milch dazutrinke. Auf das Aufschäumen derselben hatte ich mich mit am meisten gefreut. Ich mag den Handgriff, den metallisch-schweren Siebträger in die Maschine einzuspannen, ich mag das Einrasten. Ich hatte sofort Flashbacks zu meinen Kellnerzeiten von vor 25 Jahren, wo wir in der Kneipe eine riesige Espressomaschine hatten, an der ich diese Handgriffe tausende Male vollführt hatte: Kaffeepulver andrücken, Siebträger einspannen, während der Espresso läuft, Milch in die Metallkanne gießen und aufschäumen, Cappuccino fertigstellen, Kakaopulver drüber. Was mir bei der kleinen Maschine für den Hausgebrauch fehlt, ist natürlich dieses Klopfbänkchen, an dem man den benutzten Kaffee ausschlägt, aber man muss nicht alles haben. Leider kann man bei der Delonghi den Wasserdampf für die Milch nur an- und ausschalten, also nicht regulieren. Das hatte ich ganz vergessen, wie gerne ich am Dampfhebel rumgespielt habe, damals. Aber auch so ging das Aufschäumen prima und für meinen Geschmack viel zu schnell, ich konnte es gar nicht genießen, da hatte ich schon ein Glas voll Schaum und heißer Milch. Na gut.

Einen etwas unflatten Flat White zusammengebaut – und genossen. Und wo ich bei Nespresso gerne noch Zucker in die Tasse rieseln ließ (immerhin die Sirups habe ich mir schon abgewöhnt), trank ich gestern sehr zufrieden zuckerfrei, die Milchsüße reichte völlig aus. Ich hatte noch ein paar Stücke vom Marmorkuchen, den ich Sonntag gebacken hatte, und genoss daher eine ungeplante, aber äußerst entspannende und wohlschmeckende Kaffeepause, bevor mich der Schreibtisch wieder drängelte. Das mache ich heute gleich nochmal. (Wofür ich in der Mittagspause Kuchen backen müsste, aber hey. Alles für eine gute Kaffeezeit!)

Tagebuch, Montag, 5. März 2018 – Monday, monday, ba-daaa *singt*

*singt immer noch*

Ich habe das Gefühl, dass sich Einträge à la „Gearbeitet, geschlafen“ wiederholen und sie langweilen mich selbst beim Aufschreiben. Was daran liegen könnte, dass meine geldwerte Arbeit leider weitaus weniger spannend ist als das, was ich die letzten fünf Jahre für lau gemacht habe.

Das ist mir in den letzten Tagen verstärkt aufgefallen: wie wenig sich das Lesen und Schreiben in Bibliotheken nach Arbeit angefühlt hat, sondern stattdessen wie ein schlauer Urlaub. Natürlich war ich auch da nach sechs bis acht Stunden angemessen hirntot und brauchte Pausen und Kohlehydrate, aber ich war nie so gefühlt doof wie ich jetzt abends bin, wo ich mich kaum noch zu anständigen Büchern aufraffen kann.

Ich erwähnte bereits, dass sich das teilweise ziellose Rumlesen nie wie verschwendete Zeit angefühlt hat. Derzeit bin ich auf mehreren Kunden gebucht, die manchmal Texte oder Konzepte haben wollen, von denen man schon vorher weiß, dass sie Quatsch sind. Man macht sie aber trotzdem, damit der Kunde was vorgelegt bekommt, dass er dann als „Quatsch“ abtun und sich was Neues wünschen kann. Manchmal muss man Dinge halt ausformuliert oder gestaltet vor sich sehen, um zu wissen, nee, das war eine blöde Idee. Ich bin davor auch nicht gefeit, wie ich weiß, seitdem ich meine Website habe umgestalten lassen. Aber wenn man auf der anderen Seite sitzt und weiß, dass man gerade für den Papierkorb arbeitet, strengt es ungemein an. Deutlich mehr als wenn man in der Bibliothek sitzt und ziellos ein Buch nach dem anderen durchblättert, einfach weil es da ist und man Zeit hat.

Ich merke auch, dass mich meine Arbeit wieder körperlich anstrengt. Dass sie mich geistig anstrengt, ist normal und erwartbar. Auch wenn man gerne über die Dösbaddeligkeit von Werbetexten lästern kann – es kostet Mühe, sie zu schreiben, vor allem, wenn man trotz ihrer inhärenten Sinnlosigkeit möchte, dass sie gut lesbar sind, gut klingen und vielleicht doch ein winziges bisschen was zu sagen haben. Ich merke, dass ich abends wieder körperlich ausgelaugt bin, was ich nach acht Stunden Bibliothek weitaus weniger war. Ich muss mir leider eingestehen, dass ich keine 25 mehr bin und auch keine 35 mehr, wo ich das weitaus besser weggesteckt habe. Ich brauche mehr Zeit für mich selbst, mehr Zeit, den Kopf wieder für mich anzuknipsen, und das kam in letzter Zeit leider zu kurz. Wenn der Schreibtisch eh voll ist und man dann noch angekränkelt an ihm sitzt, fällt alles doppelt schwer. Deswegen passierte im Blog auch in der letzten Woche so wenig; ich hatte nicht mehr die Kraft, Nullnummern wie oben beschrieben – „gearbeitet, geschlafen“ – aufzuschreiben.

Am Freitag und Samstag dieser Woche findet mein erstes Doktorandenkolloquium statt. Ich kann zwar leider selbst noch nicht über meine Arbeit Auskunft geben, weil ich schlicht noch nichts Sinnhaftes vortragen kann außer einem tollen Plan und viel zu wenig gelesenen Seiten, aber ich freue mich wie irre darauf, von den anderen zu hören, was sie machen und worüber sie nachdenken. Seit Tagen sitze ich hier, texte vor mich hin und denke: „Nur noch drei Tage, dann siehst du endlich wieder normale Leute.“ Den Satz habe ich auf der republica zum ersten Mal gehört und ihn als wahr abgenickt. Hier stimmt der Satz jetzt wieder.

Ich freue mich ebenfalls sehr auf den Semesterbeginn im April, wo ich versuchen werde, mich wenigstens in ein paar Vorlesungen zu setzen, um nicht zu verblöden. Ich merke erschrocken, wie sehr meine Unizeit gefühlt schon in der Vergangenheit liegt, obwohl ich erst im Oktober mein Masterzeugnis bekommen habe. Aber seitdem habe ich mich so brutal wieder in Richtung Werbung gepolt, dass sich das schon wie ein anderes Leben anfühlt. War es wohl auch. Merke ich auch erst jetzt so richtig.

Ich möchte daher bewusster versuchen, mir wenigstens Reste dieses schlauen, schönen, selbstbestimmten Lebens ins Werberleben zu retten. Deswegen ja auch die Diss, die ich nicht mehr als Karrierestufe sehe, sondern als roter Faden, an dem ich mich ein bisschen langhangeln kann an schlechten Tagen oder denen, die mich übermäßig anstrengen, weil sie mit Quatsch gefüllt sind. Ich möchte versuchen, sie nicht als Pflicht anzusehen, als Ding, was auch noch erledigt werden muss neben dem ganzen Kram, der auf meinem Tisch liegt. Ich möchte versuchen, sie als großartiges Ding wahrzunehmen, dass dafür sorgt, dass ich ein winziges bisschen weiter Kunsthistorikerin spielen darf, obwohl das auf meiner Visitenkarte erst nach der Werberin kommt. Ich möchte auf meinen Alltag besser aufpassen, damit er nicht zu alltäglich wird. Sonst bin ich in fünf Jahren wieder da, wo ich schon mal war. Andererseits könnte ich dann noch einen Politik-Bachelor hintendranhängen, wär auch spannend.

Tagebuch, Samstag/Sonntag, 3./4. März 2018 – Am Schreibtisch

Die Erkältung ist langsam rum, was total toll passt, denn mein Schreibtisch quillt über, alle Timings sind aus der Hölle, und daher habe ich auch am Wochenende lustig vor mich hingetippt, damit Dinge fertig werden.

Samstag traute ich mich mal wieder auf die Straße und schaffte es zur Packstation und zum Supermarkt, wonach ich mich erstmal ausruhen und duschen musste, weil mein Kreislauf völlig im Eimer war (die Woche über hatte F. mich mit Lebenswichtigem wie Weintrauben, Ibuprofen und dem Allheilmittel Leberkassemmel versorgt; wie krank ich war, merkte ich daran, dass ich von letzterer nur ein Drittel essen mochte). Samstag nachmittag gönnte ich mir eine Fußballpause und guckte das Spiel vom FCA gegen Hoffenheim vom Sofa aus anstatt vom Stadionsitzplatz. Auch das war dem Kreislauf geschuldet; bis ich den Weg von der Tramhaltestelle in die Arena geschafft hätte, wäre die erste Halbzeit um gewesen.

Sonntag trank ich den ersten Kaffee nach einer Woche Pause und weiß seitdem, dass kein Lebensmittel besser schmeckt als Kaffee, wenn man ihn endlich wieder schmecken kann. Ich kochte gleich eine ganze French Press und nippte den ganzen Tag am herrlichen Nektar. Mittendrin buk ich Kuchen, denn Kaffee ohne Kuchen muss ja auch nicht sein, die Welt ist schon schlimm genug. Mit der vorgenommenen Arbeit wurde ich fast fertig, den Rest muss ich heute morgen erledigen, bevor ich ein neues, großes Projekt anfange, das neben den anderen Projekten herläuft. In die Stabi habe ich es nicht mehr geschafft, obwohl ich mir das vorgenommen hatte, aber daran werde ich mich wohl gewöhnen müssen.

Ein ghanaisch-amerikanisches Dankeschön …

… an Meike, die mich mit Yaa Gyasis Homegoing überraschte. Das Buch tauchte vermutlich im Umfeld von The Underground Railroad auf meinem Radar auf, das eins meiner Lieblingsbücher im vergangen Jahr war. Außerdem hatte ich mir eh vorgenommen, mehr Autorinnen zu lesen, mich interessierte die Geschichte, und so landete es auf meinem Wunschzettel. Das Buch ist im letzten Jahr auch auf Deutsch erschienen; hier die Rezensionsnotizen beim Perlentaucher. Und natürlich die gute Kritik der NYT, auf die ich ja immer höre. Apropos gute Kritik: Ich glaube, das ist das erste Buch, bei dem es keine Ein-Sterne-Rezension bei amazon.de gibt. (Okay, noch.) Vielen Dank für das Geschenk, ich habe mich sehr gefreut.

Ein doppeltes Dankeschön …

… an Susanne, die mich mit gleich zwei Büchern überraschte, nämlich J. D. Vances Hillbilly Elegy: A Memoir of a Family and Culture in Crisis und Hans Rudolf Vagets »Wehvolles Erbe«: Richard Wagner in Deutschland. Hitler, Knappertsbusch, Mann. Oder wie F. mit Blick auf die Werke meinte: „Ah, wieder zwei Feelgood-Bücher.“

Hillbilly Elegy interessierte mich, weil es von Konservativen wie von Liberalen gelobt und verdammt wurde. Ich weiß nicht, warum ich immer noch Bücher lesen will, die mir irgendwie erklären, wie die USA den König der Idioten zum Präsidenten wählen konnte, aber ich mach das einfach. Vielleicht verstehe ich es ja irgendwann, warum man aus Protest das größtmögliche Übel wählt, weil einem irgendwie die Welt gerade nicht passt. In diesem – zugegebenermaßen sehr weiten – Zusammenhang habe ich neulich interessiert ein Feature auf B5 gehört, in dem es um bayerische AfD-Wähler*innen ging. Auch dort kam ein Herr zu Wort, der meinte, er wollte die AfDler auf keinen Fall an der Regierung sehen, aber so aus Protest könnte man die ja super wählen (ich paraphrasiere schlecht gelaunt). Mir wird es nie in den Kopf gehen, wie man Menschen aus Protest wählt, die offensichtlich ein hohes Interesse daran haben, demokratische Errungenschaften zurücknehmen zu wollen.

Und damit elegant zum anderen Gute-Laune-Titel. Über die Verbindung von Thomas Mann zu Richard Wagner bin ich bei der Recherche zur Masterarbeit und dem Komplex Wagner/Anselm Kiefer/Nazikram gestoßen. Ich entdeckte den letzten Vortrag, den Mann in Deutschland hielt, bevor er emigrierte – über Wagner. Ich las über die Reaktionen, vor allem aus der „Richard-Wagner-Stadt“ München. In die Arbeit selbst passte diese Episode nicht, aber ich hatte sie weiter im Hinterkopf, als ich neulich auf eine Rezension des Buchs von Vaget stieß, vermutlich in der FAZ, ich finde aber nichts online. Dann gibt’s eben die aus der SZ:

„Vaget ist der erste, der auf der erheblichen Bedeutung Richard Wagners nicht nur für Hitler, sondern auch für diesen Text Thomas Manns mit guten Gründen insistiert. Nachdem er vor längerer Zeit schon einmal eine Anthologie mit allen wichtigen Äußerungen Thomas Manns zu Wagner herausgegeben hat, fasst er hier seine Erkenntnisse souverän und leserfreundlich zusammen.

Thomas Mann hat seine tief verankerte Wagnerbegeisterung nie verleugnet, aber schon vor Hitler kristallisierten sich in ihm Bedenken gegenüber dem verderblichen Potenzial des Jahrhundertgenies, die er 1948 in dem Satz zusammenfasste: “Es ist immer wieder ein schwieriger, anziehender und abstoßend der Fall”.

Hans Rudolf Vagets Buch ist die krönende Zusammenfassung langer Studien und ebenso intimer wie präziser Kennerschaft. Er ist gegenüber Wagner und seiner Wirkung kritischer als manche der in diesem Bereich publizierenden Kollegen, ohne jedoch in flächendeckende Verwerfung zu verfallen. Bei diesem Thema ist es nicht so einfach, nüchterne Balance zu halten. Hier ist es gelungen.“

Vielen Dank für die Geschenke, ich habe mich sehr gefreut.