Mittwoch, 13. März 2024 – App und Web

Den ganzen Tag die Bahn-App aktualisiert, man weiß ja nie.

Der Projektpreis des Deubner-Preises geht 2024 an Nora Kaschuba und Jule Lagoda (beide M.A.) an der TU Dresden für die Website Art in Networks — The GDR and its Global Relations. Bitte mal reinklicken.

(via @Georg Schelbert)

Max und seine Zwillinge suchen vier Zimmer in München. Wer etwas weiß, bitte bei ihm melden: Nette Vermieter gesucht!

Wenn ich eine Wohnung hätte, würde ich sie den dreien geben.

Dienstag, 12. März 2024 – Erste Sätze

Durchgelesen: Ingrid Strobls Vermessene Zeit. Der Wecker, der Knast und ich.

Strobl starb im Januar 2024, vermutlich bin ich durch einen der Nachrufe auf dieses Buch gestoßen, in dem sie dreißig Jahre nach ihrer gut zweieinhalbjährigen Inhaftierung in München und Essen über diese Zeit schreibt. Dabei reflektiert sie in Einschüben ihre eigenen Erinnerungen und ordnet quasi ihren Text neu ein. Sie schreibt über die Bücher und die Musik, die ihr halfen, sowie die Arbeit an ihren eigenen Büchern. An einem Text knabbert sie ewig, weswegen ich den gleich mal aus der Stadtbücherei lieh: Die Ästhetik des Widerstands von Peter Weiss. Ich wusste ja, dass das nicht die leichteste Lektüre wird und auch nicht das schmalste Buch ist, aber ich ahne, dass ich das nicht in drei Wochen durchlesen werde. Wenn überhaupt. Sieht mir eher nach einem Buch für die Rente aus.

Aber den ersten Satz fand ich schon mal gut:

„Rings um uns hoben sich die Leiber aus dem Stein, zusammengedrängt zu Gruppen, ineinander verschlungen oder zu Fragmenten zersprengt, mit einem Torso, einem aufgestützten Arm, einer geborstnen Hüfte, einem verschorften Brocken ihre Gestalt andeutend, immer in den Gebärden des Kampfs, ausweichend, zurückschnellend, angreifend, sich deckend, hochgestreckt oder gekrümmt, hier und da ausgelöscht, doch noch mit einem freistehenden vorgestemmten Fuß, einem gedrehten Rücken, der Kontur einer Wade eingespannt in eine einzige gemeinsame Bewegung.“

Auf Mastodon poste ich gerne #ErsteSätze aus den Büchern, die ich in der Hand habe. Einfach mal nach dem Hashtag gucken.

Montag, 11. März 2024 – Nachwehen

Den ganzen Tag weiter über die Opernaufführung vom Sonntagabend nachgedacht, viele DMs mit F. ausgetauscht. Er schickte Rezensionen zurück, unter anderem die Münchner Abendzeitung, die SZ und die FR. Die wohlwollende Besprechung in der FAZ ist noch nicht online, aber heute im Blatt.

Am Samstag hatte ich Volker Weidermanns Ostende 1936. Sommer der Freundschaft durchgelesen. Das ging viel zu schnell, das las sich zu gut weg, ich bestellte quasi während des Lesens auf Booklooker diverse alte Bücher, auf die sich Weidermann bezog oder die er erwähnte.

An eine Stelle musste ich während der Oper denken bzw. danach, als ich wieder denken konnte:

„Und deswegen will Hermann Kesten vor allem das bei ihrem Gespräch in Brüssel von ihr [Irmgard Keun] wissen: Wie ist es in Deutschland heute? Wie schlimm ist es? Wie ist die Stimmung unter den vernünftigen Menschen? Gibt es Hoffnung, Anzeichen dafür, dass es endet, irgendwann? Sie erzählt lebendig, originell und anschaulich, ja. Aber was sie erzählt, ist im Grunde fürchterlich und bietet keinerlei Hoffnung auf ein Ende. Sie erzählt ‚von einem Deutschland, in dem Kolonialwarenhändler und Feldwebelwitwen Nietzsches Philosophie vollstreckten. Einem Deutschland mit unfrohen rohen Gesängen und drohenden Rundfunkreden, mit der künstlichen Dauer-Ekstase von Aufmärschen, Parteitagen, Heil-Jubeln und Feiern. Ein Deutschland voll berauschter Spießbürger. Berauscht, weil sie es sein sollten – berauscht, weil man ihnen Vernunftlosigkeit als Tugend pries – berauscht, weil sie gehorchen und Angst haben durften, und berauscht, weil sie Macht bekommen hatten.‘“

Volker Weidermann: Ostende 1936. Sommer der Freundschaft, München 2015, S. 62/63.

Sonntag, 10. März 2024 – Lisa und Marta

F. und ich saßen in der Premiere der Oper „Die Passagierin“ von Mieczysław Weinberg. Das Libretto stammt von Alexander W. Medwedew nach dem gleichnamigen autobiografischen Roman „Pasażerka“ von Zofia Posmysz, einer polnischen Widerstandskämpferin und Auschwitz-Überlebenden. Die Oper wurde bereits Ende der 1960er Jahre fertiggestellt, kam aber erst in den 2000er Jahren zur Aufführung. Die Inszenierung in München ist die erste nach dem Tod der Autorin, wie Regisseur Tobias Kratzer erwähnt:

„Posmysz war bei der konzertanten Uraufführung 2006 in Moskau anwesend, bei der szenischen Uraufführung bei den Bregenzer Festspielen 2010, und sie war es bei den Produktionen in Frankfurt, Gelsenkirchen und Graz. Die Geschichte, die so sehr auf ihren autobiografischen Erlebnissen beruht, konnte an all diesen Orten auf eine Art und Weise „mit ihr“ rezipiert werden.“

Die Handlung lässt sich in der oben verlinkten Wikipedia gut nachlesen, kurz zusammengefasst schreibt die Bayerische Staatsoper: „Die Handlung umfasst zwei Zeitebenen: Die Rahmenhandlung ist auf einem Transatlantikschiff um 1959/60 angesiedelt; Rückblenden führen in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz 1943/44. […] Lisa ist Passagierin auf einem Schiff. Zusammen mit ihrem Ehemann Walter, einem deutschen Diplomaten, überquert sie den Atlantik. Beide sind froh, ihre Heimat Deutschland und damit die Vergangenheit der Kriegsjahre hinter sich lassen zu können. […] In einer Passagierin glaubt Lisa Marta wiederzuerkennen, eine ehemalige Insassin im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. Lisa war ebenfalls in Auschwitz – als Mitglied der SS und Aufseherin. Lisa hat Walter bis zu diesem Zeitpunkt ihre Taten im KZ verschwiegen.“

Wenn ich die Werkgeschichte richtig verstanden habe, wurde bisher das KZ Auschwitz auch auf der Bühne gezeigt. In der Neuinszenierung wurde darauf verzichtet und den zwei Zeitebenen noch eine dritte, nämlich die heutige, hinzugefügt. Dieser Blogeintrag wird keine ausführliche Rezension, ich sammele mich immer noch, möchte euch aber schon dringend einen Besuch der Oper ans Herz legen. Auch wenn es schwierig wird, danach noch irgendeine andere Oper anzuschauen, wie F. gestern meinte: „Was soll jetzt noch kommen?“ Das frage ich mich seitdem auch. Klar kann man entspannt im „Rigoletto“ sitzen und sich zupuscheln lassen, aber was politische Inszenierungen angeht, liegt die Messlatte jetzt sehr hoch.

Es war äußerst seltsam, sich dem Thema Holocaust musikalisch und auf einer Opernbühne zu nähern. Ich wusste natürlich, worum es geht, bevor wir im nicht ausverkauften Saal Platz nahmen (was geht, München?!? Sonst kriegt man doch nie Premierenkarten!). Aber ich zuckte trotzdem ziemlich zusammen, als mir das Wort „Auschwitz“ erstmals gesungen unterkam. Zum zweiten Mal zuckte ich, als die Lebenslüge der jungen Bundesrepublik (und in Teilen der DDR) gesungen wurde: Lisa gesteht ihrem Mann Walter, einem Diplomaten der Bundesrepublik, dass sie als Mitglied der SS Aufseherin in Auschwitz gewesen war. Seine Reaktion, ich paraphrasiere launig, um das Thema mal kurz von mir wegzuschieben: „OMG wenn das rauskommt, meine Karriere ist im Eimer.“ So wenige Zeilen und so auf den Punkt – die Opfer sind egal, aber was ist denn mit uns, den braven Tätern, die ja nur Befehle ausgeführt haben? Uns geht’s doch auch nicht gut!

Es klingt im letzten Absatz an: Das ging mir alles deutlich näher, als ich erwartet hatte, weil es bei mir gerade sehr weit geöffnete Türen einrennt. Auch deswegen fand ich die Inszenierung extrem gelungen, denn das hätte ein moralinsaures Lehrstück werden können. Wurde es aber wegen des guten Bühnenbilds und vieler kleiner Details nicht.

Der erste Akt spielt komplett auf dem Kreuzfahrtschiff. Im Buch steht, copypaste aus der Wikipedia:

„Zweites Bild [des ersten Akts[. Appell in Auschwitz. – In Auschwitz beklagen sich SS-Führer über die Langeweile im Lager und die Schwierigkeit, die ihnen die Beseitigung der anfallenden Leichen bereitet. Sie trösten sich mit der Gewissheit, den Willen des Führers zu erfüllen: „Wir säubern die Erde für das große Deutsche Reich. Hier in Auschwitz machen wir Geschichte“.“

Wir sehen Auschwitz aber nicht, auch nicht angedeutet. Die SS-Leute sind hier Touristen in heutiger Kleidung, die entspannt auf dem Sonnendeck ein Bierchen zischen. Allein der Text (als deutsche und englische Übertitel lesbar) macht deutlich, wo wir sind und um was es gerade geht. Und diese Regieentscheidung fand ich hervorragend. Ich muss keine mehrstöckigen Betten sehen oder gestreifte Kleidung, die Chiffre „Auschwitz“ reicht schon, um Bilder in meinem Kopf zu aktivieren. Wir alle haben diese Bilder im Kopf. Dass die Herren heutige Kleidung tragen, hat für mich deutlich gemacht, dass Unmenschlichkeit, auch in diesem Ausmaß, jederzeit wieder passieren kann und dass jede*r zu einem Unmensch werden kann. Eine simple Umsetzung, aber ich fand sie gelungen.

Als der Vorhang zur Pause fiel, wollte ich nicht klatschten, ich war zu erschlagen von der Stunde eben. Was mir in der Oper noch nie passiert ist: Mir fiel die Musik kaum auf. Ich war so mit dem Text, dem Inhalt und den Bildern auf der Bühne beschäftigt, wo sich gut gekleidete Menschen über den Abgrund unterhalten, dass ich die Musik nur als Untermalung wahrnahm. Damit tue ich Weinberg vermutlich Unrecht, aber auch das überraschte mich beim Nachdenken. Ich war auf anstrengende Zwölftonmusik vorbereitet, fand die Musik in ihrer Spannung aber genau passend. Dass sie – für mich! – so unterging, irritiert mich immer noch.

Im zweiten Akt war sie aber deutlicher. Ich befürchtete die ganze Pause, dass auf der Bühne nun doch das Konzentrationslager zu sehen war, aber nein, das geht auch subtiler: Die Bühne stand mit weißgedeckten Tischen voll, alle schön in einer Reihe, gnadenlos in die Tiefe der Bühne hinab. Ich musste an die Schienen denken, die nach Auschwitz führen. Auf den Tischen standen perfekt ausgerichtet Teller und Gläser, die bei manchen Beleuchtungssituationen fast unangenehm strahlten; sie erinnerten mich in ihrer starren Ausrichtung an die Morgenappelle, die die Häftlinge teilweise stundenlang über sich ergehen lassen mussten. Ich stellte mir die Tische auch von oben vor und sah den Grundriss des Lagers vor mir mit seinen vielen Baracken, schön brav rechtwinklig, alles in Reih und Glied.

In diesem angedeuteten Ballsaal des Schiffes findet der komplette zweite Akt statt. Ich kam wieder aus dem Zucken nicht heraus, sowohl beim Text als auch bei inszenatorischen Details. Ein SS-Mann singt:

„Unser Kommandant ist ein großer Musikkenner, er hat die beste Geige angefordert. In meinem Trupp haben sie einen berühmten Musiker entdeckt und ihm befohlen, den Lieblingswalzer des Komponisten einzuüben. Er soll spielen, bevor er sich in Rauch auflöst. So ist er noch zu was nütze.“

Im Programmheft der Staatsoper steht das komplette Libretto, einschließlich der herausgekürzten Passagen, die eingegraut abgedruckt sind. Guter Job. Ich zuckte: Als die SS-Mannschaft, nun als Bordcrew des Dampfers kostümiert, zum Captain’s Dinner eine Torte mit auf die Bühne bringt, auf der eine Kerze steckt. Den Rauch der Kerze sieht man von links auf die Bühne wallen, bevor die Truppe hereinkommt. Zufall? Ich glaube nicht.

Ein weiteres Mal zuckte ich aus anderen Gründen: Lisa erniedrigt Marta, indem sie deren blaues Kleid zerreißt (die Lagerinsassinnen tragen alle schlichte, blaue Kleider). Darstellerin Elena Tsallagova singt daraufhin mehrere Minuten mit nacktem Oberkörper, und bei weiblicher Nacktheit auf der Bühne bin ich immer sofort aus dem Stück raus, weil ich darüber nachdenke, ob das jetzt sinnvoll ist oder wieder nur Scheiß eines männlichen Regieteams. Ist es hier immerhin. Lisa drängt Marta und Tadeusz, der „berühmte Musiker“, der zugleich Martas Verlobter ist, zu sexuellen Handlungen und spiegelt damit eine Szene aus dem ersten Akt, wo sie und Walter sich einander körperlich zuwenden. Das geschieht natürlich deutlich liebevoller und zärtlicher und insofern kann ich diese Nacktheit abnicken. (Nervt mich trotzdem immer, aber das ist mein persönliches Problem.)

Ein weiteres Detail, das mir in dem Akt aufgefallen ist: Die Insassinnen singen gemeinsam und werden dann nach und nach von SS-Schergen erschossen. Sie liegen auf und neben den Tischen, als plötzlich der komplette Chor in Ballgarderobe aus dem Hintergrund der Bühne auftaucht, alle Plätze an den Tischen besetzt und sich mit den Gläsern zuprostet. Sie steigen ungerührt über Leichen und trinken Sekt, während ein Körper zwischen ihnen liegt. Das bewusste Beschweigen und Ignorieren des Unrechts der Tätergesellschaft sowie die Machtlosigkeit der Opfer in der Nachkriegszeit und bisweilen bis heute habe ich noch nie so simpel und so überzeugend präsentiert bekommen.

Es gibt immer wieder Sätze, die mich kurz die Luft anhalten ließen: Wenn Lisa sich darüber beklagt, dass die Insassinnen sie trotz ihrer kleinen freundlichen Gesten irgendwie nicht nett fanden: „Sie waren alle blind vor Hass.“ Wer war hier blind vor Hass, verdammte Axt? F. so: „Subtil ist die Kunstform Oper ja nicht gerade.“ Nein, ist sie nicht, aber anscheinend kommen wir mit Subtilität und Gedenktagen und Geschichtsunterricht nicht weiter. So habe ich auch eine der letzten Szenen vor dem Epilog verstanden, wo einer der Ballgäste einen kleinen Fernseher auf die Bühne schiebt, auf dem Lisa, nun alleine im dunklen Saal, auf einer 30-Zentimeter-Bildschirmdiagonale Aufnahmen aus Auschwitz ansehen muss. Der Fernseher ist in Richtung Publikum gerichtet, wir sehen diese Bilder auch. Ich konnte sie aus der sechsten Reihe erkennen, und ich möchte glauben, dass auch die letzte Reihe im vierten Rang sie erkannt hat. Erneut: Wir alle haben diese Bilder im Kopf. Wir fragten uns allerdings schon, ob das ein bisschen ein Cop-out vor dem nörgeligen Publikum der Hauptstadt der Bewegung war: Man hätte das Ganze natürlich auch als Video über die ganze Bühnenbreite projizieren können. Ich behaupte, dieser kleine Fernseher, vor dem eine einzige Frau sitzt, ist genau das Gegenteil von Cop-out: Es liegt an jedem einzelnen, sich mit unserer Geschichte auseianderzusetzen. Und das ist mir inzwischen nicht genug. Es setzt sich eben nicht jede*r damit auseinander, sonst hätten wir keine 30 Prozent AfD-Wähler*innen. Es ist unsere verdammte gesamtgesellschaftliche Verantwortung, dieses Wissen in jeden einzelnen Kopf reinzukriegen. Es ist unsere Verantwortung, wieder dafür zu sorgen – oder überhaupt mal dafür zu sorgen –, dass Faschismus keine alternative Politik sein kann, dass Parolen aus dieser Zeit verachtenswert sind, dass Menschen, die diese Parolen verbreiten, keine cleveren Politiker*innen auf TikTok sind, sondern dafür zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Mit all der Härte, die der Staat gerade für RAF-Rentner*innen aufbieten kann, ohne dass ich jetzt hier Äpfel und Birnen vergleichen oder die Taten der RAF rechtfertigen will.

Nein, die Oper macht keinen Spaß, „Turandot“ – und selbst Wagner, ausgerechnet – sind deutlich entspannender, und man ist nach den gut zweieinhalb Stunden sehr schlecht gelaunt. Auf eine seltsame Weise dann aber auch nicht, denn es hat mich sehr glücklich gemacht, diese Kunst ansehen und anhören zu können. Wie erwähnt, liegt die Messlatte nun sehr hoch für weitere tagesaktuelle Inszenierungen. Mein großer Respekt und Dank an des Regieteam, von dem ich bisher noch keine einzige schlechte Inszenierung gesehen habe. Die nächste wird eine alte sein: Wir haben Karten für den „Tannhäuser“ von Kratzer und Team im August in Bayreuth, den ich schon mehrfach gesehen habe. Im Moment fühlt es sich so an, als könnte das mein letzter Wagner sein, den ich bisher immer verteidigt habe. Aber vielleicht war die gestrige Oper das letzte Argument, von diesem Komponisten nun doch mal Abschied zu nehmen. Auch das ist für mich ein überraschendes Ende dieses Opernabends.

Die Premiere wurde von BR Klassik übertragen, ihr könnt sie noch anhören.

Samstag, 9. März 2024 – Wordle und Strands

Am Freitag hatte ich einen unerwarteten Wordle-Erfolg: Mein übliches Startwort war das Lösungswort, weswegen ich das Rätsel logischerweise in einem Zug lösen konnte.

Die NYT, bei der ich als Abonnentin Wordle spiele, hat gerade ein neues Spiel in der Beta-Phase: Strands. Der Atlantic beschreibt, warum es so gut ist, vergleicht es mit Wordle und Connections, einem anderen NTY-Spiel und berichtet gleichzeitig ein bisschen was zur Historie von Spielen auf Zeitungsseiten:

„The word search is perhaps the lowest form of puzzle. As a staple of Highlights magazines and family-restaurant placemats, its purpose is to use up time, quietly. Stare at a grid of letters and find, amid them, a list of indicated words. Is this fun? It is not. The word search is paperwork, but for kids.

Over the years, many have tried to improve the puzzle, to make it more mature. Boggle, introduced in 1972, made word search competitive. SpellTower, a 2011 smartphone game, made it strategic. And now this week, The New York Times has put out Strands, the newest product in its games empire. Strands adds two new features to the classic place-mat game: The player must guess the words to find in each scramble based on a cryptic theme, and the scrambled words, which can bend in any direction, are arranged to use up the entire letter grid. These changes may not sound so transformational, but in the context of a word search, they’re a revelation. Many of the best games succeed by offering a novel take on something familiar. Strands does exactly that. […]

Not so long ago, newspaper puzzles seemed on the verge of extinction. As I argued with my colleagues Simon Ferrari and Bobby Schweizer in our 2010 book, Newsgames, the print media had made the very strange decision to cede a large market for daily puzzling to mobile-game developers such as PopCap, the maker of Bejeweled. Newspapers, we observed, had forgotten that readers needed to be welcomed into the daily news—which is mostly bad news. A friendly and comforting ritual would do the trick: the sports, the weather, the comics, the crossword. But companies like the Times had not yet bothered to translate that function effectively from print to web (or app), so others had taken it from them—and made billions of dollars. The news business got Candy Crushed.

Now that trend has been reversed. The Times’ revival of newspaper games, which really took off with the acquisition of Wordle in 2022, has helped bring in huge amounts of premium-subscription revenue, according to the company. Jonathan Knight, the paper’s head of games, told me that tens of millions of people play Wordle every week, and almost half as many play Connections. Success for a newspaper game, to Knight, means players “coming back to it every day.” The ritual is the thing.“

Erfahrungsbericht: Vegane Meal Plans von Rainbow Plant Life

Seit Anfang Januar abonniere ich die Meal Plans von Rainbow Plant Life, einem veganen Blog, ich erwähnte es bereits mehrfach, vor allem auf Instagram. Nach zehn Wochen Shoppen, Preppen, Kochen und vor allem Genießen kann ich euch diese Ausgabe sehr ans Herz legen.

Als diätgeschädigter Mensch stehe ich Essensplänen sehr kritisch gegenüber. Seit ich regelmäßig für mich koche, um gute Laune zu haben und nicht, um in einem Kalorienbudget zu bleiben, also erst seit gut 15 Jahren, mag ich die tägliche Freiheit, machen zu können, was ich will. In den ersten Jahren habe ich wahllos aus Kochbüchern und Blogs nachgekocht, angefangen bei Oliver und Mälzer, die meiner Meinung nach recht nahbare und halbwegs einfach nachkochbare Rezepte anbieten. Dann war ich irgendwann bei Ottolenghi und Seiser, die etwas mehr Erfahrung brauchen, deren Rezepte aber so gut wie immer funktionieren und mir vor allem immer schmecken. In den letzten zwei, drei Jahren bin ich in Indien, Thailand und Vietnam angelangt, wenn auch in europäischer Schärfedosierung; wenn ein Rezept fünf Chilis will, nehme ich zwei, es ist für mich immer noch scharf genug. Außerdem bin ich, keine Ahnung mehr warum, eher von Blogs weggegangen und treibe mich auf YouTube rum, um Rezepte oder Zubereitungsarten zu suchen. Dort wird mir der Algorithmus wohl irgendwann Nisha auf die Startseite gespült haben, und nach den ersten nachgekochten, veganen Rezepten bin ich ihren Videos treu geblieben.

Mein letztes Jahr war aus verschiedenen Gründen stressiger als geplant, und ich habe irgendwann gemerkt, dass mich meine Mahlzeiten selber langweilen und es mir immer schwerer fällt, mal eben Rezepte aus irgendwelchen Blogs zu suchen; ich war schlicht unmotiviert und genervt vom Aufwand. Gleichzeitig war ich genervt davon, dass ich nicht mehr so gut esse wie in den letzten Jahren, also mit Lust und Spaß und Genuss im Fokus. Dass das meist vegetarisch und viel Gemüse bedeutet, ist ein netter Nebeneffekt. Ich liebe auch meinen Reiskocher und werde nicht müde, den guten Thai-Reis aus dem Asiashop kiloweise zu essen, aber meist kamen dazu nur Tofu und Gemüse und irgendeine nussige Sauce, was im Prinzip super ist, aber nach dem zwanzigsten Mal dann doch eher mau. Ich wollte aber auch nicht wieder zurück zu Büchern und Blogs, ich war einfach müde von allem, und genau in diesem Moment ploppten die Meal Plans auf.

Ich haderte mehrere Tage damit, mir wieder vorschreiben zu lassen, was ich essen soll, aber ich erinnerte mich daran, dass mir so ziemlich jedes Rezept von Nisha schmeckt und ich meist alles dafür an Gewürzen oder aromatics im Hause habe. (Ich habe keine vernünftige Übersetzung für aromatics gefunden, das ich dauernd bei Masterchef höre. Wie nennt man frischen Ingwer, Knoblauch, Chili etc. denn als Sammelbegriff auf deutsch? „Würzmittel“? „Aromaträger“?)

Also abonnierte ich den Plan mal für ein Vierteljahr, was mich 18 Dollar im Monat kostet. Dafür bekommt man wöchentlich vier Rezepte für vier Personen, genauer gesagt, drei Hauptmahlzeiten und einen Salat, der zu allem passt. Ich bereite von allem immer die Hälfte zu, wobei ich bisher noch nie zweimal dasselbe gegessen habe, sondern einmal das, was im Plan steht, und dann noch eine Mahlzeit, bei der ich übriggebliebene Komponenten bunt mische. Schon alleine das macht mir deutlich mehr Spaß als nach fünf bis sechs Gerichten pro Woche auf die Suche zu gehen, denn ich habe so quasi schon alles im Kühlschrank und vor der Nase. Und an manchen Tagen tut es auch ein Käsebrot.

Was für mich die Pläne aber noch besser macht: Es gibt erstens eine Einkaufsliste, nach Rezept oder nach Produktgruppe geordnet; ich gucke immer nach der Produktgruppe, weil ich so schneller erkenne, was ich einkaufen muss, was meistens nur frisches Gemüse ist, was ich eh kaufen würde, nur halt eher ziel- und planlos. Zu den Rezepten gibt es zweitens zwei Seiten lang Tipps: Wie kann man eine Zutat ersetzen, wie nicht, kann man Reste einfrieren, was kann man weglassen, was kann man noch addieren, um zum Beispiel mehr Protein oder mehr Grünzeug zu sich zu nehmen? Darauf komme ich gern zurück.

Außerdem gibt es drittens ein paar Tipps für die Tage, an denen man für nichts Zeit hat: Wenn dieser Schritt gerade zu lange dauert, mach doch das stattdessen. Darauf musste ich noch nie zurückkommen, daher kann ich dazu nichts sagen. Und viertens, und das ist mein Lieblingsfeature neben der Einkaufsliste, die mir alle Denkarbeit für eine Woche Leckerkram abnimmt, gibt es eine Rubrik zur Vorbereitung. Man bekommt den Meal Plan am Donnerstag, kann Freitag und Samstag einkaufen, und Sonntag wird dann ungefähr eine Stunde lang gepreppt, damit man ab Montag nur noch Dinge zusammenwerfen muss, um in sehr überschaubarer Zeit richtig gutes Essen auf dem Tisch zu haben. Oder auf dem Sofa, wo ich gerne esse.

Das sah bei mir vorletzte Woche zum Beispiel so aus:


(Seit The Bear schneide ich Schildchen brav gerade ab, anstatt sie von meiner Tesa-Krepp-Rolle einfach abzureißen.)

Ich habe rote Zwiebeln eingelegt, die jedem Gericht eine süßsaure Komponente geben, ein Korianderpesto und eine Jogurtsauce hergestellt sowie ein Dressing aus Tahini, Limettensaft, Olivenöl und der Zauberzutat Ahornsirup zusammengerührt, die mein Dressing-Game um Meilen verbessert hat. Außerdem röstete ich Süßkartoffeln im Ofen und wässerte und kochte Linsen, die danach ausgekühlt in formschöne Boxen verpackt auf ihren Einsatz warteten, um zu indischen Ofenkartoffeln mit Kichererbsen, Dal Tadka und theoretisch Tacos zu werden; meine Tacos schmeckten irgendwie meh, daher aß ich nur die als Füllung vorgesehenen Dinge mit schnell aufgebackenen Papadams, aber auch nur die Innereien waren großartig. Theoretisch kann man auch schon als Vorbereitung Gemüse kleinschneiden und Knoblauch hacken, aber das mache ich immer erst am Tag, an dem ich diese Zutaten verwenden möchte.


„Loaded Sweet Potatoes, Indian Style“


„Restaurant-Style Dal Tadka“


„Chickpea Tacos with Cilantro Pesto“

Das Schöne an den Rezepten ist, dass sie immer „shared components“ haben, man also die vorbereiteten Würzsaucen und Kleinigkeiten bei mindestens zwei, gerne bei allen Rezepten verwenden kann. Das heißt natürlich auch, etwas sinnvoller einzukaufen und weniger zu verschwenden. Wie erwähnt, koche die Rezepte für zwei Personen; manchmal schaffe ich die Menge alleine, ähem, meist bleiben Reste, die ich dann einfach anderweitig verwende oder kombiniere. Ich koche auf jeden Fall spannender und abwechslungsreicher als vorher, und das ist genau das, was ich mir von den Plänen erhofft hatte. Bisher musste ich auch kaum Dinge weglassen oder ändern; aus „kale“ mache ich allerdings inzwischen immer Spinat, denn Grünkohl ist für mich weiterhin deftiges, norddeutsches Novemberessen und kein Hipstergrün, sorry not sorry.

Was ich jede Woche spannend finde: Die Rezepte klingen erstmal total simpel, des Öfteren dachte ich auch schon, naja, so richtig aufregend wird das wohl nicht werden, aber bisher musste ich mir fast immer eingestehen, dass das doch besser war als erwartet. So wie hier:

Kicherbsen aus dem Ofen mit Knoblauchsauce, dazu Salat mit knusprig geröstetem Quinoa. Die Kichererbsen würzte ich mit Oregano, Zwiebeln, Knoblauch, Nährhefe, Salz und Pfeffer, nicht irre aufregend, dachte ich, aber okay. Diesen Spice Blend kippte ich schon am Sonntag beim Preppen zusammen und musste daher am Esstag nicht noch mit halben und viertel Teelöffeln rumhantieren. Der Quinoa war schon gekocht (gepreppt) und kam nun so weit wie möglich ausgebreitet auf ein Backblech, damit er knusprig werden konnte. Auch eher simpel. Dazu gab’s eine schlichte Jogurtsauce mit Knoblauch und Zitrone und einen Salat, hier im Bild nicht der im Rezept vorgesehene mit Brokkoli, den hatte ich schon verputzt, weil er so gut war, sondern mit Zeug, das ich halt noch im Kühlschrank hatte. Aber alleine diese simplen Gewürze und die Zubereitungsart, die aus Quinoa den totalen Knusperspaß machte, verwandelte alles in richtig gutes Essen.

Oder das hier:

Eintopf aus schwarzen Bohnen mit Sofrito, dazu Reis, eingelegte Schalotten, Koriandercreme und geröstete Kürbiskerne. Sofrito ist eine (gepreppte) Tomatensauce, die aus den schwarzen Bohnen aus der Dose einen richtig guten Eintopf machte. Und wie fast immer: Es sind die Kleinigkeiten, die ich noch darüberwerfe, die alles besser machen, hier die eingelegten Zwiebeln, die scharfe Creme und ein bisschen was zum Knabbern.

Man sollte Kichererbsen, Knoblauch und Koriander mögen, das kommt quasi dauernd dran, aber glücklicherweise mag ich alles sehr und noch wird es auch nicht langweilig, vermutlich auch, weil die Gewürzmischungen sich dauernd ändern, genau wie die Salatdressings oder die kleinen Extras. Nicht ganz so glücklich war ich bisher mit den Nudelgerichten, die aber eher selten vorkommen; das ist für mich immer die langweiligste Art, vegan zu essen. Gib mir Gemüse in lustigen Zubereitungsarten und ich bin glücklich; die Kohlenhydrate kann ich mir notfalls auch noch selbst dazudenken, falls ich nicht satt werden sollte, was noch nie vorgekommen ist.

Lustige Zubereitungsarten: gequetschte Kartoffeln.

Smashed Potatoes mit Tahinisauce, Erdnüssen und Jalapeno, dazu Salat aus Brokkoli und weißen Bohnen. Das war der Salat, den ich quasi eingeatmet habe: rohen Brokkoli im Zerkleinerer schreddern, mit Majo, Limettensaft, Ahornsirup und Sojasauce mischen, weiße Bohnen unterheben, fertig.

Lustige Zubereitungsarten: Tofu zerkrümeln für lauter Ecken und Kanten voller Gewürze:

Spaghetti mit Tahinisauce und Five-Spice-Tofu. Ein Hauch zu trocken, trotzdem gut. Bei nächsten Mal gab ich Reis und ein bisschen wässriges Gemüse zum Tofu, und den Rest des Spice Blends habe ich über Kichererbsen gegeben, ganz hervorragend.

Lustige Zubereitungsarten: Mandeln im Linsensalat. Diese Idee hatte ich bisher nicht, war sehr gut.

Ich halte mich bei den Rezepten nicht daran, dass sie vegan sind: Wenn „vegane Butter“ verlangt wird (aka Margarine, igitt), nehme ich Butter, wenn Mandelmilch verlangt wird, Kuhmilch usw. Und wenn ich noch ein Fitzelchen Aufschnitt übrig habe, weil ich Jieper auf Fenchelsalami hatte, dann kommt dieses Fitzelchen auch gerne mal in eine Sauce. Die Meal Plans waren für mich nicht dazu da, vegan zu leben (ich bin keine Veganerin und werde auch keine), sondern sie sollten mir wieder Spaß am Kochen und vor allem der Vorbereitung dazu vermitteln. Und genau das ist passiert: Mir bereitet das Preppen viel Vergnügen, weil es die Kochzeit am Esstag wirklich verringert. Und ich fühle mich total profimäßig, beschriftete Gläschen im Kühlschrank zu haben.

Guckt euch bei Insta um, ich poste eigentlich fast jedes Rezept. Ich verblogge sie allerdings nicht, weil jemand damit Geld verdient und das soll auch so bleiben. Es steckt gefühlt irre viel Arbeit in den PDFs, die man bekommt, und ich profitiere davon sehr. Und ich freue mich jeden Donnerstag auf die neuen Pläne, so wie vorgestern. Nächste Woche gibt es nämlich unter anderem „Sesame Baked Tofu with Chili-Garlic Rice“ sowie „Creamy White Bean Kale Spinach Soup“ bei mir. Das wird gut!

Donnerstag, 7. März 2024 – Beckett und Rapscallion

F. und ich waren gestern in den Kammerspielen, um „Words & Music“ anzusehen und -hören, ein von Morton Feldman vertontes Radiostück von Samuel Beckett, aufgeführt vom Jewish Chamber Orchestra. Aber zuerst gab es ein kurzes Stück von John Cage: „In a landscape“ von 1948, bei dem es mich faszinierte, dass es sich den Möglichkeiten des Pianos konsequent verweigerte, in seiner fast durchgängigen Ein-Tonigkeit und fast komplett fehlender Modulation. Ich hätte noch länger zuhören wollen, aber dann kam Beckett. Das war … äh … interessant, und wir mussten es danach dringend besprechen.

Dafür dachten wir kurz verschiedene Möglichkeiten netter Getränkeservices durch und landeten nach fünf Sekunden bei der Bar Tantris, die nur wenige U-Bahn-Stationen von uns weg war. Ich ging zum ersten Mal in Jeans und Sneakers ins Tantris und fühlte mich auch etwas underdressed, aber an der Bar geht alles. In den anderen Teilen des Hauses geht vermutlich auch alles, aber ich hübsche mich dafür schon gern etwas auf, denn es ist immer noch etwas Besonderes, dort hinzugehen.

Angedacht waren ein bis zwei Drinks, aber dann kam der Sommelier noch auf einen Plausch rum und brachte einen Weißwein, „ratet mal die Traube und das Jahr“, der sich als Riesling von 1990 herausstellte, wir tranken, sprachen, klönten mit dem Barchef, es wurde noch ein Cocktail und noch einer, und weil wir einfach mal danach fragten und der Sommelier Lust und Zeit hatte, durften wir den heiligen Weinkeller des Tantris besichtigen, bei dem ich vermutlich etwas ehrfürchtiger als nötig war. Barchef: „Ist auch nur ein Keller mit Flaschen drin.“ Ja, aber was für einer. So sieht also die Karte in Flaschenform aus.

Als Absacker gab es einen Rapscallion, große Empfehlung, wie alles, was einem an der Bar kredenzt wird, ich durfte ein bisschen Absinth pur probieren, weil ich das noch nie gemacht hatte, es ist einfach ein Paradies dort. Im Bild ist ein Rum-Martinez zu sehen.

Das war ein unerwartet langer und deutlich schönerer Abend als geplant. Ich war spät im Bett, sitze nun spät am Schreibtisch, höre John Cage und finde gerade alles ganz hervorragend. Es könnte noch ein Hauch Restalkohol im Spiel sein.

Mittwoch, 6. März 2024 – Möhren und Meeting

Ausnahmsweise erst Mittwoch mit dem neuen Meal Plan gestartet, hat sich aber, wie fast immer, gelohnt: Es gab Ofenkarotten, gequetschte und damit knusprige Kichererbsen, eine recht knoblauchhaltige Jogurtsauce, wie ich noch Stunden nach dem Essen feststellen durfte, und Zitronenreis. Klang simpel, war hervorragend.

Nachmittags löste ich mich vom heimischen Schreibtisch für ein außerhäusiges Meeting mit zwei charmanten Kunsthistorikerinnen, das wie schon beim letzten Mal zeitmäßig eskalierte, mich aber, auch wie beim letzten Mal, sehr motivieren konnte. Wir tauschten Feedback sowie Infos aus und schickten uns Links. Ich verteilte diesen hier: Bilder unter Verdacht. Praktiken der Bildforensik, via Wolfgang Ullrichs Insta. Das Buch steht Open Access zum Download zur Verfügung.

Dienstag, 5. März 2024 – See- und Kuchenstücke

Wir hatten einer Verwandten von F. einen Besuch in der Turner-Ausstellung zum Geburtstag geschenkt, und dieses Geschenk lösten wir gestern, kurz vor Schluss, endlich ein. Das war schön, sich nochmal alles anzuschauen, und vor allem entspannt trotz eines gut gefüllten Ausstellungsraums. Ich verglich die ganze Zeit mit dem Desaster bei Caspar David Friedrich in Hamburg, über das ich mich immer noch ärgere.

Danach gab’s Kaffee und Kuchen im Leone, der dritten von uns angesteuerten Location. Anscheinend wollte gestern halb München nachmittags Kaffeeklatsch machen, das Ella und das Café in der Glyptothek waren voll.

Die Ausstellung läuft nur noch bis diesen Sonntag, schnell noch vorbeischauen!

Montag, 4. März 2024 – Granat und Gold

Ich erwähnte vor Kurzem, dass ich zu Omis Granatring Ohrringe haben wollte, denn die vor über einem Jahr gekauften Creolen trage ich zwar gern, aber ich hätte lieber etwas mit einem Stein. Omis Citrinring trage ich inzwischen fast täglich, seit ich eher mit Bluse als mit Shirts unterwegs bin, das sieht einfach schön aus und ich mag den Ring wirklich sehr gern (hier im vierten Foto zu sehen). Den Granatring trage ich eher abends in Konzerten oder beim Essen, warum auch immer, er kommt mir irgendwie festlicher vor. Und weil ich mich festlich etwas mehr aufdotzen möchte als alltags, trage ich abends auch ab und zu die goldene Kette oder eher selten die Granatkette (sind beide in den eben verlinkten Blogeinträgen zu sehen).

Zur Kette gibt es auch noch ein Armband, das ähnlich gestaltet ist, also mit kleinen Granaten in Blüten- bzw. Doldenform. Eigentlich war der Plan, das Armband auseinandernehmen zu lassen und daraus Ohrringe zu fertigen, aber ich brachte es doch nicht übers Herz; das war Omis Lieblingsschmuck, der soll so bleiben. Daher suchte ich ewig nach anderen Granatohrringen, fand aber quasi nichts, was nicht nach Böhmen und Dirndl aussieht und genau das wollte ich nicht. Denn der Ring sieht so dermaßen nicht klassisch, fast zickig aus, weswegen ich ihn so mag.

Also ging ich, wie erwähnt, bei der Goldschmiede um die Ecke vorbei, suchte mir zwei ältere, facettierte Granatsteine aus – der Goldschmied tippte auf 20 bis 30 Jahre –, bat um eine goldene Fassung und hoffte, dass die Ohrringe bis zu meinem Geburtstag fertig werden würden. Es kam noch besser: Ich konnte sie gestern, an Omis Geburtstag, abholen.

Sorry für die Weidenkätzchen, aber ich habe nichts anderes auf die Schnelle zum Aufhängen gefunden, damit man das Licht gut sehen kann, das durch die Steine fällt. Die Rückseite ist keine geschlossene goldene Platte, sondern nur eine Fassung.

Im Ganzen sah das gestern so aus; ich habe noch keine Gleitsichtbrille, das heißt, ich muss die Brille absetzen, um irgendwie mein Handy zu erkennen, ja, ich bin alt, und das dicke Buch, auf dem meine Ostervase für eine korrekte Höhe steht, um noch das rote Kleid von Luise und den Goldrahmen im Bild zu haben, ist natürlich Nazikram, was anderes liegt hier ja nicht rum.

Zurück zu den Ohrringen, hier im Bild mit Omis Ring. Die gefassten Steine hängen an beweglichen Gliedern, das heißt, die Ohrringe bewegen sich, wenn ich mich bewege. Da die Facetten vorne sind, brechen sie das Licht schön; ich glitzere jetzt immer ein bisschen. Am unteren Haken, der durchs Ohrläppchen kommt, sieht man eine kleine Goldspirale; das ist eine Idee der Goldschmiede. Das sind übrigens Bruder und Schwester, die den jetzt 41 Jahre alten Betrieb von den Eltern übernommen haben, das fand ich auch schön.

Was die Spirale soll? Sie kennen vielleicht die durchsichtigen Plastiknupsis, die man auf Ohrhänger stecken kann, mit denen man verhindert, dass man sich den Schmuck mit einem Schal – oder Maskenbändern – aus den Ohren reißt. Die sind natürlich eher unhübsch, weswegen hier bewegliche Goldspiralen zum Schmuck gehören, die man genau wie die Nupsis auf den Haken schieben kann, wenn der Schmuck im Ohrläppchen sitzt. Das durfte ich gestern im Geschäft gleich mal üben, das klappt super.

Im Geschäft habe ich die Ohrhänger natürlich auch erstmal anlegen dürfen, um zu schauen, ob der Hänger groß genug ist. Dabei ist der Goldschmiedin, die mich gestern beriet, aufgefallen, dass das Loch in meinem rechten Ohr ein Hauch höher gestochen ist als das im linken, denn dort lag der Hänger an, während er im linken Ohrläppchen Platz hatte. Daraufhin wurden die Hänger noch etwas weiter aufgebogen, damit die Steine auch rechts etwas Spiel haben.

Hier nochmal das Ensemble in ganzer Schönheit. Ich mag die Ohrringe sehr gern, weil der Stein im Mittelpunkt steht und nicht das Gold. Aber auch das mag ich sehr; ich habe mich für 18 Karat entschieden, weil es einfach eine so wunderschöne, reine Farbe ist. Das Ganze war etwas teurer als geplant, aber ich habe in den vergangenen Jahren gemerkt, wie sehr ich Dinge schätze, die nicht nur für fünf Minuten halten und auch so aussehen (bis auf Ikea-Bücherregale, don’t @ me). Blödes Kunstgeschichtsstudium, das mir den Wert von altem Zeug vermittelt hat!

Happy Birthday, Omi. Schade, dass du nicht mehr mitbekommst, wie sehr ich mich über deine Ringe und dein blaugeblümtes Teeservice freue. Ich denke immer an dich, wenn ich damit am Schreibtisch sitze. Und neuerdings denke ich außerdem immer an dich, wenn ich einen deiner Ringe trage. Also quasi dauernd. Ich vermisse dich.

Sonntag, 3. März 2024 – Croissants und Klaviere

Viel zu früh aufgewacht, immerhin nicht alleine. Über den Abend im Tantris DNA gesprochen. Nochmal weggedöst. Aufgewacht, über den Abend im Tantris DNA gesprochen. Croissants geholt, Flat White gekocht, gemeinsam gefrühstückt, über den Abend im Tantris DNA gesprochen. Irgendwann getrennt; ich konnte leider nicht wie geplant vor einer Netflix-Serie nochmal wegdösen, erst kurz vor 17 Uhr wurde ich müde, aber da musste ich mich allmählich aufhübschen, denn auf uns wartete noch ein Konzert mit Martha Argerich und Lilya Zilberstein, die zur Verstärkung für ein Stück plus ein paar Zugaben noch ihre Söhne Anton und Daniel Gerzenberg mitgebracht hatte.

Ich mache das mal kurz: Bei Mozart und Schumann habe ich nicht so ganz verstanden, was der Mehrwert von zwei Flügeln auf der Bühne war, das plüschte freundlich an mir vorbei; beim Darius Milhaud konnte ich immerhin einen Satz wiedererkennen, hören Sie mal rein, den kennen Sie auch.

Nach der Pause gab’s Smetana mit den Söhnen, das war schön, aber erst die Sinfonischen Tänze Op. 45 für 2 Klaviere (1940) von Rachmaninow hatten mich dann und dann vor allem richtig. Anscheinend auch den Rest vom Saal, es waren deutlich weniger Hüsterchens zu hören als vorher. Einer davon gehörte leider mir, beim Schumann muss ich öfter meine Armbeuge bemühen, wovon nun leider Puderspuren an meiner schönen dunkelblauen Bluse zeugen, so dicht habe ich in sie reingehustet, um bloß nicht zu stören. Ich lutsche immer Bonbons in Konzerten, um nicht zu husten, aber gestern erwischte es mich dann doch nach jahrelanger Stille. Ich ahne inzwischen auch warum: Ich hatte keine Maske auf, mit der man dann eben doch immer ein bisschen in seiner eigenen feuchten Atemluft sitzt.

Zurück zum Rachmaninow: Hier eine Aufnahme von Argerich und Nelson Goerner. Gönnen Sie sich das mal, das ist großartig.

Und wer nicht ganz so viel Zeit hat: Eine Zugabe war der unterhaltsame Bergkönig, der auch prima auf dem Klavier funktioniert. Bitte mit acht Händen vorstellen, davon gibt es auf YouTube leider nichts Vernünftiges.

Samstag, 2. März 2024 – Alt und neuer

Gestern war Tag der Archive, weswegen F. und ich uns die Klaus-Kinold-Stiftung anschauten. Auf meinem inneren Plan wären noch das Archiv des Bayerischen Rundfunks oder das Wirtschaftsarchiv gewesen, aber das ehemalige Atelier bzw. das heutige Stiftungsbüro von Kinold lag direkt um die Ecke. Dort stehen großformatige, gerahmte Bilder, ziemlich toll, und auf Anfrage kann man in Fotos, Korrespondenzen und Bücher schauen. Einen Buchtipp gab uns die Verwalterin mit: „Ich will Architektur zeigen, wie sie ist“, ein Ausstellungskatalog von 1993 der Kunsthalle Bielefeld. Bitte bei Ihren bevorzugten Plattformen selbst googeln.

Ein Foto gefiel mir besonders, es ist das vorletzte auf dieser Seite, vielleicht auch, weil die strenge Architektur des Barcelona-Pavillons durch bewegte Bäumen und eine Skulptur von Georg Kolbe aufgebrochen wird.

Abends saßen wir dann mal wieder im Tantris DNA, ungewohnterweise nicht alleine, sondern mit einem weiteren Paar, mit dem wir erstmals einen Abend verbrachten. Das war so entspannt wie erhofft, es gab viel guten Wein (ach was) und die üblichen Klassiker des Hauses, neu interpretiert. Ich schwärme seitdem von den soufflierten Jakobsmuscheln à la Heinz Winkler. Unsere Begleitung musste gegen Mitternacht nach Hause (ein früher Ski-Termin wartete, München halt), während F. und ich auf einen Cocktail in die Bar des Hauses einkehrten. Aus dem wurden dann natürlich drei, wie immer, und wir fielen gegen halb vier ins Bett. Wieso bin ich überhaupt schon wach.

Heute abend ist das DNA übrigens bei „Kitchen Impossible“ zu sehen, wo Tim Mälzer das Kalbsbries Rumohr nachkochen muss, von dem Sie unter anderem in diesem Blog schon lasen. Ich werde in einem Konzertsaal sitzen und hoffe auf die morgige Wiederholung im Interweb.

Die pinkfarbene Damentoilette habe ich natürlich auch fotografiert und in eine Insta-Story geschmissen, Sie kennen das.

Freitag, 1. März 2024 – Flicken und Fahren

Meinen Schreibtisch kurz zum Nähtisch umfunktioniert und eine gemütliche Leggings geflickt sowie ein winziges Stück meiner liebsten Kapuzenjacke aka die blaue Schnuffeljacke von Nike, die ich seit über zehn Jahren trage.

Sie ist die perfekte Jacke: im Frühjahr und im Herbst nicht zu warm, aber eben noch oder schon wärmend nach oder vor dem Winter. Im Sommer ist sie die Lendenwirbelsäulenstütze in Biergärten oder ICEs und die kleine Decke, falls im letzten die Klimaanlage bis zum Anschlag aufgedreht ist. Ihr Blau ist das schönste, was ich im Kleiderschrank habe, und ich muss nie einen Schirm mit mir rumschleppen, weil sie eine Kapuze hat. Sie hat genau die richtige Länge und Weite, ganz egal, wieviel ich gerade wiege und ich liebe sie von ganzem Herzen. Aber sie ist eben nicht mehr die jüngste und sie passt nicht mehr so ganz zu meinen restlichen Klamotten. Seit mindestens einem Jahr suche ich nach einem Ersatz, der vielleicht einen Hauch weniger nach Sport aussieht und mehr nach Büroalltag, weil ich mich inzwischen eher in Blusen als in der ewigen Shirt-Longsleeve-Kombi wohlfühle, aber ich finde partout nichts, was mir auch nur ansatzweise gefällt. Daher friere ich derzeit eher im Blazer vor mich hin, wenn ich U-Bahn fahre, und nutze mein Herzblatt nur auf dem Fahrrad, das ich vor wenigen Tagen endlich wieder aus dem Winterschlaf geholt habe. Gestern auf der kurzen Fahrt zur Stabi, zur Stadtbücherei und zum Bäcker fragte ich mich, ob ich nur fahrradfahre, damit ich endlich wieder die Schnuffeljacke anziehen kann, aber natürlich ist das Quatsch: Es geht in meinem Umfeld einfach alles schneller mit dem Rad als mit den Öffis.

Letzte Woche im Norden habe ich erneut mit dem Mütterchen über Öffis auf dem Land gesprochen, wo sich gerne die Katze in den Schwanz beißt: Das Angebot an Öffis ist mau, weil alle ein Auto haben, und es haben alle ein Auto, weil das Angebot der Öffis mau ist. Ich möchte allen Verkehrspolitiker*innen den guten alten Filmsatz aufs Kissen sticken: „If you build it, they will come.“ Aber wenn ich die Wahl habe, zu einem Arzttermin einen Bus zu nehmen, der nur viermal am Tag fährt und mit dem ich eine Stunde zu früh da bin, dann nehme ich natürlich das Auto.

Da meine Mutter nicht mehr ganz so gerne Auto fährt, suche ich ihr dauernd Busverbindungen raus, die ich dann als pdf abspeichere, das ich meiner Schwester maile, die es groß genug ausdruckt. Bei uns gibt es als Zusatzangebot immerhin den Sprinti, aber man braucht ein Smartphone, um ihn zu buchen, das mein Mütterchen nicht besitzt. Anrufen geht theoretisch auch, aber dann kann man nicht sehen, wann das Fahrzeug denn nun kommt und steht manchmal 30 Minuten rum, vom Mütterchen für Sie getestet. Außerdem fährt er nur bis zu gewissen Gebietsgrenzen, was das ganze ein bisschen ad absurdum führt, denn gerade für die etwas längeren Strecken (15 Kilometer, Land- und Bundesstraßen) würde meine Mutter gerne das Auto stehen lassen; die kurzen Fahrten traut sie sich noch zu. Es ist alles ein Kreuz, und so schön ich es immer im Grünen finde, wenn ich da bin, so sehr freue ich mich wieder auf die Stadt, in der ich auch mit 80 nicht länger als zehn Minuten auf einen Bus warten muss, der von 5 Uhr morgens bis 1 Uhr nachts fährt.

Donnerstag, 29. Februar 2024 – Extratag und Extraspaß

Den zusätzlichen Tag im Jahr für einen ausgedehnten Besuch im Bällebad genutzt. Ich sitze gerade (unter anderem) an einem Aufsatz zur Künstlerkolonie Dachau und wollte mal wild querlesen. Dabei sind mir einige Namen untergekommen, die ich auch in der Diss oder in den Archivfunden zu ihr unter den Fingern hatte, was mich ja immer freut: an bekanntes Wissen anlegen zu können. Wissenschaft ist eigentlich nur ein riesiges Puzzle und wir lauter kleine Heinzelfrauchen, die es zusammenstückeln.

Beim Suchen stieß ich auf ein Buch von 1976, das das damalige Städtchen vermutlich gut zusammenfasste: „Führer durch die Altstadt, die Künstlerkolonie und die KZ-Gedenkstätte.“

Mittwoch, 28. Februar 2024 – Pling und Snooze

F. und ich saßen ohne Pause in der Isarphilharmonie und lauschten Mahlers 7. Sinfonie. Das hat bei mir ein bisschen gedauert, aber spätestens im zweiten Satz war ich Auge und Ohr und danach im positiven Sinn total platt, obwohl ich ja nur rumgesessen hatte. Ich weiß nicht, welche Einspielung empfehlenswert ist, ich habe mich hier für Bernstein und die Wiener Philharmoniker entschieden, falls ihr reinhören wollt. Oder anderthalb Stunden zuhören. Wer mehr über gestern lesen will, hier ist das Programmheft.

Ich fand es nett zu sehen, dass bei einer siebten Sinfonie auch sieben Menschen an den Schlagwerkzeugen beschäftigt waren. Ich freue mich ja immer über eine Batterie an lustigen Percussionsdingen, von denen ich meist nicht mal weiß wie sie heißen, wenn sie nicht gerade Pauken, Becken, Glocken oder Xylophon sind. Auch neu für mich: eine goldene Triangel. Ich habe mich in den vergangen Jahren ja so langsam an goldene Querflöten gewöhnt, aber eine Triangel kannte ich in der Farbe noch nicht. Gibt es die eigentlich in unterschiedlichen Stimmungen? *googelt „Triangel“* Hm. Dazu sagt die Wikipedia nichts, aber ich habe mich jetzt beim Begriff „Ideophon“ festgelesen.

Außerdem schön für Mahler, weniger schön für die Musizierenden: Es waren eine Gitarre und eine Mandoline mit auf der Bühne, die aber nur für wenige Takte im vierten Satz was zu tun hatten. Das stelle ich mir ja auch seltsam vor, 70 Minuten rumzusitzen, dann drei Minuten zu spielen, wenn überhaupt, und dann wieder rumzusitzen. Früher, als ich in der Oper noch im Rang saß, beobachtete ich gerne die Harfenistinnen, die Bücher lasen, wenn sie nichts zu tun hatten, oder andere Musiker*innen, die den Graben komplett verließen, bis sie wieder dran waren mit ihrem Exoteninstrument. Inzwischen sitze ich lieber im Parkett, um mich genau von sowas nicht mehr ablenken zu lassen. Ich muss gerade an einen uralten Strip von Loriot denken, der genau das abbildete: ein Triangelspieler im Orchester, der einmal „Pling“ macht, dann spazierengeht, auf einer Parkbank ein Buch liest, die Tauben füttert, wieder ins Konzerthaus stapft und ein weiteres mal plingt.

Gestern war auch das Publikum unterhaltsam. Zwei Reihen schräg vor mir saß ein älterer Herr, dessen rechter Nebenplatz frei war, was er dazu nutzte, sehr engagiert zur Musik mitzugehen; er dirigierte fast mit, nickte rhythmisch und hibbelte einfach begeistert rum. Ich guckte ab und zu rüber und freute mich, dass Klassik so mitreißt, aber die Dame direkt hinter ihm hatte im dritten Satz genug, tippte ihn an und bat ihn offensichtlich, so steif und leise rumzusitzen wie alle anderen auch. Er schaute seitdem nur noch nach unten, was mich etwas traurig machte. Ich hätte nichts gegen ein bisschen mehr Party im Konzert, glaube ich. Muss ja nicht gleich Stagediving sein.

Man kann Konzerte natürlich auch anders nutzen: Der junge Herr vor mir legte im ersten Satz seinen Kopf auf die Schulter seiner Begleiterin und ich dachte, aww, public display of affection, I like, aber der Kopf blieb dort verdächtig lang liegen und er atmete sehr ruhig. Ich konnte nicht sehen, ob er schlief, aber ich gehe davon aus. Erst kurz vor Schluss hob er den Kopf und rieb sich erstmal die Augen. Ist okay, Hase. Ich bin auch schon in der Oper eingeschlafen und auch einmal in einer Vorlesung. Wir sind alle müde.

Gestern war ich allerdings hellwach. Die Sinfonie hat mich gut über- und gefordert, so dass ich dauernd was zum Nachdenken hatte. Gerade aus dem fünften Satz hätte man vermutlich nochmal drei Sinfonien schnitzen können; das Programmheft schreibt was von „kleinteilig“ und „auf- und abtauchenden Motiven“, was für mich passt. Gleich nochmal hören, wenn ich aus dem Bällebad wieder zuhause bin.