Was schön war, Samstag, 24. September 2016 – Fuppes (mal wieder)

Morgens ein Paket von der Post geholt und nur drei Leute vor mir in der Schlange gehabt. An einem Samstag! Der Tag konnte nur gut werden.

Wurde er auch. Nach der üblichen Einkaufstour machte ich mich zum Bahnhof auf und setzte mich in den Regionalzug nach Augschburg, wo ich das Spiel gegen Darmstadt gucken wollte. F. wartete schon in der WWK-Arena auf mich, es gab die gewohnt wohlschmeckende Stadionwurst und dann ging’s los.

Ich war jetzt zum dritten Mal live bei einem Augsburgspiel und habe zwei so halbwegs komplett auf Sky (nach)geguckt. Augsburg spielt im Vergleich zum FC Bayern einen grottigen Fußball, aber – und ich frage mich seit gestern wirklich ernsthaft, warum – ich habe gerade einen Heidenspaß am Verein. Vielleicht ist es die Tatsache, dass ich gemeinsam mit F. etwas unternehme, wobei ich bisher mit unseren Aktivitäten Weintrinken, Kulturgucken, von seinem Balkon den Himmel über der Maxvorstadt bestaunen oder im Bett liegen und lesen auch sehr zufrieden bin. Aber es hat schon nach sehr kurzer Zeit eine gewisse Regelmäßigkeit, dieses gemeinsam im Stadion sein, auch wenn wir nicht nebeneinander sitzen.

Vielleicht ist es auch das Stadion, in dem die Stimmung etwas besser ist als in der Allianz-Arena. Ich merke auch an mir selber, dass ich in der Arena eher blasiert rumsitze und einfach das Spiel anschaue, schlicht aus dem Grund, weil die Wahrscheinlichkeit, dass Bayern das Ding gewinnt, recht hoch ist. Ab Viertelfinale Champions League fiebere ich auch eher mit, aber den Bundesligaspielen kann ich recht gelassen beiwohnen. Wenn ich mich da echauffiere, dann eher, weil ein Spielzug mies war oder der Gegner in der Gegend rumtritt. In Augsburg kann ich mich 90 Minuten lang echauffieren, weil so gut wie nie jemand dort hin spielt wo es sinnvoll sein könnte. F. meinte gestern schlau: „In Augsburg hängt viel vom Zufall ab.“ Bei Bayern sieht man meist einen Plan oder zumindest eine konsequente Offensive, ganz egal, was der Gegner macht, die Jungs rennen nach vorne und basta. In Augsburg habe ich gestern so viele Querpässe gesehen wie beim FCB die ganze Saison lang nicht; kaum jemand hat einen richtigen Überblick, die Ballbehandlung ist von einem niedrigeren Niveau als beim FCB, wo gefühlt jeder jeden Ball mit jedem Körperteil unter Kontrolle hat, während man in Augsburg schon froh sein muss, wenn die Jungs nicht über das Spielgerät stolpern. (Ich übertreibe.)

Ich bin vor Jahren FCB-Fan geworden, weil ich von der Qualität des Fußballspiels so begeistert war. Momentan ahne ich, dass ich am reinen Stadionerlebnis mehr Spaß habe. Ich scheine gerade lieber ergebnisoffenem Rumpelfußball zuzugucken und im Stadion 90 Minuten lang engagiert mitzugehen, als entspannt einem Weltklasseverein zuzusehen. Das erstaunt mich wirklich, aber ich mag es gar nicht so recht hinterfragen. Vielleicht ist das auch nur so ein Semesterferiending – ich habe gerade den Kopf frei und die Zeit, sechs Stunden lang für einen Kick unterwegs zu sein. Das ändert sich vielleicht wieder, wenn die Vorlesungen beginnen. Ich hoffe aber ehrlich gesagt darauf, dass es das nicht tut, denn ich habe gerade einen Riesenspaß an der ganzen Sache, obwohl ich keine rationalen Gründe dafür angeben kann.

Ich glaube, ich kapiere gerade, was es heißt, ein Fußballfan zu sein.

Was schön war, Freitag, 23. September 2016 – Mittagswiesn

F. hatte einen Tag Urlaub und so nutzten wir die Gelegenheit, das Oktoberfest zu einem Zeitpunkt zu besuchen, an dem noch nicht ganz so viele Bierleichen unterwegs sind. Tagsüber sieht die Theresienwiese so aus wie sie bei einem Volksfest halt aussieht: viele Fahrgeschäfte, man hat endlich mal Platz, die ganzen Büdchen und Stände anzugucken, an denen man gebrannte Mandeln (my drug of choice), die üblichen Lebkuchenherzen und alles andere Ess- und Anzieh- und Aufsetzbare dieser Welt erstehen kann. Es ist noch nicht ganz so voll und so hatten wir die Möglichkeit, uns noch ein Zelt aussuchen zu können. Ich entschied mich für den Himmel der Bayern, das Hacker-Festzelt, durch das ich zwar schon mal durchgelaufen war, in dem ich aber noch nie saß. Nach einer Stunde wusste ich auch wieder warum.

Es gibt auf dem Oktoberfest große und kleine Zelte. Die großen bieten tausenden von Menschen Platz; ins Hacker-Zelt gehen 6.900 Leute rein. Es gibt noch einen weiteren Unterschied zwischen den Zelten: die einen sind die sogenannten Partyzelte. Das sind die, in denen schon morgens ab 10 Uhr Leute auf die Bank steigen und eine Maß exen. Der Himmel der Bayern ist ein solches Zelt und das hatte ich blöderweise vergessen.

Wir waren um kurz vor 11 da und fanden noch locker einen Platz; als wir um kurz nach 12 gingen, war das Zelt schon richtig gut gefüllt. Die Kapelle begann erst um 12 Uhr zu spielen, vorher war also noch nicht die übliche Bierzeltstimmung da, aber dafür die schon erwähnten Idioten (und eine Idiotin), die unbedingt einen Liter Bier in einem Zug trinken und sich dafür vom Zelt bejubeln lassen wollten. Die Dame schaffte es nicht, wie auch viele Kerle, aber sie hat nicht ganz so laute Buhrufe abgekriegt und auch weniger geworfene Breznstücke.

F. und ich gönnten uns erstmal was zu essen, denn vor dem Bier muss eine Grundlage geschaffen werden. Ich will hier noch mal eine Lanze für die Oktoberfestküchen brechen; das Essen ist wirklich gut und kein billiger Fraß. Das Hacker-Pschorr-Oktoberfestbier ist auch große Klasse, es schmeckt fast fruchtig; ich war begeistert, wo ich doch sonst eisenharte Augustinertrinkerin bin. Die sechs Münchner Brauereien, die exklusiv das Oktoberfest beliefern, brauen für die Wiesn ein spezielles Bier, das es kurz vor und nach dem Oktoberfest auch in Flaschen im Supermarkt gibt. Dieses Bier ist fieserweise stärker als ihr normales Bier, was viele der 6.900 Menschen gerne mal vergessen. F. und ich nippten gesittet an unseren Krügen und schüttelten manchmal pikiert die Köpfe über die Menschen um uns rum. Zum Beispiel über die drei plastikverdirnelten Mädels, die sich an uns vorbeidrängten, um in der Mitte vom Tisch zu sitzen (wir saßen am Rand) und die dann fünf Minuten in die Karte guckten, was man denn wohl trinken könnte. Wiesn – you’re doing it wrong! Sie fanden anscheinend nicht das, was sie suchten und verließen das Zelt wieder. Neben uns auf der anderen Seite des Ganges saß eine asiatische Gruppe, von denen ein Herr sich längs auf die Bierbank legte und ein kurzes Nickerchen hielt, während die anderen weitertranken. Alle fünf Minuten exte jemand eine Maß und ich jammerte jedesmal darüber, dass das schöne Bier einfach so verschwendet wurde.

Als wir beide nur noch ein Norgerl im Krug hatten, erhob sich die asiatische Gruppe und wankte an uns vorbei. Ein Herr klopfte einem anderen auf den Rücken, worauf dieser sich kurz nach vorn beugte, sich auf den Holzboden übergab und weiterging. Wir beide erhoben uns daraufhin ebenfalls und gingen schnurstracks nach draußen, während drinnen die Kapelle das erste Lied anstimmte.

Eigentlich wollten wir nur eine Maß trinken, aber das Ende hatte sich so abrupt angefühlt – das war kein schöner Abschluss für die bis dahin entspannte, wenn auch etwas laute Mittagswiesn. Wir gingen direkt gegenüber ins Augustinerzelt, das eindeutig kein Partyzelt ist. Weniger Plastik, weniger laut, kein Fliegerlied und Bier aus dem Holzfass. Wir bestellten jeweils noch eine Maß und genossen sie deutlich entspannter als gegenüber.

F. ging danach zum Bahnhof, ich musste zur Post. Die U4 von der Theresienwiese hält am Karlsplatz (Stachus), wo ich extrem ungern umsteige, weil ich mich in den Stachuspassagen immer, immer, immer verirre. Ich komme nie da raus, wo ich raus will. Jedenfalls nüchtern. Gestern, leicht angeschickert, fand ich den richtigen Weg sofort, was mich nachhaltig an dieser Stadtbaumaßnahme zweifeln lässt.

Was schön war, Donnerstag, 22. September 2016

Gemeinsam aufgewacht. Freude und Dankbarkeit.

Ein sauberes Bad. Ja, Putzen ist doof, aber auch befriedigend. Es dauert immer ewig, bis ich mich dazu aufraffe, aber wenn ich fertig bin, fühle ich mich wie nach dem Sport: Ich habe etwas geschafft. Und wie beim Sport bin ich danach von Kopf bis Fuß verschwitzt. Das ist super.

Ich frage mich beim Badputzen allerdings immer, wie das Münchner Leitungswasser so großartig schmecken und gleichzeitig so unfassbar kalkhaltig sein kann.

Den Herbst mit einer großen Kanne Ostfriesentee begrüßt.

Die Note für meine Geschichtshausarbeit. Wenn ich mich beim Onlinetool nicht verrechnet habe, ist sie mit 1,0 benotet worden, was mich außerordentlich freut.

Die Gesamtnote für den Kurs setzt sich aus dem Referat, der Klausur und eben der Hausarbeit zusammen. Ich habe die zweitbeste Klausur im Kurs geschrieben (1,3), was mich auch schon sehr gefreut hat. Mit meinem Referat war ich hingegen sehr unglücklich und der Dozent eher auch (2,0). Die Frage, die ich mir zum Thema „Feste im Bürgertum des 19. Jahrhunderts“ mit besonderem Fokus auf Kinder gestellt habe, fand er aber gut, weswegen ich in der Hausarbeit etwas ausgemistet habe und mich nur auf Weihnachten und den Geburts- bzw. Namenstag konzentrierte. Wenn ich das ausführliche Feedback habe, stelle ich die Arbeit natürlich ins Blog.

Was mich an der 1,0 besonders freut, ist der Lerneffekt, den die 2,0 im Referat auf mich hatte. Im eben verlinkten Blogeintrag schrieb ich schon (ganz am Schluss), dass ich erst durch das Feedback des Dozenten kapiert habe, was mein Fehler war: Ich bin von der Sekundärliteratur ausgegangen und nicht von der Quelle. Genau das habe ich für die Hausarbeit dann gemacht, indem ich querbeet Biografien von Frauen, die im 19. Jahrhundert ihre Kindheit verlebt hatten, durchlas und ihre Aussagen in den Kontext der bürgerlichen Geschichte einordnete.

So sehr mich die 2,0 genervt hat, so sehr hat sie mir geholfen, in meinem Fach besser zu werden und ich meine, deutlich besser. Ich glaube, auch die Arbeit in den Archiven für Kunstgeschichte hat bei mir die Erkenntnis reifen lassen, dass es mir weitaus mehr Spaß macht, in Originalen rumzuwühlen anstatt ausschließlich in der Bibliothek zu sitzen. Ich habe in diesem Semester verstanden, dass es nicht nur mein Job ist, anderer Leute Aufsätze oder Bücher zu hinterfragen und eventuelle Forschungslücken zu füllen, indem ich mir eine hübsche Theorie zurechtlege und sie mit anderen Aufsätzen oder Büchern fülle. Mein Job ist es auch, Quellen auszuwerten, an denen noch niemand rumgebastelt hat. Oder sie in einen neuen Kontext zu setzen. Oder sie überhaupt in einen Kontext zu setzen, den ich jetzt nach acht Semestern allmählich sehe. Die 2,0 hat mich weiter gebracht als es die nächste, erwartete, gewohnte 1,0 getan hätte. Und nur durch sie steht deshalb in der Hausarbeit jetzt eben die nächste, erhoffte, gewohnte 1,0. Well played, Dozent, very well played.

Was schön war, Mittwoch, 21. September 2016

Ich gönne mir diese Woche Urlaub. Montag war mein einziger Tagesordnungspunkt „Auf dem Sofa liegen und dem Regen zugucken, der endlich den Herbst in die Stadt bringt“. Hat super geklappt. Dienstag stand „Kühlschrank abtauen“ auf dem Plan – erledigt! Und gestern hatte ich mir vorgenommen: a) Bücher zurückbringen, b) neue Serie gucken, c) in die Arena gehen.

a) Das ist mein turnusmäßiger Semesterabschluss: den Schreibtisch und das Bücherfach im Regal leerzuräumen und die geliehenen Bände wieder auf die jeweiligen Bibliotheken zu verteilen. Zuerst ging’s in die UB, dann in die Stabi, wo ich außerdem noch in den Lesesaal ging, um dort abgelegte Bücher abzugeben. Diese Tour ist immer so eine bittersüße Sache; Aufräumen fühlt sich gut für mich an, aber es ist eben wieder ein Semester um, das doch gefühlt gerade erst angefangen hat.

b) Gestern lief This Is Us an, auf das ich sehr gespannt war. (EW hat im ersten Absatz eine kurze und vor allem spoilerfreie Vorschau.) Was daran schön war: Eine der Hauptfiguren ist eine dicke Frau. Also richtig dick und nicht hollywooddick aka Größe 42. Was auch schön war: Wir sehen sie in einer Szene fast unbekleidet und das ohne sie lächerlich zu machen oder sich an ihrer Üppigkeit zu weiden, weder positiv noch negativ. Das war’s dann aber leider auch, was an dieser Figur richtig gemacht wurde. Ansonsten ist ihre einzige Motivation, dünn zu werden. Ihr Essen im Kühlschrank ist mit „good“ und „bad“ beschrieben – an einem Kuchen hängt allen Ernstes ein Post-it „Don’t eat this before your party“ –, und während die anderen Figuren große, lebensverändernde Storylines haben, ist ihre: I want to lose the weight. Knurr.

Das Drehbuch hat für die Frauenfiguren auch leider eher Scheißsätze parat, während die Jungs große, lebensverändernde usw. Die hochschwangere Mandy Moore fragt ihren Ehemann (Milo Ventimiglia, auch durchaus ein Grund, warum ich die Serie sehen wollte), wie er sie in diesem Zustand (AAAAAARGH!) attraktiv finden könnte, und die dicke Chrissy Metz darf allen Ernstes bei ihrem Date an sich heruntergucken und zum eventuellen zukünftigen Love Interest sagen: „This is not pretty.“ Schatz: Dein Date ist genauso dick, ihr habt euch in einer Abnehmgruppe getroffen (anscheinend der einzige Ort, an dem sich dicke Menschen rumtreiben, das war in Mike & Molly auch schon so), ihr seid gerade kurz davor, miteinander in die Kiste zu springen, da ist anscheinend jemand, der dich begehrt, DU MUSST SO EINEN QUATSCH NICHT SAGEN! WTF?

In The Practice, das ich eventuell auch nochmal rewatchen sollte, gab es mit Camryn Manheim eine einzige dicke Frau in der Serie. (Ihre Autobiografie hat übrigens den schönen Titel Wake Up, I’m Fat!) Auch sie war natürlich mit Abnehmen beschäftigt, obwohl sie eine tolle Anwältin war, die vermutlich was besseres mit ihren Hirnzellen anzufangen gewusst hätte, als diese mit Kalorienzählen zu langweilen. Sie ist jedenfalls auf mehreren Dates mit einem Kerl, der irgendwie creepy ist und deswegen sagt sie ihm irgendwann, nee, lass mal. Woraufhin er, und diese Sätze hängen seit Jahren in meinem Kopf, etwas in der Richtung sagt, sie solle doch froh sein, dass sich überhaupt jemand mit ihr abgeben möchte.

Das ist die gleiche Schiene, auf der von pity fucks gesprochen wird; bei How I Met Your Mother darf Barney auch irrsinnig kluge Sachen sagen wie „Je später der Abend, desto verzweifelter sind die dicken Frauen und damit leichter zu haben“, und online entblöden sich manche Arschlöcher auch nicht, bei sexueller Gewalt gegen dicke Frauen zu schreiben, immerhin wollte sie überhaupt mal jemand anfassen.

Mir wird bei solchen Sätzen immer übler. Vor zehn Jahren habe ich noch über Barneys Sätze gelacht, weil ich dachte, sie seien wahr. Ich bin als dicker Mensch damit aufgewachsen, mich scheiße zu fühlen und ich habe immer gedacht, das müsste so sein. So vergiftet und falsch ist das Klima, in dem wir leben, dass man sich selbst eklig findet und das für richtig hält. Nur falls daran noch irgendein Zweifel besteht: Das ist nicht richtig. Niemand sollte von sich glauben, er oder sie sei nicht okay so wie er oder sie ist. Und vor allem nicht, weil man eine andere Kleidergröße trägt als der Durchschnitt.

Ich würde mich über eine dicke Frauenfigur freuen, deren Ziel im Leben es ist, einen geilen Job zu haben. Und/oder eine tolle Familie. Oder auf den Mond zu fliegen, nach Korallen zu tauchen, eine Firma zu gründen, eine Hundezucht zu beginnen. Egal was. Hauptsache, ihr einziges Ziel ist nicht, dünner werden zu wollen. Das wird nämlich auf Dauer arg langweilig (und klappt in den allermeisten Fällen eh nicht).

c) Fußball war super.

Links, Mittwoch, 21. September 2016

Spiderwoman’s Cloth Lullaby: The Illustrated Life of Artist Louise Bourgeois

Maria Popova von Brainpickings (immer ein guter Tipp, wenn man gerade zu viel Zeit hat) schreibt über ein Kinderbuch über Louise Bourgeois. Im Artikel ist auch ein Hinweis auf ihre Tagebücher, die ich mir gleich mal aus der Stabi bestellt habe.

„Bourgeois’s studies are severed by her mother’s sudden death, the devastation of which drives the young woman to abandon science and turn to the certain uncertainty of art. She cuts up all the fabric she owns — her dresses, her bed linens, her new husband’s handkerchiefs — and spends the remainder of her life making it and making herself whole again, putting it all together into cloth sculptures, colorful hand-sewn spirals, cloth drawings, cloth books, and many, many, many spiders.“

Bitte mal kurz rüberklicken, da gibt’s eine Menge wunderschöner Bilder aus dem Buch zu sehen. Und hier geht’s zu unserem alten Fehlfarben-Podcast, in dem wir über eine Borgeois-Ausstellung im Haus der Kunst sprachen.

The Many Sad Fates of Mr. Toledano

Das erste Mal, dass ich ein Video, das länger als drei Minuten ist, auf dem iPhone angeschaut habe. Der Fotograf Phillip Toledano setzt sich mit seiner Sterblichkein auseinander, indem er sich drei Jahre lang Masken anlegen lässt und sein eigenes, fiktives Schicksal inszeniert. Das klingt fürchterlich narzisstisch (ist es vermutlich auch), aber je länger ich ihm dabei zugeschaut habe, desto mehr habe ich verstanden, wieso er sich auf diese Reise begeben hat. Sauer aufgestoßen ist mir allerdings die eine Variante seines schlimmen, SCHLIMMEN Daseins, nämlich die, in der er dick war. Das ist kein Schicksalsschlag, das ist nur Fett. Komm mal runter.

Über die Idee, dass Dicksein nicht nur total fürchterlich, sondern sogar eine moralische Verfehlung ist, grummele ich immer mehr. Vorgestern lief die Pilotfolge von The Good Place, auf die ich sehr gespannt war. Sie war okay, aber bei einer Dialogzeile war ich kurz versucht, den Rechner vom Sofa zu kicken. In den guten Teil der Ewigkeit kommen natürlich nur die guten Menschen, aber anscheinend hat das System einen Fehler, denn „there are a few chubsters here“.

Was soll der Scheiß? Wieso sind dicke Menschen ein Fehler? (Auf der Enterprise gab’s übrigens auch keine Dicken, das ist mir schon vor 20 Jahren aufgefallen.) Ich finde es (aus meiner nicht-behinderten Perspektive) sehr gut, dass es für die Paralympics 2012 die Kampagne We are the superhumans gab, in der Behinderung nicht als ein Mangel, sondern eine Möglichkeit dargestellt wurde. An dem Spot fand ich allerdings den Verweis auf die Ursache der Behinderung doof; scheißegal, warum jemand so ist, wie er ist, ob das jetzt ein Autounfall oder die Gene sind, und der eigene Zustand ist auch nichts, was man irgendwie überwinden muss. Ich will Fettsein auf keinen Fall auf die Stufe einer Behinderung stellen und es ist meiner Meinung nach auch keine Krankheit – darüber diskutieren wir noch –, aber ich finde es schon bezeichnend, dass wir als Gesellschaft anscheinend eher mit Metallbeinen als mit einem dicken Arsch klarkommen. Wenn beides irgendwann mal schlicht als Variation eines menschlichen Körpers angesehen wird, mache ich ne Kiste Schampus auf.

einfach mehr vielfalt

Das Thema Variationen spricht auch Katharina Seiser an, die sich mit einer blöden Aldi-Werbung auseinandersetzt, die mit der Headline „Einfach, weil man keine 10 Zitronen-Sorten braucht, sondern einfach nur Zitronen“ arbeitet.

„bei apfelsorten sind jetzt alle, die das plakat/seine aussage eh in ordnung finden, der gleichen meinung? einer reicht, golden delicious? ein essig reicht, welchen hätten wir denn gerne? ein öl, desodoriertes sonnenblumenöl, nie wieder olivenöl, kernöl, nussöl? eine käsesorte, merkt aldi jetzt, wie absurd das ist? ein brot, wie armselig! als endlösung für die fürchterlich komplexe welt des essens dann soylent, flüssignahrung aus der retorte? arme, traurige welt, schlimm genug, wer keine wahl hat, und über die ungerechte verteilung von essen muss geredet werden, darum geht es in dieser kampagne aber nicht. sich freiweillig zu beschränken, weil man vor der wahl steht und nicht weiß, wie man sich entscheiden soll?“

Die Frau als Objekt des Ekels

Und weil ich jetzt eh schlecht gelaunt bin, hier noch ein Verweis auf die neuesten Ideen der Bodyshaming-Arschlöcher.

Was schön war, Montag, 19. September 2016

Die erste Wiesn-Maß. Die zweite auch.

Was (größtenteils) schön war, Samstag/Sonntag, 17./18. September 2016 – „Steht aaaauf, wenn ihr … ähm …“

Ich war am Samstag in der Allianz-Arena und habe Bayern-Ingolstadt gesehen und am Sonntag Augsburg-Mainz in der WWK-Arena.

Seit Beginn der Saison bin ich glückliche Leihnehmerin einer Dauerkarte (ewig darüber nachgedacht, wie das Nomen zu „leihen“ lauten könnte; ich lass das jetzt so) für Bundesliga- und Champions-League-Spiele des FC Bayern. Erstmal nur die Hinrunde, danach muss ich gucken, wie es meinem Konto geht und ob der Besitzer der Karte vielleicht selbst wieder Lust hat, ins Stadion zu gehen. Aber für die nächsten Wochen ist das Ding meins, und ich freue mich darüber sehr.

Es fühlt sich anders an, mit Dauerkarte ins Stadion zu gehen, weil ich nun einen festen Rhythmus von Spielen habe. Ich habe jetzt gnadenlos alle zwei Wochen einen Termin in der Arena, manchmal sogar öfter, zum Beispiel gleich diese Woche, wo bereits Mittwoch das BL-Spiel gegen Hertha ansteht (Spitzenspielhupe!). Anstatt wie sonst Fußball auf dem Sofa zu gucken und mir nur ab und zu spontan eine Karte zu gönnen, die in meiner Twitter-Timeline rumfliegt (da fliegen immer welche rum), weiß ich jetzt schon, welche Spiele ich alle sehen werde und vor allem, wo. Ich mag meinen Sitzplatz sehr gerne: Viel näher am Eingang kann man kaum sitzen, ich muss keine acht Millionen Stufen in den Oberrang klettern, und meine Nachbarn sind nette Nichtraucher und keine pöbelnden Nervensägen.

Das Spiel am Samstag war für die verwöhnte Bayernguckerin fürchterlich, weil die Mannschaft schlicht scheiße gespielt hat. Weil ich mich beim FCB aber so langsam langweile, weil sie dauernd gewinnen, fand ich es ganz reizvoll, mal hinten zu liegen. Ich muss natürlich zugeben, dass mich das Gegentor von Ingolstadt etwas aus der Fassung gebracht hat, weil ich gar nicht mehr damit rechne, dass sowas passiert. Aber die Ingolstädter stellten sich nicht bockig hinten rein, sondern griffen die komplette Spielzeit über an und hatten sogar Chancen, das Ding zu gewinnen. Haben sie nicht, alles wie immer, 3:1.

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(Die Logowedler*innen in Tracht und das Logo in Wiesnherzform.)

Das einzige, was mich am Samstag so richtig genervt hat, war die Situation an den Fraueneingängen, über die ich auch auf Twitter nölte. Einige fragten, was Fraueneingänge seien, was mich überraschte, aber zur Sicherheit: Beim Eingang in die Arena gibt es Taschenkontrollen und man wird abgetastet, und da viele (alle?) Frauen inklusive mir keinen Bock darauf haben, von einem Mann abgetastet zu werden, gibt es spezielle Eingänge für Frauen, an denen weibliche Ordner stehen.

Der Eingangsbereich zur Arena besteht aus diversen Toren, die jeweils in vier einzelne Eingänge unterteilt sind. In den vergangenen Spielzeiten gab es mehrere Tore, die komplett für Frauen waren, das heißt, an diesen Toren standen vier Ordnerinnen und man konnte sich entspannt in vier Schlangen anstellen. Die Eingänge waren ordentlich groß ausgezeichnet und es musste schon sehr dunkel und verregnet sein, um sich versehentlich bei den Jungs anzustellen. Seit dieser Spielzeit gibt es an jedem Tor drei Jungseingänge und einen für Frauen. Das ist vermutlich gut gemeint, klappt aber überhaupt nicht. Während die Jungs im Sekundentakt durchmarschieren, stehen wir in einer ewigen Schlange, aus der man auch nicht ausbrechen kann. Hätte man vier Eingänge nebeneinander, könnte man einfach zu der Ordnerin gehen, wo gerade Platz ist. Jetzt steht man ergeben in einer langen Schlange, die auch gerne mal von vorne aufgefüllt wird, weil irgendwelche Mädels sich bei den Jungs anstellen und erst vorne, wenn sie merken, wo sie stehen, schlicht nebenan reingrätschen. Das sorgt nicht unbedingt für gute Stimmung in der Schlange, in der man eh schon genervt ist, weil die Jungs neben einem ruckzuck durch sind.

Auf Twitter bekam ich Zuspruch und auch andere Twitterinnen meinten, dass sich die Situation an den Toren deutlich verschlechtert habe. Der Arbeitskreis Fandialog sowie die Fanbetreuung sind meines Wissens informiert worden; ich hoffe, die Einlasssituation ändert sich bald wieder. Ich hatte gestern versucht, offizielle Zahlen zu finden, die mir sagen, wieviel Prozent der Zuschauer des FCB weiblich sind, habe aber nichts gefunden. Ich behaupte aber mal aus dem Bauch raus, dass das mehr als 25 Prozent sind, und dann hätte ich auch gerne ein paar mehr Eingänge.

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Sonntag stand dann das nächste Bundesligaspiel an. F. und ich setzten uns in einen Regionalzug, der uns in 40 Minuten bis nach Augsburg brachte. Ich hatte eine Karte für den gleichen Block bekommen, in dem F.s Dauerkarte ist, so dass wir vor dem Spiel noch gemeinsam die traditionelle Stadionwurst verzehren konnten. Für die WWK-Arena gibt es verschiedene Blockeingänge, und wenn man einmal in einem bestimmten Bereich ist, kommt man da nicht mehr raus; in der Allianz-Arena kann man komplett ohne Einschränkung um das Stadion wandern – wenn man 30 Minuten Zeit hat, das Ding ist verdammt groß. Wie irrsinnig groß es ist, fiel mir Samstag mal wieder auf, jetzt wo ich den direkten Vergleich zum FC Augsburg habe, dessen Stadion halb so groß ist wie die Arena. Aber genau deshalb gefiel es mir beim ersten Besuch so gut und beim zweiten noch besser. Das kann allerdings auch am Wetter gelegen haben; 16 Grad und Regen sind deutlich mehr meins als 30 Grad und Sonne. Ich kam sehr entspannt am Stadion an, war um 15.10 Uhr an meinem Platz und freute mich auf das Kasperle aus der Augsburger Puppenkiste, das um 15.15 Uhr den Endstand voraussagte (wie bei meinem ersten Besuch: falsch). Ich weiß nicht, ob einem die Puppe als Dauerkartenbesitzer*in irgendwann auf die Nerven geht; ich finde sie immer noch charmant.

Was ich auch charmant finde: die Hymne „Rot, Grün, Weiß “(Text), die vor dem Spiel läuft, während der Kids Club (awwww!) fähnchenschwingend einmal eine Runde um den Platz dreht. Die ist dann doch ein anderer Schnack als das grotzkotzige „Forever Number One“ des FCB. „Für uns zählt einzig der Erfolg“ singe ich jedenfalls weitaus weniger gerne als ein Liedchen, in dem die Schönheit der Stadt und die Nettigkeit der Fans gepriesen wird. Und während bei Bayern das abgenudelte „Seven Nation Army“ in der Dorfdiscoversion als Tormusik erklingt, ist es in Augsburg – natürlich – „Eine Insel mit zwei Bergen“.

Apropos Kinder: Ein Stadionbesuch ist der Moment, in dem ich über eigene Kinder nachdenke, weil ich es niedlich fände, mit dem Nachwuchs zum Fuppes zu gehen. Da scheine ich nicht die einzige zu sein; in Augsburg gibt es sogar einen Familienblock, in dem sich niemand darüber aufregt, dass man dauernd rausrennt, weil das Kind eine Windel oder einen Saft braucht. Außerdem gibt es einen Nichtraucherblock, was ich auch toll finde. Noch toller ist übrigens die AWD-Arena in Hannover, bei der man nur in den Aufgängen rauchen darf, aber nicht auf dem Platz. So war’s jedenfalls vor ein paar Jahren, ich hoffe, das ist immer noch so, das war nämlich super.

Und noch ein Einschub zu Fangesängen: F. erzählte mir neulich von einem Gesang bei den Bayern-Amateuren, den ich seitdem gnadenlos im Ohr habe. Auf der Melodie von St. Paulis Wir sind Zecken (das rudimentär auf Rod Stewarts Sailing beruht) wird dort überzeugend gesungen: „Wir sind Münchner, kultivierte Münchner, wir schlafen in der Oper und der Piiiinakotheeeek.“ <3

Das Spiel war genauso scheiße wie das in der Allianz-Arena, was mir den Spaß aber trotzdem nicht verleidet hat. Ich gucke Fußball im Stadion eher nicht, weil ich dringend einen Sieg will, sondern weil ich die Atmosphäre so gerne mag. Normalerweise brülle ich nicht in der Gegend rum, aber gestern musste ich doch ein paar mal fluchen, weil die Augsburger schlicht nicht auf dem Niveau spielen wie der FCB. Ich erwischte mich außerdem dabei, gemeinsam mit meinen Nachbarn Fehlentscheidungen des Schiris (Abseits nach einem Einwurf gibt es nicht, wie man mir erklärte, wusste ich nicht) oder ein widerliches Foul wütend zu bebrüllen und wildfremde Menschen beim einzigen Tor des FCA freudig abzuklatschen. Am Samstag brüllte ich auch Unflätigkeiten in Richtung Rasen – ich ahne, dass Fußball nicht gut für meinen sonst total zenartigen *hust* Liebreiz *HUST* ist –, und einmal, das wird vielleicht Frau Donnerhallen freuen, rutschte mir ein „ZEFIX!“ raus anstatt des üblichen „ALTER WO SPIELST DU DENN HIN?“

Nach dem Spiel waren F. und ich in nur gut einer Stunde wieder am Münchner Hauptbahnhof; sehr viel schneller komme ich aus der Allianz-Arena auch nicht heim. Da bin ich dann Mittwoch wieder. Und Samstag wieder in Augschburg. Bis dahin sitzt dann auch der Hymnentext.

Was schön war, Freitag, 16. September 2016 – Der Mix macht’s

Der Sommer scheint durch zu sein (wo-hoo!), gestern begann es in München zu regnen, und für den heutigen Tag sagt das Regenradar ähnliches Wetter voraus. Wäre mir eigentlich egal, denn für so ein Wetter gibt es ja Sofas und Bücher und YouTube und heißen Tee, aber: Ich habe da gerade leihweise eine Dauerkarte für die Allianz-Arena, weswegen ich heute zum Kracherspiel gegen Ingolstadt gehen werde.

Neuerdings darf man keine Rucksäcke mehr in die Arena mitnehmen, Knirpsschirme gingen noch, aber ich renne ungern mit Schirm durch die Gegend. Außerdem radele ich ja seit einiger Zeit regelmäßig und werde seitdem auch regelmäßig nass, weil ich mich bisher weigerte, eine von diesen unglaublich hässlichen Regen- oder Funktionsjacken zu kaufen. In Kombination mit dem zu erwartenden Weg von der U-Bahn zum Stadion knickte ich gestern aber ein und radelte zum Globetrotter am Isartor, um mich mal bei den Jacken umzugucken. Bei Ulla Popken, meiner normalen Adresse für Klamotten, die ich nicht im Internet bestelle und die dicken Frauen passen, war ich online nur so halb fündig geworden; dort gibt es zwar die eben benannten Jacken, aber keine Ponchos. Und genau so einen wollte ich haben. Theoretisch würde ich gerne weiter von Plastik unbehelligt in meiner schnuffeligen Nike-Jacke rumradeln und einen Poncho im Rucksack haben, den ich, wenn’s denn unbedingt sein muss, überwerfen kann. Den gab es laut Interweb bei Globetrotter, also fuhr ich dort hin.

Ich kaufe sehr ungern Klamotten in Läden, die nicht für dicke Menschen gemacht sind, weil ich immer das Gefühl habe, zu stören und zu oft abschätzige Blicke und den Satz „Ich weiß nicht, ob wir das in Ihrer Größe da haben“ abgekriegt habe. Das war gestern netterweise nicht so, nicht mal im Ansatz. Ich wurde sehr aufmerksam bedient, auf meine belustigte Bemerkung vor dem Spiegel „Ich sehe total bescheuert in dem Ding aus“ bekam ich die ebenso belustigte Antwort „Bei Regen sehen alle so aus“, und man half mir bei der Größe, ohne mir das Gefühl zu geben, die wäre jetzt irgendwie ungewöhnlich. Sehr zufrieden mit einem knallroten Riesenponcho im Rucksack weitergeradelt.

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Nächste Station war das Haus der Kunst, in das ich, wie alle Kunstgeschichtstudis in München, umsonst rein darf (dankeschön!). Ich hatte keine Ahnung, was lief, ich wollte aber einfach mal wieder was angucken.

Der erste Weg geht immer in die große Mittelhalle, die in meinem Kopf blöderweise immer noch Ehrenhalle heißt. Dort erblickte ich eine herrliche Installation von Laure Prouvost, die die Marmorfliesen des Bodens als Stoff hat nachbilden lassen, der sich nun vor meinen Augen nach oben wölbte. Ich mag optischen Schnickschnack; das war wie ein Special Effect in meiner Realität. Schon gewonnen. Texte, die per Video einblendet wurden, sprachen über die Vergangenheit des Hauses und die Möglichkeiten von Kunst. Alles hübsch, aber alleine die simple Idee, den Raum zu verändern, ohne ihn völlig anders aussehen zu lassen, war für mich der Grund, mehrfach um das Ding rumzulaufen.

In den großen Räumen rechts der Mittelhalle wurde gerade eine Ausstellung aufgebaut, die waren daher nicht zugänglich. Also kletterte ich in den ersten Stock zu Michael Buthe, von dem gerade eine Retrospektive gezeigt wird. Ich mochte seine minimalistischen Stoffbilder, für die er verschiedenfarbige Stoffe auf Rahmen spannte und sie zerschnitt, verknotete, flocht. Bei der Installation „Taufkapelle mit Mama und Papa“ von 1984 faszinierte mich der große Wachsblock in der Mitte, der sich auf den Boden des Raumes ausdehnte. (Ich frage mich bei Installationen immer, wie die Kurator*innen das Zeug so hindengeln, dass es immer halbwegs gleich aussieht und ob sie damit die Grenze (ist es eine Grenze?) zur Künstlerin überschreiten.) Über dem Block hing eine Scheibe, die den Himmel imitieren sollte, auf ihre waren goldene Sterne gemalt, die mich in Form und Farbe an Sterne erinnerten, die ich an ägyptischen Tempeln gesehen hatte. Das war ein sehr unerwarteter Flashback und ein sehr schöner.

In einer Vitrine lagen seine Tagebücher, die aus eingeklebten oder selbstgefertigten Bildern bestanden. Einige waren aufgeblättert, andere hatte er selbst mit Klebeband umwickelt und so unzugänglich gemacht, ohne sie zu vernichten. Ein seltsamer Zwischenzustand, der mich an unerschlossene Archive und Schatzkammern erinnert hat. Im letzten Saal stand die raumfüllende Installation „Die heilige Nacht der Jungfräulichkeit“, die für die documenta IX konzipiert wurde. An den Wänden hingen vierzehn Kupferplatten, in die Buthe geritzt und gefräst und sich an einem menschlichen Umriss abgearbeitet hatte. In der Mitte des Raums stand ein gefühlt zwei Meter hoher Leuchter aus vielen schwarzen Armen, in denen diverse ewige Lichter gesetzt waren. Zwei goldene Eier bekrönten das Objekt. Ich habe mich gar nicht mit Interpretationsversuchen beschäftigt, sondern schlicht die Raumatmosphäre genossen. Natürlich wecken Kerzen und Gold sofort kirchliche Assoziationen, die durch den Raum noch verstärkt wurden. Ich weiß nicht, wie die Aufstellung im Kolumba sonst ist, also ob das Werk da auch einen Raum für sich hat, aber ich ahne, dass es verliert, wenn es sich den Platz mit anderen teilen muss. Hier hatte es Platz, wurde aber gleichzeitig eingefangen, was mir sehr gefallen hat. Das lenkte meine Gedanken mal wieder zur Architektur des Hauses, und mir ist blöderweise aufgefallen, dass ich gerade, nachdem ich seit Wochen auf Ausstellungsbilder im Haus der (Deutschen) Kunst und der GDK gucke, Spuren davon im jetzigen Haus der Kunst suche. Albern, weiß ich, ich kriege es aber gerade nicht aus dem Kopf. Vielleicht hat mir deshalb die Installation von Laure Provoust so gefallen.

Mir ist mal wieder aufgefallen, wie gerne ich mich mit Materialität beschäftige. Dinge, die mir fassbar erscheinen – im Gegensatz zu Gemälden oder Zeichnungen –, kommen mir meist näher, vielleicht weil sie nahbarer sind. Vielleicht mag ich Architektur deswegen auch so gerne. Sie versteckt nichts, sie steht da und ist. Sie will in vielen Fällen etwas sagen oder verkörpern, aber sie hat längst nicht die Mittel wie Kunst dazu, sie muss mit Stein oder Holz klarmachen, was sie will. Ich kann mich ihr nähern, sie berühren, mich in ihr bewegen und selbst erfahren, was sie mir sagen will. In ein Bild kann ich schlecht hineinkriechen, auch wenn ich das durchaus gerne mal wollte (einmal durch van Goghs Arles schlendern!). Raumerfahrungen machen mir viel mehr Freude als auf eine Leinwand zu starren. (Wird weitergedacht.)

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Im anderen Teil des ersten Stocks gab es gerade wieder zwei Zeitkapseln: João Maria Gusmão und Pedro Paiva zeigten 16-mm-Filme, bei denen ich am meisten damit beschäftigt war, mich darüber zu amüsieren, dass es 16-mm-Filme waren und kein Video. Auch hier wieder: Flashback zu Filmvorführerzeiten und dem unnachahmlichen Geräusch eines Projektors. Nebenan zeigte Sara MacKillop die Installation „Schaufensterauslage“, die ich etwas fragend durchschritt, bei dir mir aber die ausgeklappten Papierbücher, die Laptops simulierten, gefallen haben.

Ich radelte durch das noch sonnige München nach Hause und freute mich darüber, durchs sonnige München zu radeln. Dann lungerte ich vor Casey Neistats Videos rum, aß Jogurt und wartete darauf, dass es abends wurde, denn ich war mit dem ehemaligen Mitbewohner auf ein Bierchen verabredet. Der Herr hatte leider erst recht spät Feierabend und dann gab’s nirgends Parkplätze, weswegen wir erst sehr spät im Fiedler & Fuchs landeten und auch nur noch ein Helles bzw. Dunkles zu uns nahmen. Aber: Heute beginnt das Oktoberfest, ich sehe in naher Zukunft deutlich mehr gemeinsames Bier.

Was schön war, Donnerstag,
15. September 2016 – Dinge verorten

Ich habe ein Buch gelesen.

Ja, das ist seit Beginn des Studiums einen Blogeintrag wert, weil ich längst nicht mehr so viele Romane lese wie früher. Meine Nase steckt neuerdings dauernd in Sachbüchern für die Uni und ich genieße das sehr, aber ich erwischte mich schon vor längerer Zeit dabei, kaum noch in der Sofaecke zu hocken und stundenlang eine Geschichte zu lesen. Vor Kurzem hatte ich bei Harry Potter wieder dieses Gefühl, und gestern las ich in einem Rutsch Gertrud Fusseneggers autobiografische Erinnerungen Ein Spiegelbild mit Feuersäule durch (Stuttgart 1979). Okay, die Dame war mit Leo von Welden befreundet, okay, OKAY!

Die Erkenntnis meiner Hausarbeit zu von Welden lautet, dass er seine wenigen ideologisch geprägten Werke (die wir kennen) eher aus ökonomischen denn aus politischen Gründen angefertigt hatte. Ich hatte bei meinen Recherchen zu von Welden ein Foto vom Anfang der 1930er Jahre gefunden, das ihn zusammen mit Oskar Maria Graf und Fritz Kahn, einem Anwalt der Roten Hilfe München, zeigt und mich darüber gefreut, dass der Herr anscheinend auch Umgang mit politisch eher linksstehenden Menschen pflegte. Ich wusste aber auch, dass er gut mit Frau Fussenegger befreundet war – er illustrierte eins ihrer Bücher –, die zur NS-Zeit, soweit ich das überblicken kann, schön auf Parteilinie war. In ihrer Autobiografie klingt das natürlich alles etwas anders, man habe ja nichts gewusst und nichts gesehen blablabla. Leo wird dreimal erwähnt, einmal im Zuge vieler Eheschließungen in Fusseneggers Umkreis Mitte der 30er Jahre:

„Auch andere Freunde und Bekannte rückten in den Stand der Ehe ein, nicht immer mit reiner Freude. Der Spaßmacher Leo von Welden, ein begabter Maler, wollte sich ausschütten vor Gelächter, – daß es ihn jetzt erwischt habe – und dabei schaute ihm die nackte Verzweiflung aus den Augen.“ (S. 280)

Eine weitere Erwähnung findet sich auf S. 303, wo Fussenegger die Spitznamen ihrer Freunde und ihres Ehemannes Elmar Dietz beschreibt (der im Buch immer nur E.D. heißt):

Äbtissin. Das war mein Spitzname in jenen Jahren. Auch Alois Dorn hatte einen Spitznamen: der Prälat. E.D. hieß der Kaplan und der Maler Leo von Welden Bruder Vigilius.“

Ich ahne, dass eine Clique, die Spitznamen füreinander hat, eine andere Art von Umgang belegt als ein einziges Foto, deswegen bin ich froh, die Graf-Sache doch aus der Arbeit gekippt zu haben. Ich mag dieses Ranpuzzeln an jemanden aber sehr gern.

„Dabei war ich von guten Freunden umgeben. Ich merkte es nur nicht. […] Und dann waren E’s Freunde da. Ich nannte sie schon. Maler Welden (Leo Vigilius) und Alois Dorn (der Herr Prälat). Sie waren in jenen Monaten oft bei uns zu Gast, Alois Dorn beinahe täglich. Er brachte sein Abendessen mit, ein Viertel Leberkäse, eine Flasche Bier, manchmal auch eine Flasche Wein. Er kam mit E. und ging um zehn oder elf, manchmal noch später. Wenn er da war, war ich guter Laune. Auch E. war guter Laune. Wir waren ein munteres lachlustiges Trio, nie um ein Gesprächsthema verlegen, immer eines Sinnes, fast immer.“ (S. 306/307)

Von Dietz trennte sich Fussenegger schließlich und heiratete 1950 Alois Dorn. Das ist übrigens jener Herr, der in einem Katalogtext zu einer Ausstellung von Weldens 1979 in München das fatale Wörtchen „entartet“ in die Forschungsliteratur einbrachte:

„Die Zeit spielte von Welden übel mit. In den Jahren öder Gleichschaltung wurde er als „Entarteter“ empfunden. Man verweigerte ihm sogar die Mitgliedschaft der Kulturkammer, die doch für jeden, der künstlerisch tätig sein wollte, obligatorisch war.“

(Kat. Ausst. Leo von Welden 1899–1967, Pavillon Alter Botanischer Garten, München, 3.–26. Oktober 1979, Rosenheim 1979, o. S.)

Genau an diesem Zitat – entartet, RKK-Mitgliedschaft – arbeitete ich mich an der Hausarbeit 20 Seiten lang ab und widerlegte es gnadenlos. Hulk Smash!

Was für mich auch spannend war: die autobiografische Erzählung mit den Briefen zu vergleichen, die ich von der Tochter von Weldens zur Einsicht bekommen hatte. Die stammten alle aus diesem Jahrtausend und waren an die Tochter gerichtet, und ich stolperte beim Lesen über eine eher unwirsche Beurteilung von zeitgenössischer Kunst und Ausstellungspolitik. Das deckte sich mit dem, was die Dame auch schon in den 1930ern empfunden hatte, als sie Kunstgeschichte in München studierte und Dietz sie ansprach, um sie zu porträtieren:

„Von der modernen Kunst hatte ich – trotz Pinders Vorlesungen – einen nur sehr nebulösen Begriff. Da waren doch in letzter Zeit lächerliche Gebilde aufgetaucht, die sich für Kunst ausgaben, Drahtgestrüppe etwa oder zusammengeklitterte Monstren aus Würfeln und Kugeln. Man nannte das dann abstrakt, und wenn nun solch ein junger Künstler behauptete, ein Portrait von mir herstellen zu wollen, so würde es womöglich ein solches abstraktes Ungeheuer …? Aber der junge Mann wehrte meine Unterstellung ab und versicherte mir – mit weiterhin lebhaft glänzenden Blicken –, keineswegs sei er ein Abstrakter, sondern konkret, ganz konkret, wenn auch wieder kein Naturalist.“ (S. 226)

Was ich erst durch die Wikipedia gelernt habe: dass Fusseneggers erste Tochter Ricarda (im Buch Richarda) Künstlerin wurde und einige U-Bahnhöfe in München gestaltete. Die gucke ich mir jetzt an.

Tagebuch, Mittwoch, 14. September 2016

Was schön war: Hirn aus, Füße hoch. Der einzige Tagesordnungspunkt war Wäsche waschen und das habe ich auch brav erledigt. Ansonsten lungerte ich auf meinem geliebten Sofa rum, bingewatchte Casey Neistat, machte mir mittags einen Nudelsalat und freute mich die ganze Zeit auf den Abend, weil ich den mit F. auf seinem Balkon verbringen wollte. Der Mann holte Burger, dazu gab’s Bier, dann Fußballgucken, dann Bettchen.

Was nicht schön war: Ich war zwischendurch sehr traurig, dann sehr genervt, dann schob ich wieder zehn Minuten Zukunftsangst. Wenn ich nichts zu tun habe, holt mein Kopf alles hoch, für das er sonst keine Zeit hat. Muss wieder was tun.

Was schön war, Dienstag, 13. September 2016

Oder 2015. Das steht nämlich auf dem Deckblatt meiner von-Welden-Hausarbeit, die ich gestern endlich abgegeben habe. Gnarf. Das war nicht schön, aber die Abgabe war schön. Der Kopf ist wieder frei.

Ich habe allerdings keine E-Mail-Bestätigung von beiden Dozenten bekommen, bei denen ich in diesem Semester eine Arbeit voller Herzblut abgegeben habe. Jetzt mache ich mir natürlich Sorgen, dass mein Blut in irgendeinem Spamordner vergammelt und ich dieses Semester keine ECTS-Punkte bekommen werde. Business as usual in the Gröner residence.

Memo to me: zum tausendsten Mal nachgucken, wofür ECTS steht. Vielleicht merke ich es mir, bevor ich mein Masterzeugnis in den Händen habe.

Sehr lang, sehr lesenswert: When Donald Meets Hillary – wer geht wie vorbereitet in die Debatten und was könnte passieren? Dazu eine sprachliche Analyse von Trump. Kennt man zwar („4th grade level“), ist hier aber noch mal hübsch mit Beispielen belegt. Außerdem ein kleiner Rückblick auf vergangene Debatten und die alte Erkenntnis, dass Bilder überzeugender sind als Sätze. (Meine Kunsthistorikerinnenseele und mein Texterinnenherz diskutieren das seit Jahren aus. Steht noch unentschieden.)

„No one recalls what Al Gore said during his first debate against George W. Bush in 2000 (except perhaps that he would keep the Medicare and Social Security budgets in a “lockbox”); many people recall, and held against him, his ostentatious sighs. In the late summer of 2011, Governor Rick Perry of Texas led Mitt Romney and all other Republicans for the 2012 nomination. By late fall he had begun his descent, due largely to his brain-freeze moment in a debate when he was not able to name the third federal agency he wanted to eliminate. The problem wasn’t the momentary lapse, of the kind that can afflict anyone and is best laughed off. (A weary candidate Obama said near the end of the 2008 primary campaign that he had visited “all 57 states.”) Instead it was Perry’s own reaction; he looked and sounded like a man who was all too aware that he had just made an enormous mistake. In each of these cases, the anguish was compounded by the politician’s recognition that the slip confirmed a preexisting suspicion: for Quayle, that he was callow; for Perry, that he was slow-witted; for Gore, that he was a huffy teacher’s pet looking down on the slacker-student Bush.“

Davor fürchte ich mich sehr: dass Trump schon so viel Quatsch erzählt hat, dass man ihm eh nicht mehr zuhört und dass seine Alpha-Male-Körpersprache viele Wähler*innen überzeugt. Mich stößt ein derartiges Gehabe ja sehr ab, aber bis jetzt scheint diese Taktik aufzugehen.

„Most americans are accustomed enough to the blunt braggadocio of Trump’s style—I’m really rich! I’ll make great deals!—to barely notice it anymore. Bob Schapiro, a filmmaker and communications scholar who has studied the connection between neuroscience and propaganda, points out that federal regulators apply a principle called “exception for hyperbole” in judging whether advertisements are deceptive. “If you say, ‘Wear these basketball shoes and you can jump over the moon,’ that’s okay, since no reasonable person would believe it,” Schapiro told me. “But if you say they’ll help you to jump an eighth of an inch higher, you’d better have reams of evidence.” The same principle applies to many of Trump’s claims, he said. “When television began, advertisers learned that facts can get them in trouble, but hyperbole is safe. After decades of conditioning, the American public no longer looks for specific facts.” […]

Trump sounded convinced himself, which made him more convincing to listeners. Jack Brown says this comes naturally from his expressive style. “When you have a more limited vocabulary of words or expressions, it’s easier to lie,” he said. “Everyone lies, but for people with a greater expressive range, it requires more conscious work, and you’re more likely to give yourself away. With a narrower range, the brain doesn’t have to multitask as much and worry about what the face is doing, which makes it easier to deceive.” And so Donald Trump can sound just as convincing saying something that plainly is not true.“

Abends in der Allianz-Arena gewesen und ein mäßig spannendes Fußballspiel gesehen. Aber ich hatte einen schönen Platz, nicht allzu viele Raucher*innen in der Nähe, es war warm, ich habe netten Menschen Hallo sagen und wie immer Manuel Neuers Oberarme anschmachten können. Guter Abend.

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Ich glaube, für die rote Außenhülle der Arena, die sich über einem in den Himmel wölbt, wurde der Begriff „instagrammable“ erfunden.

#12von12 im September 2016

Die anderen 12von12erinnen gibt’s wie immer bei Caro.

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Alleine geschlafen, kurz nach sieben aufgewacht und anstatt aufzustehen, wie neuerdings immer erstmal eine Stunde auf Twitter rumgelungert und Dinge gelesen. Zum Beispiel diesen schönen Eintrag von Journelle. Lust auf Schwimmen bekommen, genauso wie ich gestern unbedingt Radfahren wollte, seit ich Casey Neistat dauernd dabei zusehe. Sage niemand, das Internet macht einen doof und faul.

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Als ich das Foto aufnahm, dachte ich kurz, hm, TMI? Dann dachte ich aber, über ein Foto von mir unter der Dusche würde ich weniger nachdenken. Mir wäre meine Nacktheit egaler als die Tatsache, dass ich gerade turnusmäßig blute. Was für ein Quatsch. Hiermit also die Ansage: Ich blute gerade. Und ich habe bayerische Quietscheentchen.

Das linke ist aus dem FCB-Fanshop und könnte ein Geschenk vom ehemaligen Mitbewohner gewesen sein, ich bin mir aber blöderweise nicht mehr sicher. Das weibliche Entchen … he, Moment, sind Quietscheentchen teilweise Quietscheerpel? Und die werden einfach so verschwiegen? Wo sind die Maskulisten, wenn man sie braucht? (Obwohl: Die braucht man ja eigentlich nie. Okay. Weiter:) Das Entchen mit dem Dekollete habe ich mir auf dem Oktoberfest im Hippodrom gekauft, dem ich sehr hinterhertrauere, weil es das einzige Zelt war, in dem ich es mal geschafft habe, auf der Empore zu sitzen und auf die Massen unter mir runterzugucken. Und die Klos waren die besten bisher, wobei Klos auf dem Oktoberfest eigentlich – und das überrascht mich immer noch – alle gut sind. Aber auf einer Empore sitzt es sich schon netter als unten. Seitdem jammere ich bei jedem Oktoberfest, dass mir das blöde Schickimickihippodrom fehlt und muss mir vom ehemaligen Mitbewohner immer sein Augenrollen angucken.

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Tägliche Chronistinnenpflicht erledigt, die keine Pflicht ist, sondern eher wie Zähneputzen. Mach ich halt, denke ich nicht mehr drüber nach.

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Auf in den Tag. Mein Rad aus dem völlig überfüllten Fahrradkeller gezerrt und dabei versucht, weder meinen rechten noch meinen linken Nachbar noch mein eigenes Schnucki zu zerkratzen. Gut gelaunt auf die Schleißheimer Straße eingebogen, die seit einiger Zeit beidseitig einen anständigen Radweg hat, für den jeweils eine Autofahrspur geopfert wurde. Interessanterweise kollabiert die Stadt deswegen nicht.

Ein anständiger Radweg führt neben der Autofahrbahn lang, so dass einen die Autofahrer*innen stets sehen können. Er führt eben nicht zwischen Fußweg und parkenden Autos lang, wo man die ganze Zeit damit beschäftigt ist, auf sich überraschend öffnende Beifahrertüren zu achten, Kinder, Hunde, Fußgänger*innen, abgestellte Räder (werde ich nie verstehen), Mülltonnen und Lieferfahrzeuge. Er ist anständig asphaltiert und besteht nicht aus blöd verlegten und sich gerne mal verschiebenden Steinen, unter denen Baumwurzeln nach oben drängen. Er ist breit genug, dass zwei Leute nebeneinander fahren können und nicht handtuchschmal. Der Abstand zu den parkenden Autos ist größer als drei Millimeter.

Auf Facebook stolperte ich vor einigen Tagen wieder in eine nutzlose Diskussion in einem unglaublich aggressiven Tonfall darüber, wie schlimm Radfahrer sich aufführen und dass die armen Autos so unter ihnen leiden. Ich meine mich daran zu erinnern, dass es vor ewigen Zeiten in den Niederlanden (?) mal ein Experiment gab, alle Straßenbegrenzungen aufzuheben, also die Straße für alle freizugeben, Fußgänger, Radlerinnen, Autos. Jeder wusste, dass alle sich im gleichen Raum bewegen – der Gedanke dahinter war natürlich, dass alle aufeinander Rücksicht nehmen. Ich weiß nicht, wie dieses Experiment ausgegangen ist, aber ich würde das gerne nochmal starten. (Edit: Danke an @v_i_o_l_a für den Hinweis auf Shared Space.)

Ich wünschte mir, Autofahrer*innen würden nie vergessen, dass sie grundsätzlich die Stärksten, Schnellsten und Schwersten sind und daher dementsprechend defensiv fahren sollten. Tempo 30 in der Stadt wäre ein Traum, einspurige Straßen ebenfalls, ein noch besseres ÖPNV-System auch. Ich wünschte mir, Radler*innen würden nie vergessen, dass sie deutlich schneller als Fußgänger*innen sind und dass sie daher auf den Fußwegen rein gar nichts zu suchen haben; auf der Straße fährt sich’s eh besser. Ich wünschte, Fußgänger*innen würden daran denken, dass manchmal blöderweise direkt neben ihrem Weg der Radweg ist, auf dem von hinten jemand angeradelt kommt, und gucken, bevor sie in der Gegend rumrennen, macht man an Straßenrändern ja auch. Ich wünschte mir weniger Aggressivität im Straßenverkehr, sondern mehr Verständnis. Ich wünschte, Radler*innen würden die Verkehrsregeln einhalten, die sie ohne nachzudenken als Autofahrer*innen auch einhalten: nicht bei Rot über die Ampel, nicht in die Gegenrichtung fahren etc. Ich wünschte, Autofahrer*innen würde jemand erklären, dass Radfahrer*innen nur auf dem Radweg fahren müssen, wenn da ein blaues Schild steht. Wenn das da nicht steht, dürfen wir auf der Straße fahren, auch mittig, wo man vor Autotüren sicher ist. Mache ich persönlich nicht, weil ich langsam fahre, aber auch ich halte gehörigen Abstand zu parkenden Autos. Ich wünschte mir, ich würde dafür nicht angebrüllt oder angehupt werden von Autofahrer*innen, die deutlich schneller und mit mehr Knautschzone unterwegs sind als ich.

Ich wünschte generell, wir würden alle besser miteinander klarkommen, und ich weigere mich, diesen Wunsch aufzugeben.

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Ich hatte am Samstag in der Bibliothek rausgefunden, dass man Verluste durch Bombentreffer beim Kriegsschädenamt meldete, dessen Bestände im Stadtarchiv liegen. Mir liegt von von Welden ein dreiseitiger Bericht vor und ich war sehr neugierig, ob sich im Archiv vielleicht die noch fehlende vierte Seite fände – die zweite Seite der Auflistung beginnt mit Bildern von ihm, was für mich ein Traum ist, weil ich so endlich die Forschungslücke füllen kann, die bisher damit begründet wurde: Atelierverlust durch Bombentreffer, keine Ahnung, was der Mann vor 1943 gemalt hat. Ein bisschen was findet sich in seinem Nachlass, darunter auch Zeichnungen, die aus den Trümmern gerettet wurden und leicht mit rotem Ziegelstaub bedeckt sind (in der Mappe habe ich noch vorsichtiger geblättert als in den anderen). Auf der Liste stehen, ich nenne sie mal unverdächtige Gemälde, aber die erste Seite, auf der ich auch Ölgemälde vermute, fehlt. Da könnten jetzt ebenfalls Stillleben drauf sein, da könnten aber auch Porträts von Adolf drauf sein. Daher wollte ich mir die betreffenden Bestände im Archiv ausheben lassen und nachgucken.

Dummerweise wird der Lesesaal gerade umgebaut, weswegen vor dem schönen Archivgebäude auch der hässliche Lieferwagen steht. Der Saal ist für vier Wochen geschlossen – seit gestern. Extrem dusseliges Timing. Es gibt auch keinen Ersatz, aber: In vier Wochen soll man angeblich online die Bestände einsehen können. Das wäre ein Fest!

Mein Tagesplan, die #12von12 schön mit Archivfotos vollzuballern, war allerdings tot.

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Immerhin fand sich auch hier ein Hinweis aufs Histocamp. Schöne Idee; ich ringe immer noch mit mir, ob ich da hin sollte. (Timeline says yes.)

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Ich stieg wieder aufs Rad und überlegte, womit ich denn jetzt meinen Tag bestreiten sollte. Ich dachte kurz über eine Serie von Radwegen in München nach – der hier ist auf der Hohenzollernstraße und sogar farbig markiert –, hatte dann aber keine Lust auf Rumradeln und Fotomotivsuchen. Ich radele lieber, ohne über Fotos davon nachzudenken. Und dann fiel mir auf: He, du hast frei. Dir wurde gerade ein freier Tag geschenkt!

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Den verschwenden wir erstmal beim Einkaufen. Snooze. (Übrigens vielen Dank für die Tipps auf Instagram, wie ich zu Pizzateig komme, der nicht stundenlang gehen muss. Werden alle ausprobiert.)

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Dann habe ich doch was Produktives gemacht und den dicken Aktenordner eingescannt, den mir die Tochter von Weldens überlassen hat. Es hat sich sehr verantwortungsvoll angefühlt, einen Nachlass zu digitalisieren – und gleichzeitig fast sinnlos, denn ich ahne, dass das Papier länger da sein wird als meine Pixel.

Ich sitze gerade an einem Eintrag übers wissenschaftliche Bloggen, aber der grummelt irgendwie noch, der ist noch nicht gut. Kommt aber demnächst. Ich habe da ein paar Fragen.

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Nach ein paar Stunden Arbeit geguckt, was Casey so macht. (Ja, ich habe auch ein Quietscheentchen in meinem Dock.)

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Abends bei F. auf dem Balkon gemeinsam meinen Nudelsalat verspeist, auf den ich mich seit morgens gefreut hatte. Sind bloß Nudeln mit getrockneten Tomaten, Kirschtomaten, Rucola und Parmesan, Olivenöl drüber, fertig. Die Nudeln sind allerdings doof – mein Dealer hatte keine Orecchiette mehr, weswegen ich auf Gnocchi piccoli umgestiegen bin. Die schmiegen sich zwar nach dem Abgießen ästhetisch interessant aneinander, aber man hat immer gleich fünf von ihnen im Mund, vulgo: sehr viel Nudel. Werden nicht noch mal gekauft.

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Zum Nachtisch gab’s weiße Schokolade mit Eierlikör von Widmann. Wird auf jeden Fall noch mal gekauft.

Wir saßen noch länger bei Wein und Mondschein und sprachen über meine Arbeit, deren Abgabetermin übermorgen ist. Ich hasse es, Zeug, auf den letzten Drücker abzugeben, und diese Arbeit liegt hier ja nur noch, weil noch so viele Baustellen offen sind. F., der erprobte Akademiker, legte mir gestern vorsichtig nahe, Baustellen Baustellen sein zu lassen und die Arbeit jetzt abzugeben. Die sei ein Forschungsstand, eine Momentaufnahme meiner Überlegungen, die müsse nicht die definitive Antwort auf alle Fragen sein, die zu von Welden auftreten. Außerdem bin ich ja eh nie zufrieden und deswegen wäre es ziemlich okay, sie jetzt endlich loszulassen.

Das klang sehr gut, vor allem, weil ich in den letzten Tagen mal wieder gemerkt habe, mich selbst zu verfransen in den ganzen neuen Dokumenten und Erkenntnisse. Es fällt mir immer noch schwer, so einen Zwischenstand abzugeben. Ich war es jahrelang gewohnt, Projekte zu bearbeiten, die einen Anfang und ein Ende haben. Wenn ich wusste, der neue Audi XY kommt im März 2000zack raus, dann wurden wir ein Jahr vorher gebrieft, dann bastelten wir am Katalog, und weil der irgendwann gedruckt werden musste, meist in riesiger Stückzahl, hatten wir halt eine Deadline, und dann war das Ding durch. Ich habe mit meinen wissenschaftlichen Arbeiten zwar auch eine Deadline, aber ich weiß, dass ich danach lustig an genau dem gleichen Stoff weiterpuzzeln könnte. Das macht mich manchmal immer noch wahnsinnig.

Was schön war, Sonntag, 11. September 2016 – Biking the blues away

Gestern wollte mein Uterus Drogen und Wärmflaschen, aber der Rest von mir wollte aufs Fahrrad, und wir sind mehr als Ms. Nervensäge, also schleiften wir sie einfach mit, und sobald wir alle unterwegs waren, hatte die Dame sich auch beruhigt. Ich fand den Isarradweg auf der mir entgegengesetzten Seite des Englischen Gartens, was mich sehr gefreut hat, weil ich mich auf unbekannten Strecken sogar beim Geradeausfahren verirren kann. Das tat ich dann auch nach nur gut 20 Minuten auf diesem Radweg, als es nach links über eine gemauerte Brücke ging, aber nur für Fußgänger, während der für Radfahrer*innen ausgeschilderte Weg nach rechts ging, von der Isar weg. Ich fuhr da also einfach lang und plötzlich war ich nicht mehr mitten im Grünen, sondern auf einer dicht befahrenen Straße und dann an einer Autobahnauffahrt und da hielt ich dann doch mal an und guckte auf mein iPhone. Ich drehte um, fand den Aumeister, der der Punkt war, zu dem ich eigentlich radeln wollte, setzte mich aber nicht mit meinem mitgebrachten Buch in den Biergarten, sondern fuhr einfach weiter, weil es so schön war, einfach weiterzufahren. Ich wollte nicht mal für das obligatorische Blogfoto anhalten.

Es ist wundervoll, dass sich eine dichtbesiedelte Großstadt wie München (okay, über den Begriff „Großstadt“ können wir diskutieren) eine so riesige Grünfläche leistet wie den Englischen Garten, durch den man sehr entspannt radeln, laufen, gehen, reiten oder rollerbladen kann. Gut gemacht, Sckell.

Dem FC Augsburg auf Sky zugesehen, wie er Bremen schlug und nach Spielende online ein Ticket für nächsten Sonntag gekauft. Das war letztes Mal so nett im Stadion, da möchte ich gleich nochmal hin. Sogar noch ein Ticket im gleichen Block wie F. gekriegt (weiter oben, wo die blöde Sonne nicht hinkommt). Eat this, ständig ausverkaufte Allianz-Arena.

Dann doch mit Drogen und Wärmflasche auf dem Sofa, bis ich abends Lieblingsbesuch bekam, der mir Tropifrutti mitbrachte, das einzig wahre Weingummi. Mich sehr umsorgt und aufgehoben gefühlt.

Was schön war, Samstag, 10. September 2016 – Worte finden

Gestern konnte man mir auf Twitter beim Denken zuschauen. Ich hatte in den Unterlagen von Weldens einen Bericht gefunden, in dem er seinen Atelierinhalt beschreibt, der bei einem Bombenangriff auf München im Oktober 1943 zerstört wurde. Die erste Seite von vieren fehlte, auf der vielleicht eine Adresse oder ein Empfänger gestanden hätte. Ich wusste nicht, für wen man derartige Berichte verfasst – eine Versicherung schien mir eher unwahrscheinlich. Aber für wen dann? Wieder ein Aspekt der NS-Zeit, mit dem ich mich noch nie beschäftigt hatte – dem Bombenkrieg. Also ab in die schlaue Bibliothek und los mit dem Denken.

Okay, ins Denken musste ich erst langsam reinkommen.

Dann fiel mir eine Floskel auf, die ich dauernd benutze, die mir auf einmal sehr unpassend erschien. Die müsste ich mir in der Werbung angewöhnt haben, wo sonst überhöht man nutzlosen Scheiß bis ins Unermessliche.

Das Buch Als Feuer vom Himmel fiel fand ich, der Titel lässt es schon ahnen, eher populärwissenschaftlich, die Aufsätze waren teilweise eher angerissene Gedanken, Fußnoten gab’s auch kaum. Bombenkrieg gegen Deutschland ist schon recht alt (1990, wenn ich mich richtig erinnere), daher blätterte ich das auch eher durch. Viel Bildmaterial, das ich interessant fand, meine Frage aber nicht beantworten konnte. Neben diesen Büchern stand übrigens David Irving im Regal, der sicher was total Sinnvolles zum Bombenkrieg zu sagen hatte. *hust*

Immerhin fand ich beim Durchblättern das Stichwort „Entschädigung“, und so googelte ich einfach mal nach „bombenschaden entschädigung“ oder ähnlich. Dabei stieß ich auf diesen Spiegel-Artikel, wo das Stichwort „Fliegerschadenstellen“ fiel. Das klang gut, das hätte ich gerne als anständige Quelle. Außerdem fand ich bei Google einen Bund der Fliegergeschädigten; den kannte ich auch noch nicht.

Ich griff zum Buch Fliegerlynchjustiz, eine sehr aktuelle Dissertation, die vielversprechend erschien und sehr lesbar war. Das Buch erwies sich auch in anderer Hinsicht als positiv – ich las, meiner Meinung nach das erste Mal, die Formulierung „Juden und Jüdinnen“, „Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen“ etc. Geschlechtergerechte Sprache in der Wissenschaft. Dass ich das noch erleben darf. Wurde sofort vertwittert, worauf sich das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit aus Berlin meldete:

In diesem Buch fand ich zwar keine „Fliegerschadenstelle“, aber immerhin den Hinweis, dass Fliegerangriffe der Alliierten seit 1942 im offiziellen Sprachgebrauch „Terrorangriffe“ hießen, was sich schnell in der Umgangssprache durchsetzte (S. 114). Damit erklärt sich auch die Überschrift des Berichts von Weldens, der ihn mit „Sachschaden durch den Terrorfliegerangriff München am 2/3. Oktober 1943“ überschrieben hatte.

Für meine Zwecke war dann das ebenfalls gut lesbare Volksgenossinnen an der Heimatfront perfekt; in ihr fand ich den Begriff des „Kriegsschädenamts“, dessen Bestände brav im Münchner Stadtarchiv liegen. Wäre interessant zu sehen, ob der Bericht von Weldens sich dort wiederfindet.

Ich fügte die neuen Erkenntnisse meiner Arbeit hinzu und musste an eine DM denken, die mir F. vor ein paar Tagen geschickt hatte. Er kennt mich so gut.

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Was schön war, Freitag, 9. September 2016 – Stimmen

„Was mich bei den Franzosen immer begeistert ist, daß sie beim kleinsten Format nicht kleinlich werden u. die nötige Haltung wie die grosse Form wie auch Geschmack bewahren. Es wird nicht literarisch, nicht kleinlich-lokal, nicht bloß erzählerisch u. illustrativ, oder nur dem Motiv nachhängend, oder in der farbigen Tönung vernachlässigt, sondern immer zuerst künstlerisch. Da ist die Malerei selbstbewußt u. äußerst [unleserlich. privat?]. Für sie ist der anständigste Mensch ein Maler, nicht ein Literat wie bei uns.“

Leo von Welden auf einer Postkarte an die Familie von Hermann Böcker, 10. Dezember 1936, in der er sie bittet, sich mit ihm eine Ausstellung französischer Maler anzuschauen, die gerade im „Bibliothekbau des Deutschen Museums“ hängen. „[B]in bis 12 – 1/2 13 dort.“

Ich bin immer noch nicht damit fertig, den dicken Ordner durchzugucken, den ich Montag von der Tochter bekommen habe. Zunächst scannte ich die ganzen Ausstellungs- und Auftragsbelege ein und fügte sie meiner Arbeit hinzu, dann saß ich wieder in der Stabi, um noch ein bisschen was zum Reichsarbeitsdienst und den Propagandakompanien zu lernen. Das macht mich seit zwei Wochen irre, dass ich nicht verstehe, wie von Welden Ende 1941 als Kriegsmaler vom Reichsarbeitsdienst eingesetzt werden konnte. War das freiwillig? Konnte er beordert werden? Wieso überhaupt der RAD, wenn es doch besagte Propagandakompanien gab, in denen (meist) pro Kompanie ein Maler und zwei Zeichner unterwegs waren?

Von Welden wurde im November 1944 zur Wehrmacht eingezogen und bat sofort einen Bekannten aus Berlin („Der Presse- und Propagandachef, Sachgebiet: Kunst, Berlin, Schinkelstraße 1–7“), dessen Namen ich blöderweise nicht entziffern kann und den auch die Tochter nicht kennt (Fischer?) um eine Versetzung in eine PK. Auf einer Feldpostkarte aus Ingolstadt (dort war er stationiert) vom Januar 1945 schreibt er seiner zukünftigen zweiten Ehefrau, dass er noch darauf wartet, dass diesem Antrag stattgegeben wird, währenddessen zeichnet er seine Kameraden. Die Zeichnungen habe ich noch nicht im Nachlass gefunden, falls sie überhaupt noch existieren.

Worum es mir geht: War die Arbeit für den RAD vielleicht freiwillig bzw. einfach ein bezahlter Auftrag? Das hätte für mich ein anderes Geschmäckle als ein Pflichtdienst. Über den RAD gibt es recht wenig Literatur und noch weniger, wenn es um kulturelle Leistungen geht, aber falls eine*r der mitlesenden Historiker*innen ein Tipp für mich hätte, bitte gerne her damit. Ich drücke mich in meiner Arbeit um eine definitive Aussage, weil ich sie schlicht nicht habe bzw. werte diese Arbeit nicht, sondern erwähne sie nur, bin aber fürchterlich neugierig.

Die Feldpostkarte war ein Auszug aus seiner Korrespondenz, die ich gestern erstmals las. Bis jetzt war ich schlicht damit beschäftigt, Ausstellungen und Aufträge nachzuweisen, die noch nicht in der Literatur auftauchten, dafür brauchte ich noch keine Briefe oder Postkarten. Aber gestern las ich endlich mal ein bisschen davon. Das hat mich emotional mehr erwischt, als ich dachte, denn zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, seine Stimme zu hören. Ein paar Sätze kannte ich schon aus der Literatur, aber einen längeren Text von ihm, und sei es nur eine Postkarte, kannte ich noch nicht. Und erst recht nicht über Kunst, denn darüber hat er angeblich nie gerne geredet. Umso schöner, dieses Zitat von ihm gefunden zu haben. Ich mag es auch so gerne, weil es zu meinen eigenen Beobachtungen passt. Gerade in den 1920er Jahren hat er irrwitzig kleinformatig gearbeitet, aber trotzdem ebenso irrwitzig detailreich. Ich mag die Formulierung „im kleinsten Format nicht kleinlich werden“ sehr.

Ich muss zugeben, ich hatte einen winzigen Kloß im Hals, je mehr ich von ihm las. Ich sollte mich wieder mit Gebäuden beschäftigen, die nehmen mich nicht so mit.