Spaß haben mit dem eigenen Archiv.

Happy-Go-Lucky

Mike Leighs Filme kriegen bei mir immer einen kleinen Vorsprung, weil ich weiß, dass ich etwas geduldiger sein muss als bei dem ganzen amerikanischen Kram, den ich mir sonst reinziehe. Ich weiß, dass die Charaktere sperriger sind und dass es etwas länger dauert, bis ich weiß, worum’s geht. So auch bei Happy-Go-Lucky, den ich normalerweise nach zehn Minuten aus dem MacBook gerissen hätte, weil mir die extremst gut gelaunte Hauptfigur Poppy (Sally Hawkins) extremst auf die Nerven gegangen ist. Wer selbst bei Rückenschmerzen noch lacht und als einzige Reaktion auf ein geklautes Fahrrad “I didn’t get to say good-bye” rausbringt, hat bei mir Teilzeitmisanthrop aber so richtig verloren.

Aber wie immer bei Herrn Leigh entpuppen sich die Figuren dann doch als weitaus mehr als man ihnen zuerst zugetraut hat. Und so habe ich mich nach und nach in diese fürchterliche Nervensäge verliebt und habe ihr zum Schluss wehmütig zurufen wollen: Hab weiter so gute Laune! Gib uns Rest der Welt nicht auf! Und überzeug vor allem deine miesepetrige, spießige Schwester davon, ihren armen Gatten PlayStation spielen zu lassen. Und kümmer dich weiter um Menschen, um die sich sonst niemand kümmert. Und hab weiter Respekt vor denen, die so ganz anders sind als du, denn ich krieg das nicht hin. Und die meisten anderen auch nicht.

Happy-Go-Lucky ist anstrengend – aber auf die Art anstrengend wie freiwillig eine Stunde aufs Laufband zu gehen, weil man weiß, dass man das für sich tut. Oder zu den Eltern zu fahren, wo man von vornherein weiß, dass sie die immer gleichen Fragen stellen, das Essen nie so schmeckt, als ob man es selbst gekocht hätte und man immer noch in seinem Kinderzimmer schlafen muss, aber man weiß, dass es gut ist, was man macht. Nach dem Film fühlt man sich, als hätte man dafür gesorgt, dass es auch dem Rest der Welt etwas besser geht. Und man nimmt sich vor, morgen genau dasselbe zu machen. Immer einen kleinen Schritt Karma nach dem anderen.

Iron Man

Die nächste Comicbuchadaption, bei der ich nicht weiß, wie der Comic ist. Ich hab noch nicht mal Batman gelesen, und ich wusste bis gestern auch nicht, dass es einen Superhelden namens Iron Man gibt. Wenn man sich die ersten 20 Minuten des gleichnamigen Films angeguckt hat, weiß man das immer noch nicht, und genau das fand ich sehr nett.

Wir lernen den leicht schmierigen Waffenproduzenten Tony Stark kennen (Robert Downey Jr., dem ich endgültig verfallen bin), wie er in Afghanistan tolles neues Sprengzeug vorführt. Dummerweise haben auch die Gegner der Amerikaner Interesse an den Knallbonbons und entführen Stark, damit er ihnen was Hübsches zusammenschweißt. Bei der Entführung gerät Stark ins Kreuzfeuer seiner eigenen Waffen und verliert sein Herz – aber glücklicherweise sitzt in seiner Gefängnishöhle noch ein weiterer Ingenieur, Arzt, keine Ahnung, der ihm mal eben eine Art Batterie dafür einbaut. Ein hübsches Gimmick, das im Folgenden bläulich-fotogen unter Robbis engem Shirt leuchtet. Die beiden sollen den Fieslingen nun also Waffen schmieden, aber stattdessen bauen die beiden einen eisernen Anzug, mit dem sich immerhin einer von ihnen den Weg freikämpft. Die Szenen bis zum Ausbruch fand ich ewig lang – und vor allem fehlte ihnen die Zutat, die den Rest des Films so herrlich entspannt gemacht hat: der Mal-eben-so-nebenbei-Humor von Downey Jr., der jeden Satz so raushaut, dass man ihm den größten Quatsch abkauft, sich aber trotzdem bewusst ist, dass es Quatsch ist.

Iron Man macht einfach Spaß, denn wir sehen keinen fertigen Superhelden, sondern einen im Entstehen. So muss er sich nicht nur mit unfertigen Heldenanzügen abplagen, sondern auch noch mit sprechendem oder zumindest surrendem technischen Gedöns, das genauso schlagfertig ist wie er, und seiner extrem charmanten Assistentin, die von Gwyneth Paltrow gar zauberhaft interpretiert wird. Der Film fühlt sich meisten schön altmodisch an; man wartet die ganze Zeit darauf, dass Robert Gwyneth einen Mantel in die Pfütze schmeißt, damit sie trockenen Fußes über die Straße kommt, aber stattdessen bricht wieder die Neuzeit ein, und wir sehen wiederholt Gadgets, das Apple-Logo und den Audi R8. Was ja auch okay ist. Die Story an sich – Gut gegen Böse, what else is new – lässt sich in drei Sätzen erzählen, und ich fand das völlig in Ordnung, denn der Film lebt viel eher von seiner Atmosphäre und den extrem gut gelaunten Darstellern. Davon hätt ich gerne noch nen Nachschlag. Solange der Held jetzt nicht plötzlich total schlecht draufkommt.

Forgetting Sarah Marshall

Schnuffelnase Jason Segel spielt Musiker Peter, der am liebsten den ganzen Tag auf der Couch rumliegen und bunte Fruit Loops essen würde, anstatt ab und zu pseudo-dämonische Musik zu einer Fernsehsendung schreiben zu müssen, in der seine Freundin Sarah (Kristen Bell) die Hauptrolle spielt. Dazu bekommt er jetzt die Chance, denn Sarah macht Schluss mit ihm, er leidet wochenlang vor sich hin, bis ihn sein Stiefbruder nach Hawaii jagt, damit er mal auf andere Gedanken kommt. Auf Hawaii trifft er allerdings ausgerechnet Sarah – und dazu ihren neuen zotteligen Gespielen (Russell Brand), den er sympathischer findet als er möchte.

Forgetting Sarah Marshall (Nie wieder Sex mit der Ex – ich krieg Ausschlag, wenn ich noch öfter solche Titel tippen muss) vereint ein knuffiges Ensemble mit einer relativ überraschungsfreien Story, was ihn besser werden lässt, als man vermutet. Die Gags sind noch nicht tausendmal gehört, die Charaktere allesamt schön schräg, und alleine für den Spaß, den harmosen Marshall (jetzt kapier ich auch den Witz mit Sarahs Nachnamen) aus How I Met Your Mother das F-Wort benutzen zu hören, lohnt sich der Film. Und natürlich für die wunderbare Szene, in der Peter seine Sarah, als sie noch seine Sarah war, mit einem geräuschvoll schwingenden Penis begrüßt.

Wanted

Es gibt Ballerfilme, die mir fürchterlich auf den Keks gehen – und es gibt welche, bei denen ich ganz großartig entspannen kann, auch wenn total unchristlich literweise, ach was, hektoliterweise Blut fließt, Logik und Schwerkraft mal ne Pause machen und die Story auf eine Streichholzschachtel passt. Wanted ist ein Film der zweiten Kategorie.

James McAvoy wird vom Nobody zur Killermaschine und soll im Auftrag der geheimnisvollen Fraternity den Mann töten, der seinen Vater auf dem Gewissen hat. Ob die Fraternity wirklich nur aus netten Jungs (und dem einzigen Mädel Angelina Jolie) besteht und ob young blue eyes McAvoy seinen Job gebacken kriegt, ist fast egal. Der einzige Grund, Wanted zu gucken, sind die irrsinnigen Spezialeffekte, die man hier im Sekundentakt um die Augen gehauen kriegt. Die beschäftigen sich zwar zu 90 Prozent damit, uns in Zeitlupe zu zeigen, wie Leute ihr Leben aushauchen, aber das ist blöderweise genau das Tolle am Film. Während viele Actionfilme mit besinnungslosen Schnitten arbeiten, um Tempo vorzutäuschen, macht Wanted das genaue Gegenteil. Klar gibt es auch hier die unvermeidliche Autojagd, aber es kommen immerhin noch ein Schnellzug, ein Tunnel und eine Schlucht hinzu. Wobei „Auto“ auch ein Kompliment ist für den beigefarbenen Lada, in dem sich Frau Jolie auf die Socken macht – ein charmanter Gegensatz zum Q7 und der Corvette eine halbe Stunde (gefühlt: zehn Sekunden) früher. Oder eine weitere Fahrt knapp über der Geschwindigkeitsbegrenzung, in der fantastisch vorgeführt wird, wie man jemanden erschießt, der in einer kugelsicheren Limousine sitzt. Ach, eigentlich lohnt sich der Film alleine für die feine Szene, in der McAvoy dem Kerl, der seine Freundin auf dem Ikea-Küchentisch flachlegt, mit seinem Computerkeyboard die Nase plättet, denn es fliegen nicht nur fotogen Zähne durch die Gegend, sondern auch folgende Buchstaben aus der Tastatur: F-U-C-K-Y-O.

(Diese Kritik ist für das Nuf und Felix, die sich darüber in die Haare gekriegt haben, ob der Film toll oder doof ist. Das Nuf redet jetzt nicht mehr mit mir.)

The Visitor

The Visitor zeigt uns zunächst in kurzen Szenen das Leben von Professor Walter Vale – wie er versucht, Klavier zu lernen und dabei die fünfte Lehrerin feuert, wie er uralte Uni-Vorlesungen neu aufwärmt, indem er nur das Datum ändert, wie er alleine in der Cafeteria sitzt, wie er teilnahmslos in Besprechungen auf deren Ende wartet. Für eine Konferenz muss er von Connecticut nach New York fahren, wo er eine weitere Wohnung besitzt – in der sich aber zu seiner und ihrer Überraschung zwei junge Ausländer aufhalten: Tarek aus Syrien und seine Freundin Zainab aus dem Senegal. Erst vertreibt Walter die beiden, um sie dann doch in einem ihm fast fremden Anflug von Sozialverhalten bei sich wohnen zu lassen, bis sie etwas Neues gefunden haben. Tarek trommelt in einer Band, und eines Tages setzt sich Walter einfach an sein Instrument und fängt an zu spielen.

Der Film scheint nur zu beobachten anstatt uns etwas erzählen zu wollen. Das vorsichtige Auftauen von Walter seiner Umwelt gegenüber. Die Liebe zur Musik, die sich in ganz unerwarteter Weise manifestiert. Freundschaften, die so unwahrscheinlich sind, dass sie umso ehrlicher ausfallen. Und nebenbei noch die Botschaft, dass die USA groß genug für eine Menge Leute sind, die dort vielleicht nicht geboren wurden. Schönes Buch, gute Darsteller, keine Holzhämmer als Botschaft. Feiner Film.

Eagle Eye

Haha, über eine Stunde Verwirrung und Action und Rumgehetze und Technikschnickschnack für eine Auflösung, die so dermaßen von einem Klassiker geklaut ist, dass es schon nicht mehr feierlich ist. In Eagle Eye (Außer Kontrolle) wird Milchbart Shia LaBeouf von einer säuseligen Frauenstimme auf dem Handy angerufen, dass das FBI gleich vor seiner Tür stände – nur, falls er sich wundern sollte, warum sein Winzappartement auf einmal mit Sprengstoff, Waffen und Geheimdokumenten vollgepackt ist. Der Kleine wird daraufhin verhaftet, kann aber mit Hilfe der Dame vom Amt wieder fliehen und muss in der nächsten, bereits erwähnten Stunde, hauptsächlich Sachen machen, die anscheinend einen bösen Hintergrund haben, uns aber logisch nicht wirklich weiterbringen. Ist auch egal, denn sobald die wahnwitzig überraschende Pointe kommt, möchte man eigentlich gar nicht mehr weiter zugucken. Dauert dann auch nicht mehr lange, bis das rührselige Finale kommt, und dann darf man endlich einen vernünftigen Film gucken.

Man on Wire


© Magnolia Pictures

Man on Wire (Man on Wire – Der Drahtseilakt, UK/USA 2008, 94 min)

Mitwirkende: Philippe Petit, Jean-Louis Blondeau, Annie Allix, Barry Greenhouse, Jean François Heckel, Alan Welner, David Forman
Musik: J. Ralph
Kamera: Igor Martinovic
Regie: James Marsh

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Manche Geschichten sind zu irrsinnig, als dass sie sich jemand ausdenken könnte. So auch die von Man on Wire: Der Drahtseilartist Philippe Petit entdeckt in einer Zeitschrift im Wartezimmer seines Zahnarztes einen Bericht über die Bauarbeiten am World Trade Center in New York, das einmal das höchste Gebäude der Welt sein soll. Sobald er die Skizzen gesehen hat, ist ihm klar: Wenn die Türme stehen, spanne ich ein Drahtseil zwischen ihnen und laufe drüber. 450 Meter über der Erde, auf dem Dach der Welt. Wozu sind Türme sonst da?

Der Film ist eine Mischung aus Spielszenen und Originalaufnahmen aus den 70er Jahren, die die Gruppe um Petit von sich selbst angefertigt hat. Wie Petit das Gehen auf dem Seil beherrscht, wie er sich sogar darauf hinlegen kann, knien, wippen, winken. Und was er da gerade auf einer grünen Wiese in Frankreich macht, knapp drei Meter über dem Boden, wiederholt er später, am 7. August 1974, eines Morgens in New York. Unwesentlich höher, aber mit der gleichen Konzentration – und dem gleichen seligen Gesichtsausdruck. Den durfte seine Umwelt bereits vor dem weltberühmten Akt in Amerika kennenlernen: Erstmals spannten seine Freunde und er heimlich ein Seil zwischen den Türmen der Notre Dame, auf dem er minutenlang spazierenging, bis er sich anstandslos von der Polizei abführen ließ. Der Film erzählt auch von seiner Motivation: Gibt es einen schöneren Anblick als jemand, der zwischen zwei Türmen entlangläuft?

Genau dieses Motiv zieht sich auch durch die unglaublich spannend aufbereitete Story rund um das World Trade Center. Petit erzählt sie uns selbst, daher wissen wir einerseits, dass er es geschafft hat, seinen Traum umzusetzen, und wir wissen auch, dass er da lebend wieder runtergekommen ist. Trotzdem hält man dauernd den Atem an, weil das Ganze wie ein Krimi inszeniert ist. Vor allem bei den Szenen kurz vor dem coup, wie die Gruppe ihr Vorhaben nennt, in denen sich die Wachleute nachts vergewissern, dass auch niemand mehr im fast vollendeten Trade Center ist, während die vier Männer – zwei im Nord-, zwei im Südturm – sich mehr oder weniger geschickt eingeschleust und sich nun versteckt haben, um einen Pfeil von einem Turm zum anderen zu schießen, an dem eine Angelleine hängt. An der ein Seil hängt. An dem das Drahtseil hängt. Und schließlich müssen noch vier weitere Seile gespannt werden, die das Hauptseil davor bewahren, sich in sich selbst zu drehen. Wie wird das Wetter? Wie fühlt sich Petit nach der stundenlangen Schufterei, im Dunkeln und möglichst leise ein 60 Meter langes Seil zwischen zwei Türme zu spannen, einen knappen halben Kilometer über der Erde? Und hier kommt wieder das Motiv, und ich habe im Kino gesessen und angefangen zu weinen, vor Glück, vor Rührung, vor Anspannung, als ich einen der Freunde über Philippe sprechen hörte: wie er die ersten vorsichtigen Schritte machte … und wie dann auf einmal der Moment da war, an dem klar war, das Seil ist sicher, das Wetter ist gut, alles ist in Ordnung, und Philippe geht draußen einfach mal 45 Minuten auf einem Seil spazieren, legt sich hin, spricht mit einer Möwe, winkt den winzigkleinen Menschen weit da unten zu und weiß: Alles ist gut. Gibt es einen schöneren Anblick als jemand, der zwischen zwei Türmen entlangläuft?

Der Film macht diesen absolut einzigartigen Moment sehr greifbar, holt etwas, das vor 35 Jahren passiert ist, nochmal ganz nah heran, und obwohl man weiß, was passiert ist, schüttelt man nur staunend den Kopf über diesen Mann, der einfach etwas Einmaliges schaffen wollte. Das Staunen und die Freude mit Petit ist allerdings nicht das einzige, was der Film transportiert. Er zeigt auch, wie sehr sich die Gruppe dem Traum eines Einzelnen unterordnen musste und wie sich die Dynamik zwischen den Beteiligten ändert.

Dass der erwähnte einzigartige Moment nicht wiederholbar ist, liegt natürlich nicht nur an Petit, sondern auch an der Tatsache, dass die Zwillingstürme nicht mehr stehen. Seltsamerweise vergisst man das irgendwann; anfangs gibt es Originalmaterial von den Bauarbeiten zu sehen, und es hat sich sehr schmerzhaft angefühlt, die charakteristischen Fassadenteile zu sehen, wie sie neu und stolz in die Höhe gehievt werden, weil wir inzwischen wissen, wie sie wieder zur Erde zurückgekehrt sind. Und die Grube, in der das Fundament gelegt wird, sieht Ground Zero von 2001 gespenstisch ähnlich. Aber diese Gedanken schieben sich irgendwann in den Hinterkopf und man folgt wieder dem irrsinnigen Plan, auf dem Dach der Welt zu tanzen. Vielleicht vergisst man es auch irgendwann, weil inzwischen ein anderer Ort das Dach der Welt geworden ist. Was man aber nicht vergisst, ist der Anblick des lächelnden Mannes im Nebel, schlicht in schwarz gekleidet auf dem Seil über der Tiefe. Und seine Motivation: jeden Tag als Chance zu begreifen. Jeden Tag am Abgrund zu leben. Jeden Tag Schönheit zu schaffen. Und jeden Tag einen unvergesslichen Moment zu finden. Petit hat seinen auf dem Drahtseil gefunden. Man on Wire hat ihn mir geschenkt.

The Curious Case of Benjamin Button


© Warner Bros./Paramount Pictures

The Curious Case of Benjamin Button (Der seltsame Fall des Benjamin Button, USA 2008, 166 min)

Darsteller: Brad Pitt, Cate Blanchett, Julia Ormond, Taraji P. Henson, Jason Flemying, Mahershalalhashbaz Ali, Rampai Mohadi, Jared Harris, Tilda Swinton
Musik: Alexandre Desplat
Kamera: Claudio Miranda
Drehbuch: Eric Roth & Robin Swicord, nach einer Kurzgeschichte von F. Scott Fitzgerald
Regie: David Fincher

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The Curious Case of Benjamin Button ist gespickt mit Sätzen, die so gedrechselt sind, dass man sie sich offensichtlich merken soll. You never know what’s comin’ for ya. Some things last. Our lives are defined by opportunitites, even the ones we miss. Das Thema des Films – Vergänglichkeit, Festhalten, Dinge, die uns zustoßen und Dinge, die wir ändern können – wird einem gefühlt alle zehn Minuten nochmal unter die Nase gerieben, als ob man vergessen könnte, worum es in der Geschichte geht. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wer das vergessen könnte, der einmal dabei zugesehen hat, wie Brad Pitt jünger und Cate Blanchett gleichzeitig älter wird.

Die Kurzgeschichte von F. Scott Fitzgerald dient nur als Ausgangspunkt. In ihr wird relativ schlicht beschrieben, wie ein Baby zu Welt kommt, das aussieht wie ein 80jähriger Greis, aber dabei ein Kind ist, es optisch immer jünger, innerlich aber immer älter wird, bis es als Baby stirbt, aber sein ganzes Leben dement vergessen hat. Der Film erfindet eine Rahmenhandlung dazu, die mir zuerst ziemlich auf die Nerven gegangen ist, weil ich sie als unnötig empfunden habe, mich aber zum Schluss fast demütig im Kino hat sitzen lassen, weil auf einmal alles gepasst hat. In ihr liegt eine kaum zu erkennende Cate Blanchett in New Orleans im Sterben, und ihre Tochter (Julia Ormond) liest ihr aus einem alten Tagebuch vor: dem von Benjamin.

Sie beginnt zu lesen, und das Film verabschiedet sich vom Krankenbett und führt uns in das New Orleans der 20er Jahre, in denen Benjamin in einem Altersheim aufwächst. Sein Vater hatte ihn auf den Stufen ausgesetzt, und eine Angestellte des Heims hat ihn zu sich genommen. Hier beginnt der visuelle Kontrast, der den Film durch die Jahrzehnte hindurch auszeichnet: das ständige Aufeinanderprallen von Alt und Jung. Benjamins „Mutter“ ist anscheinend Mitte 20, und ihr „Sohn“ sitzt klein und faltig im Rollstuhl neben den anderen alten Männern und Frauen, die ihre letzten Tage gemeinsam erleben. Hier beginnt auch das erzählerische Grundmuster des Films: Die Szenen im Krankenhaus und die vorlesende Julia wechseln sich ab mit Spielszenen, in denen eine untergegangene Welt lebendig wird. Anfangs bin ich jedesmal zusammengezuckt, wenn ich aus der weichbeleuchteten Vergangenheit ins Neonlicht des Krankenhauses geholt wurde und war innerlich wütend auf Regie und Drehbuch, weil ich es mir gerade so schön gemütlich gemacht hatte mit den warmen Bildern, die wie aus einem Familienalbum aussehen, das man Sonntagnachmittag durchblättert. Aber nach und nach nähern sich die beiden Zeiten einander an, und zum Schluss war schlicht und ergreifend keine Vergangenheit mehr da, in die man zurückkehren bzw. an die man sich erinnern konnte. Stattdessen zitiert der Film zum Schluss eine Szene, die ganz am Anfang stattfand, bei der ich mich den ganzen Film lang gefragt habe, was sie sollte, bis sie mir noch einmal kurz vor Augen geführt wurde – und ich innerlich bei Regie und Drehbuch um Verzeihung gebeten habe.

Benjamin lernt mit circa zehn Jahren die gleichaltrige Daisy kennen und verliebt sich in sie. Der Film erzählt die Geschichte der beiden – wie Daisys Großmutter Benjamin anfaucht, er solle sich schämen, als sie den Greis mit ihrer kleinen Nichte des Nachts in einer Höhle aus Decken und Tischen findet. Wie sich die gut 20-Jährige dem optisch 30 älteren Mann an den Hals wirft und er sie abweist. Wie er dann in ihre noch jugendliche Welt einbricht und sie ihn wiederum abweist. Und wie sie sich schließlich in der Mitte treffen, als alles passt, als alles so sein soll. Das hätte eigentlich schon gereicht, aber leider muss der Film noch ein paar kleine Umwege machen, die ihn auf zweieinhalb Stunden Spielzeit bringen, von denen ich auf mindestens eine halbe hätte verzichten können. Vor allem die Szenen an Bord des Schleppers, auf dem Benjamin seinen ersten Job hat und mit dem er den 2. Weltkrieg miterlebt, haben den Rhythmus meiner Meinung nach unnötig gestört, einfach, weil Daisy nichts mit diesem Teil von Benjamins Leben zu tun hat. Einiges war nötig – seine ersten Erfahrungen mit Alkohol und Frauen zum Beispiel –, aber in der epischen Breite musste ich das nicht alles sehen.

Und so hat mich Benjamin Button auch erst richtig erwischt, als Daisy und Benjamin sich finden. Davor kann man schon mal die Gedanken schweifen lassen und das Make-Up bewundern, das die beiden nicht nur älter macht – das ist ja schon fast nichts Besonders mehr –, sondern auch glaubwürdig jünger. Cate Blanchett sieht in ihren Zwanzigern aus, als ob sie von innen leuchten würde, und ich glaube, gerade in dem Alter tut man das auch: Man geht die ersten Schritte in ein selbstbestimmtes Leben, verliert sein Herz zum ersten Mal so sehr, dass es nachhallt, man verdient das erste Geld, man erwacht, man wird zu dem, der man sein will. Und so sehen wir Cate auf dem Höhepunkt ihrer Schönheit, begleiten sie auf einer großen Karriere – nur um dann dabeizusein, wenn sie langsam erlischt, der Körper nicht mehr mitspielt und sich ihr Leben dem Ende zuneigt. Das ist eigentlich nicht der Rede wert, denn wir alle wissen, dass es uns genauso gehen wird. Was es so schmerzhaft macht, ist, direkt daneben ausgerechnet Brad Pitt zu sehen, dessen Schönheit bereits zu ahnen ist, wenn man ihn in der Maske des alten bzw. älteren Mannes sieht. In dem Moment, in dem er zum ersten Mal auf der Leinwand zu sehen ist in dem Alter, in dem Daisy und Benjamin füreinander bestimmt sind, strahlt er all das aus, was ihn nicht nur für Daisy so attraktiv macht: alles, was er erlebt hat, steht ihm genauso ins Gesicht geschrieben wie ihr, und deswegen ist diese kurze Zeitspanne so perfekt. Und während sie von immer mehr Leben zerfurcht wird, scheint seines ausradiert zu werden – die Falten auf der Stirn verschwinden, die Wangen werden voller, die kleine Narbe am Auge ist das einzige, was davon zeugt, dass er schon Jahrzehnte hinter sich hat. Es ist nicht nur ergreifend, dabei zuzusehen, wie sich ihrer beider Leben wieder trennen muss, sondern grausam. Wenn die alte Frau sich schließlich um das Kleinkind kümmert, das einmal ihr Liebhaber gewesen ist, zerreißt es einem fast das Herz: Er hat vergessen, während sie sich an alles erinnern muss.

The Curious Case of Benjamin Button entschädigt mit wunderbaren Schauspielern für seine kleinen Längen, er bezaubert mit einer liebevollen Ausstattung, die die Zeitsprünge klug bebildert anstatt bunte Kulisse zu sein, und er ist sich nicht zu schade, teilweise die ganz großen Gefühle auszupacken. Wie gesagt, auf die Kalendersprüche hätte ich verzichten können, denn die braucht der Film überhaupt nicht. Die Gesichter der beiden Hauptdarsteller tragen die ganze Geschichte, und viele Dialoge erzählen nur noch mal, was wir gefühlt schon begriffen haben. Dass wir alle nur eine begrenzte Zeit haben und dass wir sie so gut nutzen sollten, wie es eben geht. Und wenn wir sie auch noch teilen können, passt alles, weil alles so sein soll.

“In cyberspace, no one wants to hear you unless you scream.”

Meine Rede – ich kann’s nur nicht so schön ausdrücken. Und dann auch noch mit West-Wing-Referenz! Paul Carr vom Guardian über den angespuckten Arrington und seine persönliche Konsequenz:

„And that is precicely where the internet has a problem. What we read on the web is shaped almost entirely by what our friends recommend to us or what other people have decided is popular. And because what’s popular is meanness, that almost all that we read – page after page of cynicism, meanness, ranting and rage. Don’t believe me? My negative Second Life column attracted 42 comments. My bitchy Le Web one, 28. Last week, by contrast, I wrote about how inspired I was by Barack Obama’s inauguration. Number of comments: none. Both the Second Life and Le Web columns made it to the top of the “top technology stories of the last 24 hours” list on guardian.co.uk. I’d be surprised if the Obama column even troubled the top 50. In cyberspace, no one wants to hear you unless you scream.

Which brings me back to Arrington and my lack of surprise at the vile incident at DLD, or at some of the other hideous threats he’s received.

Having been repeatedly hailed for being a bastard and entirely ignored for being nice; having read the vile abuse aimed at Sarah and Julia and countless other women who dare to showcase their abilities online; having seen the glee with which sites like Valleywag tear apart the personal lives of internet personalities – and having seen no popular positive counterbalance to any of it – I am absolutely unsurprised that the hate has finally spilled over into real life.

You simply can’t have a system which rewards nastiness over niceness and which offers no consequences for those who commit cowardly anonymous attacks and then act surprised when people don’t know where to draw the line. And if it carries on, someone is going to get seriously hurt, unless we all say – as Arrington has on Techcrunch today – enough is enough.“

Vielen Dank an Daniela für Krabat. Unsere Kunstlehrerin, die auch meine Deutschlehrerin war, hat uns in der 5. oder 6. Klasse beim Zeichnen das gesamte Buch vorgelesen, was für mich eine der schönsten Schulzeiterinnerungen ist. Daher habe ich mich auch komplett um den Film im letzten Jahr rumgedrückt, aber endlich das Buch auf den Wunschzettel gepackt. Und jetzt lese ich es zum ersten Mal selber. Nochmals ein ganz herzliches Dankeschön.

Putzhilfe mit Rädern unten dran

Vor Kurzem gab’s ein grandioses Geschenk des Hausherren: einen sauberen Fußboden. Da wir beide zu paranoid für eine menschliche Putzhilfe sind („Jemand in unsere Wohnung lassen? Geht’s noch?“) und wir ebenfalls beide keine Lust zum Staubsaugen haben, hat sich der schlaue Kerl mal im Internet umgeguckt – und wurde fündig. Bei iRobot, einer Firma, die wir nicht nur wegen des Namens lieben, sondern wegen ihres Produkts: dem Roomba.

Der Roomba ist ein kleiner, runder Roboter, der nichts anderes macht als staubzusaugen. Er läuft auf kleinen Legorädern durch die Gegend, saust unterm Sofa durch und wuselt sich so von Zimmer zu Zimmer. Er erkennt Hindernisse, die vor ihm auftauchen und bremst vorsichtig ab. Meistens jedenfalls. Manchmal glaube ich, er ist geistig kurz woanders und denkt an die Robotertante aus der Saturn-Werbung, denn dann rumpelt er so richtig schön an Tischbeine ran. Da er aber aus knuffigem Weichplastik besteht, hinterlässt er immerhin keine Kratzer. Man kann ihn auf der Stelle saugen lassen; dann dreht er sich im Kreis und fährt schließlich in immer größeren Kreisen weiter, bis er lustig piepsend verkündet: reicht jetzt, ist sauber. Das ist es zwar manchmal dann doch noch nicht, aber blöderweise habe ich mich auf Anhieb in das kleine Monster verliebt und verzeihe ihm, wenn er in fiesen Ecken oder vor kleinen Stufen den Staub anhäuft anstatt ihn wegzusaugen.

In manche Ecken unserer verschachtelten Altbauwohnung kommt er eh nicht hin, da müssen wir wohl oder übel noch selber saugen. Aber das dauert dann eben nur zehn Minuten und keine Stunde. Außerdem ist es herrlich entspannend, dem kleinen Plastiktrottel schadenfroh dabei zuzugucken, wie er versucht, unter dem Esstisch mit den vier Stühlen durchzukommen, wo sich ihm insgesamt 20 Holzbeine in den Weg stellen. Das ist dann auch der einzige echte Nachteil von Robotron, wie wir ihn getauft haben: Man muss seine Wohnung vor dem Saugen robotersicher machen. Heißt: die Möbel so hinstellen, dass er überall rankommt – was okay ist, weil bis auf den Esstisch eh alles recht weitläufig steht. Heißt aber auch: das fitzeldünne Wii-Kabel nicht auf dem Boden liegen lassen, denn das wickelt sich ruckzuck um seine Rädchen, er fährt nur noch im Kreis und wickelt sich und das Kabel dabei um das Bein vom Schreibtisch, um dann schließlich die komplette Wii vom Tisch runterzureißen, weil das Kabel irgendwann ein Ende hat. Hab ich einmal hingekriegt; seitdem räume ich alles weg, an was der Depp hängenbleiben könnte.

Man entdeckt allerdings immer wieder neues Zeug, mit dem er Blödsinn macht, weswegen ich ihn wahrscheinlich so knuffig finde. Es ist, als ob man einem Kleinkind dabei zuguckt, seine Welt zu entdecken. Okay, einem brummenden Kleinkind auf Rädern, aber egal. Jedenfalls hat Robotron es geschafft, meine Bodenlampe zum Leuchten zu bringen, indem er über den auf dem Boden liegenden Schalter gefahren ist. Und er kann im Vorbeifahren meinen Ventilator einschalten, der auch auf dem Boden steht. Wenn so was passiert, grinse ich mütterlich und schubse den kleinen Idioten in eine andere Richtung, wo er klaglos weiter vor sich hinbrummt.

Seit gestern liebe ich ihn noch mehr. Das Haus, in dem sich unsere Wohnung befindet, ist in den 20er Jahren erbaut und der Holzfußboden seitdem weißdergeier wie oft abgeschliffen worden. Jedenfalls befindet sich zwischen dem Fußboden und den hölzernen Fenster- und Türeinfassungen ein fast zentimetergroßer Spalt. Robotron arbeitet unter anderem mit einem rotierenden Bürstchen, mit dem er an Kanten langfährt und sich so quasi den Staub vor die eigene Nase schleudert. Und gestern schleuderte er im Schlafzimmer noch etwas anderes unter dem Türrahmen hervor: einen ziemlich rostigen Reichspfennig von 1921. Meine erste Reaktion: Oh, toll, Historie! Meine zweite: HIER WURDE SEIT 1921 NICHT MEHR GESAUGT!

PS: Roomba ist auch für Tierfreunde geeignet.

Entourage

Ich stelle gerade mit Entsetzen fest, dass ich noch nie meine Liebe zu Entourage im Blog festgehalten habe – bis auf den kleinen musikalischen Einwurf hier. Die Serie geht demnächst in die 6. Staffel, und die ersten vier sind bereits auf DVD zu haben.

Entourage beruht ein bisschen auf den Erfahrungen Mark Wahlbergs, als er nach Hollywood kam; genau wie der fiktive Star Vincent Chase in der Serie hat auch Wahlberg seine Kumpels, seine Entourage eben, aus der Bostoner Heimat mitgebracht. Hier sind es Johnny Drama, Vincents Bruder und eher erfolgloser Schauspieler, Turtle, der sich als der Fahrer der Gang selbstbeschäftigt, und Eric, genannt E, der im Laufe der Serie Vincents Manager wird. Zu den vier eingeschworenen Freunden kommt noch mein persönlicher Liebling und Augenschmaus Jeremy Piven als Agent Ari Gold, dessen Rolle sich daran erschöpft, zu enge Anzüge zu tragen, seinen schwulen Assistenten zu beleidigen und in seinen Blackberry zu brüllen – das ganze aber so großartig, dass mir die anderen Jungs ziemlich egal sind. Einen seiner vielen rausgehauenen Sätze – “Hug it out, bitches!” – müssen sich angeblich inzwischen alle Emsemble-Mitglieder dauernd von ihren Fans anhören.

Die Serie beschäftigt sich mit dem Werdegang von Vince, aber auch den Karrieren der Freunde, und natürlich mit dem durchgeknallten Kosmos Hollywood und Los Angeles. Das Besondere an der Serie ist erstens, dass sie in den USA auf HBO läuft, was bedeutet: es wird geflucht, was das Zeug hält, und es gibt in so ziemlich jeder Folge nackte Haut zu sehen. Zweitens gibt es großartige Gastauftritte von – im Gegensatz zu Vince – „echten“ Hollywoodstars, die teilweise Rollen spielen, sich teilweise aber auch selbst darstellen. Und das gerne mal richtig gegen den Strich gebürstet. Das kennt man inzwischen auch aus Extras, aber Entourage war ein bisschen früher mit der Idee dran, und deswegen hat die Serie einen etwas größeren Platz in meinem Herzen. Und drittens spielen die meisten Szenen nicht in einem abgeschotteten Studio, sondern an den jeweiligen Originalschauplätzen, weswegen man die Jungs auch mal bei den Lakers sieht oder beim U2-Konzert.

Die Episoden sind leider jeweils nur gut 20 Minuten lang, weswegen das Tempo immer schön hochgehalten wird, was den Storylines stets sehr gut tut. Denn während sich andere Dramen mit Weltpolitik befassen oder große Beziehungskisten erklären, beschäftigen sich die Kerle in Entourage eben lieber mit Mädels, kiffen oder Drehbücher querlesen. Hört sich erstmal nach nix an, macht aber nach drei Folgen extrem süchtig. Absolute Empfehlung.

Mamma Mia!

Ein Film, der eigentlich gar kein Film ist, sondern ein Mitschnitt einer Party im Urlaub, mit bunten Cocktails, den besten Freunden, viel Musik, Geknutsche am Strand und so dermaßen viel guter Laune, dass man sich nach dem Film fühlt, als hätte man in Alkopops gebadet. Mamma Mia! ist die Zelluloidversion des Erfolgsmusicals von Abba, und der Funke der blödsinnigen Seligkeit springt sogar von der DVD im Macbook mit seinen schraddeligen Lautsprechern über, so gut ist er gemacht. Ich sitze jedenfalls selten beim Filmgucken auf dem Sofa vor dem Computer und gröle lauthals Does your mother know vor mich hin. Diesmal schon. Das liegt zum einen an den Liedern, die man eben auch nach 30 Jahren noch hören kann, zum anderen an der extrem gutgelaunten Farbigkeit des Films, die einen erschlägt mit ihrem sonnigen Türkis und Blau und Glitzergold. Und natürlich ist Mamma Mia! teilweise absoluter camp, zum Beispiel wenn bei der Junggesellenparty die Kerle in Schwimmflossen auf dem Bootssteg tanzen oder wenn bei Dancing Queen die gesamte weibliche Bevölkerung der griechischen Fantasieinsel, auf der die Geschichte spielt, singend durchs Dorf rennt.

So hat sich auch schon die Bühnenversion angefühlt – aber der Film setzt dem ganzen noch eins drauf. Denn diesmal haben wir keine Musicaldarsteller vor uns, die überzogen agieren müssen, damit auch die letzte Reihe alles mitkriegt, sondern Schauspieler. Und die locken aus den Liedzeilen die echten Gefühle und eben nicht die überzogenen. Ich wette, jeder von uns hat ein Lied, das ihm wahrer erscheint als jedes Gedicht, jeder große Roman; ein Lied, das immer passt und immer tröstet und immer alles auf den Punkt bringt. So fühlen sich auf einmal die bunten Abba-Songs an, wie echte Sätze, wie gute Dialoge. Und wenn Meryl Streep The winner takes it all singt, bricht einem fast das Herz dabei, soviel Gefühl liegt plötzlich in dem Schmachtfetzen. Mamma Mia! hat kein Problem damit, kompletter Blödsinn zu sein. Aber man merkt ihm an, dass jeder der Beteiligten nicht einfach nur eine Party feiern, sondern eine Geschichte erzählen wollte: eine Geschichte von Freundschaft, Familie, Verantwortung, Erwachsenwerden. Das geht auf der Bühne leider verloren. Aber auf der Leinwand funktioniert es ganz hervorragend.

W.

Ein belangloses filmisches Nachtreten auf Expräsident George W. Bush. Ich hatte kein Problem mit den Vignetten, in denen die Geschichte erzählt wird, ich hatte auch kein Problem damit, dass man ständig in der Zeit vor- und zurückspringt. Womit ich allerdings ein Problem hatte – und deswegen habe ich dem Film nach einer Stunde auch adieu gesagt –, war die unglaublich langweilige Art, diese Vignetten zu präsentieren.

Besonders die Szenen im Weißen Haus, im Situation Room, im Oval Office, wo sich sonst gute Schauspieler bemühen, Rollen zu spielen von Menschen, die wir gerade noch täglich in den Nachrichten gesehen haben, sahen eher nach Kaspertheater aus als wie eine mitreißende Story. Und die hätte es doch gegeben: Die Biografie von Bush gibt so viel her – der verzogene Schnösel, der zunächst dem Alkohol und dann Gott zuspricht, die ewige Suche nach sich selbst, der überraschende Wahlsieg, der Typ von nebenan, der mal eben Präsident wird, ohne zu wissen, warum … das hätte sich kein Drehbuchautor besser ausdenken können.

Vielleicht hätte Regisseur Oliver Stone, anstatt Bush auf seinen letzten Tagen mit diesem Schnarchfilm noch einen reinzuwürgen, zehn Jahre warten sollen. Dann wären die Bilder und die Biografie uns nicht mehr ganz so präsent gewesen und der Filminhalt deshalb vielleicht weniger langweilig. So aber habe ich mich die ganze Zeit gefragt, was der Streifen eigentlich soll, an wen er sich richtet und was er mir sagen will. Dass Bush nicht unbedingt der klügste Präsident ist/war, hab ich mitgekriegt; warum soll ich mir die gleichen Peinlichkeiten und Patzer nochmal mit Josh Brolin angucken?