Was schön war, 2012 bis 2020 – Vom Ersti zur Diss

Vorgestern machte ich aus meinen Dokumenten mehrere PDFs und legte sie in den Ordner „Diss für Druck“. Direkt danach lehnte ich mich im Schreibtischstuhl zurück und fing an zu weinen, keine Ahnung warum. Schlussspurt-Übermüdung, traurige Erleichterung (jetzt isses geschafft, yay! Oh noes, jetzt ist es geschafft, nay!), das Gefühl eines Meilensteins und gleichzeitig die Hilflosigkeit des „Und was jetzt?“

Gestern stellte ich mir keinen Wecker, war aber zu früh wach für den Copyshop und guckte idiotischerweise nochmal über das Dokument, wobei mir natürlich im Inhaltsverzeichnis noch ein Fehler auffiel, den ich dann lieber auch nochmal im ganzen Dokument gegencheckte (Danke, „Suchen“ bei Word) und ein-, zweimal korrigierte, woraufhin ich das Text-Dok und das Inhaltsverzeichnis-Dok nochmal als PDF erstellen und nochmal in den Ordner packen musste.

Mit vier Einzeldokumenten auf dem USB-Stick (einmal Farbe, dreimal Schwarzweiß) radelte ich zum Copyshop, wo man mir sagte, dass über 500 Seiten, auch teilweise beidseitig ausgedruckt, zuviele seien, das könne man nicht mehr vernünftig binden. Daraufhin radelte ich wieder nach Hause, machte aus allem zwei Bände, fasste dementsprechend erneut das Inhaltsverzeichnis an (Band I/II, Band II/II), bastelte für Band II ein huschiges Titelblatt und radelte wieder zurück. Dann wurde gedruckt und gebunden und dann sah das ganze so aus:

Drei Exemplare kriegt die Uni, eins meine Mama, die es vermutlich neben meine Masterarbeit ins Regal stellen wird, falls das Ding überhaupt stehen kann.

Seit Monaten habe ich von meinen wenigen Online-Bestellungen die Kartons aufgehoben, weil ich wusste, dass ich einen brauchen werde, aber die waren alle zu klein. War ja klar. Deswegen zerschnitt ich den Kopierpapierkarton, den mir der Copyshop zum Transport mitgegeben hatte, füllte den Zentimeter bis zum ebenfalls mitgegebenen Deckel mit Dämmmaterial von Xocolat auf, verklebte ihn, damit er einen Atomkrieg (oder DHL) übersteht und werde ihn heute zur Post tragen, denn ins Prüfungsamt darf man wegen Corona immer noch nicht persönlich.

In diesem Copyshop habe ich übrigens meine Bachelor-, meine Masterarbeit und nun die Diss ausdrucken lassen. Fand ich schön.

Ich hatte unterschätzt, wieviel Papier ich produziert habe. Ich ließ alles bis auf die Abbildungen beidseitig drucken, aber 356 Seiten reiner Text plus 100 Seiten Bilder plus 17 Seiten Ausstellungsverzeichnis plus 40 Seiten Werkverzeichnis sind dann auch eine Ansage. Ich kannte das gute Stück bisher ja nur als niedliche Datei auf dem Rechner. Jetzt ist es eben ein Klotz und fühlt sich ziemlich beeindruckend an. Wenn mir demnächst langweilig wird, formatiere ich das mal auf Normseiten um.

Abends wider besseres Wissen in ein Exemplar reingeblättert und gemerkt, dass mir beim „Band I/II“-etc-Einfügen eine Zeile doof umgebrochen ist. Zu müde gewesen, um mich darüber zu ärgern. Traue mich jetzt nicht, den Layout-Snafu in der Datei auszubessern, die meine Prüfer*innen heute kriegen, denn das ist dann ja nicht mehr das Dokument, was im Prüfungsamt landet.

Gestern meinte jemand auf Twitter, dass ich doch gerade erst meine aufgeregten Ersti-Tweets abgesetzt hätte. Genauso fühlt sich das für mich auch an. Das war aber schon 2012, ich vergesse das auch dauernd.

Die kleine Sache, dir mir am Wochenende noch eingefallen ist, hat sich übrigens erledigt, danke, blitzschneller Campus-Lieferdienst fürs Nachgucken in einem Buch, an das ich gerade nicht rankomme, alles richtig gemacht mit dem Ausdrucken. Zu dieser Sache ein kleiner Lesetipp nebenbei. Man lernt nie aus. (Ach was. ACH WAS?!?)

Über diesen Tweet habe ich mich auch sehr gefreut.

Zum ersten Mal seit acht Jahren weiß ich nicht, was ich jetzt machen soll.

Tagebuch Sonntag, 28. Juni 2020 – Zwei Drittel des Doktorhuts sind erarbeitet

Tagebuch Samstag, 27. Juni 2020 – Zehn Stunden, 96 Seiten

Textteil steht. Noch drei Seiten rausgekürzt, alles nochmal versucht so zu lesen, als hätte ich keine Ahnung. Ich weiß nicht, ob das gelungen ist, aber ich bin zufrieden mit dem Ding. Eine Sache, die ich noch nachgucken könnte, ist mir noch eingefallen, aber „nachgucken“ ist schwierig, wenn man zwei Wochen Vorlauf für einen Platz in der Bibliothek hat. Also gebe ich ab, gucke dann nach, werde mich möglicherweise ärgern, aber die neue winzige Erkenntnis in die zu veröffentlichende Version der Diss reinkorrigieren. Oder ich gucke nach, ärgere mich nicht und alles ist gut.

Heute nochmal Inhaltsverzeichnis lesen, Abbildungsverzeichnis lesen, Abbildungen überfliegen, Literaturverzeichnis lesen, aus allem ein pdf machen und dann bin ich durch.

Tagebuch Freitag, 26. Juni 2020 – Elf Stunden, 111 Seiten

(Dieses verdammte 1936er-Kapitel.)

Steht alles in der Überschrift. Zwischendurch ein Curry gekocht MIT ALLEM. Alle Zutaten im Haus gehabt, sogar Thai-Basilikum.

Außerdem die kleine Bürste aus dem Keller geholt, die ich sonst dazu benutze, Farbreste unter den Fingernägeln rauszuwaschen, wenn ich Zimmer streiche. Anhand eines interessanten Selbstversuchs weiß ich jetzt: Die ist für Kochen mit vielen Chilischoten auch äußerst sinnvoll.

Tagebuch Donnerstag, 25. Juni 2020 – Zehn Stunden, 152 Seiten

Mehr ging gestern nicht zum Korrekturlesen, irgendwann war mein Hirn bockig. Immerhin: Bis Anfang 1936 gekommen. Gefühlt habe ich diesen Satz schon achtmal geschrieben, ich habe die Korrekturgänge leider nicht mitgezählt.

Normalerweise drucke ich meine Texte zum letzten Korrekturgang aus, denn auf Papier sehe ich mehr als auf dem Display. Bei 60 Seiten Masterarbeit war das kein Ding, beim derzeitigen Stand von 358 Seiten (ich kürze immer noch) habe ich darauf schlicht keine Lust. Also korrigiere ich am nächstbesten Dingsi: einem schicken pdf, in dem die Fußnoten keine 10 Punkt mehr klein sind. Was da noch an komischen Fehlern rumliegt!

Den Rest der Diss korrigiere ich heute und morgen, dann schlafe ich den ganzen Sonntag, dann kümmere ich mich nächste Woche um Druck und Abgabe und dann bin ich selbst sehr gespannt darauf, über was ich dann hier überhaupt schreiben soll, wenn mein Thema der letzten drei Jahre wegbricht. Vielleicht Balkontomaten oder Schüsselkauf im Asiashop, jetzt wo ich Udonsuppen in Pastateller füllen muss, ich Barbarin.

Was schön war, Freitag bis Mittwoch, 19. bis 24. Juni 2020 – Zweiter Archivendspurt

Freitag: letzte Fußnoten in der Bibliothek des Deutschen Museums erledigen. Danach bekam ich von einer Blogleserin eine top-exklusive Privatführung durch das Magazin der Bib (danke!) und durfte im Rara-Lesesaal ein paar alte und tolle Bücher anschauen, zu denen mir der Leiter der Bibliothek etwas erzählte. Beim Bild einer 20 Zentimeter großen Vogelspinne, die einen Kolibri frisst, in Maria Sibylla Merians Der Raupen wunderbare Verwandelung und sonderbare Blumennahrung (die Ausgabe im Deutschen Museum ist von 1719) habe ich memmig weggeguckt, wo Merian lustig kupferstichte. In einem Buch von Alexander von Humbold bewunderte ich die clevere Zeichnung eines Berges, in den Pflanzen eingeschrieben wurden, je nach Höhenlage. An der Legende an der Seite entdeckte ich „Caffé“ und „Kartoffeln“, aber dann ging’s schon weiter. Mit dem Buch wäre ich gerne noch ein bisschen alleine geblieben. Es gab eine Enzyklopädie, die vor der Diderots erschien, ein Buch mit Abbildungen der Mondoberfläche und den Rest habe ich schon wieder vergessen, aber es war großartig, diesen Schätzen so nahe kommen zu können. Theoretisch könntet ihr das auch, aber jetzt gerade nicht. (Die SITUATION!)

Im Magazin lernte ich, dass die Erwerbungen hier nicht nach Sachgebiet stehen, sondern nach dem Jahr des Eingangs. Daraufhin wollte ich dringend irgendwas zwischen 1933 und 1945 sehen, guckte mich kurz 1939 (?) fest und sah als erstes komplette Jahrgänge einer Zeitschrift, die wir im ZI nur als Rara-Bestand haben, die ich aber hier anscheinend innerhalb von einer Stunde auf dem Tisch gehabt hätte. Ich unterschätze diese Bibliothek ganz ungemein. Macht nicht denselben Fehler wie ich! Gleich mal eine Lesekarte holen! Kostet nix! Ich lernte nämlich auch, dass die Bibliothek von Anfang an beim Museum mitgedacht wurde: Wer im Museum noch Fragen hatte, sollte einfach nach nebenan gehen und sich ein Buch aus dem Regal ziehen können. Deswegen ist die Bib auch öffentlich und am Wochenende geöffnet, genau wie das Museum. Bei mir hatte die Bibliothek schon gewonnen, als ich sah, dass Scans nichts kosten. Dafür gibt so so gut wie keine Steckdosen, aber irgendwas ist ja immer.

Samstag. Kopf ausgemacht, Curry gekocht, mich über den Klassenerhalt von Augsburg gefreut. Mich von der langen letzten Woche ausgeruht. Konnte mich nicht auf den Bachmannpreis konzentrieren, der mir im letzten Jahr so viel Freude gemacht hatte. Nur eine Lesung und eine Jurybesprechung nachgeholt und einen der neuen Juroren gleich mal backpfeifen gewollt.

Sonntag. Kopf wieder angemacht und das Abbildungsverzeichnis runtergerockt. Jetzt aber wirklich. Dabei natürlich noch einen Fehler gefunden – irgendwie in den 60er-Nummern verzählt, woraufhin ich 140 Folgenummern in Diss und Verzeichnis ändern musste. Zum ersten Mal kapiert, warum mir alle Leute gesagt haben: Automatisier das! Mach nicht deine übliche Handarbeit. Ihr hattet alle recht, und beim nächsten langen Text höre ich auf euch.

Montag. Endlich war mein im Mai beantragter Perso in München angekommen, was ich online jeden Tag hektisch abgefragt hatte, denn das Prüfungsamt hätte gerne eine Kopie desselben. Die Frist zur Anmeldung zur Promotionsprüfung geht bis heute; notfalls hätte ich meinen ungültigen Ausweis kopiert, den Abholschein der Stadt und das Schreiben der Personalausweisbehörde, das mir PIN und PUK mitteilte und das sinngemäß begann: „Ihr neuer Perso wird gerade hergestellt“, um irgendwie zu vermitteln: Ich habe theoretisch einen Ausweis, nur jetzt noch nicht! Das war netterweise nicht nötig.

Ich radelte zum online vereinbarten Termin bei Kreisverwaltungsreferat, wartete fünf Minuten, wurde aufgerufen und gab am Schalter meinen alten Perso und den Abholschein ab – beides vorher nicht kopiert, wozu auch, ich krieg ja jetzt meinen neuen Ausweis. Oder auch nicht. Jedenfalls vorerst nicht.

„Wurden Sie von uns über irgendwelche Probleme benachrichtigt?“ Nö. „Haben Sie das Schreiben der Personalausweisbehörde bekommen?“ Jepp. „Hm.“ *schwitz* „Ich komme gleich wieder, ich muss da was klären.“ Ich ergab mich meinem Schicksal, die Diss erst im Oktober abzugeben, wurde dann aber in ein Büro gerufen, wo man mich darüber aufklärte, dass meine Unterschrift nicht fälschungssicher sei und dass ich dafür etwas unterschreiben müsste, dass ich darüber aufgeklärt wurde. Ich fragte lieber nach, ob ich mit meinem nicht fälschungssicheren Schnörkel unterschreiben sollte oder in Schönschrift, aber ich durfte schnörkeln und dann hatte ich einen neuen Ausweis, der an Papas 92. Geburtstag auslaufen wird.

Nachmittags durfte ich dann ins Depot der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Diese Story wird mir bis an mein Lebensende peinlich sein: Ich hatte im Lenbachhaus und den Staatsgemäldesammlungen um farbige Abbildungen von einigen Werken Protzens gebeten, die die beiden Häuser besitzen. Das Lenbachhaus schickte nur eine Mail zurück, dass sie gerade unterbesetzt sind, dauert, aber ich ahne, dass da eh nichts Farbiges zu holen sein wird (mir ging’s auch nur um zwei Werke, eins kenne ich nicht, ist aber nicht so wichtig, das andere ist eine Autobahn, die habe ich nur in schwarzweiß). Die Staatsgemäldesammlungen mailten irre schnell zurück: Sie hätten nur eine farbige Aufnahme, immerhin die Autobahn, aber die hängt ja für mich zugänglich in Saal 13. Die ist auch die Autobahn, von der ich am meisten Abbildungen gefunden habe, daher hatte ich da sogar eine farbige Aufnahme. Man fragte mich, ob ich die Schwarzweißfotos von den anderen Werken haben wollte, würde aber ungefähr acht Wochen dauern, was ich verneinte.

Und dann kam abends noch eine weitere Mail vom Sammlungsleiter für die Klassische Moderne, der meinte, bei entsprechenden Vorlauf hätte ich mir natürlich auch die Originale im Depot angucken können. Ich las und versank vor Scham im Boden, denn das hatte ich natürlich vor ungefähr zwei Jahren im Hinterkopf – und es dann einfach irgendwann vergessen. Ich schrieb eine launige Mail zurück von wegen Diss-Stress und egal, schlief schlecht, schrieb am nächsten Morgen noch eine Mail und bat piepsig darum, vielleicht folgende zehn oder so Werke angucken zu können von den ca. 100, die die Staatsgemäldesammlungen besitzen und ergab mich in mein Schicksal, die Diss erst im Oktober abzugeben. Die meisten von Protzens Werken sind an Behörden oder ähnliches verliehen, so ein schönes Bergpanorama macht sich in bayerischen Ministerien schließlich immer gut. Aber fünf Werke wären zugänglich – nächsten Montag vielleicht? Wo-hoo!

Ich lernte einen freundlichen wissenschaftlichen Mitarbeiter kennen, der mir über sein Forschungsgebiet was erzählte und mich Dinge fragte, die wirklich alle fragen, wenn sie das Stichwort „Autobahnmalerei“ hören. Merke ich mir für die Veröffentlichung. Ein ebenso freundlicher weiterer Mitarbeiter ließ uns ins Depot, wo ich fünf Originale ansehen konnte – ein Werk, das mir angekündigt wurde, war nicht dabei, aber dafür ein anderes, nehme ich auch. Das ist dann auch das letzte Werk, das ich von meinem Maler, wie ich ihn inzwischen zärtlich nenne, in der Diss abbilden werde; das freut mich, dass ich einen bunten Abschluss habe.

Dienstag. Mit Maske und Handschuhen im Stadtarchiv die nun wirklich allerletzten Fußnoten nochmal abchecken, bei denen ich mir unsicher war. Das ging schneller als gedacht, das war fast ein bisschen schade. Danach radelte ich zur Post und gab meine Prüfungsanmeldung per Einschreiben auf. Als Belohnung radelte ich zum Asiashop und kaufte den dortigen Kühlraum leer, um Tom Kha Gai zu kochen und mich den ganzen Tag darüber zu freuen, Chilis essen zu können, ohne umzufallen.

Abends sah ich F. endlich mal wieder, er hatte einen winzigen Teil der Diss für mich korrekturgelesen, und ich fügte brav fast alles ein, was dem Mann aufgefallen war. Gemeinsam eingeschlafen.

Gestern war dann der letzte Termin: In der Bibliothek der Pinakotheken wollte ich die Kopie des Werkverzeichnisses von Protzen einsehen, von der ich einen Scan besaß. Ein paar Dinge konnte ich dort nicht gut lesen, ahnte schon, dass das in der Kopie nicht anders sein würde, aber im Gegensatz zu den Werken wollte ich mir hier nicht nachsagen lassen, hättenSe mal bei uns nachgefragt. Wie erwartet war die Kopie nicht aufschlussreicher als mein Scan, aber gut. Interessiert stellte ich außerdem fest, dass im winzigen schriftlichen Bestand zu Protzen, der dort verwahrt wird, ein Ausdruck dieses Blogeintrags vom März 2018 von mir lag, in dem ich sehr grob beschreibe, was alles im Nachlass liegt. Darüber musste ich sehr lachen, auch wenn mir der Besuch sonst nichts brachte. Außer dass ich mal in der Bibliothek der Pinakotheken war. Das ist ja auch was.

Im Laufe des Tages machte ich dann aus meinen ganzen Einzeldokumenten mehrere große. 359 Seiten reiner Text. 39 Seiten Literatur- und Archivangaben. 94 Seiten Abbildungen. 1884 Fußnoten. Einmal lese ich das noch durch und dann lasse ich es los.

Tom Kha Gai

Aww, mein erstes thailändisches Rezept nach der irgendwie hingewürgten Currypaste. Dieses Mal auch mit allen Zutaten, die das Rezept wollte, ha! Okay, fast.

Auf meinem Einkaufszettel standen eigentlich frische Limettenblätter, aber bei denen war ich mir nicht sicher, ob sie der Asiashop bei mir um die Ecke hatte. Dort gibt es einen kleinen Kühlraum, in dem kistenweise Gemüse und Kräuter liegen (und Udon-Nudeln, die total ungeplant in meinem Rucksack landeten, keine Ahnung, wie das passieren konnte), und in dem fand ich keine frischen Blätter, sondern Grünzeug, das ich nicht zuordnen konnte, weder vom deutschsprachigen Regalschild noch vom englischsprachigen Aufdruck auf den durchsichtigen Tüten. Und von der Optik schon gar nicht, weil ich bis auf Koriander nichts aus der thailändischen Küche wiedererkenne. Also kaufte ich, was ging und bestaunte zuhause meine Schätze.

Dann ging es ans wirklich einfache Zubereiten. Von Masterchef Australia hatte ich gelernt, auf dem Zitronengras mit dem Messerrücken rumzuklopfen, um die Aromen freizusetzen, und fühlte mich sehr professionell. Für alles andere schaute ich erstmal ein Video. Vor ein paar Tagen fragte ich auf Twitter nach Tipps für thailändische Küche, und die Bücher und YouTube-Filme von Pailin Chongchitnant wurden mehrfach erwähnt. Also guckte ich ihr erstmal zu, wie sie Suppe zubereitete und lernte, dass die ganzen Kräuter und Gewürze nicht mitgegessen werden. YouTube-Uni wirkt!

Das Tollste an dem ganzen Ding war, an der frisch aufgeschnittenen Galangal-Wurzel zu schnuppern (wie Ingwer, nur nicht so aggro) sowie erstaunt festzustellen, dass einem ein irrer Limettenduft entgegenkommt, wenn man nur die Tüte der getrockneten Blätter öffnet (eat this, schnarchige Lorbeerblätter). Diese Zutat werde ich dringend nochmal benutzen müssen. Vielleicht mache ich die Currypaste nochmal, jetzt habe ich ja alles im Haus. (Auch Thai-Basilikum, siehe Bild oben!)

Für zwei bis drei Tellerchen.

1 Dose Kokosmilch (400 ml) mit
125 ml Hühnerbrühe zum Kochen bringen. Darin befinden sich
1 Stange Zitronengras, in grobe Stücke geschnitten,
1 daumengroßes Stück Galgant, in Scheibchen,
3 Korianderwurzeln, grob gehackt,
4 Bird’s-Eye-Chilis, sehr grob gehackt oder wenigstens aufgebrochen, und
4 Kaffirlimettenblätter. Mit
3 EL Fischsauce würzen und alles zehn Minuten köcheln lassen. Von Pailin im Video gelernt: Getrocknete Blätter gehen auch, dann eben mehr nehmen. Hab ich gemacht. (PS: Der Name Kaffirlimette ist zu recht nicht unumstritten. Ich kann auch mit Thai-Limette gut leben.)

Nach den zehn Minuten die ganzen Gewürze rausfischen (oder gleich in einem Teesieb mitsimmern lassen).
100 g Champignons (oder Austernpilze), mundgerecht zerteilt, in die Suppe geben und fünf Minuten mitköcheln lassen.

Danach
200 g Hähnchenfleisch, bei mir Filet, mundgerecht zerteilt, dazugeben. Kochen, bis das Fleisch durch, aber noch saftig ist, das sind nur wenige Minuten. Mit
3 EL Limettensaft,
1 TL Palmzucker (bei mir brauner Zucker) und notfalls noch mehr Fischsauce abschmecken. Mit Koriandergrün und Chili-Ringen servieren. Pailin meint im Video, dass man die Gewürze auch drinlassen kann, dann sollte man den Gästen aber sagen, dass der ganze Kram nicht mitgegessen wird. Ich fische das lieber vorher raus, aber das Süppchen sieht natürlich schicker aus, wenn mehr Zeug drin ist.

Ich fand die ganz leichte Schärfe der Suppe hervorragend. Sie ist alles andere als brennend, sondern eher frisch. Die Lippen zwirbeln nach der Suppe noch etwas, aber für mich unterstützte die Schärfe alles andere anstatt es zuzuballern. Wenn man die Deko-Chilis mitisst, ist das allerdings ein anderer Schnack. (Ging auch!)

Aus dem Asiashop habe ich mir auch eine andere Fischsauce mitgebracht als meine bisherige aus dem Supermarkt. Ich behaupte, auch sie (angeblich aus Thailand importiert) schmeckt frischer und weniger streng als meine alte. Duftet auch deutlich angenehmer. Überhaupt, der Duft von allem! Ich komme gerade überhaupt nicht damit klar, wie anders meine Küche riecht. Ganz wundervoll.

Eventuell thailändische Panang-Currypaste

Ich koche jetzt seit gut zehn Jahren. Davor konnte ich Bratkartoffeln und Spaghetti, inzwischen ist das Repertoire etwas größer und vielfältiger geworden. Relativ früh auf meiner Entdeckungsreise stieß ich auf Ottolenghi und war daher lange der Meinung, seine Küche – also die Ecke Libanon und Israel – wäre genau meine. Mit asiatischer Küche – um mal einen ganzen Kontinent unfair in einen, haha, Topf zu werfen – fremdelte ich etwas, keine Ahnung warum. Meine Eindrücke waren: alles zu scharf und viel zu kompliziert. Obwohl ich bei meiner einzigen Asienreise nach China Ende der 1990er-Jahre alles fantastisch fand, was ich aß. Komischerweise dauerte es bis zur diesjährigen Masterchef-Australia-Staffel, bis mich ein Gericht dazu verführte, lustige Zutaten zu kaufen, die ich bisher noch nie verwendet hatte. Seitdem werfe ich dauernd Chili-Öl in Dinge und möchte ganz dringend weitere unbekannte oder von mir bisher wenig genutzte Lebensmittel kaufen, vor allem weil meine Küche auf einmal ganz anders duftet als bei Ottolenghi-Rezepten (oder Bratkartoffeln. Nichts gegen Bratkartoffeln!). Und als letzte oder vorletzte Woche ein Curry hergestellt wurde, wollte ich auf einmal eine Paste selbst zubereiten anstatt wie sonst das Supermarkt-Gläschen aufzuschrauben. Ich ahne, dass diese Fertigpasten jetzt für mich Geschichte sind, auch wenn ich nicht alle untenstehenden Zutaten bekommen habe. Das war schon unverarbeitet im Zerkleinerer alles so frisch und aromatisch, dass ich es eigentlich nur riechen und bewundern wollte. Ist dann aber doch in der Pfanne gelandet. Memo to me: brauche jetzt einen Wok.

Das Rezept ist wie erwähnt von Masterchef Australia (Seite vermutlich nur per VPN erreichbar). Der kochende Herr warf Aubergine und Kürbis in den Topf, bei mir waren es Tofu, Bohnen, Brokkoli und Zucchini.

Für zwei gute Portionen

8 lange rote Chilischoten, grob gehackt,
2 Birds-Eye-Chilis,
1/2 TL gemahlenen Kreuzkümmel,
1 TL gemahlenen Koriander,
1 Stange Zitronengras, grob gehackt,
1 daumengroßes Stück Ingwer, grob gehackt,
die Schale einer Thailimette (bei mir eine gewöhnliche Limette),
2 Thailimettenblätter, fein gehackt (hatte ich nicht),
3 Korianderwurzeln (bei mir 5 Stengel Koriander mit allem),
5 geschälte Knoblauchzehen,
3 Schalotten, grob gehackt,
1/4 Cup Erdnüsse (eine Kinderhand voll) und
4 EL Rapsöl (bei mir Erdnuss) in einen Zerkleinerer geben und alles zu einer Paste hacken. Bei mir war dazu auch noch ein Pürierstab nötig. Ideal wäre ein Mörser, aber meiner ist zu klein für den Berg Zeug. Memo to me: brauche größeren Mörser.

In einem Wok oder einer tiefen Pfanne
1 EL neutrales Öl erwärmen und die Paste bei mittlerer Hitze anbräunen. Im Original heißt es „caramelize, but not burn“, hm, und es wurden 10 bis 12 Minuten erwähnt. Damit kann ich was anfangen. Das duftet übrigens alles ganz hervorragend beim nicht-burnen.

Wenn eure Paste euch richtig vorkommt, das Gemüse dazuwerfen, möglichst nach Garpunkt sortiert. Ich hatte die Bohnen schon halb vorgekocht, der Rest war roh. Alles rein damit, umrühren, damit alles was abkriegt und nun
400 ml Kokosmilch dazugeben. Einmal aufkochen, dann simmern lassen, bis euch die Konsistenz gefällt und das Gemüse durch ist. Mit
1 TL Tamarindenpaste,
1 EL Fischsauce und
1 TL braunem Zucker abschmecken. Mit ordentlich
Thai-Basilikum (bei mir Koriander) servieren.

Dazu gab’s mir bei noch Zitronengras-Reis: Eine Stange Zitronengras mit in den Reistopf geben, normal kochen, fertig ist der Duftreis. Das ganze ist, würde ich als Neu-Asiatisch-Kochende, eher europäisch-scharf. Man merkt die Schärfe eher hinten im Rachen als gleich vorne auf den Lippen, wo alles harmlos-süßlich daherkommt. Aber ich fand sie sehr angenehm.

Tagebuch Donnerstag, 18. Juni 2020 – Weil ich’s kann

Von 8 Uhr morgens bis 19.30 Uhr abends am Schreibtisch gesessen, nichts gekocht außer zwei Kannen Tee, durchgetippt und korrigiert. Die Feedback-Mail meines Doktorvaters hatte mir einen kleinen Curveball geschmissen, denn eine seiner Anmerkungen war sinngemäß: Sie haben da „akribisch“ (Zitat) Archiv- und Quellenarbeit betrieben – wieso sollte man das für diesen Maler tun? Was ist der Grund für die Beschäftigung mit ihm? Und ehrlich gesagt fiel mir tagelang dazu nichts ein außer: weil ich’s kann. Ich kann mich nach fast drei Jahren nicht mehr wirklich daran erinnern, warum genau mich dieses eine Werk von diesem einen Maler, über den es keine Forschung gibt, so interessiert hat außer: Über den gibt’s keine Forschung.

Also wurde aus „[Dokumentname] final“ doch noch „[Dokumentname] final 2“, verdammte Axt, weil ich beim Schreiben ein paar Gedanken einfließen ließ. Um halb acht brauchte ich aber dringend Balkonsalat und Käsebrot, und während ich das bei zwei Folgen „Dead to me“ verspeiste, fielen mir noch weitere Dinge ein, und ich ging um 20.30 Uhr wieder an den Rechner. Dann war ich halbwegs zufrieden, aber seit gestern nagt an mir das Gefühl, den 300 Seiten starken Mittelteil durch ein halbgares Fazit-Kapitel zu ruinieren.

Ich lasse das mal übers Wochenende liegen.

Tagebuch Montag bis Mittwoch, 15. bis 17. Juni 2020 – Endspurt durch die Archive

München. Regen. Die Frisur hält … wenn man eine Regenjacke mit Kapuze hat. Mit dem Fahrrad ins ZI gerollt, dort die vorletzten fünf Kilo Bücher an den Platz geschleppt, Fußnoten korrigiert, Dinge nachgeschaut.

Mittags in der Zwangspause, damit lustig desinfiziert werden konnte, in die Stabi geradelt, wo mittags nicht lustig desinfiziert wird, ordentlich nass geworden, aber in anderthalb Stunden wieder getrocknet. Riesige Zeitschriftenbände mit dem Wägelchen durch den halbleeren, weil halb gesperrten Lesesaal gerollt, Dinge nachgeschaut. Dann mit einer Filmrolle in der Hand zum Raum gegangen, wo sonst die Filme angeschaut werden konnten, um festzustellen: Da geht nichts mehr. Momentan nur noch beim externen Anbieter für Kopien und Scans und Zeug möglich, derzeit in der Halle draußen. Hm. Dort bekam ich Einmalhandschuhe, um das Gerät zu bedienen, was sogar elektrisch die Filmrolle vorspulte, was mich freute, denn ich weiß nie, wie das mechanisch funktioniert und mache mich bei Filmen immer zum Deppen in der Bibliothek. Nachgeschaut, was ich wissen wollte, Film abgegeben, trocken aufs Rad gesetzt und am ZI wieder nass angekommen.

Dort die letzten fünf Kilo Bücher an den Platz geschleppt, Fußnoten korrigiert, Dinge nachgeschaut. Alles, was ich im ZI noch auf Papier nachgucken wollte, ist abgearbeitet, genau wie die Stabi. Nun nutzte ich den tollen Datenbankzugang zu Artprice, um Verkaufspreise für Werke meiner ganzen Autobahnmaler nachzuschauen, falls sie heute überhaupt noch gehandelt werden. Das war spannend.

Völlig ausgehungert um kurz nach 16 Uhr viel Zeug in Pfannen und Töpfe geworfen und auf dem Sofa genossen. Den Rest des Tages den Kopf ausgemacht, da ging auch nicht mehr viel, und ich musste eh früh ins Bett.

Dienstag verließ mein Zug – MEIN ZUG! – um 7.17 Uhr München in Richtung Nürnberg, wo ich ein letztes Mal in den Nachlass gucken wollte. Ein bisschen wehmütig war ich, ein bisschen vorfreudig – und als das Wägelchen vor mir stand und eine neue Liste vor mir lag, die ich noch nicht kannte, ein bisschen panisch. Denn, wer hätte es ahnen können: Das Kunstarchiv hatte in der Zeit zwischen meinem letzten Besuch (irgendwann im Sommer 2019) und jetzt den bisher ungeordneten Nachlass einen Hauch geordnet. Deswegen gab es jetzt ein Findmittel aka zwei Seiten mit Karton- bzw. Mappennummern und Signaturen. Woraufhin ich dachte, ich müsste 300 Seiten Fußnoten ändern, weil meine Quellenangaben nun nicht mehr stimmen.

Ich sah allerdings freudig nach ein bisschen hektisch Rumatmen, dass meine von mir liebevoll händisch auf die Kartons gemalten Nummern übernommen wurden. Das hatte ich vor zwei Jahren erledigt, um für mich eine Liste zu erstellen, was überhaupt alles in den Kartons drin ist. Teilweise waren diese Nummern jetzt noch in Signaturen unterteilt worden, das hielt sich aber alles in Grenzen.

Ich war also zuerst damit beschäftigt, traurig zu sein, dann panisch – und als ich dann alles, was ich fotografieren wollte, weil es beim ersten Mal nicht so gut geworden war und mein Doktorvater ja was erkennen soll im Abbildungsverzeichnis, fotografiert hatte, war ich wieder traurig. Irgendwie war ich erleichtert, dass ich durch war, aber gleichzeitig war das der größte Abschied. Ich habe zwar nur viermal durch den ganzen Berg gewühlt, aber vor allem im letzten Jahr halt sehr gründlich. Das war irgendwie „meins“, und jetzt, wo der Kram Signaturen hat und schicke Fotomappen, wo letztes Mal alles ungeordnet rumlag, fühlte sich das an, als wollte mir jemand mein Spielzeug wegnehmen. Oder als ob jemand in mein Revier eingedrungen ist, in dem doch bisher nur ich rumlief. Ganz seltsames Gefühl.

Den Rest des Tages war ich dann auch eher komisch drauf, schon auf der Rückfahrt las ich nicht und hörte keine Musik, sondern starrte nur aus dem Fenster und versuchte, flach zu atmen, weil Zug und Menschen. Abends brav die Corona-App geladen, aber weiterhin traurig gewesen. Jetzt ist es wirklich nicht mehr mein Spielzeug, jetzt gehört der Nachlass wieder allen, und sobald die Diss veröffentlich ist (nächstes Jahr?), habe ich alles aus der Hand gegeben, woran ich seit Jahren so emsig rumzuppele.

Gestern war dann wieder Fahrradfahren angesagt bei anständigen Temperaturen (fuffzehn Grad, genau meins) und keinem Regen. Auf mich wartete ebenfalls zum letzten Mal das Archiv des Deutschen Museums, wo ich nach dem ersten Besuch doch noch ein paar Signaturen einsehen wollte, kann ja nicht schaden. Ich fand nur sehr wenig, aber: Ich hatte auf einmal beim Blättern ein Schreiben von August Horch in der Hand. Das war für mich, die jahrelang Audi-Kataloge geschrieben hat, durchaus etwas Besonderes. Ich kann gar nicht beschreiben, warum eigentlich – es war ein bisschen so, als ob man einen Star trifft, den man ewig angehimmelt hat und über den man eigentlich längst weg ist, aber dann steht er plötzlich beim Bäcker vor dir und du merkst, da ist doch noch viel Zuneigung.

Den Rest des Tages (das ist meine Standardformulierung für diesen Blogeintrag) saß ich am heimischen Schreibtisch, korrigierte die Jahre 1940 bis 1942 und war’s zufrieden. Nicht mehr so traurig wie Dienstag, nur weiterhin komisch.

Vor mir liegt noch einmal die Bibliothek des Deutschen Museums, einmal das Depot der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen (TOTAL AUFGEREGT!), einmal die Bibliothek in der Neuen Pinakothek (KENN ICH AUCH NOCH NICHT) und ein allerletztes Mal Stadtarchiv. Dann hätte ich gerne noch einen gültigen Personalausweis, den ich kopieren kann, denn das hätte das Prüfungsamt gerne, dann melde ich mich bis spätetens nächsten Donnerstag zur Abgabe der Diss an, schreibe sie hoffentlich bis Ende Juni fertig und das war’s dann. Werde wohl noch zwei Wochen komisch drauf sein.

Was schön war, Sonntag, 14. Juni 2020 – Repeat und geh weg

Korrektur gelesen, Tee getrunken, Käse gegessen. Lesen Sie einfach den Samstag-Eintrag nochmal, da steht alles drin. Nur dass ich gestern die Jahre 1938 und 1939 finalisierte (finalisierte, haha) und wir in der Küche essen mussten, weil Regen. Außerdem erstes Feedback auf Probeseiten und Inhaltsverzeichnis vom Doktorvater erhalten: „Das macht einen wirklich sehr soliden Eindruck.“ Ich klopfe mir mal kurz selbst auf die Schulter.

Außerdem hat er mich auf fehlende Punkte am Ende zweier Fußnoten aufmerksam gemacht, die ich, Schande! auch beim letzten Korrekturgang übersehen hatte. Ich sag doch, dem Mann entgeht nix.

Gestern erstmals nach dem Neustart der Bundesliga das Spiel nach 20 Minuten abgebrochen. Als Stream, der mir irgendwie vor die Füße fiel, erwischte ich BT Sport. Diese Irren entblödeten sich nicht, künstlichen Publikumston aus der Konserve über das Spiel zu legen, das deutlich sichtbar vor leeren Rängen stattfand. Die spanische Liga blendet sogar digitales Publikum ein, damit sich ja auch alles so anfühlt wie immer. Was es aber nun mal nicht tut, und deswegen finde ich diese Maßnahme nicht nur peinlich, sondern ich fühle mich als jemand, der normalerweise alle zwei Wochen im Stadion ist und persönlich für einen Hauch Support sorgt, total verarscht. Wenn die Ligen glauben, ganz auf das nervige Publikum verzichten zu können, dann muss ich euch mein Geld auch nicht mehr geben.

So weit ist es noch nicht, ich hoffe, dass wir vielleicht 2022 wieder live zuschauen können, aber die gestrige Übertragung hat mich doch etwas verstört. Da sitzt anscheinend wirklich jemand live und betätigt wie Stefan Raab Knöpfchen mit der richtigen Atmo. Es gab Pfiffe bei Fouls, als Augsburg das einzige Tor gelang, hörte ich die Anfeuerungsrufe, die ich aus der Kurve in der WWK-Arena kenne, und als konstanter Dauerton waren irgendwelche unidentifizierbaren Gesänge zu hören. Als ein Augsburger fies mit einem Mainzer zusammenstieß und letzter behandelt werden musste, wurde der Ton kurz ausgedreht, aber als die Sanis den Spieler dann vom Feld trugen, erklang wirklich Applaus aus der Dose, wie im Stadion auch. Das ist clever, aber ich fand es total abstoßend, schaltete ab und wollte auch keinen neuen Stream suchen.

Mies geschlafen; geträumt, jemand anders hätte die Werke schon längst gefunden, auf deren Fund ich so stolz bin und ich mache mich jetzt in der Diss total zum Affen, so nach dem Motto, kennen wir doch längst, leg dich wieder hin. Kurz-vor-Abgabe-Panik, irgendwas richtig Wichtiges übersehen zu haben.

Was schön war, Samstag, 13. Juni 2020 – Gerne gelesen

Um Punkt 8 eingekaufen gewesen, dann Tee gekocht und an den Schreibtisch gegangen. Mal langsam anfangen, irgendwann halt frühstücken.

Sieben Stunden lang das 50-seitige Kapitel zu 1936 korrigiert, das ist das längste in der Arbeit. Literaturangaben überprüft, alle Fußnoten nochmal angeguckt, noch ein paar Bilder eingefügt (das war so klar), dementsprechend das Abbildungsverzeichnis nochmal angefasst, das eigentlich seit zwei Wochen in Stein gemeißelt ist und an dem ich seit zwei Wochen immer wieder rumfummele, alles nochmal mit dem strengen Blick der Lektorin gelesen: „Brauche ich diesen Satz wirklich? Kann ich das Zitat kürzen? Ist dieser ganze Absatz zielführend für mein Forschungsanliegen? Na gut, dann lass das so.“ Sehr wenig korrigiert, noch ein paar Geistesblitze eingefügt, die ich mir neuerdings beim Einschlafen per Handymail schicke, sehr zufrieden gewesen.

Um 15 Uhr eine Packung Ramen in scharf zubereitet und mich dazu beglückwünscht, das günstige Fertigzeug gekauft zu haben. Während das Wasser kochte und danach die Nudeln drei Minuten badeten, bastelte ich Möhrenstreifen, briet ein Ei, hackte eine Frühlingszwiebel, schnitt ein bisschen Zucchini in Viertelscheibchen, schraubte das Glas mit den Bambussprossen auf und öffnete mein selbstgemachtes Chili-Öl, das ich seit meiner Dan-Dan-Sucht immer parat habe. Ich warf alles zusammen und hatte eine Riesenschüssel hervorragendes Frühstück.

Drei Stunden lang das Kapitel zu 1937 korrigiert, siehe oben, aber keine Bilder mehr eingefügt, wo-hoo! Feierabend um 19 Uhr, F. Bescheid gesagt, dass ich jetzt Feierabend mache, woraufhin der Mann drei Kilo Käse vorbeibrachte und ich ein bisschen Quittengelee dazulegte. Nächstes Mal schneide ich das appetitlich klein, aber mein Kopf war gestern zu erledigt für alles.

Wir öffneten einen kleinen Champagner weil warum nicht und genossen den sehr warmen Sommerabend, der für München vorerst der letzte sein wird, die ganze nächste Woche wird das vermutlich nix mit Balkon. Daher mussten wir irgendwann auch noch einen Rotwein aufmachen, es hilft ja nichts.

Die sechs Sorten Bergkäse (plus ein Pfund der besten Butter, die ich je aß) hatte F. am Freitag aus Kempten angeschleppt, und wenn ihr da wohnt, dann geht doch dringend mal bei Jamei vorbei und kauft auch drei Kilo. Wir kannten den Käse aus unserem Lieblingsrestaurant, dem Broeding, und neuerdings wird er auch im 3-Sterne-Atelier serviert, wie Jan Hartwig auf Insta erzählte. Und wenn ihr nicht in Kempten, aber in Freiburg, Münster, Murnau oder Hamburg wohnt, dann könnt ihr dieses herrliche Zeug auch bei euch vor Ort erwerben. Macht das mal. Lohnt sich wirklich. Meine persönlichen Lieblinge sind der Jamai (15 Monate) und der Bergmatt (18 Monate). Außer Konkurrenz: Mängisch (30 Monate). Das nächste Mal testen wir den Emmentaler.

Gemeinsam eingeschlafen. Ganz hervorragender Tag.

Was schön war, Montag bis Freitag, 8. bis 12. Juni 2020 – Besser als Sex

Am Montag saß ich erstmals im Archiv des Deutschen Museums. Sonst gehe ich da nur in die Bibliothek, biege also am Eingang morgenmüde und vorfreudig gleich hinter dem Eingang nach rechts ab (nach Anmelden, Zeug wegschließen, Maskensitz überprüfen, nochmal die Händchen desinfizieren, Sie wissen schon). Dieses Mal wurde ich vom Pförtnerhäuschen abgeholt, weil ich nicht wusste, wo es langging. Die zwei Treppen nach oben hätte ich vermutlich auch alleine gefunden, aber hey, Service! Das ging auch gleich so weiter: Wo man sonst einfach mit den Akten allein gelassen wird, bekam ich hier eine kleine Einführung – nur mit Bleistift schreiben – „Ich hole Ihnen mal einen“ –, die Ordnung der Dokumente nicht verändern, auch wenn sie gut gemeint ist, die Lose-Blatt-Sammlungen möglichst wieder bündig in die Schachtel legen etc. Kenne ich alles, mache ich auch immer (bloß den Bleistift vergesse ich immer und notiere, wenn es sein muss, dann mit meinem fiesem Tintenroller möglichst weit weg vom Tisch in mein Notizbuch, SORRY! und gucke danach auch, ob kein Schmodder an meinen Händen ist), aber anscheinend sehe ich mit meiner hellblauen Blümchenmaske so aus, als wüsste ich nicht, wie man sich im Archiv zu verhalten hat. Egal, Service! Aber das tollste waren die kleinen Papierstreifen, die mir überreicht wurden, auf denen man sich die Signatur notieren kann, wenn man Dokumente fotografiert, die man hier netterweise fotografieren durfte. Wie toll! Sonst habe ich dafür immer mein Notizbuch geschreddert oder halt alles gleich in die Fußnoten getippt in der Hoffnung, nichts zu vergessen, aber das ist doch mal eine clevere Idee. Top Archiv, gerne wieder.

Und nebenbei viel gefunden, wenn auch nicht alles, aber die Diss ist wirklich lang genug.

Der Weg morgens in Richtung Museum war beim Radeln schon schön, zurück ist es noch schöner, weil es da direkt an der Isar ein bisschen bergab geht. Mein Rad hat nur acht Gänge und ich hätte gerne elf gehabt. Herrlich!

Montag nachmittag war dann nicht ganz so herrlich, da kam ein kleines Hindernis auf dem Weg zum Diss Bliss, aber das habe ich inzwischen veratmet. Abends gemeinsam eingeschlafen und dabei gemerkt, dass wir beide unseren fünfjährigen Jahrestag verpennt haben.

Dienstag musste ich weiterhin Dinge veratmen und dabei Kuchen backen. Merke: Wenn du irgendwas mit „torched meringue“ machen willst, guck vorher, ob deine Torch noch funktioniert bzw. du eine Ersatzpatrone im Haus hast. Aber die Meringue war eh nicht glossy wie geplant sondern eher brockig, passte also alles in seiner Nicht-Funktion. Lemon Curd und Biskuit waren aber gut.

Mittwoch nichts mehr veratmet, sondern ins Bällebad geradelt. Im ZI meine vierseitige To-Do-Liste weiter abgearbeitet, die Stand gestern abend nur noch gut zwei Seiten umfasst. Das war ein sehr anderes Arbeiten als ich es jahrelang gewöhnt war. Anstatt mir gemütlich acht Kilo Bücher an den Platz zu holen und entspannt zu lesen, rannte ich hier mit meiner ausgedruckten Liste, auf der die Signaturen stehen, durchs Haus, sammelte, rief die betreffende Seite im Dokument auf, korrigierte, nahm das nächste Buch, arbeitete den Stapel ab und rannte wieder los, um einen neuen Stapel zu holen. Meistens geht es nur um Flüchtigkeitsfehler wie fehlende Seitenzahlen oder eine Schreibweise überprüfen oder irgendeinen komischen Bezug in einem Zitat checken, das ich beim Korrigieren seltsam gekürzt und damit gefühlt sinnentstellend umformuliert habe. Richtig lesen muss ich nichts mehr oder nur wenig, das kommt nächste und übernächste Woche als quasi finaler Schritt.

In der Zwangsmittagspause zu Suckfüll gefahren, dem besten Laden aller Zeiten, weil der einfach alles hat. Meine auf der Fensterbank gezogenen Tomaten brauchten größere Töpfe und langsam auch mal längere Stangen als meine Essstäbchen, an die ich sie anbinden könnte. Normalerweise fahre ich für sowas ins Gartencenter, aber ich will gerade keine Öffis nutzen. Also Suckfüll. Von dort erstand ich drei Kunststofftöpfe, die bequem auf den Gepäckträger passten und drei Bambusstangen, die ich gnadenlos einen Meter oben aus meinem Rucksack gucken ließ. Damit fühlte ich mich wie eine amerikanische Ur-Einwohnerin mit Pfeilköcher und Bogen auf dem Rücken. Vielleicht sollte ich mal Bogenschießen ausprobieren. Für eine hibbelige Brillenträgerin bestimmt genau die richtige Sportart.

Donnerstag war in Bayern mal wieder Feiertag, daher saß ich den ganzen Tag am Schreibtisch und begann die jetzt aber wirklich letzte Korrekturschleife. Alles bis 1933 ist jetzt fertig, final, da fehlt nix mehr, das lass ich jetzt so.

Abends hatte ich einen Tweet in meiner Timeline, der meinen Geisteszustand gerade sehr gut beschreibt:

Ich denke zwar, meist beim Einschlafen, dass ich gerade erst an der Oberfläche meines Stoffs kratze und eigentlich noch ein Jahr daran weiterschreiben sollte, aber jetzt, beim vierten Korrekturgang und nach ungefähr anderthalb Jahren Durchschreiben dachte ich nach dem Lesen der Einleitung zu NS-Kunst, den Autobahnen und der Autobahnmalerei: Das ist gut. Das ist wirklich gut. Das hatte ich zu Uni-Zeiten selten.

Gestern wieder Bällebad, Liste abarbeiten, den Doktorvater auf der Treppe der Bibliothek getroffen, der natürlich ins Büro wollte – „Heute ist mein letzter Urlaubstag“ – ach, Vati –, den Rest des Tages am heimischen Schreibtisch weitergearbeitet, mich bis Ende 1935 durchgekämpft und auch da gedacht: Das ist gut.

Feierabend auf dem Balkon und lauter neue Follower auf Instagram, weil Herr @nilzenburger ihnen in einer seiner Storys gesagt hatte, wenn man mich liest, möchte man wieder studieren.

Möchte ich auch, Hase. Möchte ich auch.

Was schön war, Montag, 8. Juni 2020 – Archiv des Deutschen Museums

Dazu könnte ich jetzt schön was erzählen, weil’s schön war im schönen Archiv mit schönen Schriftstücken, aber ich habe da aus totaler Verpeiltheit ein kleines Böckchen in der Diss geschossen, auf das ich ja schon die ganze Zeit warte. Das lief alles zu reibungslos. Deswegen brauche ich meinen Kopf mal kurz für was anderes als fürs Bloggen. (Alles gut.)

Was schön war, Sonntag, 7. Juni 2020 – Menschen und Maschinen

An der Diss gesessen (bald haben wir das Thema alle hinter uns, wo-hoo!). Fußball geguckt bzw. eine Halbzeit nur damit beschäftigt gewesen, einen Stream zu finden (kein Sky, kein Prime, ich hab nix mehr) und mich trotzdem über das Spiel aufgeregt. Was mache ich hier eigentlich. Aber es gab ja noch die letzten zwei Folgen von „The Circle“, die mir aber etwas zu langatmig waren, und dann fing ich die neue Staffel von „Queer Eye“ an und das war schön. (Okay, Netflix hab ich noch.)

Zum Mittag den restlichen Tofu mit Gemüse und der Sesamsauce und dem Chili-Öl von vorgestern aufgewärmt und aus dem restlichen Teig neue Nudeln geschnitzt. Zum Abendessen dann die Reste der aufgewärmten Reste kalt gegessen. Hervorragende Mahlzeitenplanung.

Eine schöne Mail eines hilfreichen Menschen bekommen, mit F. per DM kommuniziert, auf Twitter gemerkt, dass man nicht alleine ist.

Ich liebe meine Geschirrspülmaschine.