Was schön war, Samstag, 17. Dezember 2016 – AWWWWW

Gemeinsam aufgewacht, rumgekuschelt. F. machte sich dann auf den Weg zu Weißwurstfrühstück und Fuppes, und ich schlumperte ewig rum, bis ich mich zum Einkaufen im Supermarkt aufraffte. Ich näherte mich mit gefülltem Wagen der Kassenschlange von rechts, während von links meiner Meinung nach zeitgleich ein Herr ans Ende der Schlange fuhr. Sein Wagen war mit deutlich weniger Inhalt gefüllt, weswegen ich die international gültige Handbewegung für „Bitte, gehen Sie ruhig vor“ wedelte. Der Herr meinte aber: „Nein, ich glaube, Sie waren zuerst da, gehen Sie bitte vor.“ Ich meinte freudig „Dankeschön“ und begann, mein Wägelchen in die Schlange einzureihen, als direkt nebenan eine zweite Kasse geöffnet wurde. Ich freute mich, dass der freundliche Herr nun belohnt wurde und als erster drankam, rollte meinen Wagen aber natürlich auch in die neue Schlange. Woraufhin der Herr meinte: „Sie waren immer noch vor mir da. Bitteschön.“ Und ich nur so: „AWWWWW!“ Ich habe ernsthaft zu einem fremden Mann im Supermarkt „AWWWWW“ gesagt. Ich muss aus diesem Internet raus.

Spontan mal wieder die Papier-SZ gekauft und halb ausgelesen. Rest kommt heute, bis auf Wirtschaft. Wirtschaft kommt weg.

Beim Fußball auf dem Sofa weggedöst, aber rechtzeitig zum einzigen Tor bei Augsburg gegen Gladbach wieder wach gewesen.

Abends F. bewundernd dabei zugeguckt, wie er meine MacBook-Air-Batterie auswechselte. Hätte ich auch alleine hingekriegt, aber wenn ich schon jemanden kenne, der des Öfteren mit feinem technischen Werkzeug umgeht, nutze ich natürlich den Profi. Meine Batterie war inzwischen komplett tot. Nicht nur, dass der Rechner sofort ausging, sobald er vom Strom genommen wurde, nein, im Laufe der letzten Woche schaltete er sich dazu auch jedesmal komplett aus. Ich habe den Apple-Startton in den vergangenen sieben Tagen vermutlich so oft gehört wie vorher in sieben Jahren. Aber: Jetzt hat mein Herzblatt wieder eine Batterie und ich muss nicht mehr mein altes dickes, gefühlt zehn Kilo schweres MacBook mit mir nach Rosenheim oder Bad Aibling schleppen, weil ich nie weiß, ob ich in den dortigen Archiven oder Museen Zugang zu einer Steckdose habe. (Das Stadtarchiv Rosenheim hat ungefähr 15 Arbeitsplätze und EINE Steckdose. Und kein Internet.)

Gin Tonic. Lesen. Gemeinsam einschlafen.

Was schön war, Freitag, 16. Dezember 2016 – Depotarbeit

Gestern stand ich mit übermenschlicher Anstrengung um 6 auf, um pünktlich am Zug zu sein, der mich um 7.55 Uhr in Richtung Rosenheim bringen sollte. Eine Stellwerkstörung sorgte dafür, dass wir erst gegen 8.35 Uhr losfuhren. Fun fact: Der nächste regelmäßige Zug gen Rosenheim wäre um 8.44 Uhr gegangen, und ich hätte eine knappe Stunde länger schlafen können. So kam ich etwas zu spät zu meinem Termin in der Städtischen Galerie, wo die mit mir verabredete Mitarbeiterin aber sehr entspannt war.

Sie zeigte mir im Depot einige der Bilder von Weldens, die ich noch nicht im Original gesehen hatte. Als Abbildung auf einer langen Liste aller von Weldens, die die Galerie besitzt, kannte ich sie seit dem letzten Semester, aber jetzt wollte ich sie mir endlich mal richtig anschauen. Das hätte ich schon vor Monaten machen sollen, wie mir gleich beim ersten Bild auffiel, das mir von den Stellwänden genommen wurde, damit ich die Rückseite anschauen konnte. Denn dort fand sich in von Weldens Handschrift mal wieder die öminose Mitgliedsnummer für die Reichskammer der Bildenden Künste, die es laut Bundesarchiv nicht gibt. Bisher dachte ich, der kleine Hallodri hätte sich das nur in den Anfangsjahren des „Dritten Reichs“ erlaubt, diese Angabe einer meiner Meinung nach ausgedachten Nummer, aber dieses Bild stellte er 1944 aus. Langsam glaube ich, dem Mann war sein Umfeld völlig egal, Hauptsache, er konnte alles bemalen, was ihm unter die Finger kam. F. gestern auch so, nachdem ich ihm von diesem Fund erzählte: „Wenn seine Kunst doch nur so spannend wie seine Persönlichkeit wäre.“ Yup.

Zum ersten Mal wurden mir dann die Grafikschubladen geöffnet. Ich sah größerformatige Radierungen als die, die ich bisher bei der Tochter gesehen hatte und konnte sie auch datieren, einfach weil ich inzwischen so viele andere Werke von ihm durchgesehen hatte. Das fühlte sich ziemlich gut an. Ich blätterte durch Litografien und Zeichnungen und wurde dann auf eine Mappe hingewiesen, die sich ohne Inventarnummer im Bestand der Galerie befindet. Die Mitarbeiterin wusste nicht, wo die herkam, aber in ihr lagen einige Originalzeichnungen von Weldens, einige Kopien, Zeitungsausschnitte über ihn bzw. seine Ausstellungen, einige ausgerissene Seiten aus der Jugend, für die von Welden zwischen 1934 und 1940 Illustrationen erstellt hatte, und: zwei Schwarzweißfotos von zwei Kniestücken. Eins davon zeigt seine Mutter, das Bild war mir aus der Literatur bekannt. Das zweite nicht, und es ruiniert ziemlich meine These aus der letzten Hausarbeit, in der ich vermutete, dass von Welden nur für die GDK NS-ideologische Kunst produziert hätte. Das Foto zeigt einen Mann in Wehrmachtsuniform, und ich behaupte, es ist ein Selbstporträt. Stilistisch ähnelt es der Gestaltung der Mutter sehr, die Hände, die flächige Ausgestaltung des Gesichts, selbst als Schwarzweißaufnahme ist die Ähnlichkeit unverkennbar. Da ich von ihm diverse Selbstporträts kenne, würde ich vermuten, dass auch dieses Bild ihn selbst zeigt, aber dafür müsste ich es etwas genauer anschauen können als auf einem kleinen Foto. Seine charakteristische Hakennase und Kinnpartie lassen aber stark darauf schließen.

In der Mappe befanden sich auch einige Einladungen zu Ausstellungen von ihm, und eine war tollerweise adressiert, nämlich an einen Herrn Gustav de Baranyai-Lörincz. In den Grafikschubladen hatte ich gerade einige Minuten vorher eine kleine Zeichnung von Weldens gesehen, die mit „Kriegsweihnacht 1940“ unterschrieben war und „dem lieben Freund u. Kollegen Lörinz“ gewidmet war. Von Welden schreibt „und“ in seiner Korrespondenz nie aus; jetzt weiß ich, dass er das auch auf Bildern nicht tat. Ich weiß aus seinen Briefen auch, dass seine Rechtschreibung, vorsichtig ausgedrückt, fantasievoll war, was auch daran liegen könnte, dass er die ersten 15 Lebensjahre in Frankreich verbracht hatte. Insofern würde ich nicht über das fehlende C im Nachnamen stolpern. Der Künstler de Baranyai-Lörincz hatte kurz vor von Welden an der Akademie in München studiert (1914–1920, von Welden 1920–1925), vielleicht lernten sie sich dort bereits kennen. Und: Es gibt einen Nachlass von ihm, unter anderem mit Korrespondenz, und der liegt, HA! im Bayerischen Hauptstaatsarchiv vor meiner Nase. Ich geh mal wieder wühlen, vielleicht finde ich dort noch weitere Hinweise auf diese Künstlerfreundschaft und wo vielleicht das Wehrmachtsbild abgeblieben ist.

Nach der Arbeit an den Bildern durfte ich noch durch das Inventarbuch blättern. Ich war erstaunt über die hohen Preise gewesen, die von Welden 1944 in der Galerie erzielt hatte. Gestern fiel mir dann noch etwas anderes auf: die reine Anzahl von Bildern, die in diesem Jahr angekauft wurden, nicht nur von Weldens. Die Galerie öffnete 1937 mit einem Grundstock an Bildern aus der Max-Bram-Stiftung. 1940 wurden vier Bilder zu Preisen zwischen 40 und 600 RM angekauft, 1941 sieben Bilder (130–600 RM), 1942 fünf (220–600 RM), 1943 drei zwischen 250 und 2000 RM, wobei die 2000 für Hans Müller-Schnuttenbach ausgegeben wurden, einen der großen Namen der NS-Kunst (57 Bilder auf der GDK), den heute keiner mehr kennt und von dem die Galerie den Nachlass verwaltet – über 1.300 Bilder. Also jahrelang sehr moderate Ankäufe zu damals durchschnittlichen Preisen. 1944 hingegen wurden 20 Bilder gekauft; drei zu Beginn des Jahres zu ähnlichen Preisen wie vorher (wieder ein hochpreisiger Müller-Schnuttenbach dabei), im August dann ein Schwung an Bildern aus der Chiemgau-Ausstellung, einer Wanderausstellung, die Chiemgau-Künstler über die Region hinaus bekanntmachen sollte und die vom Kunstverein Rosenheim veranstaltet wurde, der dafür, soweit ich weiß, auch von staatlicher Seite Unterstützung bekam. Zehn Bilder dieser Ausstellung wurden zu Preisen zwischen 500 und 1800 RM erworben, weitere sieben Bilder im Oktober aus einer Ausstellung der Kameradschaft der Künstler München in Rosenheim zu Preisen zwischen 1100 und 5500 RM. Ein letztes Bild wurde für 1200 RM ernsthaft noch am 25. April 1945 gekauft; den Künstlernamen kann ich trotz Hilfsmittel nicht entziffern, aber vielleicht kann meine Timeline das (Edit noch vor dem Veröffentlichen des Eintrags: Meine Timeline kann alles). Zusammengefasst also: Kurz vor Schluss wurde richtig Geld ausgegeben für richtig viele Bilder. Meine momentane Theorie wäre, dass man aus der Inflation, die dem Ersten Weltkrieg folgte, gelernt hatte und sich Ende 1944 eine Niederlage abzeichnete, also gab man das Geld aus, solange es noch etwas wert war. Warum man die Künstler so exorbitant gut bezahlte, weiß ich allerdings nicht.

Zum Abschluss durfte ich noch die Karteikarten für Leos Bilder einsehen und fotografieren, so dass ich jetzt von jedem Bild eine anständige Dokumentation habe. Das war ein sehr lehrreicher und aufschlussreicher Besuch. Gerne wieder.

Abends besinnliches Adventsbierchen beim ehemaligen Mitbewohner. Ebenfalls lehrreich, aber deutlich lustiger. Auch gerne wieder.

Was schön war, Donnerstag, 15. Dezember – Zweimal Weihnachten

Mittags war ich arg von den Senior*innen in der Cézanne-Vorlesung genervt, die dicke nackte Frauen anscheinend unfassbar lustig finden. Lauter pubertierende 70jährige, die hinter einem „Höhöhö“ machen, während ich kaum aus dem Augenrollen rauskam.

Meine schlechte Laune verflog aber schnell. Zunächst holte ich mir einen Ausstellungskatalog aus dem Zentralinstitut für Kunstgeschichte ab, dann das vorgestern bestellte Buch für mein Patenkind. Sobald ich Bücher mit mir rumtrage, ist ja alles wieder gut. Aber es wurde noch besser.

In der Packstation wartete eine neue MacBook-Batterie auf mich – jedenfalls dachte ich das, als die SMS von DHL kam. Es kamen aber noch drei weitere und ich dachte, ach, das System spinnt wieder, egal. Aber als ich an der Packstation ankam, warteten wirklich vier Pakete auf mich, und nur eins hatte ich bestellt. Ich holte einen Karton nach dem anderen aus den Fächern und das war, haha, wie Weihnachten.

Tamara überraschte mich mit Michael Köhlmeiers Spielplatz der Helden – sie hatte das Buch auf meinem Wunschzettel gesehen und es gebraucht gekauft. He, Harald, dem dieses Buch 2004 von Margit geschenkt wurde: Das ist jetzt meins! Stefanie hatte sich für einen meiner Lieblingsschriftsteller Hanns-Josef Ortheil entschieden, zu dessen ungefähr zehn Büchern in meinem Regal jetzt noch Die Berlinreise kommt. Und Jutta überraschte mich mit Laura Cummings The Vanishing Man: In Pursuit of Velazquez, auf das ich sehr gespannt bin nach den tollen Kritiken. (Und nachdem ich im Prado endlich Las Meninas gesehen habe.) Vielen Dank an die drei Weihnachtsengel, ich habe mich wirklich sehr über diesen Geschenkeberg gefreut. (Ihr habt euch doch abgesprochen!)

Aber: Auch das war noch nicht alles.

Nach dem Amnesty-Referat hatte ich weiter über meine Hausarbeit nachgedacht. Eigentlich wollte ich mich im Referat mit den Imagefilmen von AI auf der internationalen Seite beschäftigen, aber das redete mir meine Dozentin liebevoll aus. Ich hatte sie aber noch im Hinterkopf für meine Hausarbeit, denn da fehlen mir noch dringend Quellen, an denen ich mich abarbeiten kann. Im Referat zeichnete ich die Zeit zwischen 1961 und 1989 nach und damit die Entwicklung von AI von einer kleinen, eher nord- und westeuropäischen Vereinigung, die per Brief Dreiergruppen von Gefangenen betreut (eine*n aus einem westlich-demokratischen, eine*n aus einem östlich-kommunistischen und eine*n aus einem sogenannten Entwicklungsland), zu einer weltweiten Massenorganisation, die erstens diese Dreiteilung wieder aufgibt und zusätzlich nun auf Themenkampagnen und Urgent Actions setzte; in den 1980ern kamen dann noch Konzerttouren etc. dazu, was aus Menschenrechten einen Teil der Popkultur machte (und in den USA dafür sorgte, dass Ende der 80er 85% der Mitglieder Schüler und Studentinnen waren). Ich fragte mich, ob man diese Veränderungen bzw. Ausweitung des Aufgabengebiets wohl auch an einer Münchner AI-Gruppe nachvollziehen könnte und schrieb gestern morgen eine dementsprechende Mail an den Münchner Bezirk, allerdings ohne große Hoffnung.

Aus der Literatur hatte ich gelernt, dass AI nicht von Anfang an ein Archiv hatte; es gibt eins in London (für AI UK) und eins in Amsterdam (AI international), aber beide erst seit Anfang der 70er Jahre. AI USA hat ein eigenes Archiv an der Columbia University, das sogar erst seit 1993 geführt wird (wobei ich ahne, dass da auch ältere Unterlagen liegen). Über die Qualität der Archive las ich verschiedene Aussagen von „gut geführt“ bis „gerade mal chronologisch geordnet, nicht wirklich archivarisch erschlossen“. Und von einem eigenen deutschen Archiv las ich gar nichts, aber das liegt vermutlich an mir und nicht an AI. Vielleicht habe ich da schlicht was überlesen, weil ich mich stark mit der internationalen Organisation und weniger mit der deutschen Sektion beschäftigte. In diesen Archiven gibt es außerdem Bereiche, die für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sind; die betreffen vor allem die sogenannten Researcher, also die Damen und Herren, die die Informationen sammeln, aus denen AI Gefangenenprofile erstellt oder den Jahresbericht zum Stand der Menschenrechte, der seit 1962 (!) erscheint. Daher rechnete ich nicht wirklich damit, dass mir eine Münchner Gruppe ihre Akten öffnen möchte, vor allem, weil die Organisation auch wirklich was Besseres zu tun hat, als Studis bei ihren Hausarbeiten zu helfen.

Weil ich mich fast seit Beginn dieses Blogeintrags freue, ahnt ihr vielleicht, wie’s weiterging: Ich erhielt noch gestern abend eine äußerst positive Antwort. Nachdem ich etwas genauer erklärt hatte, wonach ich suche, bekam ich zwei Namen mit Kontaktdaten genannt; die betreffenden Herren arbeiten in Gruppen, die seit Jahrzehnten bestehen und die vermutlich größere Papierberge haben, in denen ich wühlen kann (wenn sie mich lassen). Dass meiner Bitte überhaupt und dann auch noch so schnell und unkompliziert entsprochen wurde, hat mich sehr gefreut, weswegen ich gestern breit grinsend vor dem Rechner mehrere Beckerfäuste machte. Ich glaube, ich verstieg mich sogar zu einem Tschak-kaaa!

Was schön war, Mittwoch, 14. Dezember 2016 – Wochenende

Da ich Samstag und Sonntag daran gearbeitet hatte, das Referat für Dienstag hübsch zu machen, holte ich gestern mein Wochenende nach. Ich wurde morgens wachgekuschelt, lungerte kurz mit Kaffee auf dem Sofa rum und tat dann zur Abwechslung etwas Produktives, nämlich Bettwäschewechseln. Dann guckte ich die vorgestrige Folge von Masterchef – The Professionals nach und machte mich stadtfein.

Es gibt Dinge in Hamburg, die ich sehr schmerzlich vermisse, zum Beispiel meinen Macschrauber, vom dem ich immer gute Ware und blitzschnelle Reparaturen gewohnt war oder den Buchladen ein Haus weiter, bei dem ich über Nacht Nachschub ordern konnte und nicht mal den gefühlt ewig langen Weg zur Packstation antreten musste. Mein Buchladen in München ist 100 Meter weiter weg, damit kann ich hervorragend leben. Und womit ich hier auch noch hervorragend leben kann, ist, dass auch noch Supermarkt, Bäcker, Metzger, Bauernmarkt, Apotheke, Bus und U-Bahn sowie eben ein Buchladen UND EINE PACKSTATION nicht weiter als 400 Meter von meiner Haustür entfernt sind. Und bis zum kunsthistorischen Institut sind’s geschätzte 500 Meter. Aber der fehlende Macschrauber tut schon sehr weh.

Gestern ging ich zum Bäcker, zum Buchladen (Weihnachtsbuch fürs Patenkind bestellt), zur Packstation und zum Supermarkt. Danach setzte ich mich wieder aufs Sofa und las den ganzen Tag Zeug, das nicht für die Uni war. Unter anderem beendete ich Didier Eribons Rückkehr nach Reims, in dem ich auf S. 215 das schöne Wort „Sentimentheken“ entdeckte.

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Das war ein sehr ruhiger, in mich gekehrter Tag. Das war schön.

Ein fotografisches Dankeschön …

… an Jakob, der mich mit Susan Sontags Klassiker On Photography überraschte. Eigentlich dürfte ich weder wissen, von wem das Päckchen kommt noch was drin ist, denn das Büchlein war verpackt – dazu hing noch ein Filzanhänger in Form eines Schlittens dran, nice one, Amazon –, aber ich kann mich ja schlecht bei irgendwem für irgendwas bedanken. Also öffnete ich wenigstens den Umschlag, an dem erkenntlich war, worum’s geht. Das Buch bleibt aber schön eingepackt, und ich werde es brav unter den Weihnachtsbaum legen. Vielen Dank für das Geschenk und die Widmung, ich habe mich sehr gefreut.

Was schön war, Dienstag, 13. Dezember 2016 – Referat

Morgens in der Vorlesung zu osmanischer Architektur gelernt, was denn eigentlich eine Karawanserei ist, von der ich bei Karl May vor 40 Jahren was gelesen hatte (glaube ich). Neu für mich: Bedesten, Arasta (ein Handelsplatz, der gemeinsam mit einer Moschee errichtet wird; Moscheen wurden oft gestiftet, die (der?) angrenzende Arasta bringt Geld in die Stiftungskasse) und Han – ein Überbegriff für Orte, an denen gehandelt wurde; allerdings waren sie in einer offenen Hofarchitektur gestaltet anstatt geschlossen wie die Karawansereien.

Unsere Dozentin ist Türkin, spricht deutsch mit uns und vermischt auf ihren Folien gerne die zwei Sprachen plus Englisch, weswegen ich bei den Begriffen nie sicher bin, ob ich jetzt ein türkisches oder ein deutsches Wort notiere. Siehe oben den Wikipedia-Link zu Arasta; das scheint türkisch zu sein, und es gibt keinen Link zur deutschsprachigen Wikipedia. Ich fühle mich in der Vorlesung immer sehr polyglott.

Nach der Vorlesung ging ich ins Historicum, um mein Handout für den Menschenrechtskurs zu kopieren, in dem ich abends das Referat zu Amnesty International halten wollte. Ich war mir nicht sicher, ob im ersten Stock ein Kopierer steht, ich wusste aber, dass im zweiten einer ist. Fahrstuhl in den zweiten Stock, in den Kopierraum gegangen – Scanner/Kopierer besetzt: „Ich muss noch drei Aufsätze scannen, willst du warten?“ „Nee, ich geh ins nächste Stockwerk.“ Treppe in den dritten Stock, in den Kopierraum gegangen – Scanner/Kopierer besetzt: „Dauert nur noch fünf Minuten, willst du warten?“ „Nee, ich geh ins nächste Stockwerk.“ Treppe in den vierten Stock, in den Kopierraum gegangen – Schild weist mich darauf hin, dass hier nur noch ein Scanner steht, der Kopierer ist im Untergeschoss. Fahrstuhl ins Untergeschoss. Den nehme ich selten, denn wenn ich ins Untergeschoss will, gehe ich meist gleich die Treppe aus dem Erdgeschoss runter. Nun trat ich aus dem Fahrstuhl in den Raum und sah erstmals, dass unter der Treppe fünf (?) riesige Industriestaubsauger standen, mit denen anscheinend das Historicum gesäubert wird. Es hatte was von gutmütigen, technisch altmodischen Aliens (WALL-E!), die geduldig inmitten der schlauen Bücherberge auf ihren Einsatz warteten.

Kopierraum war frei, wo-hoo!

Mit 25 Kopien im Rucksack radelte ich in die Stabi, wo ich mir ein weiteres Buch abholte, das nichts mit der Uni zu tun hat und das ich vermutlich nicht inmitten der Leihfrist durchlesen werde können, aber egal, jetzt hab ich’s erstmal und kann reinblättern. Über The Unwinding: Thirty Years of American Decline (gibt’s auch auf Deutsch) las ich interessiert in der NYT, deren Artikel 6 Books to help understand Trump’s win einen Tag nach der Wahl veröffentlicht wurde. Das Buch ist von 2013, aber schon das Vorwort lässt nichts Gutes ahnen:

„The unwinding brings freedom, more than the world has ever granted, and to more kinds of people than ever before – freedom to go away, freedom to return, freedom to change your story, get your facts, get hired, get fired, get high, marry, divorce, go broke, begin again, start a business, have it both ways, take it to the limit, walk away from the ruins, succeed beyong your dreams and boast about it, fail abjectly and try again. And with freedom the unwinding brings its illusions, for alle these pursuits are as fragile as thought balloons popping against circumstances. Winning and losing are all-American games, and in the unwinding winners win bigger than ever, floating away like bloated dirigibles, and losers have a long way to fall before they hit bottom, and sometimes they never do.“

Von der Stabi fuhr ich zum Bauernmarkt am Josephsplatz, wo ich bei meinem liebsten Gemüsehöker feststellte, dass es halbfest kochende Kartoffeln gibt. Gleich mal ein Kilo mitgenommen. Dazu Tomaten und ein Bund Schnittlauch, denn zum Mittag wollte ich mir den Rest des Gulaschs aufwärmen, das ich Montag abend gekocht hatte. Da fehlte mir ein bisschen die Frische, weswegen ich gestern auf das mummelwarme Gericht einen Klecks Crème fraîche und einen Berg Schnittlauch gab. Damit war’s perfekt.

(Zum tausendsten Mal gegoogelt, ob auf „crème“ ein grave oder ein aigu kommt. Nächstes Mal gibt’s saure Sahne.)

Das Referat zuhause ein drittes Mal durchgegangen, bei 28 Minuten gelandet (ich hätte 30 gedurft). Um 17 Uhr hörte ich dann im Kurs zunächst ein Referat eines Kommilitonen, der über NGOs zwischen 1940 und 1960 sprach, unter anderem die International League for the Rights of Man, wonach ich dann mit Amnesty zwischen 1961 (der Gründung) und 1989 anschloss. Ich war ganz zufrieden, war vermutlich aber wie immer viel zu schnell, obwohl auf meinen Rededokumenten groß LANGSAM! steht. Es gab schöne Nachfragen und eine gute Diskussion, und ich konnte außerdem eine Folie in der Präsentation nutzen, die ich aus Zeitgründen rausgeschmissen hatte, aber noch im Dokument hatte. Den Tipp hatte mir F. irgendwann mal gegeben, als ich quengelte, wieviele Folien ich für meine Referate erstelle, nur um sie wieder zu löschen, weil ich zu lang bin. Er meinte: einfach im Dokument behalten, kann man vielleicht für eine Nachfrage nutzen. Guter Tipp.

Nach der Uni bleierne Müdigkeit. Beim Seriengucken eingeschlafen. Von F. geweckt worden und noch ne Runde am Küchentisch geredet. Dazu Bier für den Herrn und zur Feier des Tages Erdbeerschaumwein für die Dame.

#12von12 im Dezember 2016

Die übrigens 12von12*innen gibt’s bei Caro.

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Vor dem Wecker aufgewacht und erstmal auf Twitter und in verschiedenen Apps nach Nachrichten geguckt. Die New York Times abonniere ich schon länger, nach der Trump-Wahl kam noch der New Yorker hinzu und seit diesem Wochenende bin ich auch Washington-Post-Subscriberin. Ich habe keine Lust, die US-News auf deutschen Portalen zu lesen; SPON gewöhne ich mir eh gerade ab, die SZ macht mich mit ausgeschaltetem Werbeblocker wahnsinnig, und bei der FAZ ertrage ich nur das Feuilleton (das ist aber auch wirklich groß). Daher lese ich jetzt halt amerikanische Zeitungen. Das Dumme ist nur, dass ich mich dauernd aufregen muss, und ich frage mich, ob das so gut ist oder ob ich nicht lieber vier Jahre lang in selbstgewählter Unkenntnis leben möchte. Auch deswegen habe ich den obigen Ausschnitt meiner Timeline gescreenshottet, denn der erste Tweet erinnerte mich an diese Auseinandersetzung.

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Eine der wenigen Dinge, bei denen ich eiserne Disziplin habe: Abends wird abgewaschen, damit ich morgens in eine saubere Küche kommen kann. Ähnlich wie: Abends wird der Schreibtisch aufgeräumt, damit der Kopf morgens gut arbeiten kann.

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Das Schöne am Winter und seinen dunklen Morgenden: Man kann bei Kerzenlicht frühstücken. (Und total grobkörnige Bilder machen.)

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Nachdem ich das ganze Wochenende Textblöcke hin- und hergeschoben hatte, fiel mir gestern morgen endlich eine sinnvolle Struktur ein. Also wieder ran ans Referat.

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Zwei Stunden später war ich fertig und hielt mir das Ding zum ersten Mal. Fünf Minuten zu lang und das bei meinem üblichen Maschinengewehrsprechtempo. Muss ich noch kürzen. Aber erstmal ab zur Uni.

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Das kunsthistorische Institut der LMU erkennt man daran, dass es die hässlichste Fassadenfarbe der ganzen Straße hat.

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Macht aber nichts, so lange der Unterricht toll ist. Gestern fielen im Rosenheim-Seminar leider beide Referate aus; ein Referent hatte sich vom Kurs abgemeldet – in der Woche vorm Referat, ist klar, Pappkopf –, die zweite Referentin wurde quasi direkt vor ihrem Vortrag von der Kita ihrer Tochter angerufen, dass sie bitte ihren Nachwuchs wegen Krankheit abholen solle. Das geht natürlich vor (das meine ich ernst, natürlich geht das vor), und daher plauderten wir einfach mal ziellos über NS-Kunst. Deswegen schrieb ich auch gerade einen Begriff in mein Moleskine.

Außerdem berichteten die Kommiliton*innen uns Daheimgebliebenen von der Exkursion zur Bochumer Ausstellung Artige Kunst, die im Kurs alles andere als gut angekommen war (wie auch in der Zeit). Hauptkritikpunkt war die Aussage der Ausstellung, dass hier „die“ NS-Kunst gezeigt werden sollte, aber nur die üblichen Blut-und-Boden-Herrenmenschen sowie die vielköpfigen Bauernfamilien rumhingen. Wenn man die GDK als Vergleich nimmt, in der natürlich auch derartige Werke hingen, fehlt in Bochum ein gewaltiger Teil von dem, was damals als deutsche Kunst galt: die tausend Blumenstillleben, die Landschaften, all die bürgerliche Kunst, die schlicht weiterproduziert wurde und die sich keiner Ideologie anpassen musste, weil sie keine hatte; sie störte nur nicht zwischen den Brekers und Zieglers. In Bochum scheint wieder nur der winzig kleine Teil zu hängen, der landläufig mit dem Begriff NS-Kunst in Verbindung gebracht wird, und dieser winzige Teil machte in der GDK 1941, als der Höchststand von eindeutig ideologischen Werken erreicht war, gute drei Prozent aus. Drei. Prozent.

Wir sprachen auch über Erwartungshaltungen, mit denen man in Ausstellungen reingeht. So erfüllt Bochum vermutlich genau die Erwartungen, die man hat, wenn man mit wenig Vorbildung NS-Kunst gucken will. Dass NS-Kunst aber eben mehr ist als die Klischeebilder, die wir jetzt alle brav seit 70 Jahren mit gelernter Abscheu angucken, kann diese Ausstellung anscheinend nicht aufzeigen.

Die Ausstellung ist ab September 2017 in Regensburg zu sehen – parallel läuft dann unsere in Rosenheim. Mal sehen, was sich da für Dialoge ergeben können.

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Nach der Uni eingekauft.

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Weil ich abends warm kochen wollte, gab’s mittags nur Honigbrot mit einer Mandarine.

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Und wiederum ein paar Stunden später hatte ich das Referat gekürzt und war auch mit der Powerpoint und dem Handout für die Kommiliton*innen zufrieden. Jetzt konnte ich Gemüse und Fleisch schnippeln gehen. (Nachdem ich den Rechtschreibfehler korrigiert hatte, der mir beim Posten dieses Bildes auf Instagram aufgefallen war.)

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Nach gefühlt 100 Jahren machte ich mal wieder Gulasch, das aber gerne noch zwei Stunden länger hätte rumköcheln können. Mal sehen, wie’s heute schmeckt.

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Dafür war der Wein wie immer sehr gut; das ist mein liebster Schokowein. Der 2008er Jahrgang schmeckt quasi wie dunkler Kakao mit einem Tropfen Alkohol drin, der 2010er, den wir gestern hatten, hat immerhin noch ein bisschen Schokolade im Abgang und fängt sehr frisch mit taubenetzten Himbeeren an.

Was schön war, Freitag bis Sonntag, 9. bis 11. Dezember 2016 – Zirbelzauber

Freitag fuhren F. und ich nach Augschburg, um über den Christkindlesmarkt zu spazieren. F. kommt aus der Gegend und erzählte mir zwanzig Minuten lang, was in den heutigen Läden auf dem Weg zum Markt früher drin war, und ich dachte grinsend, dass ich das innerlich auch immer mache, wenn ich in die alte Heimat fahre – „da war doch damals …?“

Das Augsburger Rathaus hatte ich schon auf einer Unifolie gesehen und war sehr gespannt – und dann nach kurzem Gucken ziemlich überwältigt über die schiere Größe. Was muss Augsburg für eine reiche Stadt gewesen sein, um sich diesen Trumm in die Gegend zu klotzen? F. nur so zwischen zwei Schlucken Glühwein: „Fugger“, ich nickte und genoss weiter den Zirbelzauber – ein weißer Glühwein mit Fruchtsaft, Orange und Gewürzen. Werde ich ob des bescheuerten Namens nie bestellen, lasse ich mir seit Freitag aber äußerst gern kredenzen.

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Über die Zirbelnuss aka den Pinienzapfen lästere ich bei jedem Augsburgbesuch. Ich meine, das Ding sitzt oben auf dem Rathaus! Und anscheinend benennt man alkoholische Spezialitäten nach ihr. Und ich trage sie auf dem Fußballschal mit mir rum.

Das Wochenende verbrachte ich größtenteils damit, an meinem Amnesty-Referat rumzudengeln. Die von der Dozentin vorgeschlagenen Änderungen klangen erstmal nicht nach sehr viel Arbeit, waren sie aber natürlich doch. Gestern saß ich deswegen nochmal in der Bibliothek, denn ich hatte die ganze schöne Literatur mit einer anderen Frage im Hinterkopf durchgearbeitet und wollte lieber nochmal Dinge nachlesen, die ich mir vielleicht nicht notiert hatte. Ich fand auch noch schönes Zeug, arbeitete das ein – und warf gestern zum dritten Mal den Ablauf um. Jetzt hatte ich zwar endlich alles drin, was meiner Meinung nach rein sollte, aber so richtig flutschte das beim Vortragen noch nicht. Heute morgen fiel mir dann endlich eine Struktur ein, die eventuell klappen könnte. Das probiere ich heute aus, und ihr lest dann vermutlich morgen darüber. Da halte ich das Referat übrigens auch.

Ein namenloses Dankeschön …

… an die- oder denjenige*n, der*die mich mit Monika Marons Stille Zeile Sechs überrascht hat. Von Maron kenne ich bisher zwei Bücher – hier mein erstes, das total niedlich im Erstes-Semester-OMG-viel-zu-lesen-Eintrag untergeht, und hier mein zweites – und bin daher sehr gespannt auf ein weiteres von ihr. Das Geschenk kam ohne jeden Hinweis auf den oder die Schenker*in an; ich weiß nicht, ob das Absicht war oder Amazon die Hälfte der Rechnung verschlampt hat, ich tippe auf letzteres. Wie dem auch sei: Vielen Dank für das Buch, ich habe mich sehr gefreut.

Was schön war, Donnerstag, 8. Dezember 2016 – Warmer Winter

Wenn ich schon eine halbe Stunde vor Vorlesungsbeginn im Saal sein muss, um zwischen den ganzen Senior*innen noch einen Platz zu finden, dann will ich wenigstens entspannt ankommen. Heißt: radeln statt Bus fahren. Ich packte mich in die dicke Winterjacke, schlang den Schal um den Hals, zog die Handschuhe an und fuhr gut gelaunt zur Uni. Als ich nach zwei lehrreichen Stunden über Cézanne in Richtung Bibliothek fahren wollte, merkte ich, dass ich weder Handschuhe noch Schal brauchte. Ich Danger Seeker knöpfte sogar den obersten Knopf der Jacke auf, aber das war ein Fehler, wie ich nach wenigen Metern merkte. Trotzdem dachte ich, als ich am Hauptgebäude der LMU entlangfuhr, dass man eigentlich an Tagen wie gestern die Springbrunnen wieder anstellen sollte, so sommerlich kam es mir vor.

Vor der Vorlesung, zu der ich, wie gesagt, VIEL ZU FRÜH da war, weiter in Rückkehr nach Reims gelesen. Gefällt mir sehr gut.

In der Unibibliothek und der Stabi Bücher zurückgegeben und jeweils einen neuen Schwung geholt. Wiederholt festgestellt, dass ich mich jedesmal freue, wenn ich Bücher aus Regalen hole, sie im Arm zum Schließfach trage und liebevoll einzeln in meinem Rucksack verstaue. Das scheint nicht aufzuhören, diese taktile Zuneigung zu dieser Medienform.

Konzentriert am Referat weitergearbeitet, dessen Korrektur sich als etwas zäh erweist. Ich muss doch mehr umstellen als ich gedacht habe und gleichzeitig noch neuen Stoff einarbeiten. Das ist als Textprofi eigentlich kein Ding, aber mit dem neuen Stoff passt meine geplante Reihenfolge nicht mehr, und deswegen schmeiße ich seit zwei Tagen wild Textblöcke und Powerpointcharts durch die Gegend.

Ich fand Westworld eher so meh, aber ich mochte die Musik sehr. Den Soundtrack zur ersten Season mit den ganzen irritierenden Klavierstücken gibt’s seit gestern auf Spotify.

Abends erstmals Salatherzen in Knoblauchbutter mit Pinienkernen angebraten, weil ich nach zwei Tagen keine Lust mehr auf Kürbislasagne hatte. Die durfte F. aufessen. Der warme Salat war prima, das mache ich auf jeden Fall nochmal.

Was schön war, Mittwoch, 7. Dezember 2016 – Entscheidung

Im ersten MA-Semester, also vor knapp einem Jahr, schrieb ich eine sehr gute Hausarbeit zum Thema „Richard Wagners Opernfiguren im Werk von Anselm Kiefer“. Diese Arbeit beruhte auf einem Referat, das ich in einem Kurs hielt, in dem wir uns mit der unterschiedlichen Kunstentwicklung in der Bundesrepublik und der DDR nach der Teilung Deutschlands befassten. Mein Referatsthema hieß „Anselm Kiefer und der deutsche Mythos“, und da ich Kiefer mochte und deutsche Mythen eh, schlug ich zu und begann zu lesen. Ich kannte das Frühwerk Kiefers nicht – ich verband mit ihm nur die Bleibücher, die ich immer noch großartig finde – und war daher überrascht, bergeweise Wagnerzitate zu finden. Als Wagnerianerin von Kindheit an und als jemand, die 30 Jahre lang über Wagner und sein Werk ab und zu mal was gelesen hatte, sah ich natürlich auch ohne die ganzen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen, die ich in den folgenden Monaten durchblätterte, die Bezüge: Personal, Waffen und Tiere aus dem Ring, Parsifal, den Meistersingern, dem Tannhäuser, mal im Bild, mal in einem Buch, jahrelang übers Werk verstreut. Ich las Theorien darüber, was diese Bezüge ausdrücken sollten, und auch wenn ich vielem zustimmen konnte, fielen mir Lücken auf, die ich in meiner Hausarbeit darlegte und füllte. Bei der Besprechung fragte ich die Dozentin, warum diese mir so offensichtlich erscheinenden Dinge noch niemand bearbeitet hätte, woraufhin sie meinte, vielleicht gebe es nicht viele Wagnerfans unter den Kieferfans. Das kann ich mir natürlich kaum vorstellen, denn für mich liegen beide auf der Grenze zum schwülstigen Kitsch und passen ganz hervorragend zusammen. (Ich weiß natürlich auch, dass für viele Kritiker*innen beide diese Grenze längst mit Schmackes hinter sich gelassen haben.)

In der Hausarbeit hatte ich viel zu wenig Platz für alles, was ich gerne sagen wollte. Alleine die Bildbeschreibungen hätten meine Zeichenbegrenzung gesprengt, aber mir war schnell klar, dass das eine hervorragende Masterarbeit werden könnte. Das sah meine Dozentin genauso; wir verblieben mit „Ich melde mich und habe Sie als Prüferin im Hinterkopf.“

Im letzten Semester merkte ich, wie sehr mir Archivarbeit Freude machte und wie sinnvoll sie mir erschien. Deswegen suchte ich, obwohl ich noch an Kieferwagner hing, nach Alternativen. Nochmal Leo von Welden? Nee, nicht drei Arbeiten hintereinander. Vielleicht was aus dem Umfeld, das ich im Rosenheimseminar kennengelernt habe? Kunstpolitik in der Nachkriegszeit? Einfach mal zehn Jahrgänge den Mangfallboten oder das Oberbayerische Volksblatt auswerten und gucken, wer was in der Gegend ausstellte und wie es besprochen wurde? Vielleicht auch was total anderes – „Bildästhetik bei Vlogs am Beispiel Casey Neistat“? Der hatte sein Vlog ja gerade beendet, da hätte ich einen schön übersichtlichen Werkkörper. Durch die Beschäftigung mit Amnesty International und deren Werbefilmchen kam auch die alte Marketenderin in mir wieder durch: „Die Überzeugungskraft von Bildern – Imagefilme von NGOs im Vergleich“. Und irgendwo reizt es mich ja immer noch, sämtliche architektonischen Pokéstops der Maxvorstadt zu katalogisieren und zu diskutieren, warum die Masse irgendwelche Fassadendetails bemerkenswert findet, die ich nicht mal gesehen hätte, wenn ich nicht Bällenachschub gebraucht hätte. Mein Instagramstream ballert mich mit Werken des Brutalismus zu, die ich auch gerne anschaue, im Lesesaal der Stabi sitze ich in einem Werk Sep Rufs, dessen Wohnhaus in der Türkenstraße/Theresienstraße ich so mag, im Hinterkopf ist auch immer noch die Bemerkung eines Dozenten aus dem Bachelor, der meinte, das geplante, aber nicht umgesetzte Kanalsystem von Nymphenburg könnte man auch mal aufarbeiten, ach, es ist ein Kreuz, so viele schöne Dinge, über die man schreiben könnte und ich darf mir nur eins aussuchen.

In den letzten Wochen sprach ich noch mit einigen Personen an der Uni oder aus Museen, die um die Ecke Tipps oder Vorschläge für mich hatten. Gestern kam telefonisch der letzte, auf den ich noch ungeduldig gewartet hatte. Ungeduldig, denn ich muss mich schon Anfang Januar zur Arbeit anmelden, und auf dem Formular müssen Prüfer*innenname und Titel der Arbeit stehen. Aus der beknackten Bachelorarbeit hatte ich gelernt, dass es sehr klug wäre, sich schon vor der Abgabe dieser Anmeldung etwas ausführlicher mit dem Stoff zu beschäftigen, um zu wissen, ob er a) was taugt und b) genug hergibt – wobei ich bei b) nach inzwischen neun Semestern sagen kann: Ich kann aus allem immer mehr schreiben als gefordert. Ich hätte jetzt also nur noch vier Wochen Zeit, um mich in ein neues Thema einzulesen, das von außen kommt, von den vier Wochen fallen gefühlt zwei weg, weil ich noch zwei Referate vorbereite und außerdem Weihnachten, Neujahr sowie irgendwelche anderen bayerischen Feiertage anfallen, an die mich iCal erinnert, weil ich sie sonst nicht mitkriege sowie die etwas längeren Vorlaufzeiten von Archiven und Heimatmuseen, in die man eben nicht jeden Tag wie in eine Bibliothek spazieren kann.

Deswegen hatte ich eigentlich auch nur noch halbherzig auf diesen letzten Tipp gewartet, denn eigentlich war mir schon seit Tagen klar: Ich mach den Kieferwagner. Bei allen Alternativvorschlägen wimmerte in mir: Aber du hast noch nicht die schönen Werke beschrieben, du hast Kershaws Hitlerbiografie noch nicht durch, du hast da noch was vor, auf das du dich eigentlich seit einem Jahr freust. Heb dir die NS-Kunst für die Promotion auf und mach die Arbeit fertig, die du im letzten Winter nur anfangen konntest. Und schreib weiter Blogbeiträge über Casey, das reicht.

Und so wühlte ich gestern frohgemut im Internet das Nationalarchiv des Wagnermuseums in Bayreuth durch, wo lauter tolles Zeug gesammelt wird – unter anderem zeitgenössische Rezensionen zu den Aufführungen. Wenn ich also richtig Langeweile habe, kriege ich sogar bei Kieferwagner Archivarbeit unter.

Ich freu mich.

Was schön war, Dienstag, 6. Dezember 2016 – Feedback

Neben einem tollen Menschen eingeschlafen, tiefer Schlaf, entspannt neben einem tollen Menschen aufgewacht. Gleich morgens ein Extraschwung Glücksgefühle, ganz umsonst.

Mein üblicher Morgencappuccino war gestern besonders exquisit. Perfekte Mischung aus gutem Kaffee, anständiger Vollmilch und, ähem, einem anscheinend hervorragend abgeschätztem Schwups Sirup in der Geschmacksrichtung Weiße Schokolade. Damit war das Gebräu vermutlich kein Cappuccino mehr. Aber dafür sehr schmackhaft.

Mein Handout zum Amnesty-International-Referat an die Dozentin geschickt, deren Feedback postwendend kam: Ja, das ginge so, aber ich sollte noch dies und das beachten. Was bei mir ankam wie: Ja, das ginge so, aber hier wäre eine Verbesserung auf dem Silbertablett, die total im Sinne des Seminars wäre. Innerlich bedankt, mich an den Schreibtisch gesetzt und die Bücher und Aufsätze nochmal überflogen, um noch ein bisschen Stoff zu sammeln. Dann das Referat im Sinne der Dozentin umformuliert. Ich bin nicht ganz damit fertig geworden, aber abends im Kurs berichtete ich von meinen Änderungen, die abgenickt wurden.

Wieder eine spannende Sitzung gehabt, in der ich erstmals verstanden habe, dass Menschenrechte interpretierbar und damit von jedem und jeder anders argumentativ genutzt werden können. Ein erstes Referat berichtete über das Buch The Language of Human Rights in West Germany von Lora Wildenthal; hier die sehr gute Rezension von Jan Eckel dazu. (Für unsere Referate stöbern wir übrigens so ziemlich alle in Eckels sehr lesbarem Buch Die Ambivalenz des Guten. Alleine sein AI-Kapitel ist gute 100 Seiten lang.) Wildenthal hat sich als erste Forscherin mal angeschaut, wie mit Menschenrechten argumentiert wurde, als es um die deutschen Vertriebenen ging. Ein zweites Referat beschäftigte sich mit dem Algerienkrieg, bei dem beide Seiten sich auf Menschenrechte beriefen: Die FLN pochte auf das Recht der Selbstbestimmung (Art. 21), während Frankreich darlegte, dass es den Einwohner*innen eines kolonialisierten Algerien wirtschaftlich besser ging als vorher (Art. 22 bis 25).

Abends Kürbislasagne und Earl Grey, heiß. Nebenbei Fußball laufen lassen und über Werbung mit den Augen gerollt.

Was schön war, Montag, 5. Dezember 2016 – Käse

F. und ich wurden an einen reich gedeckten Tisch gebeten, und ich aß mein erstes Käsefondue. Ich möchte Kirschwasser jetzt nur noch in Brockenform zu mir nehmen. Das war ein sehr angenehmer, ruhiger und unterhaltsamer Abend in netter Runde. Heute morgen wachte ich sehr entspannt und gut gelaunt auf – da scheint auch die gestrige Rotweinmenge perfekt austariert gewesen zu sein.

Schokomuffins mit Erdnussbuttercreme

Das Zeit-Magazin warf mir gestern einen Link zu Herzfutter in die Timeline, wo mich Muffins mit Schlotz darauf sofort anlachten. Auf das dort vorgesehene Erdnusskaramell habe ich verzichtet, weil ich keine Erdnüsse im Haus hatte. Alternativ dazu wollte ich Zucker spinnen, aber das hat nicht funktioniert, weswegen in meinen kleinen knuffigen Muffins nur eine Karamellscherbe zur Deko steckt.

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Aus dem untenstehenden Rezept sollen 12 bis 15 Stück rauskommen; ich habe es halbiert, woraus perfekte sechs wurden.

150 g zimmerwarme Butter mit
200 g Zucker schaumig schlagen. Nach und nach
3 Eier,
1 Prise Salz sowie
200 ml Milch einrühren. Zum Schluss
100 g Mehl,
70 g dunklen Kakao und
2 gestrichene TL Backpulver einrühren.

Den Teig in eine mit Papiermützchen ausgelegte Muffinform füllen und im auf 180 Grad vorgeheizten Ofen für ca. 25 Minuten backen. Stäbchenprobe machen und auskühlen lassen.

Für die Erdnussbuttercreme
90 g zimmerwarme Butter weißlich aufschlagen.
90 g Puderzucker unterrühren; wenn sich alles verbunden hat, noch
120 g cremige Erdnussbutter sowie
20 ml Milch unterrühren. Notfalls noch mal kühlen, danach Frosting in einen Beutel mit Zackentülle füllen und auf die Muffins spritzen.

Für die Dekokaramellscherbe, die wirklich niemand braucht, aber falls ihr sie trotzdem basteln wollt: den Boden einer Pfanne mit Zucker bedecken, einen EL Wasser dazu, aufkochen lassen, und sobald es sich dunkel verfärbt, vom Herd ziehen. Kurz abkühlen lassen und bevor der Zucker zu einem festen Block wird, auf ein mit Backpapier ausgelegtes Blech kippen. Erkalten lassen, mit einem Kochlöffelstiel herzhaft zerkloppen und die Einzelstücke in die Muffins stecken.

Ich mochte die tiefe Schokoladigkeit der schön lockeren Muffins und dass die Creme mehr erdnussig als süß ist. Von der hätte ich allerdings gerne mehr gehabt, deswegen würde ich beim nächsten Mal vermutlich die Buttercrememenge um 50 Prozent erhöhen.

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Was schön war, Samstag, 3. Dezember 2016 – Konzentration

Den ganzen Tag am Schreibtisch gesessen und am Referat zu Amnesty International gefeilt. Eigentlich hatte ich eine schöne Struktur, an der ich mich langhangeln wollte, aber ich merkte schon beim ersten Aufschreiben, dass ich dauernd auf Dinge vorgreifen musste und dann wieder zurückging, um den Erzählfaden nicht zu verlieren. Ich löste mich von der Struktur, warf Zeug durcheinander, schrieb auf, bastelte Bilder für die Präsentation, es ist garantiert jetzt schon wieder alles zu lang, aber ich schreibe erstmal alles auf, was ich sagen will und lösche dann wieder alles, was nicht in 30 Minuten passt.

Zwischen dem Schreiben, dem Basteln und dem ständigen Selbstgespräch – ich erzähle mir immer erstmal alles, was ich sagen will, weil ich dann merke, ob’s passt oder ich mich irgendwo verzettele – kochte ich Tee, dann Nudeln, dann lungerte ich kurz beim Fußball auf dem Sofa rum und spielte Candy Crush, und dann schrieb und bastelte ich weiter. Sehr ruhig und konzentriert, im eigenen Tempo, die Deadline klar vor Augen, aber noch nicht so nah, dass sie drückt. So wie ich am liebsten arbeite. Bücher um mich rum, meine ausgedruckte Stoffsammlung voller Textmarkergelb, heißer Tee und Stille.

Was außerdem schön war: nette Mails von Leser*innen zu bekommen, die sich bedanken oder gute Tipps haben. Danke dafür.