KW 29/30 – Urlaub, Abschied und Schokokuchen mit Kirschen

Meine Zeit im Lenbachhaus ist rum, kaum dass sie angefangen hat. Das Ganze war eine kleine Elternzeitvertretung, und meine Hoffnung, dass einfach noch irgendjemand am Haus schwanger wird und ich bleiben kann, hat sich nicht erfüllt. Fiese Kolleginnen!

Deswegen schleppte ich am Donnerstag zwei Bleche Brownies plus standesgemäße Sprühsahne ins Haus, schrieb eine Abschiedsmail, an der ich – natürlich – tagelang rumgedoktort hatte, wie ich das halt bei Abschiedsmails so mache. Von den vielen Reaktionen war ich dann aber doch überrascht, das kannte ich in der Menge und Zugewandtheit aus meinen hartherzigen Werbeagenturen nicht. Tolle Kolleginnen!

Beim Abschiedsmittagessen bekam ich einen hervorragenden Büchergutschein, ich wimmerte nur noch vor mich hin, es gab Umarmungen und schließlich rief sogar noch der Chef aus dem Urlaub an, um sich persönlich zu bedanken und zu verabschieden und dann war ich nur noch ein blubberndes Wrack und wollte nach Hause an den Rotweintropf.

In der vorletzten Woche hatte ich Urlaub, der nicht so recht einer war, weil ich andere Jobs auf dem Tisch hatte. Unter anderem den, zum ersten Mal in meinem Leben Noten an Studierende verteilen zu müssen, worüber ich natürlich ebenfalls ewig nachdenken musste. Vermutlich war ich äußerst großzügig, aber das ist okay, die Studis waren Versuchskaninchen, das passt. Im nächsten Semester werde ich die hartherzige Paragrafenreiterin, bei der nie jemand zu spät kommen darf, und niemand kriegt was Besseres als eine zweinull.

Die Rauchmelderjungs waren da und fragten mich über Luise aus. Ich freue mich immer, wenn sich Handwerker über Luise freuen.

Eine Kuratorin neulich so: „Niemand interessiert sich mehr für das 19. Jahrhundert.“ AN MIR LIEGT’S NICHT!

Liebstes Essen in den letzten Wochen: Kichererbsen mit haufenweise indischen Gewürzen drüber. Hier noch mit Ofenkartoffeln und Spinat sowie Raita und Koriandersauce. Wie so oft in letzter Zeit frei Schnauze nach Rainbow Plant Life.

Außerdem lese ich gerade eine Turner-Biografie. Ich bin zwar nicht mehr vor Ort am Haus, wo demnächst Turner gezeigt wird, aber einen Newsletter und einen Blogeintrag darf (will) ich noch machen.

Ein Bewerbungsgespräch gehabt. Mich verzweifelt versucht zu erinnern, wie das noch mal ging. War okay, glaube ich, aber ich habe keine Ahnung.

Als Vorbereitung auf das Gespräch war ich in der Bibliothek des ZI (aka meinem Bällebad, schon viel zu lange nicht mehr vorbeigeschaut) und las alle vier Bücher über Jaqueline Humphries, die im Regal waren. Den Satz brachte ich auch im Gespräch an: „Wenn das mit dem Job nichts wird, habe ich immerhin eine spannende Künstlerin kennengelernt.“

Dort auch gleich noch eine interessante Ausstellung angeschaut: „Weltkunst 1923. Von der Umwertung der deutschsprachigen Kunstgeschichte“. Alle textlichen Exponate sind online.

Mal wieder bei Herrn Nakamura gegessen. Wie immer großartig. Ich finde kaum noch Worte dafür, wie glücklich und zufrieden und für den Rest der Welt gestärkt wir da immer rauskugeln. F. den Wein aussuchen lassen, ein Bild vom Essen gemacht, genossen und wieder als letzte Gäste gegangen.

Die noch fast volle Flasche mit rotem Champagner steht gerade mit einem riesigen Profi-Verschluss in meinem Kühlschrank. „Den bringt ihr beim nächsten Mal einfach wieder mit.“

Mich über den Online-Ticketshop für Bayreuth gefreut und gewundert. „Bundeskanzlerin“ im Dropdown fand ich schön. Gab nur noch Karten für den „Holländer“ (für zweieinhalb Stunden Wagner fahr ich da nicht hin) und den kompletten „Ring“ (für sechzehneinhalb Stunden Wagner fahr ich da nicht hin). Den „Parsifal“ kann man auf 3sat gucken, mache ich heute.

Gestern spontan ein Rezept der NYT ausprobiert (ohne Paywall). War eher so meh, auch weil ich Honk die herrliche Schokosahne auf noch zu warme Kirschen gespachtelt habe, weswegen aus dem vor mir weglaufenden Fotostück schließlich ein Trifle wurde, aber Schokolade und Kirschen gehen ja in jeder Form.


Das letzte Foto entstand übrigens unterhalb von Luise, da ist gutes Fotolicht.

Was schön war, KW 28 – Aprikosen, Pflaumen, Kohlrabi

Um 12 Uhr kam mein Zug am Montag aus Halle an, um 15 Uhr sollte unser Mitarbeiter*innenfest losgehen. Die Zeit reichte, um schnell ein Blech Aprikosenkuchen zu backen. Extra noch Margarine gekauft, damit die Kollegin mit der Milchallergie mitessen kann.

Auf drei Baustellen gleichzeitig gearbeitet, im Museum, am heimischen Schreibtisch, im Zentralinstitut für Kunstgeschichte. Wo ich mich halt so rumtreibe.

In mein derzeitiges Müsli kommen immer Pflaumen. Und zum abendlichen Snackteller, weil es zu heiß zum Kochen ist, gehören Paprika, Möhren und Kohlrabi. Immer Team Kohlrabi.

Der Sturm in der vergangenen Woche hat einen meiner drei Balkonkästen mitgenommen. Ich bin nachts vom irrsinnig lauten Wind aufgewacht und habe mich nicht getraut, die Außenjalousien hochzulassen, um noch etwas vom Balkon zu holen. Mein Blumentopf auf dem Tisch ist stehengeblieben, genau wie der Tisch. Mein Rentnerstuhl mit Armlehnen und hochklappbarem Fußteil wurde etwas zusammengedrückt und lehnte morgens an der Wand anstatt ausgeklappt am Tisch zu stehen. Und von den Kästen fehlte der mit den Kräutertöpfen drin. Die Blümchen sind alle noch da, aber ich muss jetzt Petersilie, Basilikum, Thymian und Rosmarin nachkaufen. Und einen Kasten.

Viel über den Kunstraub von 1938 in Münchner Museen gelesen.

Und eben beim Bücherflohmarkt am Lenbachhaus ein Schnäppchen gemacht: „Unbewältigt? Ästhetische Moderne und Nationalsozialismus: Kunst, Kunsthandel, Ausstellungspraxis“ kostet eigentlich 29 Euro und ich habe es in der Bib dauernd in der Hand. Jetzt hab ich’s für nen Zehner zuhause.

Was schön war, KW 27 – Garantiert nicht die Hitze

Gute Arbeitswoche gehabt, motivierendes Meeting, nette Mails, charmante Kolleginnen, wie immer, gerne wieder.

Außerdem mit dem Team im Stadtmuseum gewesen, um die neue Ausstellung „(K)ein Puppenheim. Alte Rollenspiele und neue Menschenbilder“ anzuschauen. Ich muss da nochmal rein, ich war um 17 Uhr nicht mehr aufnahmefähig. Aber was ich noch mitgekriegt habe, war schon toll.

Auch immer gern: die Mittagspausen im Garten. Die werde ich vermissen – meine Zeit im Haus geht langsam zu Ende, denn der Job war ja nur eine Elternzeitvertretung. Bin schon abschiedsschmerzig, freue mich aber gleichzeitig sehr auf neue Dinge.

Und auf ein paar Wochen Urlaub. Das letzte halbe Jahr war mit Job und Zweitjob und Nebenbeijobs und einem Hauch Privatleben anstrengender als erwartet. Aber gleichzeitig auch unglaublich lehrreich und spannend und toll.

Viel Gutes gekocht und gegessen.


Seidentofu mit Zitrussauce nach „Immer schon vegan“.


Von der Zitrussauce war noch der Großteil einer Orange übrig, die wurde Frühstückssaft.


Za’atar-Mohrrüben und -Kichererbsen aus dem Ofen, Reis, Misojoghurt.


Die restlichen Kichererbsen aus der Dose wanderten in die Pfanne mit allen Gewürzen, die meine Ottolenghi-Schublade hergibt, Salat, Joghurt.

Die VG Wort hat mir für die Diss mehr Geld überwiesen als ich jemals fürs Blog bekommen habe. Ich schreib einfach noch eine und mach den Laden hier dicht.

Am Freitag saßen F. und ich im Zug nach Halle, wo wir auf einen Geburtstag eingeladen waren. Ich freute mich ein bisschen mehr auf die Moritzburg als auf die Party, aber alles wurde erschwert durch die verdammte Hitze, auf die ich trotz Akklimatisierung seit dem letzten Jahr und einer frisch angeschafften Leinenbluse nicht gut vorbereitet war.

Am Freitagnachmittag ging’s bei noch lächerlichen 30 Grad eigentlich, wir schlichen zu einem Antiquariat und kauften lauter alte Dinge. Ich erwarb zwei Bücher von Ernst Wiechert und drei von Wolfgang Koeppen und jeweils eins von Klaus Mann und Joseph Roth und F. schenkte mir einen Katalog zu einer DDR-Ausstellung in Halle 1984, der mir zu teuer gewesen wäre Herzchen-Emoji.

Abends saßen wir im Speiseberg, dem ersten und einzigen Sterne-Restaurant in Halle. 2022 erkochte sich das Team einen Stern, den sie in diesem Jahr verteidigten. Das war alles gut und schön und teilweise sehr gut und sehr schön, aber wir merkten, dass wir inzwischen vom Sternemonster und Schickimickistadt und Hauptstadt der Menschen mit viel Geld München völlig verdorben waren, was unsere Erwartungen an diese Art Küche angehen.

Wir kamen zufrieden und gut umsorgt wieder raus, waren uns aber einig, dass man bei einigen Gängen noch ein Schippchen drauflegen könnte, gerade was Produktqualität angeht. Aber das würde das Menü halt noch teuer machen und wie eben angedeutet, ist Halle nicht Protzmünchen. Daher war das alles völlig in Ordnung so. Und der Blumenkohlgang war der Kracher. Überhaupt finde ich immer mehr die reinen Gemüsegänge spannend.


Onsen-Ei und Radieschen.


Blumenkohl und Blattsalat. Das ist das Sorbet auf dem eisgekühlten Stein. (Packt das doch bitte auf den Teller, Hasis.)


Lachsforelle und Karotte.


Melone und Gurke.


Zander und Erbse, mein zweitliebster Gang wegen buttriger Erbsen neben gefriergetrockneten. Toll.


Lamm und Kirsche.


Sesam.


Erdbeere und Eisenkraut.


Rausschmeißerchen und Espresso.

Von der Geburtstagsparty, die für uns bereits Samstagmittag begann (Fahrt zum Gastgeber, Fahrt mit Gastgeber zur Location) musste ich früher weg als geplant, sonst hätte mein Kreislauf irgendwann gar nicht mehr reagiert. Im Hotel, das netterweise eine Klimaanlage besitzt, ging es mir nach viel Wasser, einer Dusche und Rumliegen besser. Ich war trotzdem traurig, bei F.s langjährigen Freunden vermutlich den Eindruck einer konstant fächelnden, rotgesichtigen Frau hinterlassen zu haben, die alle 20 Minuten aus der stickigen Partyhalle nach draußen flüchtete, wo es zwar noch heißer war, aber immerhin ein Wind ging. Dass ich nett und schlau und unterhaltsam sein kann, ging bei 34 Grad einfach unter. Merke ich mir fürs nächste Mal. Einfach zuhause vor dem Ventilator bleiben und per Zoom gratulieren. Dann wäre mir allerdings der Gin Basil Smash mit alkoholfreiem Gin entgangen, der mir sehr gut gefallen hat.

Am Sonntag schlichen wir in der Moritzburg, meinem Lieblingsmuseum, durch die schöne Ausstellung „Halle am Meer. Strandzone und Naturidyll Ahrenshoop 1945–2023“. Tolles Plakat, (größtenteils) tolle Werke, tolle Klimaanlage. Geliebt: Uwe Pfeifer: Beton und Steine, 1972, Privatbesitz.

Dann schlichen wir durch die zweite, deutliche kleinere, aber genauso tolle Sonderausstellung von Gertraud und Otto Möhwald, zwei Künstler*innen der Halleschen Schule.
Die Moritzburg schreibt übrigens in den Wandtexten „Künstler und Künstlerinnen“, kein Sternchen oder ähnliches, aber: Immerhin die weibliche Form ist ebenso oft sichtbar wie die männliche. Nebenbei sind die Wandtexte alle toll, ein besonders gutes Beispiel habe ich vertootet. Vielleicht klappt der Twitter-Abschied ja endlich. Geliebt:


Otto Möhwald, Straße mit Autos I, 2007/08, im Besitz der Familie des Künstlers. (KAUF ICH SOFORT!) Und:


Gertraut Möhwald, Große Büste in fünf Teilen, 1996, Moritzburg.

Dann schlichen wir durch die ständige Ausstellung, die wir schon kannten und mochten. Die Moritzburg war eines der ersten Kunstmuseen, das Werke aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 in der ständigen Sammlung zeigt und sie hervorragend kontextualisiert. Es ist nur ein Raum, in dem es um systemkonforme und ganz und gar nicht systemkonforme Kunst aus der Zeit geht, aber der ist sehr clever gemacht: Beim ersten Rundumblick kann man nicht sofort sagen, was jetzt schlimmer Nazikram ist und was nicht und das ist genau der Punkt.

Außerdem war es für mich, vor allem nach der Lektüre der sehr guten Biografie über den Künstler, etwas Besonderes, wenigstens einige der als „entartet“ abgehängten Feiningers aus Halle wieder dort zu sehen, wo sie angefertigt wurden.

Zum Schluss, im Gehen verstehen, noch schnell durchs 19. Jahrhundert, eine Schmuckausstellung und die Gotik, die mich mal wieder erwischen konnte. Großartiges Zeug, was da rumsteht. Schaut mal vorbei!


Unbekannte mitteldeutsche Werkstatt, Knieende Heilige, 1510/1520, Moritzburg.

Leider ließ uns dann das Öffi-Glück im Stich, zwei blöde Autofahrer hatten ausgerechnet auf den Tramgleisen einen Unfall verursacht, nichts ging mehr, was bei, ich sage das ungern nochmal, 34 Grad noch weniger Spaß macht als sonst, in einer fremden Stadt einen Weg nach Hause zu suchen, wenn man sich wirklich, wirklich nicht bewegen will und zu allem Überfluss natürlich acht Kilo Buch im Museumsshop erworben hat. Nach einigem Gehässl ging’s dann aber, wir fuhren eine Station weiter als bis zum Hotel, denn da war der Bahnhof, wo ein Supermarkt mit Kühlschrank war und wir öffneten die Getränke quasi direkt hinter der Kasse.

F. fuhr nochmal zum Freund, ich blieb wieder im Hotel, das ist für uns beide die beste Lösung gewesen. Und morgen geht’s wieder nach München, wo mich bei ebenfalls 34 Grad das Mitarbeiterfest im Museum erwartet. Ich habe mich in weiser Voraussicht nicht in die Kuchen-Backen-Liste eingetragen, aber vielleicht kann ich noch eine Melonenbowle mit ganzen Früchten ansetzen, wie Papa jetzt gescherzt hätte.

Was schön war, KW 26: erneut viel Kunst

Montag war das letzte Seminar im Sommersemester. Ich bekam gutes Feedback von den Studis, und die wenigen Kritikpunkte, die angesprochen wurden, hatte ich mir selbst auch schon notiert. Auf ein Neues im WS 23/24.

Wir waren deutlich vor der geplanten Zeit fertig, ich hatte die Dauer der Studireferate plus Diskussion total falsch eingeschätzt, weswegen ich nun die Möglichkeit hatte, noch drei Stunden in Düsseldorf bei 26 Grad rumzuhängen (zu kurz, um wirklich was zu unternehmen, zu lang, um nichts zu unternehmen) oder einfach einen früheren Zug zu buchen. Da ich an diesem Seminar quasi eh nichts verdiene bzw. das Geld fast komplett für Züge und Hotels draufging, dachte ich, jetzt isses auch egal, buchte einen früheren Zug, saß dann fast alleine im Waggon, der wunderbar klimatisiert war und pünktlich mit dem Restzug in München ankam. Alles richtig gemacht.

Am Dienstag wurde unsere neue Ausstellung „Fragment of an Infinite Discourse“ eröffnet. In einer der Reden wurde die Autobiografie von Galerist Jörg Johnen erwähnt und empfohlen, dessen großzügige Schenkung ans Haus Grundstock der Ausstellung ist. Und da ich ja gerne auf Buchtipps von schlauen Menschen reagiere, habe ich das Buch gekauft und gelesen und gebe den Tipp gerne weiter. Der Klappentext sinngemäß: Man erfährt viel über die Entwicklung von Kunst und dem Geschäft mit Kunst seit den 1970er Jahren in der Bundesrepublik, aber auch, wie man in dieser Zeit als schwuler Mann aufwächst.


Frittierter Tofu mit Zitronengras und Chili, nach Katharina Seisers „Immer schon vegan“.

Freitag führte ich die philippinisch-kalifornische Verwandtschaft von F., die seit fast vier Wochen in der Gegend ist, zunächst durch den Blauen Reiter und dann durch „Leben? oder Theater?“. Die Werke von Charlotte Salomon funktionierten eindeutig besser, jedenfalls wurde mehr nachgefagt und länger stehengeblieben. Hätte ich nicht gedacht, hat mich aber sehr gefreut.

Abends saß ich mit F. erneut im Lenbachhaus und sah die erste Präsentation des Projekts „The Broken Pitcher“. Davor gab es eine Diskussion mit Mietaktivisten in „the capital of unaffordable rent“, wie unsere Kuratorin es ausdrückte (ich hoffe, ich habe mir das Adjektiv richtig gemerkt, beim Rest bin ich mir sicher). In der Diskussion ging es um andere Wohnformen als die, die wir als „normal“ empfinden, um die Auswüchse des kapitalistischen Systems, das Hypotheken schlicht weiterverkauft, bis die Schuldner*innen keine Ansprechpartner mehr haben, und ähnlich gute Laune erzeugende Dinge. Ich lernte das Sprichwort „Der Satte glaubt dem Hungrigen nicht“ kennen und finde, dass es gerade auf sehr vieles passt, was mich ängstigt.

„The Broken Pitcher“ läuft noch an den drei kommenden Freitagen, jedesmal mit einem anderen Begleitprogramm. Ich empfehle einen Besuch, der Eintritt ist frei.


Kaum eine Woche ohne Frühlingszwiebelfladen, gehen halt immer.

Habe nicht nur das Buch von Jörg Johnen durchgelesen, sondern in den letzten Wochen auch noch „The Green Road“ von Anne Enright (mochte ich sehr, auf Deutsch „Rosaleens Fest“), „Hunts in Dreams“ von Tom Drury (mochte ich weniger, die letzten 30 Seiten nur noch überflogen) und „Jerusalem on the Amstel“ von Lipika Pelham. Das war großartig: viel gelernt über die „Nação“, eine Gruppe jüdischer Einwander*innen aus Spanien und Portugal, die in Amsterdam das Goldene Zeitalter mitbegründeten. Die portugiesische Synagoge haben F. und ich beim letzten Besuch besichtigt, aber nach dem Buch muss ich dringend nochmal hin. Schließlich weiß ich jetzt, dass es eine Stunde dauert, die 1000 Kerzen der Leuchter per Hand anzuzünden.


Ich muss mein Mehl verbrauchen, es hilft ja nichts.

21 Jahre

Dieses Blog wird heute 21 Jahre alt. Wäre es in den USA, dürfte es sich endlich ein Bier bestellen.

Ich verweise faul auf den Eintrag zum Zwanzigjährigen. Die Lust am Bloggen ist, wie dort schon erwähnt, immer noch nicht so ganz wieder da, aber eben auch noch nicht ganz weg. Ich lasse das Blog einfach weiter vor sich hinverwildern, mal gucken, was draus wird.

Was schön war, KW 24/25: viel Kunst

Kindergeburtstag gefeiert. Ich saß netterweise mit Erwachsenen an einem Tisch, unter anderem mit einer Schwester des philippinischen Vaters von F., die aus Kalifornien zu Besuch war, und ihrer Nichte. Zumindest theoretisch habe ich mehr über die philippinische Küche erfahren; am Kochkurs, den sie meiner Quasi-Schwägerin (und F. in Vertretung von mir) gab, konnte ich leider nicht teilnehmen, weil ich im Norden war.

Auf der Rückfahrt vom Geburtstag im Allgäu verpassten wir einen Anschlusszug, und anstatt am dortigen Bahnhof im Nirgendwo eine Stunde herumzustehen, blieben wir einfach im Regionalzug sitzen, fuhren bis Augsburg und von da nach München zurück. Wir sahen erstmals, dass auch an Nicht-Spieltagen und sogar nach Saisonschluss die bunten Fassadenelemente der WWK-Arena leuchteten. Ich hatte ein bisschen Heimweh.

Trotz des Umwegs waren wir früher wieder in München, als wenn wir auf den Zug gewartet hätten. Ich liebe das 49-Euro-Ticket sehr.

Einer unserer Restauratorinnen bei der Arbeit am Lenbachhaus-Schild(kunstwerk) zugeguckt.

Am Institut für Zeitgeschichte hörten F. und ich einen Vortrag über den FC Bayern in der Zeit des Nationalsozialismus. Der Vortrag ist inzwischen auch online.

Das Buch des Vortragenden wurde sofort gekauft, es ist mit 28 Euro geradezu lächerlich günstig im Vergleich zu anderen Dissertationen. (Meine kostet 65, ich hasse das so sehr.)

Beim Rumstehen nach der Lesung bei Wein und Schnittchen sprach mich ein ehemaliger Mitdoktorand an, dessen Diss über Heinrich Hoffmann, nach der ich schon ewig googele, demnächst endlich erscheint. Ich bin gespannt.

Ich habe jetzt einen Balkonstuhl mit Armlehnen und einem verstellbaren Fußteil und bin damit offiziell Rentnerin. Gucke nun Blumen beim Wachsen zu.

Der Stuhl wird jeden Morgen, sofern es das Wetter zulässt, genutzt. Auch wenn ich mal schwer aus dem Bett komme, sitze ich für mindestens fünf Minuten mit dem Kaffee draußen. Besser als jede Meditation (für mich). Der Tag beginnt in Ruhe und mit dem Blick ins Grüne. Das ist immer sehr schön.

Wir haben zu Papas Urne mehrere Händevoll Eicheln geworfen, weil er die Bäume so mochte. Die kommen jetzt alle. Sie werden vermutlich vom Gärtner entfernt werden, aber momentan sieht das super aus.

Im Norden besuchte ich mit dem Mütterchen die Ausstellung „Welche Moderne?“ im Sprengelmuseum, die ich sehr empfehlen kann. Wenn ich auch zurückgepfiffen wurde, als ich mit großen Gesten vor einem Bild stand und was erzählte. „Nicht so nah rangehen, das ist Privatbesitz.“ Hä? Darf ich bei Museumsbesitz näher ran? Ist da ne Linie auf dem Boden oder ein Abstandshalter? Nein. Lass mich in Ruhe. (Das Bild war auch kein Privatbesitz. War kurzfristig sehr bockig.)


Edith Dettmann, Stilleben mit Tulpen, 1933, Moritzburg (Halle/Saale)

Die Malerin Edith Dettmann war mir vorher unbekannt. Ich stellte entsetzt fest, dass es im ZI kein Fitzelchen Literatur zu ihr gibt.

Wer es bis zum 17. September nicht nach Hannover schafft, kann die Ausstellung ab dem 22. Oktober in Chemnitz sehen. Macht das mal. Dort hängt nämlich auch einer meiner Lieblinge von Alexander Kanoldt aus der Pinakothek der Moderne sowie ein Werk von Georg Schrimpf aus dem Lenbachhaus.

Noch toller als die Avantgarde-Ausstellung fand ich die Präsentation der eigenen grafischen Sammlung, die gerade unter dem Titel „Laboratorium der Moderne“ gehängt ist. Dafür gibt es leider keinen Katalog, was ich sehr bedauert habe. So musste ich diverse Schildchen fotografieren, was ich nicht gerne in Museen macht. Gebt mir einen Katalog! Mit guten Bildern! Und anständigen kunsthistorischen Angaben!

Nach dem Museum und dem mütterlichen Mittagsschläfchen gab’s Kaffee und Kuchen bei Schwester und Schwager. Und diesem blauen Typ, der bei ihnen wohnt und den ich echt gerne fotografiere.

Viel Madonna im Zug zurück gehört, ich war in Laune.

Ich kann im Sommer generell Museumsbesuche empfehlen. Wir haben alle Klimaanlagen.


Charlotte Salomon, Gouache aus „Leben? oder Theater?“, 1940–1942, Sammlung Jüdisches Museum Amsterdam © Charlotte Salomon Foundation

Museumsmittagspause im Garten ist super, wenn man einen Platz unter dem Baum findet und einen der Fast-Liegestühle erwischt. Auch wenn ich kurzfristig mit einer winzigen Spinne kämpfen musste, die in mein Müsli fiel.

Salat mit weißen Bohnen, grob nach „Immer schon vegan“ von Katharina Seiser. Ich empfehle neben Museumsbesuchen alle ihre Kochbücher.

Gestern mal wieder durchs komplette Brandhorst gewandert. Nicole Eisenman ist super, noch superer sind drei neue Harings, über die ich mich sehr gefreut habe.


Keith Haring, Untitled, 1982, Museum Brandhorst.

Ich verliebte mich außerdem in Thomas Eggerers „Corridor“ sowie Jennifer Packers „For R. N. M.“, das gerade in „La vie en rose“ hängt (ganz runterscrollen).

Letzte Kurssitzung im Semester vorbereitet, die morgen stattfindet. Ich bin dann mal wieder im Zug. Reicht jetzt allmählich.

Was schön war, KW 23 – Erdbeeren und Richard Strauss

Viel gearbeitet, viel gelernt. Aber auch viele Erdbeeren gegessen, mein Back-Mojo wiedergefunden und am Donnerstag in einem schönen Konzert in der Isarphilharmonie gesessen.

Von den Programmpunkten hätte ich im Vorfeld erwartet, dass mir Debussy und Ravel am besten gefallen, aber die rauschten eher an mir vorbei, jedenfalls bis zu ihren bemerkenswerten Schlussakkorden. Die „romantische Tondichtung „Miske“ des litauischen Komponisten Mikalojus K. Čiurlionis“ fand ich hingegen atmosphärisch sehr spannend. Für mich am meisten überraschend war allerdings der Strauss der Favorit des Abends. Von ihm hatten F. und ich vor Kurzem ein Oboenkonzert gehört, das wir höflich an uns vorbeiziehen ließen. Aber hier waren Klarinette und Fagott als Soloinstrumente sehr spannend.

Ich bin generell eine Freundin der vollbesetzten Bühne bzw. des Orchestergrabens, aber hier hat die kleinere Besetzung wirklich mehr Spaß gemacht hat. Wieder was gelernt. (Das gehört in jeden Blogeintrag, sonst fehlt mir was.)


Erster Frappuccino der Saison, hier am Hbf Düsseldorf.


Erstes Freiluftbierchen in der Stammkneipe. Der Wind trug ein bisschen Rammstein zu uns rüber. Ich habe sehr viele Meinungen zu diesem Thema und verweise faul auf die von Max.


Gochujang-Tofu, Reis, Gemüse.


Alles, was an Obst im Haus ist, mit Jogurt und Körnern.


Amsterdam-2015-Mitbringel und Amsterdam-2023-Mitbringsel.
Mandelblütenbär aus dem Van-Gogh-Museum und Delft-Nijntje, die F. stilecht am Flughafen gekauft hat, weil ich hysterisch fiepsend im Nijntje-Store stand und der Mann halt ein guter Mann ist.


Außerdem neben dem Buch „Jerusalem on the Amstel“ aus dem Shop des Jüdischen Museums mitgebracht: zwei Lesezeichen mit Charlotte-Salomon-Motiven. Ich weiß gar nicht, ob wir die im Shop haben, Dienstag gleich mal nachgucken.

Ich denke dauernd an die Portugiesische Synagoge nach, weil wunderschön.


Wie erwähnt: Back-Mojo wiedergefunden. Nach zwei eingefallenen und halbgaren Kuchen endlich wieder einen guten aus dem Ofen geholt. Der simpelste Rührkuchen von allen: 200 g Zucker, 200 Butter, 200 g Mehl, drei Eier, fertig.

KW 21/22 – Dachau, München, Amsterdam, Düsseldorf

Long time no see, liebes Blog. Man kommt ja zu nichts. Weil erstens gerade äußerst unmotiviert zum Bloggen und zweitens:

Am Sonntag, 21. Mai, hielt ich einen sehr kurzen Einführungsvortrag in Dachau für die Künstlerin Anja Seelke, die sich Walter von Ruckteschell und vor allem seinem Werk zu den deutschen Kolonien auseinandergesetzt hat. Sie war Empfängerin des Künstler- und Musikerwohnstipendiums der Stadt Dachau und arbeitete in der Ruckteschell-Villa, wo auch ihr Vortrag stattfand. Ich lernte spannende Menschen kennen, die SZ berichtete.

Im Anschluss rannte ich noch durch die sehr gute Ausstellung „To be seen“ im NS-Dokuzentrum, für die ich mir schmählicherweise bis zum allerletzten Tag Zeit gelassen hatte. Das war ausgerechnet der Internationale Museumstag, weswegen ich zwischen zwei Führungen zerrieben wurde und mir dann doch lieber den Katalog kaufte.

Am Montag warf ich meine Menstruations-App rituell vom Handy, denn ich war 1000 Tage überfällig. Ich betrachte dieses nervige Kapitel als gottlob endlich abgeschlossen.


Abends eröffnete im Lenbachhaus die Ausstellung „Jetzt wo ich dich hören kann tun meine Augen weh (Tumult)“ von Natascha Sadr Haghighian. Seitdem hocke ich nach so gut wie jedem Feierabend auf dem Objekt rum, das derzeit bei uns im Foyer steht: das Werk „Pssst Leopard 2A7+“, das sich, man ahnt es, mit dem Panzer beschäftigt. Das Objekt hat die Ausmaße des Kampfgeräts und man kann auf ihm rumsitzen und -stehen und -liegen. Es gibt diverse Tonschnipsel per Kopfhörer zu hören, die alle spannend sind, es dauert halt nur manchmal etwas länger. Und, Achtung, totaler Deppensatz: Ich wusste nicht, wie groß ein Panzer ist. Kommt vorbei, setzt euch auf Kunst.

Das war kurz vor der Schließung des Hauses, sonst sitzt immer wer auf den Paletten mit Legoplatten. Hier hatte ich den Leopard mal ganz für mich.

Freitag bestiegen F. und ich ein Flugzeug nach Amsterdam, denn wir hatten uns im Februar, im anscheinend einzig möglichen Drei-Tage-Fenster, Tickets für die Vermeer-Ausstellung gesichert.

Zunächst ging es aber ins Stedelijk, denn dort wurde gerade ab dem Tag unserer Ankunft ein Werk wiedergezeigt, das 1986 dort enstanden war: Keith Harings „Amsterdam Notes“. Das 38 Meter lange Werk geht über drei Saalseiten und wurde von Haring zu seiner ersten Ausstellung im Stedelijk gemalt. Für mich ist Haring ein besonderer Künstler, auch wenn er heute eher mit knuffigen Männchen und schlimmen Herzkissen in Verbindung gebracht wird. Er ist der Künstler, bei dem ich als Kind der 1980er Jahre zum ersten Mal verstanden habe, was Kunst kann. Wie sie auf Politik aufmerksam machen kann, auf Probleme, wie sie anprangern oder aufzeigen kann. Harings Themen sind bis heute (leider) aktuell, und es war für mich, ehrlich gesagt, ein größeres Erlebnis, dieses Werk zu sehen als die ganzen Vermeers.


Die Vermeer-Ausstellung war emotional für mich nicht so mitreißend wie das eine Haring-Werk, aber natürlich war es ein absolutes Geschenk, da zu sein und so viele Werke von ihm in einem Kontext anschauen zu können. Die Ausstellungsmacher haben der Versuchung widerstanden, so viele Menschen wie möglich in die Galerieräume zu quetschen. Ja, im ersten Raum war es etwas eng, aber da stehen halt alle erstmal rum wie in allen Ausstellungen in allen Museen. Ab dem zweiten wurde es schlagartig luftiger, in jedem kleineren Raum hingen, wenn ich mich richtig erinnere, nur höchstens drei Werke, in den größeren Sälen fünf oder sechs, das „Milchmädchen“ hatte einen kleinen Raum für sich allein, es ist ja selbst recht klein. Das kannte ich schon aus dem letzten Besuch des Rijksmuseums, wo es einfach so bescheiden in der Sammlung rumhängt und mit den ganzen Rembrandts konkurriert, und warum auch immer hat es mich im Kontext der ganzen Vermeers noch mehr berührt als eh schon.

Deswegen hat mir F. auch die schönste Postkarte ever geschenkt.


(Nijntje)

Im Jüdischen Museum hängen in der Dauerausstellung immer sechs Gouachen von Charlotte Salomon, die turnusmäßig ausgetauscht werden, damit die Farben nicht zu lange dem Licht ausgesetzt sind. Das war schön, noch mehr Werke von der Künstlerin zu sehen, deren Ausstellung im Lenbachhaus ich sehr mag. Auch Katia Kelm war inzwischen da, danke für den Besuch und den Kaffee danach.

In der Straße, in der sich das Jüdische Museum befindet, liegen vor fast jedem Haus diverse Stolpersteine.

Genossen haben wir viel Käse und Wein in der Kaasbar, sehr gute Teller zum Teilen und Wein im Fijnkost und absolute Präzision und unglaublichen Weißwein im Flore. Und dann noch einen unglaublichen Rotwein, weil wenn man schon mal an den Keller des Hotel de l’Europe rankommt, dann … genau. Bei diesem Essen wählten wir unterschiedliche Menüs, weil F. lieber Fisch und ich lieber Gemüse wollte. Das Essen war herausragend, aber ich merkte, dass es mir fehlt, mich mit F. darüber auszutauschen, was wir auf den Tellern haben. Das nächste Mal wird wieder tischweise geordert.


Im Flore durften wir einen Gang in der Küche essen und den Köchen (keine Frau gesehen) bei der Arbeit zuschauen. Wir wurden auch gefragt, welcher Gang uns bisher am besten gefallen habe, woraufhin ich erstmal erfragte, wie man aus dem totalen Langweiler Aubergine dieses Umami-Wunder macht, was vor mir steht. Ich weiß bei Trips in die Küchen nie, ob die Köch*innen das machen, weil sie glauben, das es irgendwie dazugehört, oder ob sie jetzt wirklich von mir eine Antwort auf ihre Frage wollen. Eigentlich bin ich auch völlig damit zufrieden, am Tisch zu bleiben und mir vorzustellen, dass in der Küche lauter kleine Zauber*innen am Pass stehen. Andererseits weiß ich jetzt, dass es Blaubeersalz gibt und deswegen die Aubergine so super schmeckt.

Es ist doch Zauberei, ihr könnt mir das nicht ausreden. Kein Foto im Flore gemacht. Guckt lieber auf Insta.

Ansonsten verbrachten wir die Zeit ins Amsterdam auch damit, auf einer Bank an einer Gracht zu sitzen, wo gerade eine andere Gracht kreuzt, und die hundert Boote und Bötchen anzuschauen, die an einem sonnigen Sonntag so unterwegs sind. Wir lernten auch, dass die eine Gracht eine Einbahngracht ist, worauf diverse Ausflügler freundlich hingewiesen wurden. Außerdem saßen wir direkt vor einem Haus, an dem ein Storch an der Außenfassade als Element angebracht wurde. Von diversen Touri-Booten mit englischsprachigen Führer*innen lernten wir, dass hier früher Hebammen gewohnt hatten. Man kann also nicht nur im Gehen verstehen, sondern auch beim Rumsitzen. Nice.

Früher hat mir F. von jedem Auslandsflug Toblerone aus dem Duty-Free-Shop mitgebracht. Durch Corona ist diese wunderbare Tradition irgendwie eingeschlafen, also kaufte ich mir dieses Mal selber welche. Ich kann die Sorte Orange-Ingwer sehr weiterempfehlen.

Direkt nach dem Urlaub wartete der Abschluss meiner Unterrichtsvorbereitung auf mich: Am Montag dieser Woche fand schon die dritte Sitzung meines Schreibkurses an der Uni statt. Wieder viel mitgenommen. Nur noch eine Sitzung, dann ist das Semester schon rum. Tollerweise habe ich bereits einen Lehrauftrag für das Wintersemester, worüber ich mich sehr freue.

Außerdem hängt inzwischen meine Lichterkette auf dem Balkon. Ich eröffne hiermit den Sommer.

„Greg glanced at Billy, as if to say, “Watch and learn.”
They tried not to talk about the disease. They went through Twin Peaks, they talked about the art scene, what Larry was showing next, how money was wrecking the East Village now, and whatever happened to that guy who used to walk a tightrope and piss, beautifully, in an arc, perfectly balanced, into the East River? No, he pissed on the floor down in that club on 48th Street. Should have been the river. Whatever happened to him? Every name they spoke dragged its own tiny silence after it.
Gone. Gone silent. Alive.
Arthur was positive for six years and he hadn’t a thing wrong with him, people wanted to touch him, he was so old now. Arthur remembered things no [one] else remembered. Who could keep at that? Who could hold on to it? His head was a museum. And when he died the museum would be empty. The museum would fall down.
Greg read nothing but the classics now, tender of his eyesight and of his time, he talked about Achilles’ dream of dead Patroclus, how the dead man would not touch him but only boss him about, when all Achilles wanted was to feel the guy in his arms. Why is that? That the dead have voices in our drreams but no density. It’s just this huge sense of themness, it is all meaning and no words. Because words are also physical, don’t you think? The way they touch you.
“Sometimes they do. Use words, I mean,” said Arthur. ‘My tree is all hibiscus.’ Someone said that to me, once.” No one asked who.
“It is a war,” Massimo said.
Greg said fuck that he never signed up for any damn war. He wanted a civilian’s death, he said. A personal death. He wanted a death he could call his own.
Massimo said Gabriel Torres was working out in the Y on West 23rd and the stir as he wiped down one machine and went to the next. Gabriel Torres was the most beautiful man you have ever seen.
“Where he gets the time?” said Arthur.
“You know,” said Greg, “Sometimes I think we’d all be better off with a woman in sensible shoes.”
Dan’s face, through all of this, was a thing of quiet attention. His pale skin soaked up the candlelight and he listened so well, it seemed the whole table was talking just for him. Greg lifted his glass and said, “Look at those cheekbones,” and Dan gave a smile.
“The poet. That Irish poet.”
“Yeats?” said Arthur.
On which, to everyone’s amazement and delight, Dan opened his mouth and a ream of poetry fell out. Line after line – it was like a scroll unfurling along the tabletop, a carpet unrolled. And each of us, as we heard it, realised where we were, and who was with us. We saw our shadows shifting on the back wall, the office cleaner across the way in trembling fluorescent tinged with green, the dark city brown in the sky.”

Anne Enright: The Green Road, London 2015, S. 46/47.

KW 20 – Auf den Schultern von Riesen

Beste Blueberry Muffins ever gebacken. Das Geheimnis ist die Zuckerkruste, die einen Kontrast bildet zum flauschigen Rest.

Bis Sonntagvormittag überlegte ich, ob ich die Montagssitzung in der Uni per Video anbieten sollte, denn nach über einer Woche im Bett war ich immer noch nicht so richtig fit. Außerdem war für Sonntagabend und Montag Streik angekündigt. Da ich unsere Gruppenarbeit aber für essentiell halte, wollte ich vor Ort sein.

Die Hinfahrt war streikmäßig nicht in Gefahr, die Rückfahrt sollte aber ausfallen. Ich dachte für fünf Sekunden über einen Mietwagen nach und buchte dann meinen ersten Flug seit … kurzer Check in der Wallet meines Handys … dem 24. Februar 2020, wo ich von München aus nach Berlin flog, um im Bundesarchiv für die Diss zu arbeiten. Ich weiß noch, dass ich auf der Rückfahrt im Zug das erste Mal den NDR-Podcast mit einem Herrn Drosten hörte, der über irgendein Virus sprach. (Hin hätte der Zug zu lange gedauert, ich wollte jede Minute im Archiv, die ich kriegen konnte. Oder auch: Ich wollte nicht morgens um 4 im Zug sitzen.)

Zurück ins Jahr 2023. Der Streik wurde abgesagt und ich hatte nun zwei nicht stornierbare Tickets. Mpf. Darüber wollte ich mir am Sonntag aber noch keine Gedanken machen, trug Maske in der U-Bahn zum Bahnhof und vergaß sie dann in der Jackentasche. Irgendwann bei Frankfurt dachte ich, oh, du wolltest doch eigentlich mit Maske … aber jetzt ist es auch egal. Ich bin genauso wurschtig geworden wie die Leute, über die ich mich drei Jahre lang aufgeregt habe.

Dieses Mal fuhr der Zug über den Kölner Hauptbahnhof – DOM! –, aber ich saß auf der falschen Zugseite. War mir aber egal, ich hängte mich quer über meinen Sitz in den Mittelgang und schaute zwischen zwei sehr missbilligend aussehenden Einzelsitzsitzern durch, denen der Dom offensichtlich egal war. Lehn dich zurück, Nase, lass mich Kirche gucken!

Im Hotelzimmer noch mal die Präsentation durchgegangen, die ich krank erstellt hatte und für die ich nur mittelgute Hoffnung hatte.

Montag im Unterricht war dann aber wieder alles wunderbar, wenn ich auch etwas unkonzentriert war und nach fünf Stunden absolut nicht mehr denken konnte. Erneut arbeiteten die allermeisten Studis engagiert mit, und ich surfte den Rest des Tages auf einem Gefühl, das ich vor vier Wochen noch nicht kannte: das Teaching High. Das Gefühl, Menschen mit einem Thema, das mir am Herzen liegt, zu erreichen, ist unglaublich. Und direktes, gutes Feedback auch. Gesagt zu bekommen, dass diese Stunden wirklich bei einem Problem helfen, ist unbezahlbar. Hätte trotzdem gerne eine Entlohnung, die wenigstens in die Nähe meiner Fähigkeiten kommt, und damit meine ich nicht die total überbezahlte Werbung.

Ich so: *zeige Folie mit einer Einleitung aus meiner ersten Hausarbeit in Geschichte, an der ich referiere, dass auch ich am Beginn meines Studiums Sätze in der Qualität produziert habe, die ich meinen Studis heute anstreiche. Der Plan: zu zeigen, dass sich alles lernen lässt, man muss es nur üben*
Student: „Was haben Sie denn für eine Note bekommen?“
Ich: „1,3.“
Student: „Aber wenn man selbst mit einer miesen Einleitung eine 1,3 kriegt, wieso soll ich dann eine bessere schreiben?“
Ich: „Das ist NICHT der Effekt, den ich mit dieser Folie erzielen wollte!“
*Gelächter*

Am Ende der Stunde frage ich immer, wie’s den Studierenden geht und was sie gelernt haben. Einen Satz meines ersten Text-CDs haben sie sich gemerkt: Für eine gute Headline musst du erstmal 100 schlechte schreiben. Und ich habe gelernt, dass Heinrich Heine aus Düsseldorf kommt und die dortige Uni nicht einfach so nach dem Mann heißt. Sollte vielleicht endlich mal googeln, wer dieser Ludwig Maximilian war, der auf meiner Promotionsurkunde steht.

Public Service, mit Dank an die Wikipedia: „Die Ludwig-Maximilians-Universität München (kurz Universität München oder LMU) ist eine Universität in München. Sie wurde 1472 in Ingolstadt gegründet, im Jahre 1800 nach Landshut und 1826 schließlich nach München verlegt. Sie ist benannt nach ihrem Gründer Herzog Ludwig IX. sowie dem bayerischen König Maximilian I. Joseph, der sie nach Landshut holte.“

Die Fahrt zum Flughafen dauert mit der Regionalbahn fünf Minuten vom Hauptbahnhof. FÜNF MINUTEN. Merk auf, München, du nervigster aller Flughäfen, von dem man bis zum Hbf mit der S-Bahn länger braucht als der komplette innerdeutsche Flug gedauert hat.

Und vom Bahnhof am Düsseldorfer Flughafen schaukelt einen der Skytrain, eine Schwebebahn, zu den Terminals. Als sie einfuhr, ging ich ganz nach vorne, weil ich rausgucken wollte, ich gucke halt gerne aus Verkehrsmitteln raus (DOM!). Dabei hatte ich vergessen, dass wir 20 Meter in der Luft hängen, was meine latente Höhenangst dann doch weniger lustig fand als gedacht.

Fliegen hat sich übrigens nicht verändert, aber die Verpflegung an Bord kostet jetzt.

Dienstag hatte ich ein unerwartetes und ungeplantes Gespräch im Museum, das mich gefreut und motiviert hat.

Außerdem sah ich eine Tanzperformance in unserem Atrium, die ich spannend fand. Eines unserer beliebtesten Werke ist das „Bildnis des Tänzers Alexander Sacharoffs“ von Alexej von Jawlensky. Die Tänze stammten unter anderem von Sacharoff und seiner Tanzparterin Clotilde von Derp, und das war eine seltsame, aber schöne Erweiterung eines Kunstwerks, das auch ich gerne anschaue. (Aus diesen zwei Absätzen habe ich eben fünf „sehr“s rauskorrigiert, LISTEN UP, STUDIS! Mehr Disziplin dem eigenen Text gegenüber!)

Die Performance ist heute nochmal um 18 Uhr zu sehen; sie dauert gute 20 Minuten und kostet keinen Eintritt. Einfach ins Atrium kommen. Dort könnt ihr euch übrigens schon auf das Werk „Pssst Leopard 2A7+” von Natascha Sadr Haghighian setzen; ihre Ausstellung „Jetzt wo ich dich hören kann tun meine Augen weh (Tumult)“ wird Montag um 19 Uhr eröffnet. Kostet nichts, kommt gerne vorbei.


Knapp vor dem Verhungern mein neues Lieblingsgericht Bratreis mit Frühlingszwiebeln und Ei gemacht. Sojasauce, Sriracha, Sesamöl, fertig.

Mittwoch saß ich schon wieder im Zug, mehr oder weniger ungeplant: Mein Patenonkel war vorletzte Woche verstorben, ich erfuhr es eine Woche vor der Trauerfeier, die an seinem Heimatort in Baden-Württemberg stattfinden sollte. F. und ich buchten sofort einen Zug, auch weil wir dachten, dass der Rest der Familie aus dem Norden den langen Weg vielleicht nicht auf sich nehmen würde. Taten sie aber, und so saßen wir zu fünft in den Kirchenbank und nahmen Abschied.

Ich fand die Trauerfeier sehr tröstlich. Der Pastor sprach davon, dass mein Onkel nun „in die Ferne gerückt sei“, was für mich ein schöneres Bild ist als „auf Nimmerwiedersehen von uns entfernt“. Der Satz, dass man nie ganz weg ist, solange noch jemand an einen denkt, fühlt sich für mich immer wahrer an.

Der Pastor erwähnte auch den Konfirmationsspruch meines Onkels, er steht bei 1. Korinther 3,11: „Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ Mein Onkel war gläubig und hat sich sein Leben lang in der Kirche engagiert. In der Predigt wurde ausführlich erzählt, was er alles angestoßen hat, wofür er den Grund bereitet hat, auf dem nun andere gehen. Ich musste an etwas denken, das ich montags im Unterricht gesagt hatte, als es um Forschung ging, die immer auf der Arbeit von anderen beruht; ich erwähnte ein Isaac-Newton-Zitat, das ich sehr mag: “If I have seen further it is by standing on ye shoulders of giants.” Ich mag dieses Bild sehr, dass wir alle Teile einer langen Kette sind, deren Glieder ständig neu geschmiedet werden und die ohne die Vorarbeit, das Wissen, die Talente und die Persönlichkeiten von anderen nicht möglich wäre.

Es hat mich auch sehr getröstet, dass mein Onkel wusste, dass seine Zeit begrenzt war und er noch alles ordnen konnte. Angeblich sagte er: „Ich hatte ein gutes Erdenleben.“ Bisher – und darüber hatte ich noch nie nachgedacht – kann ich das auch sagen. Ich hatte bis hierhin trotz allem Alltagsgenerve ein gutes Erdenleben. Ich hoffe, ich habe es noch länger.

Trauerfeiern in Süddeutschland schlagen die im Norden um Längen. Wo es bei uns immer nur Schnittchen und Butterkuchen vom Blech gibt (der heißt bei uns auch „Beerdigungskuchen“), gab es hier hervorragenden Wirtshaussalat mit dem einzig wahren Kartoffelsalatdressing, nämlich Öl statt doofer Majo, sowie gerollte Maultaschen, danach noch Hefezopf. Wenn der Anlass nicht so traurig gewesen wäre, hätte ich gesagt: ein Festessen.

Wir verabredeten uns mit den Cousins für ein baldiges Wiedersehen.

Donnerstag habe ich gar nichts gemacht, weil ich trotz Krankschreibung am Schreibtisch sitzen musste für das Seminar, und ich jetzt wirklich, wirklich mal einen Tag Pause brauchte. Okay, so ganz Pause war es nicht, denn ich musste den Studis ja die Präsentation schicken und einigen von ihnen die Hausaufgaben erklären, aber DANN habe ich wirklich nichts mehr gemacht.

Freitag wollte ich eigentlich wieder arbeiten, aber Pause war super, deswegen gönnte ich mir noch einen Ruhetag. Immerhin schaffte ich es, endlich die guten Kleidungsstücke in die Reinigung zu bringen, die seit Wochen an meiner Garderobe darauf warteten.

Abends ging’s mit F. ins Waltz zu Backhendl für ihn und Spätzle für mich (ich war im Kopf noch in Schwaben) sowie zwei Flaschen Burgunder für uns beide. Wir waren bis jetzt zweimal in dem Laden, und beide Male streikte die MVG. Ich hoffe, das liegt nicht an uns.

Samstag reparierte F. mein Fahrrad und ich stand bewundernd daneben. Irgendwann darf ich das vielleicht auch mal selbst machen, aber so schlimm fand ich unfeministisch bewundernd rumzustehen auch nicht.

Was schön war, KW 19 – Nicht so wirklich viel

Ich war die ganze Woche krank, lag ewig im Bett und war darob schlecht gelaunt.

Am Dienstag musste ich mich zum Arzt aufraffen, um eine Krankschreibung zu bekommen. Das habe ich in 15 Jahren Selbständigkeit null vermisst, dass jemand mir bescheinigen muss, dass es mir nicht gut geht. Letzte Woche freute ich mich noch darüber, dass ich Geld dafür bekomme, krank zu sein, diese Woche fiel mir ein, dass diese nette Sache bei mir aber immer mit schlechtem Gewissen den Kolleginnen gegenüber verbunden ist. Als Selbständige bekomme ich krank kein Geld, aber ich kann dann alle E-Mails ignorieren, das Handy stummschalten und in Ruhe gesund werden, denn: Ich bin krank, ich muss jetzt mal gar nichts. Als Angestellte denke ich die ganze Zeit an meinen vollen Schreibisch.

Ich weiß inzwischen, dass die Welt nicht untergeht, wenn man ein paar Tage fehlt (ja, echt!), aber mein Kopf wimmert trotzdem, weil er denkt, dass ich jetzt von allen gehasst werde, weil ich halt faul im Bett liege und so. Bullshit. Diese Woche hat mich auch daran erinnert, warum ich damals in die Selbständigkeit wollte: weil ich dann nur für mich verantwortlich bin und der Rest der Welt keine Ansprüche mehr auf mich hat. Das ist in meinen Augen genauso super wie Krankengeld. Ich muss zugeben, ich habe dieses Gefühl doch vermisst.

Sehr gute Besprechung von „Noch wach?“, die ausdrückt, was ich nur bauchgefühlig vermelden konnte: „Beef im Boys Club“ von Johannes Franzen, via seinem Newsletter, in dem er auch sein Buch über Schüsselromane verlinkt, das seit Kurzem frei verfügbar ist.

„«Noch wach?» [leidet] unter dem klassischen Problem eines Romans, der so offensichtlich eine Realität erzählen will: Er steht in Konkurrenz zu dieser Realität. Und die besitzt am Ende oft einen viel höheren Schauwert als die mühsame Fiktionalisierung.

Die privaten Nachrichten Döpfners, die die «Zeit» veröffentlicht hatte, kamen mit einer schmutzigen Authentizität daher, die ihre Protagonisten unmittelbar plastisch machte. Ein Roman wie «Noch wach?» hingegen muss sich die Frage stellen lassen, ob er mit der Realität, die er aufgreift, mithalten kann, und die Antwort muss in diesem Fall lauten: Nein, kann er nicht. Stuckrad-Barre hat sich an der Heraus­forderung, einen Enthüllungs­roman über Medien und Macht­missbrauch zu schreiben, gründlich verhoben. […]

Dem neuen Roman allerdings wird es ästhetisch zum Verhängnis, dass Stuckrad-Barre wirklich nur diese eine Sache kann. [schnoddrige Alltags­beobachtungen, umgangs­sprachlich, aber pointiert vorgetragen] Nun ist es natürlich gut für einen Autor, wenn er einen Sound beherrscht. Aber nicht jeder Sound passt zu jedem Thema. […]

Das zeigt sich nirgends so deutlich wie in der Darstellung der Frauen, deren Kampf dieser Roman doch eigentlich unterstützen sollte. «Noch wach?» ist ein gutes Beispiel dafür, dass es gründlich schief­gehen kann, wenn ein Mann versucht, Frauen eine Stimme zu geben. Denn die Stimmen der jungen Frauen erklingen vor allem in einer von Anglizismen durchsetzten überspannten Jugend­sprache, die im Modus des Romans vor allem so wirkt, als wolle der Autor sich über sie lustig machen […]

Dazu passt die politische Naivität, die den Roman durchzieht. Ein gelungener Medien- und Gesellschafts­roman muss toxische Strukturen individualisieren, um die konkreten Figuren zum Instrument sozialer Kritik zu machen. Bei Stuckrad-Barre ist aber alles Individualität. Wäre der Chef­redaktor nur etwas weniger böse, wäre der Freund nur etwas mutiger, wäre der Sender nur etwas netter – dann gäbe es kein Problem. […]

Statt am Versuch zu scheitern, ein grosses Buch über sexuelle Ausbeutung von Frauen am Arbeits­platz zu schreiben, hätte Stuckrad-Barre sich auf die Geschichte einer unrettbar vermachteten Freundschaft beschränken können. Dann wäre womöglich ein aufregender Roman dabei heraus­gekommen. Aber wohl kein lukratives mediales Gross­ereignis.“

Neues Buch angefangen: „Hiob“ von Joseph Roth. Ich sagte ja bereits, dass ich mich jetzt durch sein Gesamtwerk lese. Ich bin so fasziniert davon, dass der Mann über Dinge schreibt, die null mit mir zu tun haben, aber ich mich in seinem Stil so zuhause fühle, als hätten sie mit mir zu tun.

Außerdem gleichzeitig neu vor meiner Nase: „Göttinnen und Fußabstreifer. Die Frauen und Picasso“ von Rose-Maria Gropp, das den Blick vom ollen Genie ab- und seinen Frauen zuwenden will. Momentan klingt es mir noch arg atemlos, was natürlich der nicht überwältigenden Gesamtlänge des Buchs zuzuschreiben ist, das sich an ein breites Publikum und nicht uns Historikerinnen wendet, aber so ganz bin ich noch nicht überzeugt, ob das nicht zu atemlos geworden ist. Kaum hat man eine Frau kennengelernt, kommt schon die nächste ins Bild.

Heather B. Armstrong ist gestorben. (Link ohne Paywall) Auf Mastodon wurde ich angepault, eine Triggerwarnung vor solche Sätze zu setzen, aber ich frage mich, ob ein „CW: Suizid“ im Toot nicht denselben Effekt hat, als das Wort in einem Artikel zu lesen. Memo to me: mehr mit Content Warnings und ihren Sinn oder Unsinn beschäftigen.

Ich habe Dooce jahrelang religiös gelesen, alles, jeden Eintrag, irgendwann habe ich ihr Blog bis zum Anfang nachgelesen, weil ich ihren Stil so geliebt habe, ich habe angefangen, IN VERSALIEN zu schreiben, weil Heather das so machte. Auch als absolute Nicht-Mutter las ich ihren Eltern-Content sehr gerne, ich mochte ihre Fotos und ihre Einrichtung, das war alles nett und gleichzeitig rabenschwarz und voller Schimpfwörter.

Dass sie in den letzten Jahren noch stärker an ihrer Depression litt als zu den Zeiten, als ich sie las, habe ich nicht mehr mitbekommen. Die Nachricht von ihrem Tod hat mich doch mehr berührt, als ich dachte, sie war eben ein Teil meiner eigenen Internet-Geschichte. Mia Friedman von MamaMia schrieb den meiner Meinung nach besten Satz zu ihr, ich vertwitterte ihn bereits: „Through her blog, Heather taught me the value of sharing incredibly personal, complicated things and that out there someone has a wound in the shape of your words.“

Danke, Heather. Ich hoffe, du hast deinen Frieden gefunden. Say hi to Chuck from me!

Kaum gekocht, weil halt krank, viel Porridge mit einem Berg Obst drauf gegessen. Sehr gut.

Mich über einen Studi geärgert, der meinte, ausgerechnet in einem Seminar, in dem man besseres Schreiben lernt, ChatGPT anwerfen zu müssen und das als eigene Hausaufgabe abzugeben. So nicht, Burschi.

Der letzte ESC auf Twitter? Meine halbe Timeline war auf Mastodon, wo ich es aber nicht so bunt fand wie auf der Birdsite. Mal sehen, was nächstes Jahr ist.

Im E-Mail-Programm in den Einstellungen die Schrift größer gestellt. Ich werde alt. (Ist okay.)

Was schön war, KW 18 – und dann das, was nicht schön war

Letzten Samstag sehr spontane Frühstückspläne gemacht. Bayern kann ganz okay sein.

Clemens Meyers „Als wir träumten“ ausgelesen. Das Buch war ein Leserinnengeschenk, das habe ich schon mindestens zweimal in Umzugskisten gepackt, aber jetzt war die Zeit reif. Oder ich war dafür reif, ein Buch zu ertragen, in dem kaum weibliche Perspektiven vorkommen, das ich aber doch gespannt gelesen habe. Keine einfache Lektüre, auch weil das Wissen um die wenigen Mädchen und Frauen in der Sprache der Jungs und Männer transportiert ist. Das Etikett „Wenderoman“ stimmt meiner Meinung nach nur so halb; die Wende schwingt mit und sie bedingt einige wenige Handlungsstränge, aber im Prinzip geht es darum, sich wieder so sicher und unbesiegbar zu fühlen wie als Kind inmitten von Freunden. Empfehlung.

Danach „Noch wach?“ von Stucki angefangen und mich in der denglischen Worthülsenmedienfuzzisprache sehr ertappt gefühlt. Noch nicht durch. Liest sich manchmal wie eine kleine alberne Rache, dann wie eine Zusammenfassung aller feministischen Twitter-Threads und dann wieder großartig. Bin noch unsicher, wie ich es finde.

Sonntag ist Backtag, das muss so. Es wurde ein Allspice-Gewürzkuchen.

Am Montag kehrten wir nach monatelanger Pause wieder bei Tohru ein. Ich habe nur zwei Gänge fotografiert und eigentlich wollte ich gar keinen ablichten, aber ich merke, dass ich Gänge vergesse. Gleichzeitig mag ich inzwischen das Flüchtige eines Restaurantbesuchs wieder sehr gern, ich kann es nicht festhalten und das ist Teil des Vergnügens. Ich sitze ja auch nicht im Konzert und lasse mein Handy mitlaufen, um es danach nochmal knarzend abzuhören. Ja, dann vergesse ich halt Gänge wieder, aber das Gesamtgefühl eines gelungenen Abends vergesse ich nicht.

Der Erbsengang erwischte mich auf einem sehr unerwarteten Fuß, denn die kleinen knackigen Racker schmeckten genau wie die Baby-Erbsen, die meine Schwester und ich vor knapp fünfzig Jahren im Garten unserer Großeltern direkt aus der Schale essen durften. Das war ein schöner Madeleine-Moment. (Für die Jüngeren unter uns: ein schöner Ratatouille-Moment.)

Dienstag gab es Klaviermusik von Hélène Grimaud. Das war schön, die olle, immer viel zu helle Isarphilharmonie mal anders zu sehen: Auf der Bühne stand nur der Steinway, und zwei helle Lichtkegel erleuchteten genau diese Stelle.


Spinattofu, gedämpfter Pak Choi, Tahinisauce.

Donnerstag meldete ich mich krank. Und plötzlich fiel mir auf: Ich bin ja angestellt! Ich kriege ja Geld fürs Kranksein! Das hatte ich nach 15 Jahren Selbständigkeit total vergessen. Sozialstaat, du gutes altes Ding!

Freitag ging es mir vormittags gut genug, um Blümchen zu kaufen und sie auf dem Balkon anzusiedeln, und den Rest des Tags am Schreibtisch zu verbringen. Ich schniefte zwar den ganzen Tag und hatte Halsschmerzen, aber das werden wohl wieder irgendwelche Pollen sein.

Ich schaffte es abends sogar noch, uns ein kleines Festmahl zu zaubern, denn von Tohru hatten wir nicht nur schöne Erinnerungen mitbekommen, sondern eine Tüte voller Köstlichkeiten: eine Flasche seiner Misobuttersauce, eine Flasche Dillöl, Brot zum Aufbacken und Algenbutter. F. besorgte ein bisschen Lachsforelle, ich bastelte einen leicht abgewandelten Sobanudelsalat aus Tohrus Kochbuch und wir ließen es uns schmecken. Es hätte mich misstrauisch machen sollen, dass ich keinen Wein wollte und auch recht schnell ins Bett.

Seit Samstag liege ich erkältet auf dem Sofa oder im Bett und verfluche meine Maskenlosigkeit in der wirklich vollen U-Bahn zur Isarphilharmonie. Es ist kein Covid, jedenfalls behaupten das mehrere Tests, aber nach drei Jahren hatte ich verdrängt, dass eine simple Erkältung auch so richtig nerven kann.


In der Ökokiste waren Kiwis und Blaubeeren.

Zum Abschluss zwei Dinge, die absolut nicht schön sind. Letzten Sonntag sollte die neue Staffel von „Masterchef Australia“ anfangen, bekanntermaßen mein dreimonatiges Gute-Laune-Programm in jedem Jahr. Am Starttag postete der offizielle Insta-Account der Show, dass einer der Juroren, Jock Zonfrillo, überraschend verstorben war. Soweit ich weiß, sind die Staffeln komplett abgedreht, bevor sie auf Sendung gehen, und die neue Staffel soll heute starten.

Und eine zweite Todesnachricht, auf die ich überhaupt nicht vorbereitet war: Ich wollte meinen Studis ein Handout austeilen, das ich selbst als Studierende im Geschichtsstudium im ersten Semester bekommen hatte und das ich ernsthaft bis zur MA-Arbeit ab und zu nutzte – weil es so gut und übersichtlich war. Ich wollte die Autorin um Erlaubnis bitten, ihre Arbeit weiterzureichen und musste feststellen, dass sie bereits 2021 verstorben war.

Gut, dass dieser Artikel schon fast vollständig vorgeschrieben war, ich kann gerade nicht so gut denken. Ab ins Bett.

Allspice-Gewürzkuchen

Die NYT hatte ein Rezept für Maskouta, einen marokkanischen Rührkuchen mit Orangen (Rezept ohne Paywall). Ich hatte aber nur noch eine Orange statt der verlangten zwei und die war auch schon abgerieben, weil ich die Schale in den Earl Grey Tea Cake geworfen hatte. Aber in den hilfreichen Kommentaren meinte ein User: Nimm folgende Gewürze, dann wird der Kuchen noch superer. Hab ich gemacht, war super. Jetzt ist er vermutlich kein Maskouta mehr, aber den backe ich garantiert nochmal. Schmeckt wie Spekulatius!

Ich habe nur die Hälfte des Rezepts gebacken, daher reichte die 20-Zentimeter-Kastenform, die auch nicht voll wurde. Für das ganze Rezept reichen die 20 Zentimeter nicht, wie ich beim ersten Versuch feststellen musste, der einen überquellenden und gleichzeitig hohlen Kuchen produzierte. Den gab es dann als Kuchenbruch direkt von der Form in den Mund. War auch hervorragend.

Eine große Kastenform dünn mit Olivenöl auspinseln und mit Backpapier auskleiden.

In einer Schüssel die trockenen Zutaten mischen:
260 g Mehl, Type 405,
1 1/2 TL Backpulver,
1/2 TL Natron,
1 TL feines Meersalz.

Der hilfreiche Kommentar hätte nun gerne noch eine “sweet version of Ras EL Hanout added to the batter”, ungefähr 2 TL. Ich habe das frei Schnauze gemacht und von so ziemlich allem einen TL im Teig gehabt.

3 Teile gemahlener Ingwer (bei mir frisch gerieben, hat man nicht wirklich geschmeckt),
2 Teile grüne Kardamomkapseln (bei mir schon als Pulver, hat man total geschmeckt, Kardamom ist super, immer her damit),
2 Teile Allspice-Gewürz,
2 Teile geriebene Muskatnuss (damit war ich etwas vorsichtiger),
2 Teile Zimt und
1 Teil Nelken (weggelassen, weil mir das zu schnell nach Zahnarzt schmeckt).

Wer kein Allspice, aber eine Gewürzmühle besitzt: Einfach zu gleichen Teilen Nelken und Zimtstangen pulverisieren und nochmal denselben Teil Muskatnuss dazugeben. Ich hatte das für den Cannoli Cake schon gemacht und daher Allspice im Haus.

In einer zweiten Schüssel
180 g Zucker mit
2 Eiern verrühren, bis alles gelblich-wattig ist.

Nun noch
150 ml Olivenöl,
180 g griechischen Jogurt (anderer tut’s auch),
die abgeriebene Schale von 2 Orangen,
80 ml Orangensaft (das ist 1 Orange) und
1 TL Vanilleextrakt dazugeben (hab ich weggelassen). Kurz unterrühren, bis alles gut vermischt ist.

Nun die trockenen Zutaten dazugeben und mit einem Teigschaber vorsichtig unterrühren, nicht zu lange mischen. Der Teig darf ruhig noch ein paar Klümpchen haben, es sollten aber keine trockenen Stellen mehr sichtbar sein. In die vorbereitete Form füllen und im auf 180 Grad vorgeheizten Ofen bei Ober- und Unterhitze für 40 bis 45 Minuten backen. Notfalls mit Alufolie abdecken, damit er nicht zu dunkel wird (musste ich nicht). Auf einem Gitterrost in der Form komplett auskühlen lassen.

KW 17 – Lehrend, schreibend

Montag war mein erster Tag mit Lehrauftrag an einer Uni. Viel gelernt, unter anderem, dass man Aufgaben sehr präzise formulieren muss. Mein Plan für das über fünfstündige Blockseminar war bis ungefähr zur Hälfte perfekt aufgegangen, wir waren fünf Minuten hinter der Zeit, also supi. Aber dann hatte ich meine eigene Zeit mies verplant, weswegen der Rest der Stunde spontan und frei gestaltet wurde. Ich dachte, das wäre fürchterlich, aber die Studis, von denen ich mir am Ende der Stunde Feedback einholte, fanden es größtenteils gut, dass sie quasi die Stunde mitgestalten konnten; ich hatte gefragt, ob Möglichkeit A oder B jetzt für sie sinnvoller wäre, und so erarbeiteten wir uns quasi gemeinsam den Unterricht.

Ich war am Abend vorher eine einzige Pfütze an Nervosität, aber die Professorin, die mich eingeladen hatte, dieses Seminar zu geben, meinte, das ginge ihr auch nach Jahren Lehrtätigkeit so; nach fünf Minuten wäre das weg. Und so war’s auch. Ich freue mich schon sehr auf die letzten drei Sitzungen, auch wenn es irrwitzig viel Vorbereitung für lächerlich wenig Geld ist. Ich bin dann jetzt auch Hanna, jedenfalls für dieses Semester.

Gelernt: Ich kann über meinen Uni-Account Mails versenden, aber keine empfangen. Mein Macbook findet eduroam nicht. Und mein Handy kann gerade mal Edge im Unterrichtsraum. Wir arbeiteten also mit lustigen USB-Sticks statt mit Mail für den schnellen Textaustausch. Ging auch.

Verwirrt war ich nur darüber, dass das Uni-Macbook kein Keynote konnte. Aber in weiser Voraussicht hatte ich die Präsentation auch noch als Powerpoint und PDF dabei.

Aber: Das hat hervorragend geklappt, ein freundlicher Mensch der Mediathek war pünktlich vor Ort, schloss das Macbook an, Beamer lief, alles gut. Vor so Basics hatte ich fast mehr Panik als vor dem Unterricht selbst.

Auf der Rückfahrt unter anderem Schostakowitschs 8. Sinfonie gehört. Über eine Neueinspielung der Berliner Philharmoniker unter Kirill Petrenko hatte ich gerade was im Deutschlandfunk gehört und war neugierig. Ist auf Spotify, hier auf YouTube in einer anderen Version. Beides toll.

Der Zug fuhr über Köln-Messe/Deutz, aber nicht über den Hauptbahnhof, weswegen ich den Dom nicht gesehen habe, und ich habe mich total beraubt gefühlt. Die ganze Zeit darauf gefreut!

Ein kleiner Produkthinweis, für den ich nicht bezahlt werde: Ich bin seit über einem Jahr süchtig nach, ich gebe es zu, einem bestimmten Seitenbacher-Müsli. Ich wollte das Zeug natürlich nie essen, weil mich die Werbung so nervt, aber mein Edeka um die Ecke hatte mein normales Kelloggs-Müsli mal nicht, die Seitenbacher-Tüte sah okay aus („Bio-Müsli Schoko-Traum“), ich griff zu, stellte zuhause missmutig fest, dass Rosinen drin waren, WARUM, ich hasse Rosinen im Müsli. Aber isch scho zahlt, also probierte ich vorsichtig – und war dem Kram verfallen.

Mein Edeka hat das Müsli nach diesem Kaufzeitpunkt nie wieder gehabt, weswegen ich es seitdem direkt bei Seitenbacher online bestelle. Die Firma wirft immer noch ganz schlimme Fitnessriegel für lau ins Paket, was zwar nett ist, aber die sind wirklich übel und landen nach einem Probebissen immer im Müll. Dieses Mal war aber ein Viertelliter Sonnenblumenöl mit im Paket, und das ist doch mal ein gutes Goodie.

Das Müsli ist übrigens vegan. Und ich habe mich jetzt hungrig getippt, werde gleich ein Schüsselchen davon mit einem Kilo Obst drin verzehren.

Protzen-Aufsatz finegetunt, erst im Zug, dann am Schreibtisch. Kann dann jetzt auch raus.

Im „Spiegel“ das erste Kapitel von Stuckrad-Barres „Noch wach?“ gelesen. Das Buch wollte ich so dermaßen überhaupt nicht lesen, aber das Kapitel hat mir leider sehr gut gefallen. Gleich mal bestellt. Und noch ein paar andere Bücher. Und kurz beim Second-Hand-Laden für englischsprachige Bücher in den Topf mit Zaubertrank gefallen.

1. Reihe links: lese ich gerade, sehr gut!; 1. Reihe Mitte: Monopol-Podcast gehört, klang gut; 1. Reihe rechts: sagte ich ja gerade. 2. Reihe links: Empfehlung der Buchhändlerin; 2. Reihe Mitte: nächstes Buch im Gesamtwerk von Roth, Vorfreude!; 2. Reihe rechts und ganze dritte Reihe: The Munich Readery.

Gefühlt irre viel gemacht, aber jetzt fällt mir schon nicht mehr ein, was, weswegen ich diesen Blogeintrag überraschend schnell schließen kann.

Montag, 24. April 2023 – Job 2

Jetzt kann nichts mehr schiefgehen!

Dieser Blogeintrag sollte hier gestern morgen stehen, aber ich war in einer anderen Stadt und einen Hauch nervös vor meinem ersten Uni-Seminar als Lehrende. War dann aber sehr okay und ich freue mich auf die nächste Sitzung. Die ich nach der gestrigen etwas umbauen werde, denn nicht nur die Studierenden haben (hoffentlich) etwas gelernt, sondern auch ich.