Kastenkuchen mit Misopaste und Ahornsirup

Auf den Kuchen machte mich F. aufmerksam, was mir gestern eine wunderbare Mittagspause bescherte. Und eine gute Ausrede. „Weihnachtsgeschenk? Wieso Weihnachtsgeschenk? Ich hab dir doch im Oktober einen Kuchen gebacken!“

Das Rezept stammt aus der NYT, wie so oft. In den kleinen Kastenkuchen kommen lauter Zutaten rein, bei denen ich nicht gedacht hätte, dass sie ein stimmiges Gesamtergebnis produzieren, aber genau das ist dabei rausgekommen: Man schmeckt alles, was drin ist, aber sehr fein und gut dosiert.

Für eine Kastenform von 20 cm Länge.

In einer kleinen Schüssel
240 g Mehl, Type 405, mit
knapp 2 TL Backpulver sowie
einer guten Prise Natron vermischen. Beiseite stellen.

In einer Schüssel
150 g Kristallzucker mit
einer guten Prise Salz und
der abgeriebenen Schale von einer Orange vermischen. Mit den Fingern alles für ein paar Minütchen verkneten, der Zucker müsste sich leicht orange färben, aber vor allem herrlich duften.

100 g Butter (die NYT möchte 113),
70 g helle Misopaste und
60 ml Ahornsirup dazugeben und alles ein paar Minuten zu einer gleichmäßigen Creme aufschlagen.

2 Eier nacheinander einarbeiten, wer mag, noch
1 1/2 TL Vanilleextrakt, habe ich weggelassen. Die Mischung könnte ausflocken, einfach ignorieren.

Nun die trockenen Zutaten aus der Mehlschüssel auf einmal hinzugeben und ganz kurz unterrühren, es soll sich alles nur gut vermischen. Weitermixen und währenddessen noch
80 ml Buttermilch ebenfalls nur kurz untermischen.

Alles in die gebutterte (bei mir noch mit Backpapier ausgelegte) Kastenform geben, die Oberfläche glattstreichen und im auf 180° C vorgeheizten Ofen für 40 Minuten backen. Gucken, ob die Oberfläche nicht zu dunkel wird, notfalls locker mit Alufolie abdecken (musste ich nicht). Ab Minute 50 Stäbchenprobe machen, bei mir hat der Kuchen 60 Minuten gebraucht, aber mein Ofen spinnt gern mal rum.

Zimmerwarm abkühlen lassen, aus der Form nehmen, auf ein Gitter stellen und optional mit einer Glasur überziehen (hab ich gemacht). Dafür
1 dicken EL Aprikosenkonfitüre mit
1 weniger dicken EL Wasser aufkochen, pürieren, nochmal aufkochen und sofort mit einem Pinsel auf den Kuchen streichen. Komplett auf dem Gitter auskühlen lassen.

Tagebuch Mittwoch, 13. Oktober 2021 – Mein erster Vortrag vor Fachpublikum

Das war alles sehr inspirierend und lehr- und hilfreich und jetzt muss ich erstmal mit ein bisschen Werbung wieder runterkommen.

Ich habe mit einem von mir sehr geschätzten Kunsthistoriker über unsere gemeinsame Liebe zu Grossberg gefangirlt und auch dafür haben sich die drei Tage Doppelstress Wissenschaft/Geldverdienen gelohnt.

Tagebuch Dienstag, 12. Oktober 2021 – Konferenzrisotto

Im Zentralinstitut gewesen und vor Ort den Vorträgen gelauscht, nicht mehr per Zoom. Nach der Vormittagsschicht nach Hause geradelt, zwei Stunden speedwerbegetextet und gefühlt 80 Dokumente verschickt. Wieder ins ZI gefahren, dieses Mal per U-Bahn, den Nachmittagsvorträgen zugehört, mit anderen Kunsthistorikerinnen geredet und abends auf einen Rotwein und ein Risotto in einem kleinen Lokal um die Ecke eingekehrt. („Die Referentinnen sind eingeladen.“ Ja dann.) Spaziergang nach Hause.

Außerdem kamen die Titelvorschläge für mein Buch vom Verlag, bei dem ich sofort einen Favoriten hatte. Das sah F. genauso, sehr schön. Feedback gegeben, Klappentext etwas gekürzt. Jetzt fühlt es sich langsam wirklich an.

Heute ist der letzte Konferenztag, der nur noch bis Mittag dauert, und danach werde ich genau einen Spaziergang und ein Schüsselchen Müsli Zeit haben, um die Kunstgeschichte wieder aus dem Kopf zu klopfen, bis die Werbung mich wieder hat. Wie ich gestern F. schrieb: „Brain hurts.“

Tagebuch Montag, 11. Oktober 2021 – Schreibtischzoom

Elf Stunden mit Unterbrechungen einer kunsthistorischen Zoom-Konferenz beigewohnt. In den Unterbrechungen geworben. Nicht so wirklich empfehlenswert, was die geistige Gesundheit angeht. Kunstgeschichte und Werbung voneinander getrennt – super Sache. Beides wild durcheinander – mit verwirrten Kopfschmerzen ins Bett.

Links vom Montag, 11. Oktober 2021 – Gutes Essen

Gegessen wird, was auf den Tisch kommt

Die Staatsbibliothek Dresden hat eine hübsche Online-Ausstellung zu Wolfram Siebeck und generell dem guten Essen in Bundesrepublik und DDR eröffnet. „In der SLUB wird derzeit ein eigener Raum für die kulinarisch-gastrosophische Literatur eingerichtet.“

Die FAZ, aus der auch das Zitat eben stammt, schreibt:

„Die Online-Schau nutzt historische Fotos, Videos und Texte. Sie ist auf zugängliche Weise klar strukturiert und übersichtlich nach Themen geordnet. Zwei „Intros“, einmal zum Deutschem Küchenwunder und einmal zu Wolfram Siebeck, folgen Kapitel wie „Vorgeschichte“, „Entstehungszeit und frühe Akteure“, „Kulinarische Ästhetik“, „Neue Kochstile“, „Anfänge kulinarischer Öffentlichkeit“. Schon diese Übersicht verdeutlicht, dass es auch um die Wirkkraft des Neuen Kochens in den Siebzigern auf die Öffentlichkeit geht.

In diesem Sinne hatte auch Wolfram Siebeck seine Kritiken und Feuilletons über die Nouvelle Cuisine geschrieben: als eine neue Form von kultureller Kompetenz in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg und der NS-Zeit, die für Feinschmeckerei nicht viel übrighatte. Siebeck erklärt in einem Video aus auf seine typische kunstvoll-pointierte Art ebenso provozierend wie unterhaltsam: „Normalerweise ernährt sich der Deutsche im Sturmschritt, er kommt ins Haus gerannt, öffnet die Kühlschranktür, nimmt etwas heraus, was sich ruckzuck aufwärmen lässt, isst es ruckzuck, um bloß irgendwas anderes zu machen. Für ein gepflegtes Essen, für die Art von Esskultur, wie ich sie mir vorstelle, da lassen sich nicht so viele Leute engagieren in Deutschland. Wir anderen profitieren davon, von einem großen Angebot guter Produkte, die wir heute haben, aber die praktizierenden Feinschmecker, eine kleine Gemeinde, eine schützenswerte Minderheit.““

Hier zwei Fotos aus dem Tantris von 1971 nach der Eröffnung – die theoretisch auch heute hätten gemacht sein können; ich erwähne gern, dass die hummerrote Einrichtung unter Denkmalschutz steht.

Ebenfalls in der FAZ gelernt: Friedrich der Große brühte seinen Kaffee nicht mit Wasser, sondern mit Champagner auf. Ihr entschuldigt mich kurz.

What pretending to be a White guy taught me about privilege

Die Restaurantkritikerin Annabelle Tometich outete sich vor Kurzem als nicht der „French dude“, unter dessen Namen sie jahrelang schrieb. Der Artikel in der News-Press ist leider nur für Abonnentinnen zugängig, der Kommentar von ihr in der Washington Post hoffentlich nicht:

„I spent 15 years pretending to be a White guy.

For more than a third of my life, I wrote restaurant reviews under the pseudonym Jean Le Boeuf — as one in a long line of Le Boeufs at the News-Press in Fort Myers, Fla. The name dates to 1979 and has been handed down critic to critic. Le Boeuf could, in theory, be anyone. That was the point. But if my inbox served as indication — where emails started “Dear Sir” and “Cher Monsieur” — most readers assumed Jean was a dude. A French dude.

I liked being a French dude. Perhaps because I’m not at all a French dude. I’m a half-Filipina, half-Yugoslavian/English/Canadian woman, born one year after Le Boeuf was created in the same place he was created: a city named for a Confederate colonel. […]

When I got the job, I was overjoyed. I’d always been seen as Brown, as mixed, as never quite enough. But as Le Boeuf I could wield the ultimate power: Whiteness.

“One of the greatest underrecognized privileges of Whiteness might be the license it gives some to fail without fear,” the critic Adam Bradley recently wrote. I get it. As Le Boeuf, I was fearless.

I railed against rubbery deviled eggs and tired fusion concepts. I did so knowing no one would mansplain to me what eggs should “really” taste like or troll me with some “Stick to Chinese food!” nonsense. I told people where to eat, and they listened. This was power as I’d never known it.“

Philadelphia Pepper Pot

Ein kleiner Ausschnitt aus Jessica B. Harris’ High on the Hog: A Culinary Journey from Africa to America.

„Like many cities of the fledgling nation, Philadelphia had an African underpinning that came from the bustling port, where ships arrived daily from the Carribbean and from Africa bringing foods, goods, and slaves and giving the city a lively creole feel. The docks and seaport areas of Philadelphia and other northern maritime cities were riddled with warehouses that were Ali Baba’s caves of ingedients fresh off the boats; plantains and mangoes, while not common, were known among the well-to-do, as were pineapples, a delicacy of Carribbean origin, which became the symbol of hospitality.

Some of the more exotic ingredients would have been familiar to the ‚saltwater slaves‘. Carribbean blacks also knew their uses and no doubt demonstrated them to their mistresses. Women wandered the streets with trays selling their own version of a West African okra-based gumbo with foufou dumplings (pounded plantain or other vegetable starch) that would become renowned as Philadelphia’s pepperpot. The spicy dish, prepared from inexpensive cuts of meat and vegetables, was sold for pennies by hucksters of West Indian origin. […] It became a Philadelphia classic, and the street vendors’ cry “Pepper pot, smoking hot!” is even illustrated in the 1810 pamphlet Cries of Philadelphia. The city would be a proving ground for African Americans in food for more than three centuries.“ (S. 72/73)

Das Buch beschreibt auf den Folgeseiten die beiden schwarzen Köche auf den Landsitzen von Washington und Jefferson, Hercules und James Hemings, die auch in der Netflix-Serie vorkommen. Harris weist darauf hin, dass viele Sklaven und Sklavinnen Kochkenntnisse hatten, die manche Weiße nicht hatten, schlicht weil diese sich bisher hatten bekochen lassen. Diesen Vorteil nutzten einige ehemalige Sklaven und Sklavinnen, um Catering-Services anzubieten oder Hotels zu eröffnen, meist in den Nordstaaten oder im Westen der USA.

Mich überraschen Zahlen ja immer wieder: „During the colonial period, blacks made up 61 percent of the population of South Carolina and 31 percent of that of Georgia. But at the time of the American revolution, fewer than 10 percent of the total population of enslaved lived in the North. Their numbers, however, continued to grow in the South. […] by 1790, they made up a third of the population. […] between 1790 and 1810 the population of enslaved almost doubled.“ (S. 92/93).

Trotzdem sind die populären Bilder, die wir im von den Südstaaten im Kopf haben, nicht ganz korrekt: „Less than one quarter of white Southeners held slaves, and half of those held fewer than five. Only 1 percent of Southeners owned more than one hundred, and a miniscule numer owned more than five hundred and had the large spreads that we imagine; they lived mainly in South Carolina, Georgia, and Louisiana. […] Those realities, though, in now way mitigate the horror of enslavement. ‚Plantation‘, in most cases in the South, was just a fancy word for the farm on which slaves toiled for their masters.“ (S. 93/94)

Und auch in diesem kleineren Rahmen waren eher Schwarze für die Küche zuständig, die bei großen Plantations ein Extra-Gebäude waren. In jedem Fall beeinflussten die schwarzen Köche und Köchinnen nach und nach den Geschmack der weißen Besitzer und Besitzerinnen, sei es durch Küchentechniken, die aus den Sklavenquartieren stammten, oder durch Zutaten.

Im Gemeinschaftsblog „Encyclopedia of Greater Philadelphia“ schreibt Historikerin Theresa Altieri Taplin über die Zutaten des Pepper Pots:

„Pepper pot (also known as “pepperpot” or “pepper-pot”) came to the Philadelphia area in the mid-eighteenth century from the West Indies region of the Caribbean, at that time connected with the city through trade. A hybrid of Spanish and West African food traditions, pepper pot originated in two versions, one based in cassareep, a sweet and sour syrup derived from the bitter and poisonous cassava, and the other using callaloo, a dish made from greens that originated in West Africa. Edward “Ned” Ward (1667-1731), an English satirist who visited Jamaica in the late seventeenth century, wrote that after eating just a few spoonfuls, all he wanted was “a drop of water to cool [his] tongue.”

Most likely, enslaved Africans brought an indigenous version of pepper pot based on callaloo to Philadelphia in the mid-eighteenth century. Like many Native American, African, and European dishes, especially among the poorer classes, pepper pot was a communal dish. Dishes of this type had no specific recipe, only general guidelines to follow—meat, vegetables, and other available ingredients slowly cooked in one pot and typically eaten with bread. According to tradition the remnants from one day’s meal became the basis for the next, resulting in a dish that could last for decades or even a century.“

Im Link stecken weitere Lesehinweise sowie eine Abbildung aus dem Büchlein Cries of Philadelphia, das Harris erwähnte.

Ich habe ein Rezept von dreien aus dem Philadelphia Inquirer nachgekocht, mich aber durch viele weitere Variationen gegoogelt. Koriander habe ich eigentlich nur hier gefunden, aber da ich ihn sehr mag, fand ich das passend. Ob man die Kutteln weglassen sollte oder nicht, kann ich nicht beurteilen, ich kochte hier das erste Mal mit dieser Zutat, wie im gestrigen Blogeintrag erwähnt.

Wenn man das untenstehende Rezept viertelt, kommen drei bis vier ordentliche Portionen raus. Zur Suppe servierte ich Maisbrot mit Honigbutter, das Rezept für beides stammt von hier.

In einem großen Topf

2 mittelgroße Zwiebeln, gewürfelt,
10 Knoblauchzehen, geschält und grob gehackt, sowie
2 gelbe Paprika, gewürfelt, in
ordentlich Pflanzenöl andünsten. Die Zwiebeln sollten nicht braun werden.

700 g Rindernacken, gerne mit Fett und Knochen, sowie
900 g Kutteln (Rindermagen, gesäubert), beides in mundgerechte Stücke geschnitten, mit anbraten. Wenn das Fleisch Farbe genommen hat, alles mit
2 l Rinderbrühe ablöschen.
6 Zweige Thymian,
1 Lorbeerblatt,
1 EL Meersalz sowie
1 EL schwarze Pfefferkörner mit in die Brühe geben. Aufkochen und dann zwei Stunden bei niedriger bis mittlerer Hitze köcheln lassen. Notfalls Wasser oder Brühe nachgeben (habe ich mehrfach gemacht).

Nach zwei Stunden
4 große Kartoffeln, in mundgerechten Stücken,
2 Cups Möhren, gewürfelt,
2 Cups Kürbisstücke sowie
3 grüne Chili mit Kernen oder 2 Scotch-Bonnet-Chilis, in feinen Ringen, hinzugeben und mitkochen lassen. Wer kein Cup-Maß hat: Ich übersetze bei losen Dingen wie Kürbisstücken eine Cup immer mit „eine ordentliche Handvoll“. Weitere zwei Stunden simmern lassen.

Etwas Grünes gehört auch noch dazu: Wer mag, gibt zeitgleich mit den Kartoffeln usw. noch 3 Cups Grünkohl oder anderen Kohl hinzu. Ich habe Spinat verwendet; da dieser schnell zerfällt, habe ich ihn erst anderthalb Stunden nach den Kartoffeln in den Topf geworfen. Ebenfalls zu diesem Zeitpunkt dazugeben:
1/2 Bund frischen Koriander, grob gehackt.

Nach nun insgesamt vier Stunden Kochzeit ein bis zwei der Kartoffeln entnehmen und auf einem Teller zerquetschen. Den Brei wieder in den Topf geben und alles noch ein Stündchen kochen lassen (bei mir war es nur noch eine halbe Stunde, war auch okay). Die Suppe sollte sämig, aber noch als Brühe zu erkennen sein. Weiterhin notfalls Brühe oder Wasser nachgeben.

Für das Maisbrot
50 g Butter schmelzen, leicht abkühlen lassen und mit
250 ml Buttermilch und
1 verschlagenen Ei verrühren.

In einer zweiten Schüssel
120 g Maismehl,
150 g Weizenmehl, Type 405,
1 TL Backpulver,
1 TL Natron,
2 EL Zucker und
1/2 TL Salz vermischen.

Die flüssigen Zutaten zu den festen geben und kurz miteinander verrühren. Alles in eine gebutterte Springform (18 Zentimeter Durchmesser) geben und im auf 200° vorgeheizten Ofen für 20 bis 25 Minuten backen. Noch warm servieren, das Maisbrot hält sich leider nicht sehr lange.

Für die Honigbutter einfach
100 g zimmerwarme Butter mit
1 EL Honig cremig aufschlagen und zum Brot servieren.

Tagebuch Freitag, 8. Oktober 2021 – Mit Kutteln kochen

Normalerweise klingelt mein Wecker um 7.30 Uhr, damit ich ausgeschlafen, geduscht, entspannt, nach einem frisch gesiebträgerten Flat White und einem Blick in die Twitter-Timeline unhektisch um 9 am Schreibtisch sitzen kann. Gestern wollte ich aber morgens flugs noch zum Metzger, um eine Bestellung abzuholen. Da ich leider nicht weiß, wann meine Biokiste tagsüber geliefert wird, bleibe ich den Rest des Tages an die Wohnung gefesselt. Daher klingelte der Wecker um 7, aber ich war netterweise schon um 6.57 wach, ha!

So ging ich geduscht und entspannt und unhektisch zum Metzger nebenan und holte die Dienstag bestellten Kutteln ab. Die kamen in einer großen Menge in Plastik eingeschweißt, ich bekam meine Winzmenge von 250 g abgewogen und musste das Zeug nicht mehr säubern oder stundenlang auskochen. Theoretisch jedenfalls. Praktisch wollte das Suppenrezept, das ich ausprobieren wollte, sowieso, dass sie mit anderen herrlichen Zutaten fünf Stunden lang rumköcheln.

Ich verstaute alles erst einmal im Kühlschrank und nutzte dann später die Mittagspause, um mich den unbekannten Kutteln zu nähern, die ich, ich erwähnte es vor einigen Tagen, noch nie essen wollte. Erstmal vorsichtig dran riechen – und sofort zurückgezuckt: Die rochen wie ein Aschenbecher in einer Kneipe, in der seit 20 Jahren nicht gelüftet wurde. (Fun fact: In der Nachbarschaft der Hamburger Agentur, die mich gerade gebucht hat, war zu meinen Juniortexterinnentagen genau so eine Kneipe. Gibt es längst nicht mehr, aber den Geruch, der aus der Tür trat, wenn man zufällig dran vorbeiging, werde ich nie vergessen.)

F. schrieb auf meine Aschenbecher-DM übrigens launig zurück: „You say that like it’s a bad thing.“ Funny man.

Ich würfelte Zwiebeln, Knoblauch und eine Paprika und briet sie mit Pfefferkörnern in Öl an. Darauf kamen die mundgerecht zerteilten Kutteln sowie ein ebenso zerteiltes herrliches Entrecote. Ich hatte kurz überlegt, die Kutteln einfach zu verklappen, weil mir der Rest der Zutaten so leid tat, aber da war schon alles im Topf. Kurz angebraten, alles mit Rinderbrühe aufgegossen und dann simmerte alles für zwei Stunden vor sich hin. Der Zigarettengeruch wich langsam einer gewissen Rauchigkeit, die mich aber auch noch nicht restlos überzeugte.

Praktischerweise war die Biokiste ebenfalls in der Mittagspause gekommen, so dass ich gleich den winzigen Kürbis, der sich auch in ihr befand, zerteilen konnte. Nach zwei Stunden Kochzeit gab ich also ein paar Kartoffeln, eine Möhre, ein paar Spalten Kürbis und eine einzige grüne Chili mit Kernen dazu, nach weiteren 90 Minuten noch eine große Handvoll Spinat sowie ein halbes Bund frischen Koriander. Nachdem alles eine weitere halbe Stunde gesimmert hatte, entnahm ich wenige Kartoffelstücke, zerstampfte sie auf einem Teller und gab sie als Brei wieder in die Suppe. Das gab eine gewisse Sämigkeit, ich hatte nun ein schönes Mittelding zwischen einer Brühe mit Dingen drin und einer komplett sämigen Samtsuppe. Das gefiel mir sehr. Ich traute mich außerdem, endlich mal zu kosten, allerdings nur die Brühe: Das war ausgesprochen gut, sehr würzig und angenehm scharf.

Bevor F. zur Date Night auflief, buk ich noch Maisbrot und rührte eine schnelle Honigbutter an. Und dann gab es Philadelphia Pepper Pot Stew, über den ich vor wenigen Tagen in „High on the Hog“ gelesen hatte.

Die Suppe bringt eine sehr angenehme Grundschärfe mit – F. nannte es „hat Wumms“ –, war dabei aber eher warm-pfeffrig als chili-scharf. Da ich noch nie mit Kutteln gekocht hatte, kann ich nicht beurteilen, was genau ihr Job in der Suppe war. Viele Stücke waren zerfallen bzw. so cremig-weich gekocht, dass man sie kaum zerbeißen konnte, da waren sie schon die Speiseröhre runter. Ich weiß nicht, ob auch diese Zutat für die Sämigkeit des Ganzen gesorgt hat. Die größeren Stücke waren allerdings noch durchaus spürbar, wenn auch weit weg von bissfest, und da musste ich mich doch etwas überwinden, dieses gallertartige Zeug zu kauen. Mein übliches Meeresfrüchte-Kau-Erlebnis-Problem, denke ich. Das ist einfach eine Konsistenz, die ich mir nur bei Weingummi gefallen lasse. Geschmeckt haben die Kutteln schlicht nach dem Eintopf, in dem sie gekocht wurden.

Beim nächsten Mal, und es wird ein nächstes Mal geben, das war wirklich äußerst schmackhaft, lasse ich die Kutteln weg und gucke mal, was es mit der Suppe macht. Bis dahin verweise ich euch auf das Rezept da oben im Link sowie die spannende Stadtgeschichte dazu.

(Und sieht meine Biokiste nicht aus wie ein zufälliger Cotán? Herzaugenemoji!)

Tagebuch Donnerstag, 7. Oktober 2021 – Zupfbrot und nochmal Kevin Kühnert

Lather, rinse, repeat, arbeiten, kochen, essen, Crossword lösen, Serien gucken, lesen, schlafen. Die Doku über Kühnert habe ich jetzt durch und wiederhole meine Empfehlung von gestern.

Ich las irgendwo auf Twitter, dass die Serie zeige, wie unglamorös Politik sei und eben nicht so wie in US-amerikanischen Serien. Ich glaube nicht, dass irgendjemand geglaubt hat, im Bundeskanzleramt, im Willy-Brandt-Haus oder in Kommunalverbänden ginge es so zu wie in „The West Wing“, aber ja, falls doch, dann ist diese Serie ein gutes Gegenmittel. Ich mochte die vielen Reden, die vielen Gespräche, die Sätze, die eben mehr als pathetisches Wortgeklingel sind, sondern Ziele aufzeigen, Ideen, Veränderungswünsche. Ich mochte auch, dass Kühnert offen davon spricht, Macht besitzen zu wollen, mit der Erläuterung, dass, wenn jemand etwas bewegen möchte, er dafür eben Macht brauche, die in einer Demokratie glücklicherweise auf Zeit verteilt wäre.

Was mich bei der letzten Folge, die von der Bundestagswahl vor gerade zwei Wochen berichtet, allerdings etwas erstaunt hat, war die innerparteiliche Wahrnehmung, dass es an der tollen SPD gelegen habe, dass sie sich vor der Union platzieren konnte. Ich war bisher eher der Meinung, dass es an der unterirdischen CDU/CSU inklusive ihres unbeliebten Spitzenkandidaten gelegen habe. Aber die Wählerwanderung gibt mir nicht recht: Von bisher Unions-Wählenden entschieden sich mehr Abwander:innen für die SPD anstatt für die näherliegende FDP. Umgekehrt sieht das allerdings nicht so aus: Abtrünnige FDPler:innen gingen mehrheitlich zur Union anstatt zur SPD. Vielleicht ist aber trotzdem was dran an der These, dass der Laden sich seit zwei Jahren wirklich bemüht, nach außen geschlossen zu erscheinen bzw. zu kommunizieren, dass man durchaus unterschiedliche Strömungen – wie Kühnert vs. Scholz – unter einem Dach vereinen kann. Und dass die Partei deswegen auch wieder für unterschiedliche Vorlieben interessant wird.

Zum Abendbrot gab’s noch ein Restchen Chorizo mit einem Berg Gemüse dazu aus der Pfanne und wie in den letzten Tagen latent gezwungenermaßen Salat. Ich glaube, ich ändere meine Biokiste „Obst und Gemüse“ in „Kochgemüse“, dann muss ich keinen Salat mehr essen, aber dafür Obst dazu bestellen. Es ist kompliziert. Trotzdem ein netter Nebeneffekt von den Salaten der letzten Wochen: Ich hatte mal wieder Lust auf ein jogurtbasiertes Dressing anstatt des üblichen Essig-Öls, aber ehe ich Quatsch zusammenpantsche, fragte ich ein uraltes Jamie-Oliver-Kochbuch – ich glaube, das erste gekaufte nach dem Foodcoaching von … 2009? – und stieß auf die wunderbare Mischung Jogurt, Senf, Öl, Zitrone und Gewürze.

Zum Nachtisch gab’s Schokoladen-Zupfbrot. Hefeteig ist ja herrlich Home-Office-kompatibel: In der Mittagspause ansetzen, ruhen lassen, irgendwann in einer Teepause zum Laib formen und backen, und zum Feierabend ist es ausgekühlt und kann mit Espressoglasur bekleckert werden..

„Ted Lasso“ and the Limits of American Optimism

Wer „Ted Lasso“ noch nicht gesehen hat, möge das bitte dringend nachholen. Das Finale der zweiten Staffel landet heute auf Apple+ oder in Ihren Ecken des Interwebs, und soweit ich weiß, wird es nur noch eine dritte Staffel, aber sonst nichts mehr geben.

Ich hatte ein paar Probleme mit der zweiten Staffel, und einige werden auch im Podcast (plus Transkript) des Atlantic angesprochen, aber das hier hatte ich nicht auf dem Schirm, nicke es aber total ab:

„I think there’s something quietly genius about making this show that is about team sports not about the sport at all. The sport functions in this show so much like a metaphor, and it becomes a way for the show to talk about very fundamental questions of how the individual should act with the collective; how individuality becomes either rugged or toxic and where the lines are between those two things; what we owe to each other as individuals but also as fundamentally teammates.

Those are the questions that undergird public policy, that undergird our economic systems, our education system — everything, really. And this show is getting at them in this very quiet, subtle, but very powerful way. The show’s optimism is connected to the idea that we can never do anything on our own. We are always going to need some kind of team.

I watched the show when the mask mandates were a big debate in American culture, and people were refusing to act in any way that might be selfless. And I think, to watch a show like this, especially at a moment like that, where it was very easy to feel despair about our ability to just be human to each other—the show just felt kind of revelatory in that way.“

Es geht außerdem um den ewigen Optimismus, der in der ersten Staffel ansteckend und in der zweiten nervig war, weil er verhüllt, dass auch ein gut gelaunter Lasso Traumata mit sich herumschleppt. Der Podcast kommt kurz auf die anstrengende Prämisse zu sprechen, nach der es, gerade in der US-amerikanischen Kultur, in deiner ganz eigenen Verantwortung liegt, verdammt nochmal glücklich zu sein oder zu werden, und wie zerstörend diese Anforderung manchmal sein kann.

Ich mag an der Show, dass Fußball quasi nur das Grundrauschen ist oder eine Vorlage für schöne Witze über das Wembley Stadium, aber hier hat der Podcast sehr recht:

„The one thing that the show doesn’t get into because it’s a comedy — though it’s been getting into serious issues in Season 2 — is there is a lot of toxicity around soccer fandom. And this show gets into it a little bit. […] There is a particular violence ingrained in the culture of soccer that the show gets at a little bit with Jamie’s dad more than anything. The tribal aspect to it. The massive investment in whether a team wins or loses. That, particularly in this season, has been underplayed a lot.“

Im Transcript steckt ein Link zu Jezebel, in dem sehr gut beschrieben wird, warum die Show so gut funktioniert:

The Fantasy of a Locker Room Where Men Don’t Act Like Total Assholes

„The more Rebecca inserts herself in the locker room, the less time the audience sees locker-room antics like hazing and body shaming; a forewarning, perhaps, of what real-life locker rooms might expect if ever a woman were in a position to own a football club. This shift in behavior when the men are being watched is indicative of men’s self-awareness—they know what is and isn’t acceptable outside the closed space of the locker room. […]

Without trying too hard, the show weaves together various archetypes of masculinity and creates a perfect locker room in which they can all work together, even through the insane notion of having a woman in charge. The magic of Ted Lasso is that although it is set in the locker room, it removes some of the worst factors of the space—overt sexism, homophobia, emotional and physical abuse—and instead reimagines a space where those dark and dirty behaviors are relics of the past. These men and this locker room are more evolved than the men and locker rooms that the audience is familiar with, and that’s accomplished through the simple addition of empathy. Ted Lasso is empathetic to the struggle of each man on his team and toward Rebecca as well. This empathy that trickles down to the rest of the locker room is what sets the show on a different path than any other series that follows men into locker rooms.“

Tagebuch Mittwoch, 6. Oktober 2021 – Mandelcroissant und Kevin Kühnert

Der Herr Brantner bietet nur Mittwochs ein Croissant an, das mit Mandelcreme gefüllt ist. Ich hatte es bis letzte Woche noch nie geschafft, eins zu ergattern, entweder weil ich mir zu blöd vorkam, vor dem Laden rumzulungern, bis endlich das erste Blech aus dem Ofen an die Verkaufstheke gelangt, oder weil ich halt was anderes zu tun hatte, als vor einer Bäckerei zu warten.

Letzte Woche brachte mir aber F., der gute Mensch, eins mit, und wo ich vorher noch gedacht hatte, ja mei, ein Croissant mit Mandelcreme, was soll da schon usw., aber beim ersten Bissen wurde daraus ein OMG SO GUT!

Gestern schickte mir F. dann erneut kommentarlos ein Foto seiner Bäckereitüte, in der drei Croissants lagen, und eins davon hatte meinen Namen in seiner blätterig-knusprigen Kruste eingeschrieben. So innerlich. Ich nutzte die Mittagspause für eine kurze Tour zu F. und hob mir das kostbare Backwerk bis abends auf, denn danach bin ich nicht mehr zum Denken fähig. Es gab wie immer Müsli mit Obst zum Mittag, denn danach kann ich noch ganz hervorragend denken.

Einen Blogbeitrag fertiggestellt, der nicht in diesem Blog erscheinen wird. Ich weiß noch gar nicht, wann der veröffentlicht werden soll, ich tippe mal auf irgendwann in zwei Wochen, ich sag dann Bescheid.

Ich hatte einen kurzen Internetausfall, was nicht so dramatisch wäre, ich kann ja inzwischen lustig Hotspots mit dem Handy einrichten, wie ich es bisher im Norden immer gemacht habe, bevor dort das Internet eingezogen ist, aber wie ich jetzt weiß, kann ich dann auch nicht mehr sehen, wo mein Robotron II gesaugt hat, weil er sich halt nicht mit dem Internet verbinden kann. Ja, klar, ich könnte einfach durchs Zimmer gehen, aber als Grafik auf dem Handy ist das viel toller!

Quasi direkt nach Feierabend auf die Matte gegangen und zwei Folgen meines Sportprogramms nacheinander angeworfen. Mitten in der letzten – es waren mal wieder die Bauchmuskeln dran – klingelte mein Handy, die Agentur wollte noch was, und wo ich normalerweise alles nach 18 Uhr ignoriere, ging ich hier ran, weil ich gerade bei der Übung war, die ich von allen am wenigsten mag. Ich mache alles mit, deswegen turne ich ja, ich will ja, dass es anstrengt, aber diese eine Übung ist einfach nur in jedem beteiligten Körperteil doof. (Gerade ergoogelt: Das Ding heißt Russian Twist.)

Die verbrauchten Kalorien mit dem oben erwähnten Mandelcroissant wieder aufge- und übererfüllt und nebenbei die ersten drei Folgen der mehrteiligen Doku über Kevin Kühnert gesehen, die seit Tagen auf Twitter empfohlen wird. Zu Recht. Ich gebe die Empfehlung mal weiter.

Tagebuch Dienstag, 5. Oktober 2021 – Kistenküche

Am Montag abend war ich gerade im Bad, um mich für ein frühes Zubettgehen fertigzumachen, als ich seltsame Piepstöne hörte. Zuerst dachte ich, mein Staubsaugerroboter würde mich wieder auf irgendwas aufmerksam machen wollen – voller Auffangbehälter, leerer Akku, der generell elendige Zustand der Klimapolitik –, aber das Geräusch kam nicht aus dem Arbeitszimmer, wo er nach einem kurzen Aufenthalt in der Küche wieder steht. Erst beim Blinken aus der Bibliothek wurde mir klar: DAS FESTNETZTELEFON KLINGELT! Ich war allerdings nicht schnell genug, aber es war natürlich das Mütterchen, das schließlich als einzige meine Nummer besitzt. Dachte ich. Denn gestern morgen klingelte es wieder, und es war meine Mailbox, die mir die Nachricht des Mütterchens von vorgestern abend abspielte. Ich kann also von einem Menschen und einem Dings angerufen werden.

Ich musste gestern erst einmal ergoogeln, wie ich einstellen kann, dass die Box sich nicht schon nach dreimaligem Läuten einschaltet. Oder wie sie mir mit einem Signal anzeigt, dass jemand auf sie gesprochen hat. Oder wie ich sie abstelle, weil sie mir nicht anzeigt, dass jemand auf sie gesprochen hat und mich stattdessen anruft, was ich gar nicht will. Ich hatte vergessen, wie kompliziert Telefone sind.

Mittags einen Spaziergang gemacht, weil ich mich bewegen muss bei acht Stunden Agenturschreibtisch. Wenn ich so lange in Bibliotheken sitze, renne ich öfter durch die Gegend, um Buch 1 bis 35 in 20 Etappen an den Platz zu holen. Im Home Office hole ich höchstens mal Tee, das reicht nicht, um Rückenschmerzen vorzubeugen. Also gehe ich spazieren. (Meist zu Packstationen.)

Außerdem beim Metzger eine Zutat bestellt, die ich noch nie bestellt habe, noch nie bestellen wollte und auch noch nie essen wollte, aber das Rezept will das, also mache ich das. Freitag wird das Zeug abgeholt und muss sich sehr anstrengen, mich von sich zu überzeugen.

Das Buch High on the Hog: A Culinary Journey from Africa to America ist übrigens daran schuld, dass ich komische Dinge bestelle. Ich habe es erst zu zwei Dritteln durch, empfehle es aber schon dringend weiter. Die gleichnamige Netflix-Serie ist ein müder Schatten gegen die Faktendichte und den sehr gut lesbaren Stil des Buchs. Am Ende dieses Eintrags steht ein kurzer Ausschnitt aus der Einleitung, und bisher löst das Buch eben diese ein.

Ansonsten gab es einen Auflauf aus Resten der vorgestern genutzten Chorizo und Brokkoli (aus der Biokiste) neben dem mittäglichen Müsli, in das ich letzte Woche Honigmelone geschnipselt hatte (aus der Biokiste) und diese Woche Weintrauben (aus der Biokiste). Zum Auflauf gab es grünen Salat (aus der Biokiste) und Radicchio (aus der Biokiste) sowie Chinakohl, der auch noch von vorgestern übrig war. Einiges aus der Kiste hätte ich auch so im Haus gehabt, aber momentan freue ich mich immer wie das Klischee einer sparsamen Hausfrau aus den 1950er-Jahren, wenn ich die Biokiste leerkriege. Und ich esse Dinge, die ich sonst nicht esse wie Chorizo-Aufläufe. Und, ja, mehr Salat als sonst, schon gut.

Das Bild hatte ich Samstag schon vertwittert mit der Bemerkung: „Was versuche ich mich auch an Crosswords von 1942?“ Das Rätsel war für mich unlösbar ohne Autocheck – damit zeigt die App der NY Times gleich an, ob die Eingabe korrekt ist, weswegen die Buchstaben blau sind und nicht schwarz. Neben Clues, mit denen ich wirklich nicht gerechnet hatte – Nazi-Basen in Belgien? What the hell? – und vielen Generälen oder Flugzeugnamen, die zur Zeit des Zweiten Weltkriegs vermutlich mehr Menschen geläufig waren als uns heute, hatte ich vor allem Schwierigkeiten mit den Umschreibungen, die mir – logischerweise – sehr altmodisch vorkamen. Ich löse doch lieber Rätsel von heute, in denen ich Songtexte wiedererkenne oder TV-Charaktere oder lustige Memes.

An den Tweet hängte ich noch einen weiteren Screenshot aus der App, in dem der Chefkorrektor des NYT-Kreuzworträtsels ein bisschen zur Geschichte des Zeitvertreibs plaudert.

„While millions of Africans were brought in chains to the New World, the botanical connection to the African continent remained relatively small. The list is even smaller in the United States, where the weather did not permit the introduction of such tropical species as ackee, the oil palm, kola, true African yams [was in vielen Thanksgiving-Rezepten als „yams“ bezeichnet wird, sind Süßkartoffeln], and other tubers. The few plants that could survive – okra, watermelon, and black-eyed peas – have, however, remained emblematic of Africans and their descendants in the United States and of the region in which most of them toiled, the American South.

Okra is perhaps the best known and least understood outside African American and Southern households. Prized on the African continent as a thickener, it is the basis of many a soupy stew and is served up in sheets of the slippery mucilage that it exudes. Okra probably was first introduced into the continental United States in the early 1700s, most likely from the Caribbean, where it has a long history. Colonial Americans ate it, and by 1748 the pod was used in Philadelphia, where it is still an ingredient in some variants of the Philadelphia gumbo known as pepperpot. In 1781 Thomas Jefferson commented on it as growing in Virginia, and we know that it was certainly grown in the slave gardens of Monticello. By 1806 the plant was in relatively widespread use, and botanists spoke of several different varieties.

Our American word okra comes from the Igbo language of Nigeria, where the plant is referred to as okuru. It is the French word for okra, gombo, that resonates with the emblematic dishes of southern Louisiana known as gumbo. Although creolized and mutated, the word gumbo harks back to the Bantu languages, in which the pod is known as ochingombo or guingombo. The word clearly has an African antecedent, as do the soupy stews that it describes, which are frequently made with okra.

Watermelon has been so connected with African Americans that it is not surprising to learn that the fruit is believed to have originated on the African continent. Pictures of watermelons appear in Egyptian tomb paintings, and in southern Africa they have been used for centuries by the Khoi and San of the Kalahari. More than 90 percent water, the fruit is useful in areas where water may be unsafe, and it is also especially prized to cool folks down in hot weather.

Watermelons arrived in the continental United States fairly early on in the seventeenth century and were taken to heart and stomach rapidly as new cultivars were developed that were more suitable to the cooler weather. As with okra, watermelon has been indelibly connected to African Americans. Indeed some of the most virulent racist images of African Americans produced in the post-Civil War era involve African Americans and the fruit. […] National attitudes toward watermelon have changed, but the fruit and its stereotyped history still remain a hot-button issue for many.

[The black-eyed pea] was perhaps best known as an ingredient in the South Carolina perloo (or composed rice dish or pilaf) known as Hoppin’ John. Legumes are the among the world’s oldest crops. They have been found in Egyptian tombs and turn up in passages in the Bible. The black-eyed pea, which is actually more of a bean than a pea, was introduced into the West Indies from Central Africa in the early 1700s and journeyed from there into the Carolinas. The pea with the small black dot is considered especially lucky by many cultures in West Africa. While the pea was certainly not lucky those who were caught and sold into slavery, the memory of the luck it was supposed to bring in West Africa lingered on among the enslaved in the southern United States and the Hoppin’ John that is still consumed on New Year’s Day by black and white Southeners alike is reputed to bring good fortune to all who eat it.“

As came okra, watermelons, and black-eyed peas, so came sesame and sorghum. […] Peanuts are New World in origin, yet they remain connected in many minds with the African continent, because it is likely that they moved in general usage in the United States via the Transatlantic Slave Trade. […]

Whether in the slip of an okra in a southern Louisiana gumbo, the cooling sweetness of a slice of watermelon on a summer day, or the luck of a New Year’s black-eyed pea, the African continent is the origin of many of African American foodways. From its ingredients to its techniques and its hospitality, rituals, and ceremmonies, the continent has remained a vivid memory: one that left its mark on its displaced children in the New World.“

Jessica B. Harris: High on the Hog: A Culinary Journey from Africa to America, New York/London 2012, S. 16–19.

Pansit Cabagan

Ein weiteres Rezept aus I Am a Filipino: And This Is How We Cook. Pansit bedeutet schlicht „Nudel“; diese Gerichte sind von der chinesischen Küche beeinflusst und neben Adobos ein Grundstein der philippinischen Küche. Für mich schmeckt das Rezept wie ein wilder Ritt durch halb Asien: ein bisschen wie Ramen, nur ohne Miso, ein bisschen wie Bratnudeln, nur mit viel mehr Flüssigkeit und frisch wie viele Thai-Gerichte, nur längst nicht so scharf. Philippinisch wird es für mich durch die Mischung aus allem und den Komfortfaktor, der für mich bisher diese Art Küche am meisten auszeichnet. Oder wie F. immer so schön sagt: „It’s not pretty, but tasty.“

Beim ersten Zubereiten aß ich das ganze eher als Suppe mit wilden Einlagen (daher die Ramen-Assoziation), beim nächsten Zubereiten rührte ich etwas Stärke in die Flüssigkeit, weswegen es jetzt eher ein Nudeltopf ist. Ich mochte beides. Das Rezept reicht für vier Personen, lässt sich aber entspannt vierteln und blitzschnell in ein Feierabendgericht verwandeln. Ich habe beim Bild die Gemüsemengen nicht verändert, aber nur ein Viertel von Nudeln, Fleisch und Flüssigkeit verwendet.

Erstmal eine Runde Gemüse schneiden. Wir zerteilen
1 große Karotte in kleine Würfel,
eine kleine Handvoll Chinakohl in feine Streifen,
eine Handvoll grüne Bohnen in mundgerechte Stücke.

Alles nacheinander für wenige Minuten in kochendem Wasser blanchieren und in einer Schüssel Eiswasser abschrecken. Voneinander getrennt beiseite stellen.

Wer Lust hat, erstellt nebenbei ein bisschen Knoblauchöl: Dazu ein paar Knoblauchzehen, in feine Scheiben geschnitten, in wenigen Esslöffeln Pflanzenöl glasig dünsten. Nicht braun werden lassen. Aus dem Öl nehmen und abtropfen lassen; die kleinen Racker kann man schön als Chips oben auf das Pancit legen.

In einem großen Topf
2 EL Pflanzenöl erhitzen. Darin
225 g Longanisa hamonado (bei mir Chorizo) in Stücken für zwei Minuten anbraten, bis es anbräunt. Mit
2 l Rinderbrühe aufgießen,
2 EL Sojasauce sowie
60 ml Austernsauce dazugeben. Alles zum Kochen bringen und für ungefähr fünf Minuten simmern lassen, bis die Wurst gekocht ist. Diese dann mit einer Schaumkelle entnehmen und beiseite stellen.

Während die Brühe kocht, in einem kleinen Topf
4 Eier in Essigwasser pochieren. Meine Pochierfähigkeiten nehmen sich, siehe Bild, gerade eine kleine Auszeit, aber das flüssige Ei in der Brühe ist der Hammer.

Wer es etwas dickflüssiger mag, gibt nun
1,5 TL Stärke in die Brühe und kocht die Flüssigkeit auf, bis sie eindickt. Wer nicht, lässt sie einfach weg, dann wird das Gericht eher eine Suppe.

225 g Eiernudeln, notfalls in mundgerechte Mengen zerbrochen, in die Brühe geben und für wenige Minuten simmern lassen, bis die Nudeln gar sind.

Die Nudeln nun auf vier Schalen verteilen und mit einem guten Schwung Sauce übergießen. Jeweils ein Ei dazugeben sowie Wurst und Gemüse. Als zusätzliche Toppings
4 TL chinesischen Schnittlauch (bei mir eine Frühlingszwiebel),
eine kleine Handvoll Schweinespeck, entweder als grob zerbröselten Snack oder angebratener frischer,
4 hartgekochte Wachteleier (hab ich weggelassen),
eine kleine rote Zwiebel, fein gewürfelt, sowie die Knoblauchchips und einen Schluck des dadurch gewonnenen Öls.

Wenn die Hälfte von allem verputzt ist, den Rest der Brühe in die Schalen geben, „for a second meal“, wie das Buch es so schön beschreibt. Wie oben erwähnt: Es ist comfort food, fühlt sich aber trotzdem total gesund an, weil ordentlich Gemüse dabei ist. Generell ist mir die philippinische Küche deutlich zu fleischlastig, aber das hier war gestern am gefühlt ersten Herbsttag mit seiner Wärme und einem gewissen Fettgehalt genau das Richtige.

Was schön war, KW 39 – Pansit Cabagan, Avocado-Kresse-Brot und fünf Bier in Gesellschaft

F. brachte mir einen Gutschein für ein Kaffeepaket mit, der in einem seiner bestellten Pakete gewesen war, ich erinnere mich nicht an seinen Paketinhalt. Ich hatte zwar gerade einen Tag vorher frische Espressobohnen beim Café um die Ecke erstanden, aber bei meinem derzeitigen Konsum würde das vermutlich knappe zwei Wochen halten. Daher griff ich zum Gutschein, orderte für 30 Euro und bekam 10 geschenkt.

Ich suchte nach schokoladigem Aroma, weil damit nie was schiefgehen kann, und bestellte gnadenlos aus norddeutschen Röstereien, weil ich gerade ein bisschen Heimweh habe. Momentan ist dieser Espresso aus einer Rösterei aus Hamburg in der Tasse, und ich finde ihn ganz großartig.

Im Kaffeepaket lagen übrigens auch wieder Beileger, natürlich. Falls jemand einen 200-Euro-Gutschein für Luxusuhren brauchen kann? Ihr müsst auch nur für 6000 Euro einkaufen.

(Spaß. Ist schon im Altpapier.)

Ich hatte Brokkoli und Radicchio in der letzten Biokiste, woraus mal wieder der gute alte One-Pot wurde, nur halt mir Radicchio statt Rauke. (Und Zitrone und Chili und Knoblauch und Basilikum und Petersilie und Ottolenghi halt.) Ebenfalls sehr gut.

Das Mütterchen hat neuerdings Internet. Damit einher ging ein neuer Telefonvertrag, der ihr ein bisschen Kummer macht, denn nun funktionieren ihre ganzen Billo-Call-by-Call-Vorwahlnummern nicht mehr, mit denen sie sich vermutlich das neueste Auto zusammengespart hat. Neulich seufzte sie sehr dramatisch, dass es jetzt wirklich, also wirklich teuer ist, mich auf dem Handy anzurufen. Ich seufzte ebenfalls, erinnerte mich an meine drei Festnetznummern, die ich beim Internetvertrag 2012 hier in München mitbekommen, aber nie benutzt hatte, und bestellte ein Festnetztelefon bei Tante Telekom. Mein erstes Festnetztelefon seit ungefähr 20 Jahren. Bei dem ging ich davon aus, dass es sich vermutlich am problemlosesten an den Telekom-Router anschließen lässt.

Keine Bange, jetzt kommt keine fiese Techniktagebuchgeschichte, ganz im Gegenteil. Telefon ausgepackt, kurz an-, nicht aufgeladen, halt so, dass es lebt, auf eine Taste am Router gedrückt, auf eine am Telefon, fertig. Dann lud ich das Ding richtig auf, und dann rief ich damit mein eigenes Handy an, damit ich sehen konnte, welche Nummer ich überhaupt habe. Die gab ich ans Mütterchen weiter, das sich sehr freute. „Ach, [Schwager] meinte, ich müsste nur meinen Vertrag ändern und irgendwie zwei Euro mehr im Monat zahlen, dann hätte ich auch mehr Handyfreiminuten gehabt.“

Okay. Das hätte ich vorher wissen müssen, aber wenn man dem Mütterchen die Arbeit eines Vertragwechsels für 30 Euro ersparen kann – so teuer war das Telefon –, dann macht man das halt.

Über diese Reply zum betreffenden Tweet lache ich immer noch.

Weiter das Korrekturexemplar der Diss korrekturgelesen, Korrekturen abgenickt, so gut wie keine verworfen, aber dummerweise noch dutzende Fehler gefunden, herrgottnochmal. Das jetzige Word-Dok wurde vom Verlag schon mit lustigen Formatierungen hinterlegt – Bildtitel sind nicht nur kursiv, sondern violett, was irgendwas bedeutet, Zwischenüberschriften braun (sehr passend) usw. An denen sollte ich bitte, BITTE nichts ändern, wie mir die Projektleiterin per Mail mitteilte, sondern lieber Kommentare setzen. Das habe ich auch nur zweimal vergessen und immerhin einen Entschuldigungskommentar angebracht.

Blöderweise sind dem Verlag dabei einige Fehler unterlaufen: Einige Bildtitel sind plötzlich nicht mehr kursiv, wie von mir angelegt, oder bei bibliografischen Angaben ist zu viel oder zu wenig kursiv – Erscheinungsort bitte nicht, Ausstellungsort in Katalogtiteln schon. Deswegen guckte ich bei diesem Korrekturgang eher auf solche Dinge und las alle Fußnoten nochmal akribisch. Immer wenn mir ein Fehler auffiel, guckte ich gleichzeitig im eigenen PDF nach, das ich Ende Juli als finalfinal abgegeben hatte, um zu schauen, ob der Fehler bei mir schon drin war.

Immerhin konnte ich so befriedigt feststellen, dass die Formatierungsfehler zum allergrößten Teil vom Verlag stammen. Die anderen blöderweise alle von mir. Die schleppe ich teilweise seit 80 Fassungen mit mir rum und jetzt sehe ich es schwarz auf weiß auf lila auf braun. Hmpf.

Warum nicht, du blöde Biene?

Das philippinische Rezept dieser Woche war Pansit Cabagan, was laut meines Kochbuchs eher eine Suppe ist und kein Nudelgericht wie hier im Link. War mir egal, ich hatte keine Wachteleier und keine portugiesische Wurst, die eigentlich reinsollte, aber dafür noch ein Restchen Schweinebauch vom Pancit Malabon. Das war ganz hervorragend und wird noch verbloggt.

Der weiße Blob sollte ein pochiertes Ei werden. Wurde es aber nicht. Schmeckte trotzdem.

Eine kleine Freude: Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin fragte, ob sie zwei Blogeinträge von mir für ihr nächstes Seminar über die Geschichte der Einbauküche verwenden könne: einmal den zur Frankfurter Küche – und als Bonus einen, in dem ich beschrieb, was mir von Dozentinnenseite zu Beginn des Studiums als Ersti oder Zweiti geholfen hatte.

Ich gab natürlich mein Okay und vorfreue mich auf den Reader zum Seminar als Goodie.

Und gleich noch eine Freude: Das Vollmilchmädchen geht auch wieder an die Uni und bescheinigt mir, daran eine gewisse Teilschuld zu haben. Bei allem Gemeckere über das böse Internet und die nervenden sozialen Medien – sowas macht alles wieder wett.

Apropos soziale Medien: Ich teilte das White-Woman’s-Instagram-Video. Wegen all der vielen korrekt benannten Klischees im Video konnte ich am selben Abend leider kein Walnussbrot mit Avocado und Kresse posten, obwohl es irre lecker war. Bis aufs Brot waren die Zutaten Biokisten-Inhalt. Das war eine ganz hervorragende Idee mit der Kiste.

Und dann war ich am Donnerstag erstmals seit anderthalb Jahren außerhalb des Familienkreises mal wieder mit mehreren Menschen in einem eher dichter gedrängten Innenraum als in der Sternegastro. Das ganze nennt sich „Kneipe“ und ist ein tolles Konzept. Ich besuchte einen sogenannnten „Fußballstammtisch“, wobei wir eher über Influencen, NS-Kunst, Prag und komische Nachbarn sprachen. Okay, irgendwann über Claudio Pizarro, aber darüber breiten wir den Mantel des Schweigens.

Ich war schon länger nicht mehr bei einem #tpmuc, aber als ich nach München zog, war das meine erste größere „Clique“, hier keine ironischen Anführungszeichen wie eben. Und jetzt war es quasi der Neueinstieg in die Münchner Halbwegs-Normalität. Fuppes und Bier. Kann man machen. Sehr gerne sogar.

Gestern trafen F. und ich auch nach ewig langer Zeit unseren dritten Podcastmitstreiter mit Gattin und Nachwuchs wieder. Ich hatte nachmittags die tolle Idee gehabt, einem Tweet von NYT Cooking zu folgen und supersimple Butterkekse zu backen, von denen ich leider nicht nur drei probierte, sondern … äh … ja, mehr halt. Deswegen fühlte ich mich abends wie ein einziger Butterkloß und anstatt die U-Bahn oder das Rad zu nehmen, ging ich die gut vier Kilometer zum Treffpunkt zu Fuß. Danach fühlte ich mich wie ein Schweißhandtuch, weil ich natürlich vergessen hatte, dass mich Gehen von allen Bewegungsarten wegen des Matschfüßchens am meisten anstrengt. Und angeblich waren das nicht mal 10.000 Schritte, aber das iPhone lügt doch, das Mistding.

Ich entschuldigte mich übermäßig für die Geruchsbelästigung, ich hatte das wirklich nicht gut durchdacht, aber wir hatten einen ebenfalls netten Abend und sehr gute Burger.

Gefühlt irre viel gemacht in dieser Woche, obwohl es eigentlich nur Arbeit, Kochen und Freizeit war. Fühlt sich aber nach viel mehr an, weil es mit menschlichen Kontakten verbunden war, die ich sehr lange nicht hatte. Gerne wieder.

Was schön war, KW 38 – Viel geschrieben, viel gekocht, viel gefreut

Der Verlag schickte mein Textdok zurück, über das seit Ende Juli ein Korrektor gegangen war. Die Anmerkungen sind bezogen auf die Länge des Textbrockens im My-Bereich, wie es so schön heißt. Meine 80 Korrekturschleifen hatten also Erfolg. Trotzdem stellte ich Flüchtigkeitsfehler fest, die schon in der allerersten Textfassung drin gewesen waren und die ich anscheinend auch beim achtzigsten Lesen nicht gesehen hatte.

Da ich meiner Uralt-Word-Version nicht traute, spazierte ich Dienstagabend zu F., dessen Rechner plus Word deutlich neuer ist. Ich scrollte auf zwei Bildschirmen durch meine Diss und verglich: Das sah alles gleich aus. So spazierte ich beruhigt wieder nach Hause, nahm dutzende von Anmerkungen an – und machte selbst noch ein paar Dutzend neue (irgendwas ist ja immer). Dabei merkte ich: Ich kann meinen eigenen Text so langsam wirklich nicht mehr sehen, ich habe ihn jetzt wirklich, wirklich oft genug gelesen. Aber einmal muss ich noch, nämlich in der Druckfassung, also mit schickem Layout. Ich bin gespannt.

Ausgelesen: The Mothers von Brit Bennett. Gefiel mir sogar noch besser als ihr zweiter Roman, der im letzten Jahr überall rumgereicht wurde und den ich vor wenigen Monaten gelesen hatte. Ich verweise auf die Rezensionen im Perlentaucher zu beiden Werken in der deutschen Übersetzung, hier Die Mütter, hier Die verschwindende Hälfte.

Die junge Dame mit der Gitarre neben mir scheint ausgezogen zu sein. Ich hatte sie schon monatelang nicht mehr gehört, genau wie den klavierspielenden Studi schräg über mir. Irgendwann hing ein Zettel im Hausflur, dass Wohnungen, die gerade nicht genutzt werden, doch bitte der Verwaltung gemeldet werden sollten, damit die Bescheid weiß. Ich ahne, dass zu Hochzeiten der Pandemie einige wieder zu ihren Eltern gezogen sind – und vielleicht auch nicht wiederkommen. Jedenfalls ist seit ein paar Tagen ein neuer Name an Klingel und Wohnungstür.

Die Familie unter mir, deren eines Kind vor Monaten mit Horn angefangen hat, ist auch ausgezogen. Ich hätte gerne mal eine Harfenistin oder sowas. Ist mir erst beim Aufschreiben aufgefallen, wie musikalisch dieses Haus ist. Oder war.

Am Donnerstag gab es Miso-Spaghetti bei mir. Auf Insta wurde auf die Online-Fassung des Rezepts hingewiesen; ich hatte es aus dem Japan-Kochbuch von Stevan Paul. Schlotzigste Sauce ever, passt zu allem.

Zwei Säcke Altkleidung weggebracht. Dabei nutzte ich lieber nochmal die Website der AWM, um nach Standorten von Containern zu gucken. Ich wusste, dass einer immer vor dem Karstadt am Nordbad gestanden hatte, das war der von mir nächste. Aber nicht nur der Karstadt wurde letztes Jahr geschlossen, sondern gleich das ganze Gebäude abgerissen. Ich ahnte, dass vor der eingezäunten Baustelle, an der der Radweg schmal vorbeigeführt wird, vermutlich kein Container mehr stehen würde.

Aber auch der zweite mir bekannte Container, in den ich schon mal etwas geworfen hatte, wurde auf der Website nicht mehr angezeigt. Der nun zu mir nächste war mir völlig unbekannt, obwohl ich auf dem Rückweg vom ZI eigentlich dauernd an ihm vorbeikommen müsste. Todesmutig die zwei Säcke in den Gepäckträger gestopft, wackelig zur angebenen Adresse geradelt – und tatsächlich. Ich Blindfisch hatte diese Container-Insel nie wahrgenommen, vermutlich weil ich sie noch nie benutzt hatte.

Am Freitag kam meine erste Biokiste an die Wohnungstür. Ich hatte mich ewig gegen Kisten gesträubt, weil ich aus alten Diät-Zeiten die Idee eines festen Speiseplans ganz fürchterlich fand. Und so eine Kiste zwingt mich ja dazu, schlimme Dinge zu essen. Also Bio-Äpfel. Oder Karotten. Oder Brokkoli. Alles grauenhaft, esse ich ja nie. … Als mir auffiel, dass ich in der Biokiste genau das kriegen würde, was ich eh seit Jahren gerne und dauernd esse und über dessen Edeka-Qualität ich seit Jahren meckere, klickte ich auf die Isarland-Website, denn für die wirbt Tohru Nakamura und der Mann kann mir alles verkaufen. Jetzt also auch Biokisten.

Man kann die Kiste natürlich anpassen, aber ich nahm mal das, was Isarland mir vorschlug; anscheinend sind vorgegebene Zutaten inzwischen in meinem Kopf eine Herausforderung und kein Zwang mehr. Das war schön, das zu merken. Daher hatte ich Freitag zwei Süßkartoffeln, die ich das letzte Mal vor ungefähr zehn Jahren verarbeitet hatte. Ich ergoogelte mir tolle Rezepte, dachte über Waffeln, Rösti und wilde Pfannen nach, aber es wurden dann die geistig naheliegenden Ofenpommes, weil Pommes immer gehen. Und weil ich am Tag zuvor im Asialaden endlich Gochujang entdeckt hatte, das ich auch schon länger probieren wollte. Daher: Süßkartoffelpommes mit Gochujang-Mayonnaise (aka einen Klecks Kewpie mit einem Klecks Chilipaste). Dazu Deko-Kresse, die auch in der Kiste war, weil der Teller sonst arg monochromatisch geworden wäre.

Nach einer arbeitsreichen Woche war gestern stundenlanges Entspannungskochen angesagt, als Kontrast zum fixen Feierabendkochen. F. hatte sich ein Gericht gewünscht, an das er Kindheitserinnerungen hat: Pansit Malabon. Pansits sind in der philippinischen Küche Nudelgerichte mit chinesischem Hintergrund. Generell ist die philippinische Küche eine mit vielen Einflüssen: spanische und US-amerikanische wegen der Kolonialgeschichte sowie natürlich die Küchen der Nachbarländer. „Pansit“ bedeutet schlicht „Nudel“ (in Tagalog, glaube ich). Der Begriff, der nach dem Wort Pansit kommt, definiert das Gericht genauer.

In meinem philippinischen Kochbuch steht als erstes Pansit Palabok, wobei Palabok die Sauce aus Garnelenschalen, Annatto-Samen und Stärke meint. Genau diese Sauce brauchte ich auch für Pansit Malabon, das seinen Namen von einem Stadtteil Manilas hat, der in der Nähe des Meers liegt. Deswegen spielen hier Zutaten wie Meeresfrüchte die Hauptrolle. Anders gesagt: Zutaten, mit denen ich nie koche.

Aber: Challenge accepted! Ich radelte morgens zum Frischeparadies, das ich aus Hamburg kannte bzw. dessen irre Auswahl an Meeresfrüchten und Frischfisch. Die Theke in München war deutlich überschaubarer, aber ich ahne, dass das eventuell daran liegen könnte, dass sie nicht in einer Hafenstadt steht. Ich entschied mich für Crevetten statt Riesengarnelen (die waren arg riesig) sowie einen Kalmar, den ich zu Ringen verarbeiten wollte. Auf weitere lustige Dinge wie Austern und Muscheln verzichtete ich dankend. Mein Rezept war dieses hier – ich hatte schlicht gegoogelt und mir auf YouTube die Arbeitsschritte angeschaut und mich dann für eins der vielen Rezepte für diesen philippinischen Klassiker entschieden, die da draußen so rumliegen.

Auch wie man Garnelen aus der Schale bekommen und den Kalmar von seinen Tentakeln befreit, konnte mir YouTube beibringen. Vielen Dank, Internet! Aus den Schalen und den Köpfen der Crevetten kochte ich mit Shrimp Paste aus dem Asialaden, Lorbeerblättern, Annatto-Samen, Pfefferkörnern, Zitronensaft, Fischsauce, Knoblauch und Zwiebeln eine herrliche Suppe, aus der ich abends mithilfe einer Mehlschwitze eine dicke Sauce machte. Das Online-Rezept wollte Stärke, das Palabok-Rezept Mehlschwitze, was es dann wurde, denn gegen Butter ist nie etwas einzuwenden.

Ansonsten briet ich Schweinebauch knusprig, schnitt Frühlingszwiebeln klein, kochte Eier hart, blanchierte Chinakohl, viertelte Zitronen, zermalmte Schweinespeck in Snackform (auch schon ewig nicht mehr gegessen, gab’s als dänische Packung im Asialaden), kochte chinesische Nudeln, briet zum Schluss Kalmarringe und Crevetten in Knoblauch und Öl an und bastelte schließlich eine Platte für zwei.

Nur um nach fünf Bissen zu merken, dass Meeresfrüchte und ich wirklich keine Freunde sind. Mir blutete das Herz, aber ich kann nach eben diesen fünf Bissen nicht mehr weiteressen. Ich hadere mit der Konsistenz von Meeresfrüchten und der Geschmack ist für mich immer ganz kurz vor eklig. Ich weiß nicht, ob man sich an die Viecher ranessen kann wie man sich an stinkenden Käse und scharfe Gerichte ranessen kann, aber ich werde das versuchen. Ich hatte nämlich sehr viel Spaß an der Zubereitung und konnte mich darüber freuen, neue Küchentechniken zu lernen. Davon habe ich aber wenig, wenn ich das fertige Gericht dann nicht mag. Seufz.

Aber F. hat sich gefreut und es hat ihm geschmeckt. Ich gebe Crevetten noch eine Chance mit noch mehr Knoblauch und Olivenöl, viel Petersilie und Zitrone drüber und Weißbrot dazu. Vielleicht mag ich hier schlicht die Mittelmeerart lieber und kann die Konsistenz ignorieren. Ich ahne zwar, dass dem nicht so sein wird, aber so ganz habe ich noch nicht aufgegeben.

Was schön war, KW 37 – Biergarten, Feedback, Stadion

Im letzten Wochenrückblick noch gemeckert, dass ich in diesem Jahr noch in keinem einzigen Biergarten gewesen war – und am Tag der Veröffentlichtung dann in einen Biergarten geradelt. Natürlich mit Taschenbuch als Wespenschutz, falls die Bierdeckel mal aus sind.

Endlich die dritte Staffel von „Master of None“ geguckt und sehr gemocht. Fokus auf Frauen, hier Schwarze Frauen. Gefiel sehr, bis auf wenige, eeeewig lang ausgedehnte Einstellungen, weil’s halt artsyfartsy sein sollte, glaube ich.

Ich erwähnte meinen neuen Kleiderschrank, der, ja, schon gut, vom schwedischen Möbelhaus geliefert wurde. Genauer gesagt, kamen sechs Pakete per Spedition bei mir an. Ich hatte mir vorher bräsigerweise nicht auf der Website durchgelesen, wieviele Pakete es hätten sein müssen; erst beim Zusammenbauen merkten F. und ich, dass da wohl zwei Pakete zuviel angekommen waren.

Ich notierte mir den Produktnamen und mailte der Spedition, dass hier was rumstände, was wieder abgeholt werden könnte. Dann versuchte ich auf der Ikea-Website, auf diversen Pfaden zu irgendeinem Formular zu kommen, mit dem ich mein Begehr loswerden konnte. Ich fand schlussendlich zwei, bei denen ich auch brav alles eintippte, was ging – nur um dann zweimal ins Nirvana geschickt zu werden, einmal per 404 und einmal per „You don’t have permission to“ irgendwas.

Die Spedition meldete sich immerhin nach vier Tagen telefonisch und war offensichtlich hoch erfreut, dass jemand freiwillig wieder was hergibt, nach dem sie vermutlich schon suchten. Zwei Tage später waren die zuviel gelieferten Schranktüren wieder aus meinem Flur verschwunden. Ich musste bei dem Ganzen an meinen Vater denken, der mal aus Gründen eine Ikea-Küche bestellt hatte und danach mit allen Hotlines wahnsinnig wurde, weil irgendwas fehlte. Er stammt halt noch aus einer Generation, in der man zum Schreiner Müller am Ort geht, der fräst dann eine Küche, baut sie ein, und wenn was fehlt, fragt man bei Herrn Müller nach, der kommt dann rum oder schickt seinen Lehrling. Die Idee, mit einem globalen Konzern und Call Centern zu reden, damit irgendwer einen fehlenden Regalboden von irgendwoher nach Hannover schickt, hat ihn nachhaltig an der Moderne zweifeln lassen.

Ich hätte auch gerne einen bezahlbaren Herrn Müller, der mir einen Kleiderschrank macht, aber das macht Herr Müller halt nicht für das wenige Geld, was jetzt Ikea von mir bekommen hat. Ich erinnere mich aber gerne an die maßgeschneiderten Schränke, die ich in unser Hamburger Bad hatte einbauen lassen. Die waren ungefähr zehnmal teurer als das, was der Schwede von mir hätte haben wollen, und genau das wollte ich jetzt für einen Kleiderkasten nicht ausgeben. (Die waren aber auch zehnmal schöner. Seufz.)

Ich habe den Wagner-Brocken niedergerungen. Irgendwann verging mehr leider etwas die Lust, das zwanzigste Buch als Inhaltsangabe zu lesen, nur weil irgendwo eine Wagner-Thematik vorkam. Auch die für mich persönlich interessantesten Auswirkungen Wagners in anderen Kunstformen – nämlich der Bildkunst – kam mir leider deutlich zu kurz. Aber dafür kann der Autor ja nichts, dass ich mich mehr für Anselm Kiefer interessiere und weniger für Willa Cather, von der ich immer noch nicht weiß, warum sie so irre viel Platz im Buch bekommen hat.

Was ich allerdings überraschend fand, war die Zuneigung des homosexuellen Publikums zum Komponisten. Mir ist in den eigenen Opernbesuchen der letzten 35 Jahre durchaus aufgefallen, dass sich bei Wagner recht viele männliche Paare im Zuschauerraum aufhalten, aber dass das von Anfang an so war, war mir neu. „Über die Symbolik in Parsifal, die Speere, Wunden und Körperflüssigkeiten, haben Generationen von schwulen Opernbesuchern gekichert.“ (S. 347) Dass Wagners Förderer Ludwig II. homosexuell war, dürfte inzwischen auch in den letzten bayerischen Fankreisen nicht mehr wegdiskutiert werden, und die Homosexualität Siegfried Wagners war ein offenes Geheimnis. (Das wusste ich immerhin.)

„Wagner wurde Teil des Curriculums für schwulen Geschmack. Als Magnus Hirschfeld seine ersten Untersuchungen zu schwuler Identität und schwulem Verhalten veröffentlichte, zitierte er Krafft-Ebings Fallstudie […] In Hirschfelds Buch Die Homosexualität des Mannes und des Weibes von 1914 beschreibt er Bayreuth als ‚ein[en] sehr beliebte[n] Sammelplatz von Uraniern aus aller Herren Länder.‘ Hirschfeld war 1911 bei den Festspielen und könnte dieses Treiben selbst beobachtet haben.“ (S. 351)

Esse derzeit wieder sehr viel Zeug mit Tsaziki nebenan, also Jogurt, in den ich Gurke und Knoblauch reibe. Hier ist es Brokkoli im Kichererbsenteig. Schnelles Essen für den Feierabend.

Der Verlag meldete sich und kündigte das Word-Dok an, das ich Ende Juli eingereicht hatte und über das nun ein Korrektor (kein Lektor) rübergegangen war. Mein Kontakt beim Verlag ließ ausrichten, dass der Herr meine Arbeit sehr gerne gelesen hätte, ungefährer O-Ton: wissenschaftlich, aber sehr gut lesbar. Das hat mich außerordentlich gefreut.

Nun bin ich sehr gespannt darauf, wie das Dok bei mir ankommt – und wie ich damit weiterarbeite. Bei meiner derzeitigen Agenturbuchung merkte ich nämlich erstmals, dass mein Office-Paket von 2008 langsam in die Knie geht. Ich erwarb es legal zum Start der Selbständigkeit und machte auch brav alle Updates, aber ich weiß gar nicht, seit wann keine mehr kamen. 2018 dachte ich über einen neuen Rechner mit neuer Software nach (mein geliebtes Macbook Air ist von 2012), aber da saß ich schon an der Diss und wir wissen ja alle: Never touch a running system. Und so ruckelt meine alte Software weiter unter der alten Haube, bis die Diss als Buch im Regal stehen wird, und DANN gibt’s einen neuen Rechner (weil ihr alle mein gut lesbares Buch kauft und ich reich werde).

Ich merkte in der letzten Woche, dass ich einige Kundendokumente nicht vernünftig öffnen konnte bzw. nicht alles lesbar war, was in ihnen steht. Mit LibreOffice kann ich sie lesen und schicke dann meine Uralt-Excel-Doks wieder zurück, das geht. Aber ob mein Uralt-Word jetzt alle Korrekturen lesen kann? Ich werde 17 Sicherungskopien vom Verlagsdokument machen, eine mit LibreOffice öffnen, eine andere auf F.s recht neuem Rechner und eine normal auf meinem und dann wild vergleichen. Nicht dass mir noch langweilig wird.

Eine kleine innere Kettenreaktion ausgelöst. Also.

Seit vergangenem Samstag brummt Robotron II hier durch die Gegend, hält meine Wohnung sauber und macht mich sehr glücklich. Meistens jedenfalls. Montag nacht um 2.30 Uhr eher weniger, denn da meinte er, zweimal laut eine Tonfolge von sich geben zu müssen. Könnte mir egal sein, aber seine Home Base steht im Arbeitszimmer neben meinem Schlafzimmer, und die Tür ist offen und ich war dementsprechend um 2.30 Uhr wach. Ich machte Licht, schaute nach, ob’s ihm gut geht, löschte das Licht wieder und versuchte einzuschlafen. Klappte eher so mittel, vor allem, als der Herr um 3.30 Uhr dann nochmal sein Liedchen pfeifen musste. Dieses Mal schleppte ich ihn in die Küche, schloss die Tür und las ein Stündchen, weil ich eh nicht schlafen konnte. Der Dienstag war dann auch eher zäh, aber ich verzieh dem Kleinen sein Gequengel wieder.

Trotzdem trug ich Robbi die nächsten Nächte auch wieder in die Küche. Ohne Home-Base, denn meine Küche ist gefühlt mit zu viel Zeug und zu vielen Möbeln zugestellt, um auch noch seine Basis unterzubringen. Da mich aber das Hin- und Hertragen nervte, stellte ich Donnerstag kurzerhand die halbe Küche um, räumte Geschirr in andere Zimmer, warf launig Zeug weg, überlege außerdem, ein Regal umzustreichen, und der Piepskopf wohnt jetzt weit genug von meinem Bett entfernt unter dem Küchentisch.

Was das Geräusch mitten in der Nacht zu bedeuten hatte, habe ich übrigens immer noch nicht rausgefunden. Weder die Bedienungsanleitung noch die App noch das Interweb konnten mir helfen. Was habe ich mir da bloß ins Haus geholt?

Und dann war gestern endlich mal wieder Stadion angesagt, nach anderthalb Jahren Pause. Leider nicht in Augsburg, sondern in einem kleinen Stadion hier in der Stadt.

F. und ich trafen Frau Neubauer und Herrn Ost und nahmen recht ungewohnte Plätze ein, nämlich in der Nordkurve direkt hinter dem Tor. Momentan dürfen ein Drittel der normalen Zuschauerzahlen ins Stadion, das sind hier in München immer noch 25.000. Zunächst bekommen, soweit ich weiß, die Dauerkartenbesitzer:innen eine Zuteilung, wenn sie nach Karten fragen, dann Mitglieder – oder umkehrt –, erst dann der Rest. Läuft in Augsburg ähnlich. Dabei kann man aber nur nach Preiskategorie anfragen, nicht nach bestimmten Plätzen. Heißt: Auch die Dauerkarteninhaber:innen sitzen nicht da, wo sie üblicherweise sitzen, denn zwischen den Leuten muss schließlich Platz gelassen werden. In der Arena schienen im Oberrang nur hinter den Toren Karten vergeben worden zu sein, ansonsten saßen alle 25.000 im Mittel- und Unterrang. Auch die Auswärtsfankurve war gut besetzt, im Gegensatz zur heimischen Südkurve, dort wird nicht supportet, bis wieder alle rein- und stehen dürfen. Daher war es äußerst ruhig im Stadion.

Was sonst noch war: 3G. Man musste beim Einlass vor dem Abtasten das Impfzertifikat oder ähnliches vorzeigen und dann beim Drehkreuz, wo man sein Ticket scannt, nun auch noch den digitalen Impfnachweis scannen. Erst dann sprang das Licht auf grün und man konnte durchgehen. Das wurde auch auf der Website des FC Bayern deutlich kommuniziert: Wer keinen digitalen Nachweis hat, muss sich vor dem Spiel einen besorgen. Dafür wurden anscheinend die Ticketboxen vor den Einlässen umgebaut: Nun konnte man sich dort gegen Vorlage z. B. des Impfpasses oder eines Testergebnisses einen QR-Code ausstellen lassen, damit man durch die Drehkreuze kam. Die Schlangen an den Boxen übertrafen die vor den Einlässen um Längen, und ich meine, LÄNGEN. Auch ein paar Testmöglichkeiten waren da, die anscheinend auch genutzt wurden, was mich wieder etwas nervöser werden ließ, weil ich natürlich dachte, es sind alle geimpft und wenn nicht, geht man nicht in Stadien, aber mei. Natürlich nicht.

Der Einlass selbst war dann ein Klacks im Unterschied zu sonst, wo man gefühlt 15 Minuten in einer dichten Menschentraube steht, bis man endlich reinkommt, weil halt sehr viele Menschen reinwollen. Nun waren Abstandsmarkierungen auf dem Boden, es trugen auch alle brav Maske, wenn auch nicht alle FFP2. Erst am Platz durfte man die Maske abnehmen. Ich hatte in der U-Bahn schon gemerkt, dass fast alle Bochumer nur die medizinischen Masken tragen, vermutlich weil man nur noch die in Nordrhein-Westfalen tragen muss, auch in den Öffis. Das war mir auch in Niedersachsen aufgefallen, dass ich mit FFP2 total overdressed war. Aber hier in Bayern gilt halt FFP2, (Seit dem 2. September reicht auch bei uns die OP-Maske, danke, @el_loko74), wobei ich keinen einzigen Ordner mitbekommen habe, der die Maskenpflicht durchsetzen wollte. Es waren eh deutlich weniger als sonst unterwegs.

Ich wollte gerne gegen Bochum ins Stadion, weil der FCB und Bochum eine Fanfreundschaft pflegen. Das heißt, wir sind uns alle grün und man muss keinen Stress erwarten, wenn man mit Fanschal durch die Gegend läuft. Normalerweise trage ich den nicht mehr, weil ich mich nicht mehr als Bayern-Fan sehe, aber ich kleide mich seit einiger Zeit fast ausschließlich in blau, die Farbe von Bochum, und wollte dann doch klarmachen, für wen ich die Däumchen drücke. Darüber ärgerte ich mich schon in der U-Bahn, weil gestern allen Ernstes nicht nur das FCB-Heimspiel, sondern auch das von 1860 München stattfand, und die beiden Vereine bzw. einige ihrer Fans sind sich alles andere als grün. Ich bekam von einigen Trikotträgern böse Blicke ab, aber immerhin kam mir niemand zu nahe wie vor ewigen Zeiten mal am Hauptbahnhof, als wir in Augsburg-Kutten wiederkamen und ein Sechziger mir meinen Schal abnehmen wollte; die mögen Augsburg nämlich auch nicht. So war ich nach wochenlanger Vorfreude schon auf dem Weg zum Stadion eher genervt von allem.

Aber das legte sich, als ich im Stadion war. Ich war selbst davon überrascht, wie gut auf einmal die Laune wieder war, obwohl das nicht mehr meine Mannschaft ist, wie ich während des Spiels sehr deutlich merkte. Trotzdem: Im Rudel irgendwo rumhocken, Spielern beim Aufwärmen zuschauen, die Vorfreude, gestern war dazu auch noch perfektes Wiesnwetter, wie es sich gehört, und man hatte durch die eingeschränkten Zuschauerzahlen sogar mal Platz am Platz. Keine Füße von hinten im Kreuz, auch keine Raucher:innen um uns herum, aber dafür zwei gut gelaunte Bochum-Fans zwei Reihen hinter uns. Die Reihe dazwischen war nicht leer, aber wir saßen alle schachbrettmustermäßig versetzt, und Frau Neubauer und ich verbrüderten uns kurz mit den Herren, wünschten allesamt ein schönes Spiel, was man halt so macht. Ich brüllte Spielernamen bei der Aufstellung in den Himmel, das hatte ich auch schon lange nicht mehr gemacht, alles herrlich.

Auch die Bochumer hinter uns hatten zunächst Spaß, sprachen nach 30 Sekunden von „100 Prozent Ballbesitz“ für Bochum, „läuft doch“, sangen alles mit, was aus der Kurve kam und hatten gute Laune, auch wenn sie schon vor dem Spiel meinten, dass sie hier hoch verlieren würden. (Was sie auch taten.) Ich weiß nicht mehr, in welcher Spielsituation es war, aber einer der beiden regte sich über eine Schiri-Entscheidung auf und meinte: „Wieder so’n schwuler DFB-Schiedsrichter“, woraufhin Max und ich uns umdrehten und deutlich hörbar ein unwilliges „HEY!“ an ihn richteten. Max machte es deutlicher: „Schwul ist kein Schimpfwort.“ Von hinten kam ein „Lass mich in Ruhe“ oder ähnlich zurück, wir guckten weiter Fußball, aber der Herr war jetzt angenervt. Über den Rest der Halbzeit hörte man ständig Dinge wie „Man darf ja nichts mehr sagen“, „Man muss doch Emotionen im Stadion rauslassen können“, „Die sollen sich nicht so anstellen“ uswusf. Woraufhin Max und ich, auch wieder ohne uns irgendwie abgesprochen zu haben, uns mit dem Halbzeitpausenpfiff nach hinten umdrehten und erneut das Gespräch suchten, denn anscheinend gab es ja Gesprächsbedarf.

Ich kürze das mal ab: Er meint das nicht so, er hat einen schwulen Kollegen, wenn sein Sohn schwul sei, wär das total in Ordnung, soll bitte jeder jeden lieben, wie er mag, aber das hier ist Fußball, da geht’s um Emotionen und wir dürften das nicht so eng sehen, wie kennen ihn ja gar nicht, jeder, der ihn kennt, weiß, dass er nichts gegen Schwule hat. Meine Gegenargumente halfen nicht viel: Wenn du einen schwulen Kollegen hast, wie kannst du das dann als Schimpfwort nehmen? Nimm eins von den 8000 anderen Adjektiven, die wir haben. Und ja, wir kennen dich nicht, aber genau das ist das Problem, das hier ist öffentlicher Raum und da hören eben nicht nur deine Kumpels, dass du schwul als Schimpfwort nimmst, was du vielleicht gar nicht so meinst. (Warum sagst du es dann?)

Wir trennten uns im Bewusstsein, uns nicht wirklich überzeugen zu können, sprachen dann noch kurz über Fußball, so war dann anscheinend wieder alles in Ordnung, jedenfalls kam in der zweiten Halbzeit nichts mehr von hinten, aber bei einem 0:4-Rückstand zur Pause war da auch nicht mehr viel. Die beiden gingen nach dem 0:7, weswegen wir uns nicht mehr verabschiedet haben.

Max und ich sprachen nach dem Spiel noch kurz über die Situation. Auch wenn wir bei den beiden (oder dem Schreihals) vielleicht nichts ausrichten konnten, so hofften wir beide, dass die Umsitzenden etwas mitgenommen hätten. Auch auf die Kinder und die Vorbildfunktion kamen wir nämlich mit den beiden zu sprechen. Zwischen uns in der Reihe saß auch gerade die klassische Kleinfamilie, Mama, Papa, zwei Kinder, die sich alles interessiert anhörten. Wie überhaupt viele uns interessiert zuhörten, aber niemand was sagte, was auch okay war. Die Diskussion verlief für ein Fußballstadion in durchaus zivilisiertem Rahmen, was mich freute, weil ich halt doch ein Schisser bin, siehe oben, wo ich vor den 60ern lieber wegging und den Waggon wechselte. Das „Hey“ war auch eine Impulsreaktion, ich dachte da gar nicht drüber nach, aber ich war froh, dass Max sich auch geäußert hatte.

Ansonsten war ich nach 20 Minuten geistig schon wieder beim Bier zuhause, weil das eben nicht mehr meine Mannschaft ist. Ja, toller Fußball, ja, tolle Spieler, aber ein 7:0 ist halt endslangweilig. Ich weiß, Jammern auf fast unverschämtem Niveau, aber Augsburg siegte gestern gegen Gladbach mit einem lausigen 1:0 in der 80., und wir wären dort so dermaßen eskaliert, während man hier halt rumsaß und das 6:0 nur noch höflich, aber desinteressiert beklatschte.

Trotz allem: Das war schön, wieder im Stadion zu sein, und ich denke jetzt über eine Fahrt nach Augsburg nach.

Abends stießen wir noch mit frisch gebrautem Oktoberfestbier an – „auf eine friedliche Wiesn“ –, für mich gab’s noch eine Breze und Radi dazu, den esse ich neuerdings auch zu allem, und dann übermannte mich die übliche Stadionmüdigkeit. Hatte ich auch schon wieder vergessen, wie sich die anfühlt.

Was schön war, KW 36 – Arbeit, kein Fluss und ein Roboter

Beim Zoom-Call mit der Lieblingsagentur war hinter dem Text-CD die Speicherstadt zu sehen. *wimmer*

Ich weiß nicht, ob es an der derzeitigen, recht beflügelnden Buchung oder den neuen Medikamenten liegt, aber diese Woche habe ich mich sehr gut gefühlt, vernünftig (in meinem Sinne) gegessen, genug Sport gemacht und viel erledigt bekommen.

Einen Teil des frischen Einkommens gleich in einen Roboter angelegt. Seit Kai in Hamburg einen Roomba für uns angeschafft hatte, bin ich vernarrt in die kleinen Robbis, die für mich staubsaugen. Das Teil hat Kai bei unserer Trennung natürlich behalten, und ich war seitdem roboterlos. Jetzt nicht mehr, denn seit gestern brummt hier Robotron der Zweite durch die Gegend. Endlich nicht mehr bei den Sportübungen auf dem Boden alle drei Tage denken, gnarf, saugen müssteste auch mal wieder.

Der Kleine kann sogar Internet, und ich kann ihm vom Sofa aus Befehle erteilen. Entspricht total meiner Geisteshaltung. Ungünstige Platzierung der Benachrichtigungen auf dem iPhone, ich weiß. Arme Luise (hier in der älteren Münchner Wohnung).

Der Weg zum Lieblingsbäcker führt mich immer über einen Friedhof. Am Dienstag schlenderte ich in der Mittagspause gerade über ihn, als ich ein Geräusch hörte, das mir nicht bekannt vorkam. Es klang wie Wasser, und ich überlegte, ob es neuerdings hier einen Springbrunnen gibt. Gab es nicht. Das Rauschen war schlicht die riesige Krone eines riesigen Baums, durch die der Wind ging. Hatte ich in dieser Intensität noch nie wahrgenommen. Das war schön.

*googelt Laubbäume und ihre Namen*

Die Woche war angenehm warm, so dass F. und ich am Dienstag spontan auf dem Balkon sitzen konnten. Gestern regnete es allerdings, so dass wir unsere Biergartenverabredung mit dem dritten Podcastteilnehmer, den wir schon ewig nicht mehr gesehen haben, absagen mussten. Ich war in diesem Jahr noch nicht im Biergarten und prangere das sehr an.

Erdnussbutter und ich, das ist eine Geschichte der Vernachlässigung. Ich habe das Zeug irre schnell über, dann esse ich es ein halbes Jahr lang nicht, dann esse ich es eine Woche den ganzen Tag und dann geht alles von vorne los. Weswegen ich nie weiß, ob ich jetzt ein halbvolles oder ganz volles oder gar kein Glas davon im Schrank stehen habe. Meist denke ich irgendwann spontan beim Einkaufen, hey, JETZT Erdnussbutter haben wollen, dann wird das Glas gekauft, nur damit ich zuhause feststelle, dass ich noch ein halbvolles habe. Das riecht meist aber schon ranzig, weswegen ich es wegwerfe und das neue öffne. Und das werfe ich dann in einem halben Jahr weg, weil siehe oben.

Was ich eigentlich sagen wollte: Die Brantner-Krustis sowie das Sesam-Ciabatta schmecken ganz ausgezeichnet mit Erdnussbutter und Himbeermarmelade. Erinnert mich bitte im März 2022 daran, neue Erdnussbutter zu kaufen.

Wir haben Karten für das Bayernspiel gegen Bochum am kommenden Samstag. Das wird der Test werden, ob ich oder wir gemeinsam uns diese Saison noch in Stadien trauen oder lieber nicht. Wobei das Stadion das kleinste Problem ist, weil sich dort die Zugelassenen verteilen werden; in München darf ein Drittel der Sitzplätze belegt werden. Das sind aber immer noch 25.000 Leute, die im Zeitfenster von ungefähr zwei Stunden in der U-Bahn sein werden. Das ist das Problem. F. überlegt, ob er zu Fuß geht, ich denke übers Rad nach und ahne, dass die Faulheit mich die Bahn nehmen lassen wird. Falls das okay sein wird, würde ich auch Augsburg wieder in Betracht ziehen. In Zügen habe ich in den letzten Monaten oft genug gesessen, die schrecken mich nicht mehr; auch hier ist die pickepackevolle Tram vom Bahnhof zum Stadion der Punkt, über den wir nachdenken.

Bin jetzt auf Seite 552 des Wagner-Buchs. Noch fast 200 Seiten, aber wir sind jetzt endlich in der Weimarer Republik angekommen aka der historischen Periode, bei der es für mich interessant wird. Der Rest war auch interessant, aber jetzt greife ich deutlich häufiger zum Unterstreichbleistift.

Why CAPTCHA Pictures Are So Unbearably Depressing

Das fand ich spannend, weil ich mich das durchaus auch schon mal gefragt hatte: Wieso sind das immer so fürchterliche Bilder, auf denen ich Ampeln oder Boote anklicken muss? Der Artikel beantwortet es in Kurzform so: weil KI Bilder für KI und nicht für uns macht. Der Algorithmus kennt erst einmal keine Ästhetik oder Perspektive und dem Konzern dahinter ist beides egal.

„CAPTCHA images are pictures of the outside world, but it’s a world that is unsettlingly bare of people. This is likely for privacy reasons, which is a laudable motive on Google’s part. But it winds up making the pictures look totally postapocalyptic. Each CAPTCHA depicts a world blasted by a neutron bomb, where the objects survive but none of the people do. […]

Google’s CAPTCHA images are frequently grainy and badly focused. This is likely because, as Vox points out, Google has gone through most of the easy visual-recognition training cases, where the pictures were clear and sharp. Now they’re stuck with the hard stuff, which tend to be pictures of terrible quality. This gives CAPTCHA images the low-res feel of a crime-scene video, as Todd noted in a tweet: “They remind me a lot of CCTV or dashcam video footage.” When you look at the pictures, it feels like you’re about to see some terrible incident. […]

When you get those CAPTCHAs that chop up a single photo into sixteen squares, the imposition of those crisp white lines feels so disconcerting. It’s an alien view of the world: Behold the riddle of human existence. What could it possibly mean? By asking us to identify elements of an image that are sliced into pieces — “Select all squares with traffic lights” — CAPTCHAs turn everyday reality into a puzzle that no normal human would ever think of as a puzzle.
This is what’s so disquieting about the exercise. We’re being asked to parse the world in the visual-scanning style of an AI. Which, in turn, makes you feel like an AI, hunting for meaning in a baffling world.“

Ein kleiner Thread von mir zum alten Kochbuch meiner Mutter.