Samstag, 4. Mai 2024 – „Die Prüfung“

Gestern wieder brav gar nichts gemacht, um die Rekonvaleszenz nicht zu stören wie am Freitag, wo es anscheinend schon zu viel war, drei Mahlzeiten zuzubereiten. Also zurück zum Sandwich, Apfelmus (immer ein Gläschen im Haus) und Müsli. Und Immobilienschrott auf Netflix, „Black-ish“ auf Disney+ (die Serie ist völlig an mir vorbeigegangen – die kann ich jetzt komplett nachschauen) und einem Film auf Amazon Prime, auf den ich bei Christian aufmerksam geworden bin: „Die Prüfung“.

Ich zitiere von Amazon: „687 Bewerber, 10 Plätze, 9 Prüfer, 10 Tage Zeit: Jahr für Jahr ist die Aufnahmeprüfung an der Staatlichen Schauspielschule Hannover nicht nur eine besondere Herausforderung für die Bewerber, sondern auch eine außerordentliche Belastungsprobe für das Kollegium.“ Die Kamera durfte anscheinend in allen Auswahlrunden der Bewerber*innen dabei sein, wir sehen also erste Vorsprechen bis hin zum abschließenden Workshop, nach dem die Endauswahl der zehn zukünftigen Studierenden ansteht. Dazu gibt es Aussagen der Prüfenden, die ein bisschen einordnen, was wir sehen.

Ich war schon beim Beginn des Films erstaunt, als die ganzen Bewerberinnen aus der Straßenbahn am Messegelände ausstiegen – das Expo-Gelände ist dann doch recht unverkennbar. Ich wusste nicht, dass der Bereich Schauspiel der Hochschule für Musik, Theater und Medien anscheinend dort residiert. Gleich mal auf der Website geguckt, ob das auch alles seine Richtigkeit hat, denn ich hatte die Hochschule immer mitten im Grünen an der Eilenriede verortet. Da sitzt aber nur die Musik. Wieder was gelernt.

Die Doku ist bereits von 2016, weswegen man die Namen der Angenommenen aus dem Abspann schön ergoogeln kann. Einige sind anscheinend a) nach Hannover zum Studium gekommen anstatt sich für eine andere Stadt zu entscheiden, b) inzwischen in diesem Beruf tätig oder c) machen jetzt etwas ganz anderes.

Ich fand es spannend zu sehen, worauf die Prüfenden achten bzw. was sie suchen oder aus den Kandidat*innen herauskitzeln wollen. Ein Zitat eines Prüfers beschäftigt mich seit gestern, weil ich erst da rational nachvollziehen konnte, was im Theater eigentlich mit mir als Zuschauerin passiert: „Ein guter Schauspieler, eine gute Schauspielerin geht persönlich über die eigene Angst, zum Beispiel vor Veröffentlichungen oder auch vor Kontakt, die jedem Menschen innewohnt heutzutage. Und dass sie das schaffen und dann Dinge so öffentlich verhandeln, die man sich im Leben privat wohl kaum zu sagen traut – das ist ja nicht nur ein extrovertierter Rausch, sondern es ist für die meisten ein echter Schritt, [die Überwindung der Angst] zu erobern und zu kultivieren –, das ist für den Zuschauer eine Riesenchance zu einer Befreiung. Das dann zu erleben.“

Ja! Auch Kino mit seinen Geschichten und erzählerischen Kniffen erweckt in mir Dinge, von denen ich nicht wusste, dass sie da sind oder die an der Oberfläche wollen; auch in klassischen Konzerten bin ich neuerdings immer wieder davon überrascht, was alles hochgespült wird, das ich gar nicht auf dem Plan hatte, sobald die Geigen einsetzen. Aber Theater ist noch näher, direkter, intensiver. Das „öffentliche Verhandeln“ findet quasi auf Augenhöhe und vor der eigenen Nase statt. Das ist manchmal schwer auszuhalten; ich bin schon aus Theatervorstellungen gegangen, weil sie mich überforderten. Aus Kinos bin ich bisher nur gegangen, weil ich tödlich gelangweilt war.

Memo to me: mal wieder ins Resi gehen. Oder in die Kammerspiele.

Freitag, 3. Mai 2024 – Zu früh

Während der fiesen Erkältung ernährte ich mich von Tiefkühlsuppe (lohnt sich die Anschaffung von Soup Cubes? Ich friere momentan alles in Gläschen ein, was immer erst auftauen muss), French Toast (nur fünf Minuten in der Küche und es gibt danach was Süßes, was dem Hals nicht weh tut) und Weingummi (immer auf die Vitamine achten!). Plus literweise Pfefferminztee und Orangensaft.

Gestern fühlte ich mich erstmals wieder fit genug, um etwas länger in der Küche zu stehen. Da ich meinen Kühlschrank eine Woche lang sehr vernachlässigt hatte, gab’s erstmal Reste-Shakshuka aus roter Paprika und sehr viel Spinat. Während das durchzog, wischte ich den Kühlschrank gleich mal komplett aus, entsorgte Zeug, das sich irgendwie in die dritte Reihe geschlichen hatte, weil ich es nie benutze (Remoulade? What the hell) oder nicht oft genug (im Dezember 2022 abgelaufenes Augustiner).

Was auch dringend entsorgt werden musste, waren zwei Bananen, die ich kaum noch aus der Schale bekam, weil sie so weich waren. Ich hatte die ganze Woche überlegt, ob ich sie zum French Toast schon zerquetschen sollte, aber bei braunen Bananen muss man Banana Bread machen, das gehört sich so. Und man hat gleich wieder was zum Einfrieren. Ich liebe dieses Rezept sehr, es ist idiotensicher, man braucht nur eine Schüssel und einen Schneebesen und es ergibt immer saftiges Backwerk.

Abends gab’s dann auf dem Sofa erneut Tiefkühlgrünzeug (Erbsen, Bohnen, Edamame) mit frisch von Knuspr geliefertem Brokkoli und Koriander sowie viel zu wenig Erdnusssauce. Das einzig Nicht-Grüne waren Möhrenstreifen. Hier ein verspätetes Dankeschön an eine*n Leser*in, der oder die mir mal dieses herrliche Werkzeug für Grüne-Papaya-Streifen empfohlen hatte. Ich benutze es seitdem für Möhren und es ist fantastisch.

Danach war ich allerdings dreimal durchgeschwitzt und musste mir eingestehen, es vielleicht doch etwas übertrieben zu haben. Wieder ins Bett.

Eigentlich haben wir für morgen schon wieder Konzertkarten und ich hoffe wirklich sehr, dass ich für drei Stunden Rumsitzen und zwei Busfahrten fit genug bin und nicht allzu sehr huste.

Donnerstag, 2. Mai 2024 – Der Kopf kommt wieder

Nach einer Woche Bettruhe, viel Pfefferminztee, drei negativen Covid-Tests, Halsschmerzen aus der Hölle, aber dafür so gut wie keinem Schnupfen bin ich langsam auf dem Weg der Besserung. Was auf der Strecke geblieben ist: meine erste Uni-Sitzung im Semester, das Geburtstagsessen für F. in einem unserer Lieblingslokale und ein Konzert in der Isarphilharmonie, auf dessen Solo-Künstlerin Sol Gabetta ich mich sehr gefreut hatte. Verdammte Viren überall.

Im Erkältungsnebel bekam ich mit, dass immer mehr Blogs runde Jubiläen feiern. Mein 20-Jähriges war im Juli 2022, daher ist mein Blog derzeit unrund, aber ich guckte mal spaßeshalber – und weil ich sonst nichts zu bloggen hätte –, was vor 20 Jahren im Blog stand. Das meiste kann ich nicht mehr ertragen, ist total kryptisch oder ich weigere mich, es zu lesen, aber manche Einträge klingen immer noch nach mir.

Das hier stand am 3. Mai 2004 im Blog:

„i’m tired
i’m happy
i’m busy
i’m sad
i’m curious
i’m in love

i’m just around the corner“

Das kann ich auch zwei Jahrzehnte später so stehenlassen.

Mittwoch/Donnerstag, 24./25. April 2024 – Kein Museum, keine Zeit, dafür Husten

Mein Zug ins schöne Düsseldorf hatte eine Stunde Verspätung. Da ich in diesem Semester in einem Gebäude unterrichte, das nicht auf dem Uni-Gelände ist, ich daher neue Wege lernen muss und ich diese Wege gerne einmal abgehe, bevor ich die erste Stunde gebe, erledigte ich genau das vorgestern. Für den eigentlich geplanten Museumsbesuch reichte die Zeit leider nicht. Und außerdem wollte ich es nicht übertreiben, denn ich saß schon mit Aspirin-Complex gedopt im Zug und hoffte, dass die Gliederschmerzen und die allgemeine Mattigkeit nur einen Tag lang anhielten.

Taten sie leider nicht, ich wachte gestern um kurz vor 5 Uhr morgens im Hotelbett auf, hatte null Stimme, aber hustete dafür herz- und schmerzhaft. Ich buchte flugs den 6.08-Uhr-Sprinter zurück nach München, schrieb den Studis eine Absagemail, setzte meine Maske auf und fuhr nach Hause, wo ich seitdem weiter huste und jammere. (Nur eine halbe Stunde Verspätung im Sprinter. Yay.)

Und ich noch so letzte Woche beim Konzert: „Vielleicht doch ne Maske aufsetzen, so eine Woche vor der ersten Sitzung? Nah, wird schon passen.“ Hmpf.

Dienstag, 23. April 2024 – Sütterlinkurs 2 und schlechte Laune

Gestern fand die zweite und letzte Sitzung des Sütterlinkurses statt, den ich im Stadtarchiv für schmales Geld belegt hatte. Tipp des Dozenten: Er unterrichtet auch an der Münchner Volkshochschule; dort dauert der Kurs etwas länger. Mir reichen aber, und damit hätte ich selbst gar nicht gerechnet, die zwei Sitzungen zu je 90 Minuten, die ich jetzt hinter mir habe. Ich habe in der vergangenen Woche schon mal ein paar weitere Übungstexte in diesem Interweb ergoogelt und konnte die deutlich besser lesen als noch vor zwei Wochen. Der Rest sei Übungssache, wurde uns versichert.

Gestern lasen wir zunächst ein Schreiben einer Dame an den „hohen Magistrat der königl. Haupt- und Residenzstadt München“ aus dem Dezember 1883, damit wir auch die ältere Kurrentschrift mal kennenlernten. Das ging halbwegs gut, wir scheiterten quasi alle an den Großbuchstaben. Wenn man einmal die Ähnlichkeit von e und n kapiert hat, dass das Ding, was wie ein F aussieht, meist ein H ist und das S in zwei verschiedenen Ausführungen geschrieben wird, geht das Wortinnere eigentlich ganz gut. Und so tastete auch ich mich meist von der Mitte des Worts ans Ende und konnte dann den blöden Anfangsbuchstaben raten. P, du Nervensäge.

Der zweite Text war etwas krakeliger geschrieben als die Eingabe an den Magistrat, für den die Absenderin vermutlich einen Profi beauftragt hatte. Dieses Schreiben ging ans Standesamt München und stammt vom 6. Dezember 1938.

Transkription: „Auf Grund der Kennkarte führe ich ab 1. Januar 1939 nach Vorschrift den zusätzlichen Beinamen Sara, wovon Sie gefälligst Kenntnis nehmen wollen [und] auch hie[r]von das Polizei-Präsidium zu verständigen bitte.

Mit vorzügl. Hochachtung
Frieda Michaelis
Witwe

Frieda Obermeyer geb. 28. Nov. 1867 in München
verehelicht in München am 16. Februar 1888
mit Herrn Arthur Michaelis“

Warum die Dame dem Staat mitteilt, dass sie nun auch noch Sara heißt, muss ich hoffentlich nicht mehr erklären; falls doch, übernimmt das die Wikipedia. Ich hatte schlagartig schlechte Laune. Der Dozent erklärte, warum er sich für diesen Text entschieden habe: erstens wegen der Handschrift, zweitens genau wegen des Inhalts: „Wenn man ahnt, worum es geht, klappt das Entziffern besser.“ Das stimmt vermutlich, aber auf diese Quelle war ich mal wieder innerlich nicht vorbereitet.

Ich wusste natürlich um die Zahlen der jüdischen Gemeinde in München. Zuhause erledigte ich mich dann selbst und schaute in der Datenbank von Yad Vashem nach, ob Frau Michaelis in ihrem hohen Alter vielleicht gnädigerweise einfach in ihrem hoffentlich noch eigenen Bett entschlafen durfte, aber nein. Sie wurde am 3. Juni 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie bereits im August ermordet wurde.

Ich verachte dieses jämmerliche Land gerade wieder so sehr.

Montag, 22. April 2024 – Maxie und Masterchef

Schreibtischtag, viel Orgazeug.

Aber: „Masterchef Australia“ hat wieder angefangen. Es gibt eine größtenteils neue Jury, und die Kandidat*innen sind so dermaßen erfreut ÜBER ALLES, dass ich ständig Angst hatte, sie würden hyperventilieren und einfach umfallen.

Ausgelesen: Maxie Wanders „Guten Morgen, du Schöne“. Lieblingsstelle: „Mensch, hab ich mir gesagt, irgendwann stirbste, da gibts dich nie wieder, da mußte doch machen, waste am liebsten möchtest.“ (S. 145)

Sonntag, 21. April 2024 – Textilmuseum Augsburg

Seit wir das 49-Euro-Ticket haben, sprechen F. und ich vage von „Da könnte man sich ja einfach mal am Wochenende in den Zug setzen, alles bis zu circa einer Stunde, irgendwo hinfahren, ein Museum angucken, was Nettes essen und dann wieder nach Hause“. Das haben wir natürlich bisher noch nie gemacht, aber gestern war endlich die Zeit reif.

Es ging – nach Augsburg. Das ist jetzt vielleicht eher unspannend für Leute mit FCA-Dauerkarten (ich ja seit einer Saison? zwei Saisons? nicht mehr), aber ich muss zugeben, bis auf den Weg zum Stadion, den Christkindlesmarkt und ein paar wenige Dinge, die wir glücklicherweise ein halbes Jahr vor Papas Schlaganfall noch mit der ganzen Familie besichtigt hatten, kenne ich sehr wenig von der Stadt. Im Staatlichen Textil- und Industriemuseum Augsburg (TIM) war ich jedenfalls noch nicht.


Das ist nicht das Museum, sondern die Textilfabrik davor, aber die sah halt spannender aus. Sorry, TIM. Im Gebäude des TIM befindet sich auch das Stadtarchiv sowie die Stadtarchäologie.
Ich so: „Stadtarchäologie?“ F. so: „Wenn du in Augsburg eine Baugrube aushebst, kommt immer was aus dem Mittelalter oder dem alten Rom.“ True dat, Augusta Vindelicorum.
Ich dann so: „Nette Wohngegend hier. Life goal: einmal in der Nähe des Stadtarchivs wohnen!“ F. so: „Tust du doch schon.“ Ich so: *mind-blown* *hakt ein Lebensziel ab*

Mich hatte die Sonderausstellung „Kleider. Geschichten. Der textile Nachlass von Arno und Alice Schmidt“ gereizt. Ich stellte mir vor, anhand von Kleidungsstücken ein bisschen bundesrepublikanische Geschichte nähergebracht zu bekommen. Genau das war es dann auch, aber um so viel facetten- und detailreicher als ich geahnt hatte. Große Empfehlung! Die Ausstellung läuft noch bis zum 13. Oktober.

Ich copypaste mal einen Teil des Vorworts im Katalog, den ich natürlich brav erworben habe; der ordnet ganz gut ein, warum sowohl die Sammlung an sich spannend ist als auch das, was man anhand von ihr erzählen kann:

„Alice und Arno Schmidt teilten zunächst das historische Schicksal Millionen anderer Menschen, die sich aufgrund des vom nationalsozialistischen Regime entfesselten Zweiten Weltkriegs zur Flucht aus den ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reichs in die westlichen Besatzungszonen gezwungen sahen. Mit nur wenigen Habseligkeiten im Fluchtgepäck begannen die Schmidts ihr neues Leben im Westen Deutschlands – ein Leben, das für einige Jahre von großen materiellen Entbehrungen geprägt war.

Zunächst galten die Anstrengungen von Alice und Arno Schmidt deshalb dem Ziel, die bloße Existenz zu bestreiten: für Unterkunft, Nahrung und Kleidung zu sorgen. Nur langsam gelang es, den Lebensunterhalt zu sichern und mittels Konsum ein wenig am notorischen deutschen »Wirtschaftswunder« zu partizipieren.

Vielleicht hat diese so grundlegende Erfahrung von Flucht, Verlust und Mangel das Ehepaar Schmidt dazu veranlasst, seinen kompletten textilen Hausstand sorgfältig aufzubewahren, der mit manchen Kleidungsstücken bis in die 1930er Jahre zurückreicht. Damit hat sich ein textiler Nachlass von ungewöhnlichem Ausmaß erhalten, der um die 1000 Einzelteile umfasst.

Dass Arno Schmidt zu einem ebenso gefeierten wie umstrittenen Schriftsteller der deutschen Nachkriegsgeschichte avancieren sollte, verstärkt aus heutiger Perspektive den besonderen Reiz dieser textilen Sammlung. Dies nicht nur, weil das Leben der Schmidts exemplarisch für die historische Situation zahlreicher Fluchtfamilien sowie für die Alltagsgeschichte der sich etablierenden Bundesrepublik steht, sondern weil Arno Schmidt zudem als Autor – vor dem Hintergrund dieser persönlichen Erfahrung – das häufig kleinbürgerliche Personal seiner Literatur bis hin zu Accessoires modisch ausgestattet hat. Damit wandelt sich der textile Nachlass von Arno und Alice Schmidt zu einem Spiegel der vestimentären Kultur der ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik, die der Schriftsteller literarisch würdigt.“

Hiermit die Vokabel „vestimentär“ gelernt. Wo ich doch schon von Duolingo „vêtements“ kenne. Ha!

Im Vorraum der Ausstellung werden Zitate aus Schmidts Werken eingeblendet, die irgendwas mit Kleidung zu tun haben, das fand ich einen schönen Reinkommer. Der Ausstellungsraum selbst ist eine einzige Fläche, was mir auch gut gefiel, weil man einfach durch die Gegend wandern kann. Man kapiert aber schon, dass die rechte Reihe aus großformatigen Bildern und Texten ein Abriss der Biografie des Ehepaars ist, der nach Örtlichkeiten aufgeteilt ist; deswegen sind wir auch erst einmal dort entlanggegangen. Neben diesen ersten Stationen befindet sich eine circa 20 Meter lange Regalwand, in der ein Teil der vielen Kleidung liegt. Das fühlte sich ein bisschen so an wie im elterlichen oder großelterlichen Kleiderschrank zu stöbern. Schon hier fiel der Kontrast auf zwischen Stücken, die eher ungenutzt aussahen und den Lieblingsstücken, die vermutlich jeder im Schrank hat: der Pulli mit den zig Stopfstellen und daneben die quasi neuen silbernen Glitzerpumps. Oder auch ein paar Gamaschen, die vermutlich in den 1950er Jahren das letzte Mal getragen wurden.

Bei den blauen Puma-Sneakers überlegte ich sofort, was die heute wohl auf ebay brächten.

Die Stationen direkt am Regal bestehen jeweils aus einem Kleidungsstück mit einer Texttafel sowie einem Foto, auf dem Arno oder Alice zu sehen sind, die dieses Kleidungsstück tragen. Die Texte verweisen meist noch auf einen bestimmten Ort, wenn ich mich richtig erinnere; die restlichen Stationen im Raum sind ort- und zeitloser. Hier ein Beispiel aus Mainz:


Die Texte fand ich übrigens durchweg sehr gut, nicht nur inhaltlich aufschlussreich, sondern auch gut lesbar. Hier wird erneut erwähnt, dass Schmidts Schwester ausgewandert war (ihr Mann war jüdisch), und der Text macht deutlich, wie groß die materielle Not 1951 noch war.


Hier mochte ich die Hinweis auf die letzte Strickwarenfabrik in Deutschland. Das meinte ich vorhin mit Facetten und Detailtiefe. Mehr Stationen habe ich nicht fotografiert, aber ich hoffe, es wird klar, wieviel man anhand von Kleidungsstücken erzählen kann. Die Größe der Ausstellung war genau richtig, es gab genug zu schauen und zu lesen, man wurde aber nicht erschlagen. Clevere Grundiee, richtig gut umgesetzt.

Und natürlich gab es Schmidts Werke im Gift Shop, der auch sonst sehr hübsch ausgestattet war.

Die Dauerausstellung des Museums durchwanderten wir etwas zackiger, aber ich staunte über viele Musterbücher und Webarten und lernte ein bisschen Industriegeschichte Augsburgs in Form von Johann Heinrich Schüle kennen. In den Museumsräumen, durch eine Glaswand abgetrennt, befindet sich die Maschinenhalle, auf der heute noch Dinge hergestellt werden – zum Beispiel die Schürze und die Ofenhandschuhe, die ich gleich mal erwarb. Und ein Handtuch mit Schmidt-Zitat, natürlich.

Für den Handtuchkauf müsst ihr auch nicht nach Augsburg. Für die Ausstellung allerdings schon. Macht das mal.

Samstag, 20. April 2024 – Mediathek und Schönbrunn

Das Konzert, das F. und ich am Freitagabend in der Isarphilharmonie genießen konnten, ist jetzt online. Enjoy.

Ich habe die Aufführung gestern in der Ausstrahlung vom BR noch einmal angeschaut und die Untertitel vermisst. Falls Sie mitlesen wollen: hier lang.

Außerdem freute ich mich über die vielen Blickwinkel, die ich im Saal natürlich nicht hatte, merkte aber auch erneut, wie toll es ist, etwas live und unmittelbar zu erleben. Alleine für die gefühlten Schallwellen der Chöre. Falls Sie die gestern erwähnte Jamie Barton hören wollen, starten Sie ab ungefähr Minute 51. Der erste brachiale Chor kommt gegen 1.15. Der wunderbare Thomas Quasthoff als Erzähler, von dem ich behaupte, dass er sich sehr zügeln musste, um nicht zu singen, startet gegen 1.42. Und wer mir sagen kann, in was die Damen, die sonst Piccoloflöte spielen, ab 1.39:46 blasen, hat meine große Dankbarkeit. Für mich sieht das aus, als ob man in einem Marmeladenglas Blubberblasen macht.

(Edit: Wollte gerade die Piccoloflötenfrage auf Masto posten, wo mir das Wort „Pikkoloflöte“, wie ich es eigentlich geschrieben hatte, als Fehler angezeigt wurde. Gegoogelt und gemerkt, dass mein Kopf zu sehr im Sekt war.)

Joseph Roth – Schönbrunn (1919)

Der neue Ausgabe von „Reportagen aus der Vergangenheit“ ist da. Ich mochte die Einleitung (und damit Einordnung) sehr, daher copypaste ich sie hier komplett:

„[D]iese Reportage ist nicht besonders gut, aber sie trifft wunderbar ein Gefühl. Joseph Roth steht im Schloss Schönbrunn. Wir modernen Touristen kennen es als Pflichtprogramm eines jeden Wien-Besuchs und dann macht man eine Führung, wird durch ein paar Räume geführt, erfährt jede Menge total uninteressante oder unwichtige Dinge über das Leben der mittlerweile unwichtigen Habsburger und man macht diverse Fotos, die man dann eh nicht mehr anguckt.

Joseph Roth steht in den gleichen Räumen. Aber 1919. Kurz nach Zusammenbruch der Doppelmonarchie, kurz nach Abgang der Habsburger. Nicht in einem Museum, sondern in den Räumen, die noch vor Kurzem bewohnt waren.“

Freitag, 19. April 2024 – „Das Leben kommt mit Macht und Glanz, mit Taten und pochendem Herzen“

Oder anders: Wir haben uns Schönbergs Gurre-Lieder in der Isarphilharmonie angeschaut. F. so: „So könnte Wagner klingen, wenn er einen Profi seine Texte hätte schreiben lassen. Aber dann wär’s ja kein Gesamtkunstwerk mehr.“ Ich so: „Da muss man drüber stehen. Wagala, weiala. Hojotoho.“

Ich musste nach dem Konzert erstmal durchatmen, bevor ich klatschen konnte. Aber davor habe ich ein bisschen geweint, sehr viel gestaunt, wurde hervorragend unterhalten und erwischte mich im zweiten Teil dabei, mit offenem Mund den Chören zuzuhören, die einen äußerst fetten Sound vom Balkon runtersangen. Meine Güte! (So! Toll!)

Im Programmheft ist der Text abgedruckt, und eine Zeile gebe ich seit gestern abend dauernd von mir: „Tauben von Gurre!“ Im Tonfall von „Völker dieser Welt! Schaut auf diese Stadt!“ Oder wahlweise, weil ich Rodin im Kopf hatte: „Bürger von Calais!“ Es ist der erste Satz im Lied der Waldtaube, das für mich mit eines der schönsten des ganzen Abend war. Gesungen wurde es gestern von Jamie Barton, über die im Programmheft unter anderem folgende Sätze standen:

Als Solistin bei der BBC Last Night of the Proms setzte sie 2019 Akzente, als sie ein Konzert zur Förderung von Vielfalt und Inklusion gab, das weltweit im TV und auf BBC Radio 3 übertragen wurde. Auch darüber hinaus tritt Jamie Barton zunehmend als Sängerinnenpersönlichkeit auf, die Frauen, queere Menschen und marginalisierte Gruppen mittels ihrer Kunst unterstützt.“

Das kannte ich im Klassiksektor noch nicht so. Außerdem Props für den ganzen Auftritt, bei dem sie sich vielleicht gedacht hat: „Ich bin eine nicht ganz schlanke Frau mit Undercut, die auf einer Bühne steht – mich starren eh alle an, dann kann ich auch das goldene Glitzerkleid tragen.“ Ich bin Fan.

Und ihr könnt das auch werden, denn das Konzert wurde gestern aufgezeichnet. Ich konnte also nicht nur dem größten Orchester ever zuschauen, sondern auch noch diversen Kameramenschen, sehr spannend. Es wird heute abend übertragen, leider erst ab 22 Uhr, what the hell, da schläft mein Mütterchen doch schon!

Falls ihr einen barbiepinken Blazer in der 20. Reihe entdeckt – das war ich.

Mit diesem Blazer passte ich auch ganz hervorragend ins Tantris, wo wir natürlich den Abend in der Bar ausklingen ließen. Ich blieb gestern bei Tequila und bekam als letzten Drink eine Eigenkreation serviert, die nicht mal einen Namen hat, aber bestellt das bei eurem Stamm-Shaker doch auch mal: Tequila Reposado, Cocchi Americano und ein bisschen Maraschino, wenn ich mich richtig erinnere. Der Drink duftete nach Zimt vom Tequila und schmeckte fruchtig-kräuterig – ein perfekter Abschluss des Abends.

Donnerstag, 18. April 2024 – Zwei Podcasts

Mit dem Weinpodcast „Terroir und Adiletten“ hadere ich gerne, aber seit gestern ist eine schöne Folge online. Könnte natürlich auch daran liegen, dass es in dieser Folge ums Tantris geht. Gesprächspartner*innen von Sommelier Willi Schlögl und Musiker Curly sind Mit-Inhaberin des Hauses Sabine Eichbauer und Sommelier Julian Grunwald.

Zur Entstehungsgeschichte des Restaurants gab’s für mich zu wenig zu hören, ich liebe die sehr, aber okay. Neu für mich: Bei der Eröffnung 1971 war der Parkplatz etwas ganz Besonderes und wurde angepriesen. Heute passen da fünf Wagen drauf und nacheinander alle Taxen Münchens.

Mich hat erstaunt, dass Curly, der sich mit diesem Podcast vom Wein-Newbie zum Weinkenner entwickelt (das ist die Grundidee hinter der ganzen Sache) ein bisschen Schwellenangst mitbrachte. Er selbst war noch nie im Tantris, kennt das Haus aber und scheint sich ein bisschen vor dem Mythos zu fürchten, wie generell vor der Sterneküche. Diese Schwellenangst kannte ich auch, das Tantris war mein erster Laden aus dieser Kategorie; ich feierte dort meinen Masterabschluss mit F. und wir grinsen heute noch darüber, wie wir im Restaurant saßen: total eingeschüchtert, die damals noch als unbequem und unpassend empfundenen Halbwegs-Feierlicher-Anlass-Klamotten am Leib und Gesichtsausdruck und Körperhaltung, bei denen wir uns sicher waren, dass uns alle ansehen, dass wir noch nie hier waren, nicht hierher gehören und nie wiederkommen.

(Unser Klamottengame ist heute deutlich besser. Ich gönne mir pro Jahr zwei, drei Stücke von hier, das hat mich deutlich entspannter werden lassen. Der grüne Anzug aus meinem Social-Media-Profilbildern ist von Rinaldi.)

Das Nie-Wieder-Kommen ist netterweise nicht eingetroffen, inzwischen duzen wir den Sommelier, haben beide ein paar gute Weine eingelagert und es gibt ernsthaft nichts, was uns so viel Freude macht, als gemeinsam richtig gut zu essen und richtig gut zu trinken und den ganzen Abend über nichts anderes als richtig gutes Essen und richtig guten Wein zu sprechen. Wir reden übrigens immer noch, nach fast sieben Jahren, vom Lamm mit der Petersilienpolenta bei unserem ersten Tantris-Besuch (siehe Link).

Zurück zur Schwellenangst: Deswegen glaube ich, dass die Bar Tantris sowie das À-la-carte-Restaurant Tantris DNA, alle unter einem Dach mit dem Menürestaurant, eine ganz hervorragende Idee waren und sind. Wer sich nicht gleich das ewig lange Menü zutraut, setzt sich halt nach hinten und ordert ein bis zwei Dinge; man merkt dort relativ schnell, ob einem das alles taugt oder nicht. Oder noch einfacher: Man biegt hinter dem Eingang gleich links ab und gönnt sich einen Cocktail an der Bar, dazu ein bisschen Barfood, das natürlich aus der Sterneküche kommt. Damit müsste die Schwellenangst eigentlich überwunden sein.

In einem anderen Podcast (bei dem man die ersten fünf Minuten skippen sollte, Alter, dein Tonfall! Du bist nicht bei CNN) mit Restaurantleiterin Mona Röthig und erneut Frau Eichbauer spricht letztere auch das Thema Geld an, darum kommt man bei dieser Art Küche ja nicht herum. Sie hadert mit Sätzen wie „So viel Geld für eine Mahlzeit!“, während es völlig akzeptiert sei, das Hundertfache für Autos, Hochzeiten oder Urlaube auszugeben. Gerade den Vergleich mit dem Auto fand ich sehr gut: Für mich ist ein Auto ein Ding, das mich von A nach B bringt, dafür reichen vier Räder und eine TÜV-Plakette. Aber natürlich kann ich auch ein bisschen mehr Geld in die Hand nehmen, wenn es denn da ist, und mit dem Siebener-BMW zum Einkaufen fahren. Das nimmt einem hierzulande vermutlich auch niemand übel, aber 300 Euro für ein Abendessen sind angeblich total frivol. Für mich sind inzwischen Autopreise frivol, aber ich gönne es jedem und jeder, wenn er oder sie soviel Kohle für ein Transportmittel raushauen will. Mein letztes Auto hat, wenn ich mich richtig erinnere, 1500 Euro gekostet und das fand ich einen okayen Preis.

Was ich sagen will: Geht ins Tantris. Oder in andere gute Läden. Das ist eine Art Küche, die für mich immer wie ein kleiner Urlaub ist, weil sie so meilenweit weg von allem ist, was ich jemals zuhause fabrizieren könnte. Und deswegen ist sie das Geld auch wert. Und weil wir sieben Jahre später noch von einem einzelnen Gang und einem bestimmten Wein reden, genau wie von einer tollen Reise.

Den Artikel hatte ich schon mal verlinkt, glaube ich, aber ich lese den immer wieder gerne: „I’m common as muck and spent £150 in a Michelin star restaurant to see if it was worth it.“

Mittwoch, 17. April 2024 – Arizona

Ich blogge nicht mehr über die USA, ich habe nicht für jede brennende Müllhalde geistige Kapazitäten. Aber über einen der stets informativen Newsletter von Heather Cox Richardson aus der vorletzten Woche bin ich immer noch nicht hinweg.

Richardson, die in Boston Geschichte lehrt, schreibt auf Substack „Letters from an American“ und kommentiert fast jeden Tag aktuelle politische Debatten. Am 9. April schrieb sie über das neue bzw. uralte Abtreibungsgesetz, das in Arizona wieder Anwendung findet. Worum geht es?

„In a 4–2 decision, the all-Republican Arizona Supreme Court today said it would not interfere with the authority of the state legislature to write abortion policy, letting the state revert to an 1864 law that bans abortion unless the mother’s life is in danger. “[P]hysicians are now on notice that all abortions, except those necessary to save a woman’s life, are illegal,” the decision read.“

Richardson ordnet diese Entscheidung historisch ein:

„The Arizona law that will begin to be enforced in 14 days was written by a single man in 1864.

In 1864, Arizona was not a state, women and minorities could not vote, and doctors were still sewing up wounds with horsehair and storing their unwashed medical instruments in velvet-lined cases.

And, of course, the United States was in the midst of the Civil War.

In fact, the 1864 law soon to be in force again in Arizona to control women’s reproductive rights in the twenty-first century does not appear particularly concerned with women handling their own reproductive care in the nineteenth—it actually seems to ignore that practice entirely. The laws for Arizona Territory, chaotic and still at war in 1864, appear to reflect the need to rein in a lawless population of men.“

Richardson beschreibt, dass es dem einsamen Gesetzesautoren vor allem darum ging, Duelle unter Strafe zu stellen, sowie Vergiftungen – die auch dazu genutzt wurden, Fehlgeburten einzuleiten. Das Gesetz sollte dazu dienen, (weiße) Männer vor Verletzungen zu schützen, und schwangere Frauen waren mitgemeint.

„Written to police the behavior of men, the code tells a larger story about power and control.

The Arizona Territorial Legislature in 1864 had 18 men in the lower House of Representatives and 9 men in the upper house, the Council, for a total of 27 men. They met on September 26, 1864, in Prescott. The session ended about six weeks later, on November 10.

The very first thing the legislators did was to authorize the governor to appoint a commissioner to prepare a code of laws for the territory. […]

The second thing the legislature did was to give a member of the House of Representatives a divorce from his wife.

Then they established a county road near Prescott.

Then they gave a local army surgeon a divorce from his wife. […]

These 27 men constructed a body of laws to bring order to the territory and to jump-start development. But their vision for the territory was a very particular one.

The legislature provided that “[n]o black or mulatto, or Indian, Mongolian, or Asiatic, shall be permitted to [testify in court] against any white person,” thus making it impossible for them to protect their property, their families, or themselves from their white neighbors. It declared that “all marriages between a white person and a [Black person], shall…be absolutely void.”

And it defined the age of consent for sexual intercourse to be just ten years old (even if a younger child had “consented”).

So, in 1864, a legislature of 27 white men created a body of laws that discriminated against Black people and people of color and considered girls as young as ten able to consent to sex, and they adopted a body of criminal laws written by one single man.

And in 2024, one of those laws is back in force in Arizona.“

Hier nochmal der Link zum gesamten Text (er ist nicht viel länger als dieser Blogeintrag).

Dienstag, 16. April 2024 – Sütterlin

Das Stadtarchiv München bietet einmal (zweimal?) im Jahr einen zweiteiligen Sütterlin-Lesekurs an. Bisher habe ich die Anmeldefrist immer verschlafen, aber als der Kurs im letzten Newsletter auftauchte, notierte ich mir den Anmeldetag im Kalender und war morgens um 7 am Rechner, um mich einzutragen – und ich war nicht einmal die erste. Der Kurs war ratzfatz weg, und gestern war die erste Sitzung.

Ich war überrascht davon, wieviel es hilft, wenn mich jemand auf Kleinigkeiten aufmerksam macht, an denen ich bisher bei längeren Quellen immer gescheitert bin. Ja, natürlich habe ich mir die Tabelle zu den einzelnen Buchstaben auch schon runtergeladen, aber die hat mich nie komplett weitergebracht, wenn ich irgendwo mitten im Wort und damit im Text hängenblieb.

Bei den meisten Quellen konnte ich den Inhalt grob erfassen, aber ich würde gerne etwas wissenschaftlich-korrekter zitieren als „sinngemäß sagte Maler X vermutlich folgendes“. Meine Mutter unterstützt meine Bemühungen total und gab mir beim letzten Heimatbesuch einen Stapel alter Postkarten eines ehemaligen Kollegen mit, der immer Sütterlin schrieb. Die gehen schon ganz gut, wobei Urlaubspostkarten inhaltlich jetzt nicht ganz so herausfordernd sind: Wetter, Essen, liebe Grüße. Aber hey, das kann ich schon lesen!

Montag, 15. April 2024 – Notre Dame et Le Monde

Gestern vor fünf Jahren brannte Notre Dame, ich bloggte, noch mitten in der Promotion, ziemlich verzweifelt darüber.

Diese Verzweiflung wich dann relativ schnell einer gewissen Genervtheit, weil Twitter, Sie erinnern sich, es war ja nicht alles gut da, mal wieder den Bodensatz von Quatsch-Argumenten hervorspülte. In einem weiteren Blogeintrag schrieb ich etwas gefasster darüber, warum man über eine kaputte Kirche einen Hauch traurig sein könnte.

„Trotzdem darf man über die alten Bauteile weinen, ja meiner Meinung nach muss man das sogar. Denn auch wenn man alte Dachstühle durch neue ersetzen kann: Was unwiederbringlich verloren ist, ist das Material. Man konnte es datieren, teilweise lokalisieren, also feststellen, wo die Eichen gefällt wurden, mit denen gebaut wurde, man konnte anhand von Schlagspuren Werkzeuge rekonstruieren, Baugeschichte erfahren, die anders nicht überliefert war. Das ist, zumindest was den Dachstuhl angeht, alles verloren. Aber: Es ist, danke Wissenschaft, immerhin dokumentiert. Notre Dame wurde in den letzten Jahren, soweit ich weiß, komplett digital vermessen. Und dazu ist es als meistbesuchtes Baudenkmal Frankreichs von Millionen Tourist*innen fotografiert worden. Hat Instagram doch mal was Gutes. (Gotik-Influencer! Das wär’s!)

Daher bin ich auch immer noch wimmerig, was jetzt aus den Fensterrosen geworden ist. Klar kann man die neu basteln, es ist nur Glas und Blei. Aber zu wissen, dass da eventuell etwas verloren gegangen ist, das teilweise die Französische Revolution, zwei Weltkriege und alle Touristenhorden dieser Welt überstanden hat, macht mich halt traurig. Genau wie es mich traurig machen würde, wenn Raffaels Sixtinische Madonna in Flammen aufginge, auch wenn wir die kleinen Putten auf fünf Milliarden Kaffeetassen abgebildet haben.“

Das Datum hatte ich überhaupt nicht mehr im Kopf, aber „Le Monde“ hatte auf Insta eine clever zusammengestellte Reel mit Aufnahmen von damals und heute, die gestern in meiner Timeline landete.

Dass ich „Le Monde“ folge, ist noch relativ neu. Ich erwähnte vor einigen Monaten, dass ich mit Duolingo versuchte, Hebräisch zu lernen. Das habe ich inzwischen zu den Akten gelegt; die App ist für diese Sprache leider äußerst suboptimal. Hebräisch wird ohne Vokale geschrieben, das heißt, ich lese nur die Konsonanten. Bei vielen anderen, deutlich weiter verbreiteten Sprachen wie Französisch, bekommt man so ziemlich jeden Satz und jedes Wort in verschiedenen Aussprachen irgendwann mal vorgelesen, was gerade beim Vokabellernen nett ist. Genau diese Funktion fehlt aber bei Hebräisch, was die App für mich schlicht unbenutzbar macht. Oder mindestens sehr unkomfortabel.

Um meinen Streak nicht abreißen zu lassen, klickte ich daher Anfang Februar spaßeshalber mal auf Französisch, wofür ich die App 2015 oder so mal geladen hatte. Und seitdem lerne ich jeden Tag Französisch, immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass das jetzt der vierte Versuch ist, diese Sprache zu lernen.

In der Schule hatte ich zwei (oder sogar drei?) Jahre Unterricht als dritte Fremdsprache nach Englisch und Latein. In meinen Zwanzigern belegte ich mit Papa mal einen Volkshochschulkurs; Papa sprach Englisch und ein bisschen Spanisch. Das war aber für uns beide nichts. Der letzte Versuch fand Ende des Bachelorstudiums statt, also 2015, als ich noch für zwei Semester einen Sprachkurs belegen musste; das behauptet jedenfalls mein eben ergoogelter Blogeintrag, ich hatte schon wieder vergessen, warum ich in diesen Übungen saß. Der erste Versuch war Italienisch:

Cum tempore ist eine Erfindung der GöttInnen, die aber anscheinend nicht für die Volkshochschule zuständig sind. Da findet nämlich um 8 Uhr morgens (pünktlich!) mein Sprachkurs statt, den ich im 4. und 5. Semester in Kunstgeschichte belegen muss. Den hätte ich mir ersparen können, wenn ich mir im 1. Semester meine 25 Jahre alten Lateinkenntnisse hätte anerkennen lassen, aber ich motiviertes Mäuschen dachte mir damals(TM), ach, wenn die Uni mir schon einen Sprachkurs bezahlt, wäre ich ja doof, wenn ich das Angebot nicht annehmen würde. Ich verfluche das motivierte Mäuschen, als mein Wecker um 6 klingelt.“ (Blogeintrag vom 11. April 2014, mein viertes Semester.)

Im Wintersemester belegte ich dann lieber Französisch, wie mein Stundenplan anklingen lässt. Über den Blogeintrag musste ich eben sehr grinsen, denn dort kam auch die Vorlesung bei meinem späteren Doktorvater vor, die der Grund dafür war, dass ich mich mit dieser Zeit deutlich intensiver beschäftigen wollte als vorher:

„Dienstag, 12–14 Uhr: Kunst in Deutschland 1925–1960

Und ich kleines Ding dachte, da kriege ich brav den Kanon vorgebetet, aber nein, das hatte sich der Dozent anders vorgestellt: Er erzählt uns lieber was über KünstlerInnen, die noch nicht so recht im Kanon sind, deren Werke sich selbst in unseren kunsthistorischen Datenbanken nur sehr spärlich finden (mein Riechsalz!), aber deren Namen wir dringend kennenlernen sollten. Nebenbei kriegen wir natürlich trotzdem den Kanon mit und ich bin sehr zufrieden mit meiner Kurswahl.“

Und einen zweiten Blogeintrag ergoogelte ich, denn an den erinnerte ich mich gut. Dort beschrieb ich, wie begeisternd und emotional uns die Dozentin eine Fremdsprache beibringen wollte, im Gegensatz zu der Dame, die ich im letzten Halbjahr im Grundkurs hatte:

„Bei der Kursbelegung für dieses Semester achtete ich darauf, nicht wieder die gleiche Lehrerin zu bekommen und habe es bisher keine Sekunde bereut. Ich twitterte und facebookte gestern schon begeistert ein paar Sätze meiner neuen Lehrerin: „Sie müssen emotional an eine Fremdsprache gehen! Kaufen Sie sich das schönste Vokabelheft und tragen es bei sich. Sie müssen da gerne reingucken wollen! Hören Sie Chansons oder Radio, schreiben Sie auf, was Sie verstehen – das ist immer ein Erfolgserlebnis! Und wenn’s nur mittendrin zwei Worte sind. Egal, aufschreiben und lernen. Überlegen Sie sich, was Sie Wichtiges über sich sagen wollen – das übersetzen Sie und lernen es auswendig. Finden Sie Wörter, die Sie gerne mögen und bilden Sie Sätze damit. In meinen Aufsätzen kam immer (Wort x, nicht verstanden, ähem) vor.“ […]

Schon ist aus meiner negativen Haltung eine sehr positive geworden, und innerlich denke ich über Sätze nach, die ich dann locker-flockig in Frankreich sagen werde können, wenn ich mir endlich mal alle Kathedralen angucke. Erster Satz (muss ich noch übersetzen): „DAS HIER IST NE KIRCHE, KÖNNT IHR EURE BLÖDE BROTZEIT BITTE DRAUSSEN MACHEN?“ (Vom letzten Notre-Dame-Besuch in Paris inspiriert.)“

Durch das dauernde Nutzen von Duolingo ist mir endlich mal aufgefallen, wie mich irgendwas dazu bekommt, mich länger mit einer Sprache auseinanderzusetzen, die nicht Englisch ist: der kleinstmögliche Widerstand. Ich hänge eh den ganzen Tag am Handy und neuerdings fast nur noch auf Instagram (Bluesky nur für Fußball, Masto fast nur noch als Linkschleuder). Ich hatte schon seit Längerem den Account von Schloss Versailles abonniert, weil Schloss Versailles halt. Die posten auf Französisch und Englisch, weswegen ich den französischen Teil immer übersprang und den englischen las.

Aber vor Kurzem merkte ich: Ich kriege den Großteil des Textes auch mit, wenn ich französisch lese. Also abonnierte ich noch das Museé Picasso, Louvre hatte ich eh schon, Musée d’Orsay auch, und begann, brav die französischsprachigen Texte zu lesen. Vor einigen Wochen kamen dann Le Monde und L’Équipe dazu, seit gestern folge ich ein, zwei Verlagen, die Comics verlegen – die kannte ich aus einem Artikel in der „Écoute“, von der ich mir mal ein Probeheft gönnte. Da merkte ich auch sofort, dass Insta für mich deutlich sinnvoller ist: In der „Écoute“ stehen zwar Artikel, die vermutlich eher auf meinem Sprachniveau liegen, die mich aber thematisch null interessieren. Was Museen posten, interessiert mich aber total, also lese ich es freiwillig.

Ich ahne, dass auch diese Sprachbegeisterung wieder nur kurz hält, aber momentan ist das ganz nett, nicht nur Deutsch und Englisch im Feed zu haben. Ich nehme gerne Hinweise auf französischsprachige Köche, Köchinnen und Foodblogs entgegen, die keine hektischen Videos machen, sondern schön altmodisch Fotos posten, zu denen ich Text in Zeitlupe entziffern kann. Merci!

Sonntag, 14. April 2024 – Blaufränkisch und Vanillecroissants

Der Konzertabend am Samstag war recht lang, wir standen erst um kurz nach halb elf an der U-Bahn-Station und überlegten: Noch in die Bar Tantris, wie sich es gehört? Oder doch lieber nach Hause? Wir hatten beide ein winziges Hüngerchen und wussten, in der Bar gibt’s um diese Zeit nur noch Nüsse und Oliven. Nett, aber nicht wirklich eine Mahlzeit. Also fuhren wir zu mir, ich holte die Notfall-Gyoza aus dem Tiefkühlschrank, rührte schnell ein bisschen Nuoc Cham an, während die Teigtaschen dämpften, und schraubte den Rosé vom Grassl auf, den ich fürs Anspargeln geöffnet hatte.

Gespräche am Küchentisch sind bekanntlich die besten, und so kamen irgendwann noch Brot, Käse und ein Blaufränkisch dazu, weswegen wir erst gegen halb vier im Bett waren, weswegen diese Inhalte auch noch schön in den Sonntagseintrag passen.

Morgens wollte ich Croissants vom Bäcker holen, die aber noch im Ofen waren. Aus mir nicht mehr nachvollziehbaren Gründen wollte ich keine vier Minuten auf sie warten und erstand deshalb Vanillecroissants. Wir lungerten erneut am Küchentisch rum, dieses Mal mit Flat White und Coke Zero, bis F. sich am frühen Nachmittag auf den Heimweg machte.

Ich schaute Leverkusen beim Gewinn der ersten Meisterschaft zu (well played, Jungs, nehmt den DFB-Pokal und die Europa League auch gerne noch mit), las ein bisschen, räumte ein bisschen rum, saß ein winziges bisschen am Schreibtisch und versackte dann abends bei den ersten beiden Folgen von „Elsbeth“. Die Figur der Elsbeth Tascioni mochte ich in „The Good Wife“ und „The Good Fight“ immer sehr gern, mit ihrer eigenen Serie fremdele ich noch etwas. Die fühlt sich ein Hauch wie gutes, altes Columbo-Fernsehen an, und ich hätte es gerne etwas düsterer. Aber mal sehen, wie es weitergeht.

Samstag, 13. April 2024 – Beethoven und Schostakowitsch

Wir waren mal wieder in der Isarphilharmonie. Immer wenn ich mit den richtig guten Klamotten unterwegs bin, werde ich bei Kindern nervös (hat das Mädchen hinter mir auf der Rolltreppe etwa ein Eis in der Hand?) und bei betrunkenen Herren (deutlich öfter in der Öffentlichkeit anzutreffen als betrunkene Damen. Ausnahme: Oktifest). Gestern stand im Bus zur Philharmonie ein angeheiterter Herr mit offener Bierdose neben mir, die ich argwöhnisch beobachtete. Er schaute sich im Bus um, sah reihenweise rausgeputztes Volk, das auch neben dem im Schritttempo vorankommenden Bus von der U-Bahn-Haltestelle zum Konzerthaus wandelte.

„Heute ist Konzert, wa?“
Ich wartete, ob sich jemand anders rührte, tat aber niemand, also antwortete ich freundlich mit Ja.
„Was gibt’s denn?“
„Unter anderem Beethoven.“
Pause.

„Meine Freunde sagen ja immer, [Name vergessen], du musst da mal hin, das musst du dir anschauen. Lohnt sich das?“

Und ehe ich antworten konnte, grätschte die ältere Dame von hinten rein: „Ja, auf jeden Fall! Das ist ein toller Saal! Machen Sie das mal!“

Wir plauderten mit dem Mann noch über Kartenpreise und ob man sich die im Internet kaufen könne … „da kann ich dann einfach so mit dem Handy …?“ „Ja, genau“ … dann war der Bus da. Der Herr wünschte uns allen viel Spaß, wir ihm einen schönen Abend, und ich kam ohne Flecken an meinem Sitzplatz an.

Der Herr Buchbinder spielte mit dem Philharmonic Orchestra aus London Beethovens Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5, Es-Dur, op. 73. Falls Sie sehr entspannt in den Sonntag kommen möchten, hören Sie doch mal in den zweiten Satz rein. Im verlinkten Konzert dirigierte Buchbinder vom Flügel aus die Wiener Philharmoniker (2020).

Im Programmheft schrieb Buchbinder selbst über seine Arbeit an Beethoven, das fand ich schön:

„Ich werde oft gefragt, woran ich bei der Interpretation eines Beethoven-Stückes denke. Meine Antwort ist simpel: Das Denken muss lange im Vorfeld stattgefunden haben. Sobald man die erste Note anschlägt, befindet man sich bei Beethoven in professionellen Händen, dass man gut beraten ist, ihm einfach nur noch zu folgen. Kaum ein anderer Komponist navigiert uns mit seinen konkreten Spiel-anweisungen so sicher über die weiten Meere seiner Kreativität wie Beethoven. Alles, was er von uns verlangt, ist: Wissen und Vertrauen! […]

Die Musik Ludwig van Beethovens begleitet mich ein Leben lang, und ist zu einer Art Spiegel meiner musikalischen Entwicklung geworden. Bei mir zu Hause in Wien steht eine Beethoven-Büste auf dem Flügel. Und immer, wenn ich übe, schaue ich diesen mir so nahen Menschen an, seinen grimmigen Blick, seine wilden Haare und seine neugierigen Augen – und danke ihm leise dafür, dass er mir schon so lange zuhört und Verständnis für all meine Irrungen und Wirrungen hat, mit denen ich voller Verehrung durch sein Werk treibe.“

Nach der Pause war der Saal merklich leerer; leider war auch die Familie mit dem kleinen Kind hinter uns weg, das einen Stoffkoala dabei hatte. Ein essentieller Konzertbegleiter! Will auch Stofftiere mit in Konzerte nehmen können, ohne für bekloppt gehalten zu werden.

Es wurde dann auch etwas herausfordernder als vor der Pause, und ich sah einige Zuschauer*innen mitten im Stück den Saal verlassen. Vielleicht mussten sie die letzte Bahn kriegen, aber das irritierte mich doch sehr. Ja, Schostakowitsch ist einen Hauch anstrengender als der gute alte Ludwig van, aber das weiß man doch vorher.

Jedenfalls: Wenn Sie Lust auf ein Stück habe, das ich noch mindestens zehnmal hören muss, bevor ich nicht dauernd denke „Huch, was? Wo kommt das jetzt her? Was machen wir jetzt? Wo geht’s hin? Hilfe!“, dann hören Sie mal in seine Sinfonie Nr. 10 e-moll, op. 93 (1953) rein. Hier das Orchester des Bayerischen Rundfunks unter Georg Solti (1993). Auch hier als Einstieg der zweite Satz, ist am kürzesten. (Aber der erste ist am spannendsten!)

Wo wir gerade beim Thema sind: Die SZ hofft, dass der Staat Bayern, das alte konservative Ding, die Verträge mit Staatsintendant Serge Dorny und Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski an der Bayerischen Staatsoper verlängern möge. Ich hoffe das auch. Verkack das nicht, Bayern!

„Unter den vielen offenen Fragen, die den Kulturbetrieb in Bayern betreffen, ist die derzeit größte: Wer leitet in Zukunft die Bayerische Staatsoper? Staatsintendant Serge Dorny und Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski traten ihre Stellen 2021 an, ihre Verträge laufen zu derzeitigem Stand im Sommer 2026 aus. Im Opernbetrieb auf diesem Niveau hat man für künstlerische Planungen eine Vorlaufzeit von vier, fünf Jahren. Regie- und Gesangsstars muss man rechtzeitig anfragen, sonst sind sie verplant. Die Zeit drängt also.

Während der bayerische Kunstminister Markus Blume den Vertrag eines anderen Münchner Staatsintendanten, den von Josef E. Köpplinger vom Gärtnerplatztheater, im Februar dieses Jahres ohne besondere Dringlichkeit bis 2030 verlängerte, schweigt er bislang öffentlich zur Zukunft der Staatsoper. Ein Argument für Köpplingers Verlängerung war für Blume die gute Auslastung dessen Hauses, 94 Prozent, das sei beeindruckend, so der Minister. Die der Bayerischen Staatsoper unter Dorny lag im ersten Quartal 2024 bei 96 Prozent. Ob Blume das auch beeindruckend findet, ist bislang nicht überliefert. […]

Aber eben: Jurowskis größte Erfolge sind bislang eine Mahler-Symphonie, Opern von Prokofjew (neben “Krieg und Frieden” auch “Der feurige Engel”) und Weinberg, überhaupt Musik des 20. und 21. Jahrhunderts (da leitet er auch mal ein Kammerkonzert in der freien Szene). Doch München und das Staatsorchester haben ihre Hausgötter – und die sind alt. Mozart, Verdi, Puccini, Richard Strauss (gut, nicht so alt). Gerade Mozart ist nicht Jurowskis Domäne. Oder, wie es ein Orchestermusiker sagt: “Er ist der richtige Mann am falschen Ort.” […]

Jene Einflüsterer, die bei Blume insinuieren, in der Staatsoper sei Feuer unterm Dach (im Probengebäude residiert die Leitungsabteilung im obersten Stockwerk), sehen die Veränderungen, die Dorny mit- und selbst machte, nicht. Opernhaus des Jahres, diverse andere Auszeichnungen, Ausbau des Streaming-Angebots, spürbare Verjüngung des Publikums. Doch dann hört man von jenen selbsternannten “Beratern”, in der Oper laufe nur noch seltsames Zeug.“

(Archive-Link, falls Paywall.)

Jurowski war auch gerade in der NY Times, vielleicht ist das ein Argument: „A Conductor Who Believes That No Artist Can Be Apolitical.“

„Now in his third season as the opera house’s music director, Jurowski, 52, is attracting the kind of adoration from the Munich public that was routine under Kirill Petrenko, who left in 2021 to lead the Berlin Philharmonic. But Jurowski is not merely winning over audiences; he has maintained the Bavarian State Opera’s reputation as one of the finest — if not the finest — companies in Europe while pushing its repertoire in new directions and rooting his artistry in political awareness.

“We classical musicians tend to keep ourselves way from politics,” Jurowski said over lunch in March. “We always say that the music should be apolitical. Music can be, and art can be, but people who are making art should not be apolitical. At a certain point it becomes not about politics, but about ethics.” […]

When Jurowski started at the Bavarian State Opera, there were grumblings among audience members that his changes to the repertoire would come at the cost of the classics. But he has led new productions of standards like “Der Rosenkavalier,” “Così Fan Tutte” and “Die Fledermaus,” and will embark on Wagner’s “Ring” beginning this fall. And the audience hasn’t resisted: Attendance, as usual, continues to hover around 95 percent, which is extraordinary for opera.“