Nach der Melodie von Gigi d’Agostinos „L’amour toujours“:
Nazis aufs Maul, Nazis aufs Maul,
Springer enteignen, Nazis aufs Maul.
(via irgendwo auf Insta)
Nach der Melodie von Gigi d’Agostinos „L’amour toujours“:
Nazis aufs Maul, Nazis aufs Maul,
Springer enteignen, Nazis aufs Maul.
(via irgendwo auf Insta)
Noch nicht ganz durch, aber bisher finde ich die vierteilige Serie zu Willy Brandt und Günter Guillaume recht unterhaltsam. Auch weil als heutige Talking Heads nur Frauen zu Wort kommen, wie die SZ beschreibt:
„Guillaume war 1956 mit seiner Frau Christel aus der DDR in die Bundesrepublik gekommen, offiziell als Flüchtling, hatte sich nach seinem Eintritt in die SPD in erstaunlicher Geschwindigkeit zum Parteifunktionär hochgearbeitet und war dann letztlich im Bundeskanzleramt gelandet, zuletzt als persönlicher Referent von Willy Brandt. In diesem Job, der von der Stasi einmal abgesehen sein letzter werden sollte, hielt er sich dann noch bemerkenswert lang, als die westdeutschen Sicherheitsdienste schon rausgekriegt hatten, dass er im Auftrag des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR im Westen unterwegs war, fast ein Jahr lang. Diese für die Sicherheitsapparate beider Staaten eher peinliche Episode, die Brandts Kanzlerschaft den Garaus machte, ist seit Guillaumes Verhaftung im April 1974 und Brandts Rücktritt wenige Wochen später schon viele Male verfilmt und beschrieben worden. Jetzt haben Jan Peter und Sandra Naumann das noch mal gemacht. Die Besonderheit: Sie haben nur Frauen befragt, Historikerinnen, Zeitzeuginnen, politische Weggefährtinnen. Männer kommen nur in Archivausschnitten zu Wort, aber auch da hat meist Christel Guillaume das Wort.
Das klingt zunächst einmal, als wäre es eher originell als zwingend, aber tatsächlich spielt diese ganze Guillaume-Affäre vor dem Hintergrund von etwas, was man getrost als Bonner Männerrepublik bezeichnen darf. Es gab einige Frauen im Bundestag und sehr wenige Reporterinnen, und bis heute ist der Blick auf diese Zeit also meist ein männlicher. Das einmal andersherum zu machen, heißt dann hier ganz und gar nicht, dass alles immer nur mit Frauen zu tun hat und ihren Nöten.“
Hier alle Folgen von „Willy – Verrat am Kanzler“ auf einen Blick.
Jenny Erpenbeck wurde für „Kairos“ mit dem Booker Prize ausgezeichnet. Das Buch klingt erst einmal nicht so, als ob ich es dringend lesen möchte (alter Mann, junge Frau, ja, es geht um mehr, ich weiß), aber mir fiel gestern ein, dass ihr Werk „Aller Tage Abend“ seit Jahren bei mir im Regal steht. Gestern gleich mal die ersten 50 Seiten gelesen. Gefällt mir bisher sehr.
Als wir am Wochenende so gegen 12 Uhr mittags frühstückten, fiel mir beim Tischdecken wieder auf, wie schön das ist, einfach gutes Zeug im Haus zu haben.
Eigentlich wollten wir nur Brot und Käse essen, was vom Vorabend als Weinbegleitung übrig geblieben war. F. wollte keinen Kaffee, daher konnte ich mir aussuchen, welche der vielen möglichen Zubereitungsarten ich für mein morgendliches Heißgetränk anwenden wollte. Ich zückte Opas gute alte Kaffeemühle, zerhackte frische Bohnen und goss heißes Wasser durch den liebevoll bestückten Kaffeefilter. Nur Käse und Brot schienen mir dann doch zu frugal, ich fragte, ob hier noch jemand Rührei wolle, es wollte jemand, also schlug ich zwei Eier auf. Dann merkte ich, dass mir irgendwie was Gemüsiges zu Brot und Ei fehlte und warf schnell ein paar Tomätchen und Gurkenscheiben in ein Dressing und teilte eine Avocado. Aber während der Kaffee durchlief und ich Servietten bereitlegte, merkte ich, dass ich eigentlich warmes Gemüse möchte. Also ließ ich meine Pfanne schön heiß werden und briet blitzschnell ein paar Brokkoliröschen und grüne Spargelstangen in Olivenöl an. Währenddessen schob ich das Rührei in einer zweiten Pfanne launig hin und her, brachte alles halbwegs gleichzeitig auf den Teller und freute mich über alles.
Einen Tag später freute ich mich über Pflaumenkuchen zum Frühstück, der dann auch mein Hauptnahrungsmittel über den Tag verteilt blieb. Auch hierfür deckte ich den Tisch, nahm die Stoffservietten, die Silbergabel und zündete eine Kerze an, einfach weil sie dekorativ auf dem Küchentisch rumstand und ich in Laune war. Das postete ich als Insta-Story, bis mir einfiel, was für Reaktionen ich gerne auf solche Küchenstillleben bekomme: „Das sieht immer so hübsch bei dir aus! Für mich allein mache ich mir die Mühe nie.“
Erstens: Das sieht nicht immer so hübsch bei mir aus, Pflaumenkuchen schmeckt auch ohne Kerze direkt aus der Tupperdose. Auf Insta ist meist alles toll, aber ich poste auch nicht jedes Käsebrot oder Snickers, das ich esse.
Zweitens: Wenn ich das nicht für mich hübsch mache, für wen denn sonst? Du ziehst dir vielleicht ein besonderes Kleidungsstück an oder trägst die geerbten Ohrringe, um dich gut zu fühlen – ich zünde Kerzen an und nutze Stoffservietten und gebe Geld für Geschirr aus, von dem ich schon viel zu viel im Schrank habe. Weil ich mich immer und immer wieder über schönes Geschirr freue. Aber weil vieles nicht in den Geschirrspüler darf, esse ich durchaus auch von den guten, alten weißen Ikeatellern.
Im SZ-Magazin stand ein Artikel darüber, wie man in Sternerestaurants essen geht. Für mich war nicht viel Neues dabei, aber ich mochte den Ton des Artikels, der einen nochmal daran erinnert, dass es beim Essen um Genuss und Wohlfühlen geht. (Beim Artikel ohne Paywall lautet die Überschrift lustigerweise „Kleckern oder Krümeln ist menschlich“, während im Magazin „Einmal im Sternelokal essen – aber wie geht’s entspannt?“ steht.)
Ein paar Sätze, die ich mochte:
„Ein Mittag- oder Abendessen in einem Sterne-Restaurant kostet mehr als eine gewöhnliche Mahlzeit beim Italiener um die Ecke. Dafür ist ein Menü im Sterne-Restaurant ein Erlebnis, an das man sich lange, vielleicht sein Leben lang erinnert.“
Ja. Ich erwähne das dauernd, aber F. und ich sprechen noch von einem Lamm mit Polenta vom Oktober 2017.
„Bei vielen Restaurants kann man bereits bei der Reservierung angeben, ob man mit Fisch und/oder Fleisch, vegetarisch oder vegan essen möchte. Die meisten Restaurants haben ihr aktuelles oder ein Beispiel-Menü auf ihrer Webseite. Wenn man ein bestimmtes Lebensmittel partout nicht mag, das dort auftaucht, kann man das sagen. »Wir überreden niemanden, etwas zu probieren. Aber wenn wir eine Grundneugier spüren und das Gefühl haben, dass wir da minimal konfrontationstherapeutisch rankönnen, dann ermutigen wir die Leute schon«, sagt Ilona Scholl. »Gäste, die die Konsistenz von Pilzen nicht mögen, haben es nämlich trotzdem schon gerne, wenn sie einer Sauce eine schöne Umami-Tiefe verleihen.«“
Wir sagen grundsätzlich, dass wir alles essen. Bei mir persönlich sind Austern oder generell Meeresfrüchte totale Tagesform, vor allem letztere bestelle ich extrem selten von allein. Wenn ich sie dann auf dem Teller habe, finde ich sie aber meistens toll. Daher bin ich ganz froh, wenn mich jemand ein winziges bisschen aus der Komfortzone schmeißt.
Noch was zu Dresscode und ähnlichem, das fand ich schön auf den Punkt:
„Was andere Leute in der U-Bahn stört, stört auch im Restaurant. Das bedeutet, man sollte weder ungeduscht noch nach zu viel Parfum riechen, schließlich geht es um die Aromen auf dem Teller, nicht um die vom Nachbartisch.“
Ich verzichte inzwischen bei Restaurants völlig auf Parfum, weil ich weiß, wie intensiv wie uns inzwischen mit Wein beschäftigen. Und ja, wir sind die seltsamen Menschen, die ihre Nase sehr dicht über den Teller halten, sobald der vor uns steht.
Und was gelernt habe ich auch:
„Sobald alle Gäste Platz genommen haben, legt man die Serviette einmal quer gefaltet auf den Schoß, mit der offenen Seite zum Körper. Man benutzt nur die Innenseite, damit die Serviette außen sauber bleibt. »Vor dem Verlassen des Tisches lässt man die Serviette gefaltet neben dem Teller zurück. Niemals putzt man sich damit die Nase oder legt sie auf den Teller mit Sauce«, sagt Vincent Moissonnier. »Für einen Teller Spaghetti darf man die Serviette ins Hemd oder die Bluse stecken, damit die Kleidung sauber bleibt.«“
Das mit der Innenseite wusste ich noch nicht, das haben wir gleich mal am Küchentisch geübt, wobei F.s Falttechnik dem schon sehr entgegenkam. Meine ist jetzt neu.
Mittach von gestern. Ohne Serviette auf dem Sofa genossen.
Am Mittwoch fuhr ich nach Düsseldorf, wo ich am Donnerstag sehr lange unterrichtete.
In den letzten beiden Semestern war meine Veranstaltung immer montags. Im ersten Semester gingen nur Montag oder Freitag als Unterrichtstage, weil ich von Dienstag bis Donnerstag im schönen Lenbachhaus arbeitete. Also setzte ich mich am späten Sonntagnachmittag in den Zug und nölte innerlich vor mich hin, dass alle Wochenende hätten, nur ich nicht. Im letzten Wintersemester hatte ich das irgendwie gar nicht überrissen, dass ich den Termin hätte ändern können. Aber in diesem Semester dachte ich daran, nahm den Donnerstag, weil dann schon fast Wochenende ist, wenn ich fertig bin, aber noch nicht ganz, weswegen ich noch auf eine okaye Anwesenheitsquote der Studis hoffen konnte. Ich fange im Sommer immer morgens gegen 8 oder 8.30 Uhr an, was ich als Studi gehasst habe, aber einer meiner Dozenten, der auch immer den frühen Slot hatte, meinte mal: „Um diese Uhrzeit sind nur die Leute hier, die wirklich hier sein wollen.“ Das fand ich überzeugend, und wenn ich die Mitarbeit meiner Studis so ansehe, scheint das immer noch zu stimmen.
Was für einen Unterschied das für das eigene Wohlbefinden macht, sich vormittags in einen sauberen Zug zu setzen sowie den halben Nachmittag für schöne Dinge zu haben, hat mich selbst überrascht. Memo to me: Falls ich nochmal angefragt werde, weiterhin diesen Termin nehmen. Im Winter dann aber erst wieder um 10, denn um 8 ist es noch dunkel und das mag ich so gar nicht.
Einziger Nachteil: Wenn man wochentags früher im Zug sitzt, sind da auch die üblichen Businesskasper. Ich hatte schräg vor mir einen Herren, der per Zoom eine Präsentation hielt. Ich hörte selbstverständlich interessiert zu, wusste aber auch nach zehn Minuten noch nicht, worum es eigentlich ging; irgendwas mit „IT-Prozessen“. Ich halte Beratungskram inzwischen fast immer für Powerpoint-Karaoke.
Mittwoch hatte ich dementsprechend noch so gerade Zeit, die tolle Ausstellung von Tony Cragg im Kunstpalast anzuschauen – und vor allem anzufassen OMG! Ich hatte die herrlichen Skulpturen von Cragg schon mal in der Albertina gesehen und wollte nichts mehr als sie anzufassen, was man natürlich nicht durfte.
In Düsseldorf darf man das aber bzw. das ist der ganze Witz an der Ausstellung. Und so reihte ich mich in die kleine Menge an Besucher*innen ein, die genau wie ich mit leuchtenden Augen alles angrabschten, was rumstand.
Bei einer Bronzeskulptur sah man sehr deutlich, welches die beliebtesten Stellen des Publikums waren.
Ein Kind zeigte seinem Stoffhasen ewig eine Spiegelsäule, die mit dem Angrabschen optisch nicht ganz so gut klargekommen war, was mich daran denken ließ, dass die Putzkolonne hier Überstunden machen musste.
Ein Schild wies darauf hin, dass man die Werke bitte wirklich nur mit den Händen berührten sollte und das vorsichtig. Bei dieser Skulptur (Fiberglas?) verstand ich das „vorsichtig“ – sie bewegte sich ein bisschen unter meinen Händen.
An diesen Marmorblock hätte ich sehr gerne meine Stirn gelehnt, so weich und anschmiegsam war der Stein, aber ich war brav und ließ das bleiben.
Ich war völlig fasziniert davon, wie kühl Bronze war. Irgendwie hatte ich immer erwartet, sie warm vorzufinden. (Ausgerechnet an diesem Tag mit Pflaster unterwegs.)
Da ich von einem Katalog ausgegangen war, fotografierte ich kein einziges Werkschild, weswegen die Bilder hier keine Titel haben. Es gab nämlich keinen Katalog, ich habe keine Ahnung, was ich alles angefasst und bewundert habe. War mir aber relativ schnell egal, denn das war wie ein Spa Day. So entspannt bin ich noch aus keiner Ausstellung gekommen. Herrlich. Bitte noch schnell hingehen und Kunst anfassen, die Schau läuft nur noch diese Woche.
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Der Donnerstag war anstrengend, aber großartig, und ich kam mit einem totalen Hochgefühl aus dem langen, langen Unterricht. Das versaute mir dann aber die Bahn, weil mein gemütlich gebuchter 16.22-Uhr-Zug ausfiel und ich gerade noch so total abgehetzt und verschwitzt die 15.22-Uhr-Verbindung erwischte. Innerlich entschuldigte ich mich bei allen Mitreisenden, ich hoffe, ich habe nicht zu sehr gestunken. Ab Frankfurt war’s aber egal, da saß jemand vor mir, der dem Geruch nach zu urteilen ungefähr ein Kilo Cannabis in seinen Haaren verteilt hatte.
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Freitag hatte ich einen erst Dienstag angesetzten Termin, zu dem ich nur so halb gut vorbereitet kam, weil ich schlicht nicht genug Zeit für eine anständige Vorbereitung gehabt hatte. Den setzte ich dann auch gefühlt komplett in den Sand und war danach stundenlang mies drauf. Gestern noch eine Königin, heute der Depp mit Hut.
Abends gab’s immerhin einen hervorragenden Rotwein und einen eher pferdestalligen Burgunder, der ernsthaft eine knappe Stunde an der Luft brauchte, bis ich ihn trinken wollte und nicht nölig vom Glas wegzuckte. Dazu gab’s viel Käse und noch mehr gute Gespräche und vor allem sehr viel Musik. F. und ich sind inzwischen fast neun Jahre zusammen und wir klärten JETZT endlich mal die Dinge, die man sonst so beim zweiten Date abfragt: „Hey, was hörst du eigentlich seit 30 Jahren für Musik?“ Bin jetzt auf dem neuesten Stand aller Gitarrenbands der USA und der Herr kennt nun „Tanz den Mussolini“ von DAF. Wir waren um 4 im Bett, nachdem wir am Küchentisch diverse Songs mitgesungen hatten, als Abschluss meine ich, war es „Self Esteem“ von The Offspring, deren CD jetzt auch gerade beim Bloggen mitläuft. Schon ewig nicht mehr gehört.
Samstag gleich noch eine Ausstellung weggeguckt. Noch mehr Rotwein getrunken und Käse gegessen. Und mit Champagner angestoßen, aus Gründen.
Sonntag ewig gemeinsam rumgelungert. Kuchen gebacken. Pflaumen mussten weg, es hilft ja nichts, alles ganz schlimm.
Abends spontan auf ein kleines Bierchen in der Stammkneipe eingekehrt. Die ersten 20 Minuten eines fiesen Regenschauers noch unter der Markise draußen genossen, aber irgendwann kam das Wasser nicht mehr von oben, sondern seitwärts. Für fünf Minuten reingegangen und im Stehen getrunken, dann wieder rausgesetzt und das komische Licht angeschaut.
Gestern auf dem Balkon endlich „Franziska Linkerhand“ ausgelesen; das zog sich zum Schluss doch ein bisschen. Ich mochte das Buch sehr, kann aber ein paar Sätze aus dem Nachwort meiner Ausgabe nachvollziehen: „Die Überladung einzelner Figuren mit einer Fülle von Geschichten stellt ein Grundproblem des Romans dar. Brigitte Reimann besaß die Gabe, Menschen zuzuhören, und sie konnte Geschichten erzählen. Doch ihr stand in ihrem Roman nur ein begrenzter Personenkreis zur Verfügung, der diese Fülle von Geschichten tragen musste.“ Ja. Wahnsinnig viel Biografie, sehr wenig Handlung. Trotzdem: ganz große Empfehlung. Vielleicht ab und zu mal zehn Seiten quer lesen, das passt schon.
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Hatte ganz vergessen, wie gern ich „Gotta get away“ mag.
Der 6-Euro-Wein aus dem 50-Euro-Glas.
In einem Hörsaal der LMU gesessen, ganz wie damals. (Damals = 2012 bis 2017 plus noch ein paar Vorlesungen aus Spaß.) Gute Nachrichten erhalten. Auf weitere Nachrichten gewartet. Lecker Brokkoli gegessen. Handy leergedaddelt, weil keine Lust auf Kopfanstrengen.
Ein paar Tomaten warten noch in der Küche darauf, nach draußen zu dürfen, aber ansonsten ist der Balkon jetzt frühlings- und sommerstartklar. Alle Teppiche, die ich für diesen Ort besitze, liegen, Tisch und Stuhl sind dort, und am Samstag schraubte ich auch nach zwei Jahren endlich einen zweiten Sonnenschirm ans Balkongeländer, damit ich auch in der Zeit zwischen 11 und 18 Uhr draußen sein kann, ohne meine zarte Alabasterhaut zu ruinieren, die kleine Memme. Wie ich schon tootete: „Zweiten Sonnenschirm am Balkongeländer angebracht: check! Dabei den Inbusschlüssel einmal aus dem vierten Stock in den Hof fallengelassen: auch check!“
Gestern saß ich morgens draußen, trank Kaffee und las im Jerusalem-Buch weiter. Ein kleiner atemloser Ausschnitt findet sich auf Masto.
Mittags vollendete ich die Samstag begonnene Sauce aus gerösteten Paprika, Pilzen und Walnüssen und genoss das ganze ebenfalls an der frischen Luft.
Erst beim Essen fiel mir auf, dass vielleicht ein Detailfoto zur Sauce nett wäre. Im Rezept aus den Meal Plans (daher kein Link) wird das ganze „mushroom “meat”“ genannt, was ich nicht so clever finde. Ich ahne, dass das ganze an Ragu oder Bolognese erinnern soll, aber es schmeckt natürlich nicht so. Rindfleisch schmeckt nach Rindfleisch, Tofu, Pilze, Seitan und was man sonst noch so optisch in Fleischnähe kriegt, schmeckt wie Tofu, Pilze, Seitan mit diversen Gewürzen. Und das ist auch völlig in Ordnung so. Ich muss aber zugeben, dass die Textur durchaus an Sauce Bolognese erinnerte und zudem äußerst schmackhaft war.
Nach einem ausgedehnten Mittagsschläfchen und den üblichen Dingen, die ich so am Wochenende zuhause mache („rumkrutschteln“ nennt F. es immer), saß ich abends dann erneut auf dem Balkon, schaute dem Sonnenuntergang zu, las, solange das Licht es noch zuließ und freute mich darüber, dass die Nachbarin mit dem Raucherhusten, den ich auch bei geschlossenen Fenstern höre, gerade mal nicht auf dem Balkon war.
Außerdem habe ich auf einen Tipp von Herrn Buddenbohm hin nun auch eine Vogelstimmen-App auf dem Handy und staune über Amseln, Meisen, Rotkehlchen und Mönchsgrasmücken. Nur über Tauben staune ich weniger; diese SUV der Lüfte mit ihrem Ausmaßen und dem dann doch beeindruckend lauten Flügelschlag nerven einen Hauch, wenn ich so königinnengleich in meinem kleinen Zusatzreich rumlungere.
Den ganzen Tag lang Häuslichkeiten erledigt und dann mit einer Kanne Kaffee und der derzeitigen fiktionalen Lektüre „Franziska Linkerhand“ auf dem Balkon versackt. Abends das erste Sößchen aus dem Meal Plan vorbereitet, und dann war es Zeit für die Gute-Laune-Sendung aller Gute-Laune-Sendungen: den ESC.
Der neue Kommentator nach Urgestein Peter Urban muss anscheinend ähnlich bemühte Scherze vortragen, was ich schade finde: Vor zehn Jahren war die ewige Ironie aus der Kommentatorenbox, angeführt von Graham Norton, vielleicht noch lustig, hey, lasst uns das alles nicht zu ernst nehmen, aber inzwischen fände ich es netter, genau das zu tun: es ernst zu nehmen. Das hindert kein Land daran, komplette Quatschacts auf die Bühne zu schicken, so wie gestern Finnland, das dafür auch weit hinten blieb, aber es gibt eben auch genug Künstler*innen, die eine Botschaft haben, wie Nemo aus der Schweiz, die dafür als Sieger*innenland Malmö wieder verlässt. (Ich merke gerade, dass die genderneutrale Schreibweise Nemos ein gewisses Umdenken erfordert. Erstens: ach was?!? und zweitens: jo, geht aber.) Ich finde es inzwischen schade, dass auch die Acts, die gute Musik bieten wollen, dieselbe distanzierte, selbstironische Kommentatorensauce abbekommen wie alle anderen.
Was mir gestern bei mir selbst auffiel: Es dauert ungefähr drei Minuten und dann ist die ganze blöde Welt da draußen egal, die Halle tobt, es gibt laute Musik, alle wedeln mit Fähnchen und es ist völlig egal, wessen Fahne es ist, und das Internet kommentiert sich die Finger wund. Europa hat gemeinsam gute Laune, jedenfalls meine Timeline, und ich mittendrin. Leider war das Fediverse nicht auf diesen Ansturm vorbereitet, ich musste irgendwann dem Hashtag #ESC folgen, weil meine Timeline ungefähr 20 Minuten Verspätung hatte, aber auch der Hashtag kam irgendwann nicht mehr hinterher. Also suchte ich Asyl auf Bluesky, was ich quasi null bespiele außer um auf Blogeinträge hinzuweisen. Hier fand ich den Rest meiner Timeline, die nicht auf Masto ist, und konnte weiterhin Spaß haben.
Was mich selbst überraschte bzw. was mir erst bei den Publikumspunkten auffiel: wie wenig politisch die Punktevergabe war. Israel bekam aus Deutschland zwölf Punkte und schnitt generell beim Publikumsvoting deutlich besser ab als bei den Jurystimmen. Diese vielen Punkte wurden aber in der Halle mit Pfiffen kommentiert, die sonst kein einziger Act abbekommen hatte. Ich selbst rief für die Schweiz (I am here for the DRAMA), Kroatien (wie Rammstein ohne Faschoscheiß, genau meins) und Portugal an (der Act fiel in seiner Ernsthaftigkeit raus, das mochte ich – wobei ich heute las, dass die langen Fingernägel der Sängerin grafisch die Kufiya zitierten, was mich arg mit den Augen rollen ließ. Die verlinkte Aufnahme ist vermutlich aus dem Halbfinale, da sind die Fingernägel noch weiß). Ich kam aber selbst nicht auf die Idee, für Israel anzurufen, einfach weil ich den Song nicht so toll fand. Vor zwei Jahren rief ich hingegen mehrfach für die Ukraine an. Darüber muss ich noch nachdenken.
Ehrenwerte Erwähnungen: Armenien, das machte sehr viel Spaß, und Frankreich, das die oben angesprochene ernsthafte Musik bot.
Was mich gestern allerdings irre machte, war der Hinweis des Kommentators auf die anti-israelischen Demonstrationen in Malmö, die inzwischen ernsthaft Vergleiche zu Russland ziehen: Das sei als Kriegspartei ja auch vom ESC ausgeschlossen, wieso also nicht auch Israel? Damit war die gute Laune kurzzeitig hinüber, aber ich konnte mich immerhin für die Schweiz mitfreuen, deren Botschaft hiermit laut und deutlich und weltweit zu hören gewesen war.
Gelernt: Pflanzerde und Blähton per Post erhalten = super. (Das war das schwerere Paket, für das der DHL-Bote gutes Trinkgeld bekommen hat.) Aber: Pflanzen per Post = eher nicht so. Die kamen doch etwas zerrupfter an als wenn ich sie selber mit der guten, alten Ikea-Tüte in der U-Bahn transportiert hätte. Ich hatte die brillante Idee, alles auf einmal zu bestellen, und die Website klang so, als ob deswegen eine Spedition auch alles auf einmal bringen würde, aber stattdessen waren es drei Einzelsendungen per DHL. Das machen wir dann also auch nicht nochmal.
Trotzdem habe ich mich gefreut, denn seit gestern blüht es wieder auf meinem Balkon und zwar in pink, weiß und violett. Ich hoffe, die Bienen bekommen davon genauso gute Laune wie ich. Nachdem ich gestern noch einen neuen Balkonkasten und ein paar Übertöpfe erstanden hatte, schippte ich 20 Liter Erde um, befreite Geranien, Köcherblümchen, Salbei und Schneeflockenblume aus ihren Plastiktöpfen und pflanzte in der Gegend herum. Dann breitete ich den Outdoorteppich aus, legte noch zwei alte Ikea-Läufer darüber, weil ich lieber Wolle unter den Füßen habe als Plastik, schleppte den schon aus dem Keller geholten Tisch sowie meinen Klappstuhl auf den Balkon, spannte den Sonnenschirm auf und lag erst einmal 20 Minuten einfach nur rum. Ich sonne mich nie, meine Haut findet Sonne auch eher doof, aber gestern wollte ich noch nicht lesen, noch nicht aufs Handy starren, sondern einfach nur stumm und mit geschlossenen Augen und leicht erhöhten Füßen in der Wärme liegen. Es waren bloß 20 Grad, aber das ist für mich ja schon am oberen Ende der Wohlfühlskala. Das war schön.
Gestern war der klassische Tag nach einem tollen Fine-Dining-Abend: Wir schliefen ewig, lungerten ewig im Bett rum und frühstückten zur Mittagszeit. Gestern waren wir aber noch mit einer anderen Tätigkeit beschäftigt: Tickets buchen.
Die Agentur, in der ich am längsten fest angestellt war und am häufigsten frei gebucht wurde, wird in diesem Jahr 25 Jahre alt. Dafür gibt es eine große Party, für die man Eintrittskarten erwerben kann, wofür man eine Foodtruck-Flatrate und ewig freie Getränke bekommt (plus noch mehr Zeug). Ich hatte ein bisschen gehadert mit der Buchung, aber F. hatte einen hervorragenden Plan: „Wenn wir am 28. Juni bei der Party sind, können wir am 29. in die Elbphilharmonie.“ Dort war ich nämlich unglaublicherweise immer noch nicht, und am besagten Datum gibt es Musik von Smetana (yay!) und Martinů (OH MY GOD!) sowie Grandmasters Dvořáks Neunte, die ich erst einmal live gesehen habe, aber dauernd live sehen möchte. Also das perfekte Programm.
Wir saßen uns mit unseren Laptops am Küchentisch gegenüber, ich buchte Werbung und Zug, F. buchte Klassik – bis ihm auffiel: „He, Moment, wieso steht auf den Tickets der 28. Juni und nicht der 29.?“ So erfuhren wir, dass es das Kracherprogramm an zwei Abenden gibt. Und wir hätten jetzt zwei Tickets für den ACHTUNDZWANZIGSTEN übrig. Wer also am FREITAG, DEN 28. JUNI, gerne in die Elphi will, sagt mir bitte Bescheid. Die Tickets sind erste PK und liegen nicht direkt nebeneinander – es gibt nur noch wenige Karten –, aber sie sind im selben Block über denselben Eingang zu erreichen.
Dirk von Ligne Claire hat einen netten kleinen Newsletter, wo Menschen ihre Arbeitsplätze herzeigen. Gestern war ich dran: Hier gibt’s ein bisschen Text zum untenstehenden Bild.
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Abends holten wir das Geburtstagsdinner für F. nach, das letzte Woche wegen unabhängig von einander krank seienden Teilnehmer*innen verschoben werden musste. Wir ließen es uns wie immer bei Tohru gut gehen, lernten den neuen Sommelier kennen und lieben und hatten erneut einen ganz hervorragenden Abend.
Ich habe nur eins der Desserts fotografiert („Okashi“), denn bei den anderen Gängen war ich mit Riechen und Anschauen und Bewundern und dann konzentriertem Schlemmen beschäftigt. Beim letzten Gang hatte ich schon so viele tolle Weine intus, dass es für einen kurzen Schnappschuss gereicht hat.
Ich weiß noch, dass ich die kleine Blüte komplett mit den sie umgebenden Blättchen sowie der Kokoscreme und der Erdbeersauce auf den Löffel bekommen habe und zu F. meinte, wie hübsch das alles sei. Und dann war sie weg, die ganze Schönheit. Darauf noch einen Absacker-Whisky.
Für das Bayern-Viertelfinale in der Champions League hatte ich mir mal wieder einen Monat Amazon Prime gegönnt, der sich beim gestrigen Halbfinale von Dortmund auszahlte. Blöderweise lief aber gleichzeitig auf arte die Neunte von Beethoven, ich erwähnte es gestern. Also schloss ich Fußball auf dem Laptop und rief Klassik auf, loggte mich aber auf dem Handy bei Prime ein und ließ das Spiel stumm nebenbei laufen, während ich Beethoven hörte. Das sollte ich öfter machen, das war sehr lustig. Vor allem, weil der Schlusspfiff und die überbordende Freude des BVB über den Finaleinzug ganz herrlich mit dem vierten Satz zusammengingen.
Man kann die Aufführung aus vier verschiedenen Städten netterweise in der Mediathek nachschauen.
Dieser halbkranke Zustand ist ja kein Zustand. Also nahm ich gestern mein Konditionstraining für die Welt da draußen auf, indem ich drinnen blieb, Bettwäsche wechselte, das Schlafzimmer entstaubte und in drei Zimmern Fenster putzte. Damit war die Kraft dann kurz erschöpft und ich hatte schon fast 4000 Schritte gemacht, wie mein Hosentaschenhandy mir anzeigte. Ein paar verbrauchte ich dann noch beim Kochen, aber der Nachmittag und Abend wurde wieder brav auf dem Sofa verbracht, wo ich mich erneut und immer wieder über seltsame Duolingo-Vokabeln amüsierte.
Burrito Bowl: Reis, Paprika aus der Pfanne, schwarze Bohnen mit ordentlich Chili und Limettensaft, veganer Queso (Cashewkerne, Jogurt, Nährhefe. Gewürze), Avocado, Cherrytomaten und ein Salätchen dazu. Memo to me, weil das schon der zweite Salat aus dem Meal Plan ist, mit dem ich nicht ganz so glücklich bin: Dressings mit Orangensaft magst du nicht, weil zu obstig. Mach einfach dein Lieblingsdressing mit Rotweinessig.
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Meine Stimme ist fast wieder komplett da, wie ich beim zweistündigen Telefonat mit dem Mütterchen merkte.
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Ich hatte eine etwas größere Sendung bestellt, die aus mehreren, teilweise schwereren Einzelteilen bestand, weswegen ich davon ausging, dass zwei Speditionsjungs bei mir auflaufen würden. Es war aber der DHL-Bote, der die ersten beiden Teillieferungen brachte, die dritte kommt vermutlich heute, von der vierten weiß ich noch nichts. Gestern war der schwere Teil dabei, weswegen ich 10 Euro Trinkgeld zückte, was den Boten irgendwie überforderte. Vielleicht brauche ich doch ab und zu ein Auto. Ich habe mir eure Tipps für Leihwägen in München brav gemerkt, will aber eigentlich kein Auto durch München steuern.
(LIEFERTRAMS NOW!)
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Heute vor 200 Jahren hatte Beethovens Neunte Uraufführung, wie ich seit Tagen auf allen Kulturkanälen lernen darf. Auf arte gibt es deswegen heute abend ab 21.35 Uhr ein Livekonzert und das tollerweise aus vier Städten:
„Das Gewandhausorchester unter Andris Nelsons eröffnet den Abend in Leipzig mit dem ersten Satz. Weiter geht es mit dem Orchestre de Paris, das unter Klaus Mäkelä in der Philharmonie de Paris mit dem zweiten Satz zu hören ist. Den dritten Satz interpretiert Riccardo Chailly an der Spitze des Orchestra del Teatro alla Scala. Für den vierten und letzten Satz, der mit der „Ode an die Freude“ ganz im Zeichen der Völkerverständigung steht, kehrt ARTE zurück in die Stadt der Uraufführung: nach Wien. Es spielen die Wiener Symphoniker unter Petr Popelka.“
Freude!
Wir hatten Konzertkarten für Grigory Sokolov. Auf den Abend hatte ich mich schon länger gefreut, denn, warum auch immer, das Publikum ist bei Sokolov eindeutig disziplinierter als bei allen anderen Interpret*innen. Der olle Herkulessaal ist schön runtergedimmt, der einzige wirkliche Lichtpunkt ist der Kegel über dem Flügel, an dem Sokolov sehr unfeierlich Platz nimmt, sein Ding macht, sich nach vorne und hinten verbeugt (auf der Bühne stehen auch Stühle fürs Publikum) und wieder abgeht. Nach dem eigentlich Programm gibt es immer sechs Zugaben, jeweils zwei Verbeugungen und dann ist Schluss. Und weil der Pianist gefühlt so abgezirkelt seinen Stiefel durchzieht, hustet kaum jemand, kein Handy flackert (wobei gestern eins klingelte) und sobald das Saallicht gedimmt wird, ist Ruhe im Laden.
Leider war ich noch nicht ganz optimal fit, ich merkte im ersten Teil, der komplett aus Bach bestand, dass alles an mir vorbeilief, ich konnte mich überhaupt nicht konzentrieren, mein Kopf war noch im Bett oder wollte da wieder hin. Außerdem muss ich mir Bach immer erarbeiten, das klingt für mich stets wie vertonte Mathematik, das bewundere ich intellektuell, aber ich lasse mich dann doch lieber von osteuropäischen Komponist*innen emotional hinwegspülen. Gestern war mir alles eine Nummer zu groß und ich musste in der Pause gehen, schon vom Rumsitzen und konzentrierten Zuhören angeschwitzt und überfordert.
Es gab zunächst Bachs „Vier Duette BWV 802–805“, hier mit Tatiana Nikolayeva, und anschließend, von Sokolov ohne Pause gespielt, die „Partita Nr. 2 in c-Moll BWV 826“, hier mit Sokolov. Die Sarabande war der einzige Teil, bei dem ich merkte, dass ich mitging und fasziniert war, der Rest war Arbeit und damit für mich nicht das richtige gestern. Sonst gerne, aber mir fehlte die Kraft.
Nach der Pause hätte ich gesehen: Chopins „Vier Mazurken op. 30“, hier mit Julianna Avdejeva, danach seine „Drei Mazurken op. 50“, hier mit Wladimir Aschkenasi. Abschließend noch Schumanns „Waldszenen“ op. 82, hier mit Igor Schukow.
Hier ist ein total illegaler Smartphone-Mitschnitt vom kompletten Konzert vom Februar in Sevilla mit demselben Programm, wie ich gerade auf YouTube sehe. Mal sehen, wie lange das online bleibt.