2017 revisited

(2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009, 2008, 2007, 2006, 2005, 2004, 2003.)

1. Der hirnrissigste Plan?

Ich glaube, man kann meinen Plan, mich weiterhin kunsthistorisch bilden zu wollen, obwohl vermutlich keine Karriere mehr daraus wird, als hirnrissig bezeichnen. Oder als gut für die Seele. #dissertation

Runner-up: den Wiesntisch ausgerechnet am Vorabend der Bundestagswahl zu haben, bei der ich Wahldienst leistete und dementsprechend früh aufstehen musste.

2. Die gefährlichste Unternehmung?

Im fünften Stock Fenster zu putzen. Erkältet bei offenem Fenster zu schlafen. Die heiße Suppe auf dem Löffel nicht anzupusten. Oder anders gesagt: Ich war sehr risikoscheu in diesem Jahr.

3. Die teuerste Anschaffung?

Mein altes iPhone zickte ungefähr ein Jahr rum und ich erduldete es, weil ich gerade kein Geld ausgeben möchte, wenn es nicht unbedingt nötig ist, aber in Kassel auf der documenta war ich kurz davor, das Telefon an die Wand zu werfen. Obwohl ich wusste, dass bald neue iPhones rauskommen, kaufte ich ein quasi veraltetes – einfach, um wieder ein funktionierendes Handy zu haben, das mich nicht wahnsinnig macht. 430 gut angelegte Euro. Jetzt kann ich wieder mindestens eine Generation überspringen.

4. Das leckerste Essen?

Ich befülle diesen Fragebogen immer über Monate hinweg, er liegt ab spätestens Mitte des Jahres in den Entwürfen, damit ich nichts vergesse. Bis Oktober stand hier: Der erste Kaffee mit selbst gemahlenen Bohnen. Der erste selbstgebastelte Irish Coffee. Das Voit in Kassel. Immer wieder das Broeding.

Nach Oktober kann hier nur noch das Tantris stehen. Ganz weit vorne und ohne jede Konkurrenz. F. und ich reden immer noch ehrfürchtig darüber.

5. Das beeindruckendste Buch?

Comic: Mawils Kinderland. War leider der einzige, den ich dieses Jahr gelesen habe, aber dafür war er richtig gut.

Sachbuch: The Unwinding: Thirty Years of American Decline von George Packer. Ist bereits 2014 erschienen, liest sich aber wie eine Bedienungsanleitung für die Wahl Donald Trumps. Sehr unangenehm, aber unwiderstehlich geschrieben, auch wenn die Stileigenheiten nach 200 Seiten etwas nervig werden.

Runner-up: Da hätte ich gleich zwei. Mein Verständnis für die Nachkriegspolitik in Europa hat James L. Sheehans Where Have All the Soldiers Gone? The Transformation of Modern Europe (auf deutsch: Kontinent der Gewalt: Europas langer Weg zum Frieden) sehr verbessert, und die englische Fassung las sich ganz hervorragend. Direkt dahinter: Carolin Emckes Gegen den Hass.

Fiktion: A Little Life von Hanya Yanagihara. Selten hat mich ein Buch so mitgenommen. Im Prinzip gleichauf: The Underground Railroad von Colson Whitehead. Außer Konkurrenz: The Handmaid’s Tale von Margaret Atwood. Das habe ich auch als Serie gleichzeitig fasziniert und verängstigt verfolgt.

6. Der ergreifendste Film?

Coco vor Moonlight. Lobende Erwähnung geht an Get Out; eigentlich mag ich keine Horrorfilme, aber der hier hatte eben doch deutlich mehr zu bieten als puren Grusel.

Generell sehe ich immer weniger Filme, sondern lungere stundenlang vor Serien rum (danke, Netflix). In diesem Jahr mochte ich Please Like Me, BoJack Horseman und Rick and Morty am liebsten. Weiterhin Pflichtprogramm sind seit letzter Season The Good Place und This Is Us, seit diesem Jahr wieder Will & Grace (I MISSED YOU SO MUCH!), seit immer Grey’s Anatomy und zum Schmachten Outlander. Hoffentlich hört Better Call Saul nie auf, jetzt wo ich von meinen geliebten The Leftovers Abschied nehmen musste.

7. Die beste CD? Der beste Download?

Keine Musik gekauft, aber dafür brav für Spotify Premium gezahlt. Das lohnt sich beim Walken jetzt so richtig, wo ich immer dem kompletten Mix der Woche zuhöre und nicht nur den ersten drei Songs.

8. Das schönste Konzert?

Nur in einem mit den Münchner Symphonikern gewesen, daher war das eindeutig das schönste. Und in der Oper war Rusalka als All-Time-Favorite vorne.

9. Die tollste Ausstellung?

Ich habe die irrwitzig große und vollgehängte Postwar-Ausstellung im Haus der Kunst als grundlegend wahrgenommen. Sie hat mein Wissen über die Nachkriegskunst entscheidend erweitert, vor allem, weil sie sich nicht auf Europa und die USA beschränkt hat, sondern ich mir auch Kunst aus Asien und Afrika anschauen konnte. Wer die Gelegenheit hat, im gefühlt acht Kilo schweren und knapp 900 Seiten dicken Katalog zu blättern, sollte das tun.

Ebenfalls im Haus der Kunst sah ich Thomas Struth, über den wir im Podcast gesprochen haben und mit dem ich mich in einem Einzelmeister beschäftigte. Die Ausstellung wurde verlängert und läuft noch bis zum 7. Januar – schnell noch rein!

Völlig überwältigt war ich von Hisako Inoues Bibliothek der Gerüche in der Villa Stuck. Ich habe leider nicht über sie gebloggt, aber wir sprachen im Podcast begeistert darüber, wie toll es ist, seine Nase in Bücher zu stecken. Auch diese kleine Ausstellung läuft noch und zwar bis zum 14. Januar.

Für mich persönlich hat sich der Besuch in der Galerie Michael Hasenclever sehr gelohnt, in der ich mir Carl Grossberg anschauen konnte.

10. Die meiste Zeit verbracht mit …?

Lesen und schreiben. Ab August Zukunftspanik schieben.

11. Die schönste Zeit verbracht mit …?

Lesen und schreiben. Und kuscheln. Netterweise nicht erst seit August.

12. Vorherrschendes Gefühl 2017?

Okay, jetzt schnell ein Masterthema finden! Okay, jetzt schnell die Masterarbeit schreiben! Okay, jetzt schnell ein Dissertationsthema finden! Okay, jetzt für die Promotion immatrikulieren! Okay, jetzt bei allen Werbeagenturen, die dich jemals gebucht haben, vorstellig werden! Okay, zwischendurch mal atmen und dich hinsetzen und über dein Leben nachdenken. … nee, warte, doofe Idee, lieber atemlos weiterhetzen!

Das nervt mich seit einigen Wochen gewaltig, dass ich nach der Masterarbeit keinen bewussten Schnitt gemacht habe, um mich neu aufzustellen. Was genau will ich in den nächsten Jahren machen, wo, mit wem? Wie positioniere ich mich und als was eigentlich? Da habe ich sehr viele hysterische Schnellschüsse produziert anstatt erst zu denken und dann zu schreiben. Immerhin ist am Jahresende doch noch eine neue Website dabei rausgekommen, die ich hinter den Kulissen gefühlt fünfmal komplett umgeschmissen habe. Jetzt bin ich mit ihr und meiner Positionierung aber sehr zufrieden.

13. 2017 zum ersten Mal getan?

Cold Brew angesetzt. Eine Dauerkarte für einen Fußballverein besessen. (Na gut, nur ne halbe, aber das zählt, finde ich.) Ein, zwei Museumskataloge in der Hand gehabt, in denen der eigene Name steht. In Regensburg gewesen. Im Ägyptischen Museum München gewesen. Auf der documenta gewesen. Eine Masterarbeit abgegeben. Doktorandin geworden. Im Tantris gegessen. Stundenlang übers Olympiagelände gegangen.

14. 2017 nach langer Zeit wieder getan?

Ein Studium abgeschlossen (MA, der BA war 2015, das lasse ich als „lange Zeit“ durchgehen). Halbwegs regelmäßig Sport gemacht. Eine gedruckte Zeitung abonniert. Vorstellungsgespräche gehabt. Wahldienst geleistet.

15. Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten können?

Die erste Diss-Idee, die keine fünf Minuten hielt. Die gefühlt zehn Erkältungen im November. Der Abstiegskampf vom FC Augsburg in der Saison 2016/17, der mich als So-gerade-noch-Bayern-Fan aber sehr geerdet hat – so fühlt sich also normaler Fußball an.

16. Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?

Die ganzen Hamburger und Berliner Agenturen, mich wieder für die Langstrecke zu buchen, nachdem ich fünf Jahre lang nur kleine Jobs angenommen habe, weil die Uni halt wichtiger war. Das läuft langsam an, was mich sehr freut.

Meinen Doktorvater musste ich nicht groß von mir überzeugen. Ich nehme das als gutes Zeichen.

17. Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?

Am letzten documenta-Tag nicht mehr zu quengeln.

18. Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?

Der Besuch im Tantris, den eine Leserin übernommen hat. Die Opernkarte für Rusalka, die total überraschend kam. Eine neue Website. Eine Kaffeeflasche. Und lauter süße Kleinigkeiten, die F. auf mein Kopfkissen legt, während ich mich im Bad für die Nacht fertig mache. („Du musst mir nicht dauernd was schenken.“ – „Aber du freust dich immer so.“ – „😍“)

19. Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?

„Diss passt.“

20. Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?

„Ich freue mich darüber, bei jemandem im Arm zu liegen, der sich darüber freut, dass ich bei ihm im Arm liege.“

21. 2017 war mit einem Wort …?

Unlangweilig.

What Anke Ate in 2017

IMG_1287

IMG_1309_500

IMG_1599

IMG_1323

IMG_1168

Meine Großeltern

Weihnachten verbringe ich seit einigen Jahren immer in der alten Heimat, also dem Wohnort meiner Eltern. So setzte ich mich auch in diesem Jahr am Heiligen Abend in München in den Flieger und ließ mich vom Schwesterherz in Hannover abholen, genoss zweieinhalb ruhige und entspannte Tage und flog am späten Nachmittag des 26. Dezember wieder nach Hause. Die Zeiten, in denen wir mit Kaffee, Tee und Plätzchen oder Pralinen, Whisky und Sekt um diverse Tische saßen, nutzte ich, um meine Eltern nach ihren Eltern auszufragen. Ein paar Dinge wusste ich, aber diesen Blogeintrag der Kaltmamsell von Anfang Dezember wollte ich doch nicht kommentieren, weil ich mir bei einigen Details nicht sicher war.

Ich wusste, dass Opa (die Eltern meines Vaters heißen bei uns Oma und Opa, die meiner Mutter Omi und theoretisch Opi, denn den lernte ich nie kennen) in der Wehrmacht gewesen war, wie so viele seines Geburtsjahrgangs, und ich wusste auch, dass er ein paar Auszeichnungen bekommen hatte, die Papa im Bankschließfach aufbewahrt. Sie sind nicht sehr viel wert – ich habe bei einigen Militaria-Händlern gegoogelt –, aber da liegen sie trotzdem gut. Aus Interesse an der NS-Zeit, mit der ich mich bekanntermaßen auch in der Dissertation beschäftigen werde, bat ich Papa, sie aus dem Schließfach zu holen, damit ich sie mir anschauen könnte. Im Zuge dessen meinte Papa, er habe mir auch den Ordner rausgelegt, in dem er die Verleihungsurkunden zu den Ehrenzeichen aufbewahrte. Erster Lerneffekt über die Feiertage: Es gibt schriftliche Unterlagen zum Blech. Wusste ich nicht.

Ich verbrachte einen Teil des ersten Weihnachtstags damit, Schriftstücke zu scannen; im Ordner von Opa fand ich auch einiges von Oma, die vor ihm verstorben war und deren Unterlagen er scheinbar einfach zu seinen genommen hatte. Viel war es nicht, aber jetzt kann ich drüben endlich kommentieren bzw. auf einen anständigen Blogeintrag verlinken.

Mein Opa stammt aus Baden-Württemberg, wo er direkt nach seiner achtjährigen Schule eine vierjährige Glasschleifer-Lehre bei WMF machte; sein Gesellenstück, eine Obstschale, besitzen wir heute noch. Während der Zeit der Weltwirtschaftskrise war er als Kurzarbeiter tätig, bevor er 1934 kurzzeitig Polizist in Ulm wurde. 1935 trat Opa in die Wehrmacht ein. Er war bei der Luftwaffe, ließ sich im Laufe der Zeit zum Bordmechaniker ausbilden und verließ das Heer als Oberfeldwebel. In seinen Unterlagen finden sich zwei Verpflichtungserklärungen, eine von 1935, eine von 1938, von denen die letzte theoretisch bis September 1946 gegolten hätte. Ich fand auch die Unterlagen der Alliierten über seine Entlassung aus den Streitkräften („Certificate of Discharge“) vom 25. Juni 1945. Nach seiner Kriegsgefangenschaft, von der ich nicht weiß, wo er sie verlebt hat und wie lange sie dauerte, erlernte er das Zimmermannshandwerk, das er bis zu seinem Tod ausübte. 1957 bewarb er sich für einen Posten in der inzwischen gegründeten Bundeswehr, scheint aber abgelehnt worden zu sein. In seinen Unterlagen finden sich zwei von ihm handgeschriebene Lebensläufe, einer von August 1945, in dem seine Gefangenschaft noch nicht erwähnt wird, und einer von 1957, der für die Bewerbung zur Bundeswehr erstellt wurde. Wofür der erste war, weiß ich leider nicht.

Während seiner Wehrmachtszeit wurde Opa nach Norddeutschland versetzt, wo er meine Oma kennenlernte. Sie stammte aus Oldenburg und war nach ihrer Schulzeit als Küchenhilfe tätig. Ich fand Unterlagen bzw. Zeugnisse von verschiedenen Orten, zum Beispiel einer Heil- und Pflegeanstalt sowie von einem Gasthof auf Wangerooge. Ich erinnere mich, dass Oma manchmal von ihrer Zeit „auf der Insel“ erzählt hatte. Eine berufliche Ausbildung hat sie anscheinend nicht gemacht, sie ging, wie es für viele Frauen ihrer Zeit üblich war, nach der Schule „in Stellung“. Während des Kriegs arbeitete sie als Köchin, unter anderem in einem Gefangenenlager für französische Soldaten. Mit mindestens einem von ihnen hatte sie noch jahrzehntelang brieflichen Kontakt, aber Genaueres wusste mein Vater auch nicht. Ich habe auch keine Briefe gefunden. Ich kannte Oma als immer beschäftigte Frau, auch wenn sie, soweit ich das verstanden habe, nach 1945 keinen Beruf mehr ausübte, sondern sich um Haus, Familie, Garten und Kleinvieh kümmerte; ich kenne noch den Hühnerhof bei Oma und Opa, aber auf alten Fotos sind auch noch Ziegen, Schweine und Schafe zu sehen. Sie engagierte sich beim Aufbau des DRK in ihrem Wohnort und wurde dafür mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet; ich weiß peinlicherweise gerade das Jahr nicht, aber Ernst Albrecht war Ministerpräsident, es müsste also irgendwann in den 1980er Jahren gewesen sein. Sie ist 1989 gestorben.

Auch meine Omi ging nach ihrer Schulzeit „in Stellung“; sie kam aus der Nähe von Bartenstein, dem heutigen Bartoszyce. Soweit ich weiß, war sie als Hausmädchen bzw. Hauswirtschafterin tätig. Auf dem Foto ist sie links zu sehen, recht von ihr steht ihre Schwester, deren Mann 1944 fiel (glaube ich). Mein Großvater fiel bereits 1943 bei Leningrad. Die Schwestern blieben für den Rest ihres Lebens zusammen und heiraten beide nicht mehr. Meine Mutter erzählte, dass Omi eigentlich ihren Schwager hätte heiraten sollen, was sie aber nicht wollte. Sie hatte danach auch keinen Kontakt mehr zur Familie ihres Mannes; meine Mutter konnte sich auch nicht wirklich an ihre Großeltern erinnern. Ihr Großvater floh irgendwann in den Westen. 1948 flohen auch Omi, ihre Schwester und ihre insgesamt vier Kleinkinder in die damalige sowjetisch besetzte Zone, bevor sie 1951 (1953?) nach Westdeutschland zu einer Verwandten übersiedeln konnten. Meine Mutter erzählte mir, dass sie anfangs zu neunt auf zwei Zimmern gewohnt hatten. Meine Omi war danach als Hauswirtschafterin bei einer Familie im Ort angestellt, die ein für mich irrwitzig großes Haus mit ebenso irrwitzig großem Garten besaßen. Meine Schwester und ich durften manchmal dort vorbeischauen, wenn unsere Schule vorbei war und Mama noch arbeitete. Ich war immer sehr vom Klavier beeindruckt, an das ich mich aber nur selten rantraute, und ich weiß noch, wie sehr ich den blöden Boxer gehasst habe, der immer sabbernd auf einen zusprang.

Meine Mutter erzählte, dass sie bereits nach der Volksschule in die Lehre gehen musste, weil das Schulgeld für eine weiterführende Schule nicht zu bezahlen war. Auch deswegen habe sie sehr darauf geachtet, dass meine Schwester und ich die bestmögliche Bildung bekamen. Wir sind beide auf dem Gymnasium gewesen, meine Schwester hat neben ihrer Angestelltentätigkeit noch ein Abendstudium gemacht und ich bin die erste Doktorandin unserer Familie.

Über meinen Opi, wenn ich ihn denn hätte so nennen dürfen, weiß ich leider gar nichts.

„Es begab sich aber zu der Zeit …

… dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.

Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“

Ich wünsche euch allen ein friedliches, fröhliches, besinnliches, schönes, gesegnetes Weihnachtsfest. Danke fürs Lesen.

Links von Samstag, 23. Dezember 2017

The Next Bechdel Test

Ich sollte nicht mehr erklären müssen, was der Bechdel-Test ist. (Ich überlasse das der Wikipedia.) Einige Autor*innen von FiveThirtyEight haben Schauspielerinnen, Regisseurinnen, Autorinnen und andere Frauen im TV- und Filmgeschäft gefragt, wie ihr persönlicher Nachfolger des Bechdel-Tests aussehen könnte. Unter anderem wurde vorgeschlagen, auch auf Frauen hinter der Kamera zu achten, auf nicht-weiße Frauen, auf die Art, wie Frauen dargestellt werden oder ob ihre Storylines hauptsächlich darin bestehen, zu sterben, schwanger zu werden oder dem männlichen Protagonisten Probleme zu machen.

Kurz gesagt: Damit kommen die 50 finanziell erfolgreichsten Filme von 2016 auch nicht viel besser weg. Totale Überraschung.

„We can’t understand where the industry is falling short until we determine what “short” means by giving ourselves a mark to measure against. As a bare-minimum metric, the Bechdel Test does a good job of showing how amazingly far Hollywood is from gender equality. But it isn’t going to push the industry toward an identifiable goal. Many films that pass the Bechdel Test failed most of the new tests above.“

(Danke an Richard Kähler für den Hinweis.)

Do it like Kurt – die Kurt-Landauer-Stiftung e.V.

Aus der aktiven Fanszene des FC Bayern entstand die Kurt-Landauer-Stiftung. Vor ein paar Tagen wurde das Projekt der Öffentlichkeit vorgestellt. F. war dabei und berichtet:

„[Die Kurt-Landauer-Stiftung] sieht sich laut Sprecher Michael Linninger als ein weiterer Partner in diesem Netzwerk der Erinnerungskultur, des sozialen Engagements und der integrativen Gesellschaft, und gerade in den heutigen Zeiten scheint ein derartiges Engagement besonders wichtig, um gewissen gesellschaftlichen Strömungen entschieden entgegenzutreten. Dabei ist für die Initiatoren, die allesamt der Fanszene des FC Bayern entspringen, wichtig, dass die Vereinsgeschichte und die Vereinsidentität ein Anknüpfungspunkt sind, um dieses Engagement herbeizuführen und zu bekräftigen. Dabei richtet sie sich an Bayernfans jeglicher Couleur, um diese gerade durch die Leidenschaft für den Verein an diese Themen heranzuführen.

Der Namensgeber Kurt Landauer war bereits als 17-Jähriger im Jahre 1901 als Torwart für die zweite Mannschaft des FC Bayern aktiv, bevor er später in vier Amtszeiten als Präsident die Vereinsgeschichte entscheidend mitprägte. Er verantwortete nicht nur die erste deutsche Meisterschaft 1932, er stand auch für einen internationalen, weltoffenen Fußball ein. Als Jude wurde der Kosmopolit von den Nationalsozialisten verfolgt und aus seiner Heimatstadt München vertrieben, doch er kehrte nach Ende des zweiten Weltkriegs zurück und konnte den FC Bayern als Präsident zwischen 1947 und 1951 abermals entscheidend anführen und ihn in dieser Zeit auf eine solide Basis zu stellen. Wie er in seinen eigenen Worten sagte: „Der FC Bayern und ich gehören nun einmal zusammen und sind untrennbar voneinander.“

Jahresendzeitfragebogen 2017

Wortschnittchen veröffentlichte ihren traditionellen Fragebogen bereits gestern (meiner kommt wie üblich am 31. Dezember). Ihr Jahr war äußerst bemerkenswert:

„Als dieses Jahr begann, wusste ich, dass es anders sein würde als alle anderen je zuvor. Nicht nur, weil ich mir ein ganzes Jahr Zeit gegeben hatte. Ein Jahr, in dem ich nur für mich da sein wollte. Nach all den Jahren, in denen ich für den todkranken Mann da war, mein Leben ein Stück weit für seines hergegeben habe, sollte dieses 2017 meines sein. Ohne Arbeit, ohne Verpflichtungen, ohne eine klare Richtung.“

Ich hatte nur zu einem ihrer Sätze eine Anmerkung; sie schrieb, dass sie in diesem Jahr kaum etwas verschenkt hatte. Das sehe ich ganz anders: Wir durften die Autorin per Blog und Twitter begleiten. Für mich sind Einblicke in anderer Menschen Leben immer noch ein Geschenk.

Seven Questions to End 2017 with Clarity and Start 2018 with Intention

Courtney E. Martin, deren Buch Perfect Girls, Starving Daughters: The Frightening New Normality of Hating Your Body ich vor längerer Zeit gelesen habe, beantwortet sieben Fragen, die ich recht inspirierend finde. Auch weil man durch die Antworten quasi schon einen Plan für 2018 hat. Mit Frage 4 stehe ich allerdings etwas auf Kriegsfuß; ich will auf niemanden eifersüchtig sein (bin ich natürlich trotzdem), denn für mich ist Eifersucht keine Motivationshilfe. Das ist ungefähr das gleiche wie sich Fotos von dünnen Frauen an den Kühlschrank zu kleben, um selbst weniger zu essen. Ich würde die Frage daher dringend umformulieren wollen in „Wer hat mich in diesem Jahr am meisten inspiriert?“

„1. What was one of the moments I was most proud of this year? What does that tell me about what I want to spend my energy/time/money on next year?

2. Who really enriched my life this year in a big way? Who is someone I am wanting to get to know better in the year ahead?

3. It was a year of resistance for many people. What did I resist most effectively? What did I surrender to?

4. Who did I feel most jealous of this year? What is that person up to that I want to bring more of into my own life?

5. When was I most physically joyful in 2017? How can I get there more in 2018?

6. What is one question that you found yourself asking over and over again this year? What version of an answer are you living your way into?

7. And finally, in honor of Krista Tippett’s beautiful modeling: What makes me despair and what gives me hope right now?“

Ein grundlegendes Dankeschön …

… an zwei Menschen, deren Namen ich nur unvollständig lesen kann (#DankeAmazon), daher belasse ich es ausnahmsweise mal bei einem anonymen Dankeschön. Die Widmung konnte ich aber entziffern, yay! Im Päckchen lag Learning From Las Vegas: The Forgotten Symbolism of Architectural Form von Robert Venturi, Denise Scott Brown und Steven Izenour. Der Text ist grundlegend für die Architekturgeschichte der Postmoderne und kommt eigentlich im größeren Format und mit höherem Preis daher. Die Ausgabe, die ich auf meinem Wunschzettel hatte, ist kleiner und hat weniger Fotos, sagt aber auch das wichtigste aus. Natürlich kenne ich das Buch aus allen kunsthistorischen Bibliotheken, aber manche Texte meines Faches möchte ich gerne immer in meiner Nähe haben. So wie diesen hier. Vielen Dank für das Geschenk, ich habe mich sehr gefreut.

(Ich könnte mich jetzt noch darüber aufregen, dass im Wikipedia-Eintrag von Venturi seine Ehefrau Scott Brown erst im eigentlichen Text erwähnt wird, umgekehrt bei Scott Brown aber Herr Venturi gleich schön dick in der Einleitung steht und sie damit auch über ihren Mann definiert wird, aber ich lasse das mal.)

Links von Donnerstag, 21. Dezember 2017

mein kleiner beitrag zu #metoo

Die Künstlerin Katia Kelm schreibt darüber, wie sie ihr „ganzes leben lang unwillentlich mit pimmel-haltern konfrontiert gewesen“ ist, gibt eine schwer zu ertragende Auflistung der Taten und wie sehr sie das Verstummen der Diskussion darüber stört.

„[I]ch wollte dazu eigentlich auch gar nichts mehr schreiben, das haben schon genug andere gemacht. ausserdem glaube ich langsam auch nicht mehr daran, dass man bei denen, die fragen, ob wir frauen etwa keine blumen mehr geschenkt bekommen wollen, mit argumenten irgendwas ausrichten kann. oder bei denen sich um die genies sorgen (die ja immer schon komplizierte persönlichkeiten waren) oder die autonomie der kunst. […]

[E]s macht mich fassungslos, dass gar nicht wenige leute aus meinem persönlichen bekanntenkreis sich lieber über „hysterische“ metoo-frauen aufregen als über ihre pimmelschwenkenden geschlechtsgenossen. […]

[S]o, jetzt nochmal kurz zu der scheisse, die man sich anhören muss, wenn man diese ganzen oben erwähnten sachen auf irgendeine weise öffentlich thematisiert.

ein standard-vorwurf ist zb. das ich mich selbst „zum opfer machen“ würde. oft sind es andere frauen, von denen man sowas hört. „mir ist sowas noch nie passiert“ hört man auch häufig.

meine standard-antwort dazu lautet: nein. ich MACHE mich nicht zum opfer. es sind andere, die VERSUCHEN, mich zum opfer zu machen, aber ich wehre mich. ich schreibe zum beispiel gerade einen text dagegen.

opfer wäre ich, wenn ich machen würde, was die schwanzwedler erreichen wollen: uns frauen weghaben. ich bin aber noch da und bleibe auch.“

Danke fürs Aufschreiben. Ich bin zu müde geworden dafür.

Rightwing artist put up Meryl Streep ‘she knew’ posters as revenge for Trump

Gleiches Thema: Einige der Frauen hinter der #metoo-Bewegung, allen voran Rose McGowan, hatten Meryl Streep vorgeworfen, von Harvey Weinsteins Taten zu wissen und darüber zu schweigen. In Los Angeles erschienen Poster mit Streeps Gesicht under Zeile „she knew“ darüber – übrigens perfiderweise angelehnt an die Optik von Barbara Kruger, einer sozialkritischen Künstlerin. Streep widersprach nun öffentlich. In ihrem Statement schwingt auch mit, wie sehr sich Männer der Machtstrukturen bewusst sind, in denen sie sich bewegen:

„I wasn’t deliberately silent. I didn’t know. I don’t tacitly approve of rape. I didn’t know. I don’t like young women being assaulted. I didn’t know this was happening. […]

HW needed us not to know this, because our association with him bought him credibility, an ability to lure young, aspiring women into circumstances where they would be hurt. He needed me much more than I needed him and he made sure I didn’t know.“

Gucci’s Spring 2018 Campaign Belongs In the Metropolitan Museum of Art—Or On Tabloid Art History’s Twitter

Tabloid Art History wies gestern auf Twitter auf die neue Gucci-Kampagne hin, die nicht fotografiert, sondern gemalt wurde. Aus werblicher Sicht auch spannend, denn wie oft hat man schon Kund*innen, die nicht darauf bestehen, dass ihr Produkt so exakt und hochauflösend wie möglich im Bild ist?

„It’s often been said that a beautiful dress is like a work of art. Well, for Spring 2018, it seems that Gucci is taking that sentiment pretty seriously.

Today, the Italian brand released its latest advertising campaign, which happens to look better suited for the walls of the Metropolitan Museum of Art than, say, plastered on grungy subway walls. Dubbed “Utopian Fantasy,” the images feature photorealist artworks created by Spanish-born artist Ignasi Monreal. The campaign itself is broken into three themes, each depicting one of the element: earth, sea and sky. The result is some truly awe-inspiring images that recall Renaissance artwork, complete with paintbrush strokes, hyperrealism, and, of course, plenty of Gucci clothes.“

Mein Problem mit den sozialen Medien und auch ein Grund, warum ich im letzten Jahr sehr durch meine Timeline gekärchert habe:

Was schön war, Dienstag, 19. Dezember 2017 – Here we go again

Ein guter Tag. Gemeinsam aufgewacht und entspannt mit einem ausgezeichneten Kaffee in den Tag gestartet. Spazierengegangen (nicht walken), Päckchen zur Post gebracht und mich darüber gefreut, anderen Menschen hoffentlich eine Freude zu machen. Den Spotify-Mix der Woche genossen, sowohl beim Spaziergang als auch in der Postschlange, die sich erstaunlich schnell auflöste. Mich am quietschbunten Weihnachtsbaum erfreut sowie dem Adventskranz, auf dem drei Kerzen ein gar wohliges Licht zaubern. (Es ist Vorweihnachtszeit, da darf ich rumschwelgen. Obwohl: Eigentlich darf ich das immer.) Gelesen, Serien geguckt, Urlaub genossen. Abends ein nettes Telefonat geführt und direkt im Anschluss im Facebook-Messenger kommuniziert mit dem Ergebnis, nach drei Monaten Durststrecke an einem Tag gleich zwei Jobs klargemacht zu haben. Wie es halt immer so ist. Darauf mit Crémant angestoßen und gemeinsam eingeschlafen.

Die Stadien der Überwachung

Nachklapp zu meinem gestrigen Genöle über den Videobeweis: Die FAZ nähert sich dem Thema aus bildwissenschaftlicher Sicht. Darauf hätte ich natürlich auch kommen können. Mist.

„Das Verfahren, anhand des aufgezeichneten Bildmaterials während des Spiels strittige Situationen zu überprüfen, beansprucht eine Evidenz für sich, die den bloßen Augenschein des Schiedsrichters überbietet. Zugleich aber weiß jeder Zuschauer aus den Fernsehbildern der letzten Jahrzehnte, dass die Eindeutigkeit des Bildmaterials eine hübsche Fiktion ist. Die Beweiskraft war also von vornherein fragwürdig, weil Evidenz eben immer von der Deutung der Bilder abhängt. Ganz abgesehen davon, dass die Mehrfachbetrachtung bei verlangsamter Bildgeschwindigkeit im Studio andere „Einsichten“ erlaubt als der Zwang zur schnellen Entscheidung, unter dem der Schiedsrichter auf dem Rasen steht.

Paradox könnte man daher formulieren, dass eine Einführung des Videobeweises überhaupt nur aussichtsreich und sinnvoll gewesen wäre, als sich die Digitalisierung samt einschlägiger Analyse- und Bildbearbeitungsverfahren noch im Frühstadium befanden, als den digitalen Bildern noch mehr Überzeugungskraft zugeschrieben wurde. Heute ist zwar das Bedürfnis nach Evidenz nicht verschwunden, aber es wird von einer profunden Skepsis und einem kollektiven Wissen um die Möglichkeiten der Manipulation von Bildern perforiert.“

(via @CollinasErben)

Definitely Not a Top Ten List: The Best TV Shows of 2017

Meine liebste Fernsehkritikerin Emily Nussbaum vom New Yorker erstellt eine Liste, die keine ist und erklärt auch warum: „Watching television in the age of Trump, and during the Grand Sexual-Harassment Reckoning, has recalibrated my switches. It’s not that I love the medium any less: it’s an escape and a tonic, a lens to see the world more clearly or less clearly, depending upon one’s preference.“

Nebenbei verbirgt sich in ihrer Nicht-Liste eine hervorragende Definition für The Leftovers, die ich in ihrer schmerzhaften Klarheit sehr vermisse: „It was a show about grief that felt like pure joy. I looked forward to every episode, more than any other show.“

Toxic Masculinity Is the True Villain of Star Wars: The Last Jedi

Ich war erstaunt über den Unterschied zwischen Kritiker*innen-Stimmen und dem Publikum bei Rotten Tomatoes: 93 Prozent Zustimmung versus 55. Nach einem groben Querlesen ahne ich nun, dass viele der negativen Kritiken damit Probleme haben, dass a) Jungs nicht mehr die alleinige Hauptrolle spielen und b) es sich auch deshalb wie ein anderes Star Wars anfühlt als die bisherigen tausend Filme. Vielleicht ist das der Grund, warum mir als Star-Wars-Hasserin sowohl The Force Awakens als auch The Last Jedi viel Spaß gemacht haben.

Ich zitiere aus dem verlinkten Artikel bewusst nichts hier im Blog, weil er voller Spoiler steckt. Er ist aber äußerst lesenswert. Auf Rotten Tomatoes wird natürlich auch gespoilert wie blöd, also auch hier Vorsicht beim Rüberklicken.

(via @hanhaiwen)

Links von Dienstag, 19. Dezember 2017

Ta-Nehisi Coates vs. Cornel West

West schrieb gestern im Guardian über Coates’ Arbeiten:

„The disagreement between Coates and me is clear: any analysis or vision of our world that omits the centrality of Wall Street power, US military policies, and the complex dynamics of class, gender, and sexuality in black America is too narrow and dangerously misleading. So it is with Ta-Nehisi Coates’ worldview.

Coates rightly highlights the vicious legacy of white supremacy – past and present. He sees it everywhere and ever reminds us of its plundering effects. Unfortunately, he hardly keeps track of our fightback, and never connects this ugly legacy to the predatory capitalist practices, imperial policies (of war, occupation, detention, assassination) or the black elite’s refusal to confront poverty, patriarchy or transphobia.“

Vor allem schwarze Twitter-User*innen konnten darüber nur mit den Augen rollen, hatten aber auch kaum bessere Argumente als „West ist bloß neidisch“, was mich ein bisschen irritiert.

Am späten Abend (deutscher Zeit) fand dann allerdings auch Vollhonk und Rassist vor dem Herrn Richard Spencer Wests Argumente überzeugend. Seinen Tweet verlinke ich nicht, aber dafür einen von @VloraEmily (via @tante), in deren Tweet Spencer zu lesen ist und die darauf hinwies, dass auch die NYT sich im Oktober nicht entblödet hatte, Coates quasi Rassismus zu unterstellen. Vor wenigen Stunden löschte Coates seinen Twitter-Account: „I didn’t get in it for this.“

Ich zeichne das eher für mich selbst nach als wirklich einen Punkt machen zu wollen; ich bin in schwarzer Geschichte schlicht nicht bewandert genug, um alle Argumente zu kennen, die seit der Civil-Rights-Ära gemacht wurden. Ich schätze Coates sehr und bin eigentlich erst durch ihn auf dieses Thema aufmerksam geworden bzw. auf eine intellektuelle Auseinandersetzung mit der Situation des schwarzen Amerika. Daher wollte ich die Links einfach mal festhalten. (Und euch mal wieder Coates’ Buch ans Herz legen.)

Productivity is dangerous

Meine Rede. Diese Entspanntheit kriege ich aber auch selten hin. Hat gerade in diesem Jahr nicht geklappt.

„Due to my own virtuous laziness, I still haven’t gotten around to de-activating my stupid LinkedIn account or unsubscribing from the “Medium Daily Digest” email blast. So every morning, I get messages asking me to click through to articles like “How I Optimized My Morning Routine To Get More Done Than ever — before 8 a.m.!” The people posting links like this have a sickness, and we need to stop it before it gets out of hand. […]

In the 2010 book, On Time, Punctuality, and Discipline in Early Modern Calvinism, Swiss Reformation scholar Max Engammare claims that the Calvinists fundamentally changed how we think about time. They replaced the Medieval Catholic conception of time, which was cyclical and based on recurring seasons and holidays, with a linear view of time, as something which was always essentially running out – and this, apparently, led to the requirement that we start arriving to things on time, which he claims did not exist previously. […]

So then, if we cannot blame Calvinists for the rise of capitalism specifically, we may attempt to blame them for a much larger malady: That religious philosophy is responsible for that feeling that we are constantly losing time, as we hurtle ever-closer to death.

I would be willing to guess that if you grew up in a rich Protestant country, you know this feeling. I do. It’s what’s behind the perverted impulse to self-flagellate and ask, “What did I accomplish this year?” and it’s why we get jealous every time we find out that some accomplished famous person is younger than us.“

(via @MrsBunz)

Die epische Lieblingspodcastliste

Da macht man selbst einen Podcast – aber hört kaum andere. Das muss sich ändern. Ich klicke jetzt einfach die Liste von Ines Häufler durch, der ich auch schon über zehn Jahre folge. Internetzeit. Immer noch irre.

„Eine Operation am offenen Herzen“

Markus Merk und Alex Feuerherdt im Gespräch mit dem Deutschlandfunk über den Videobeweis, der seit Beginn dieser Saison im Stadion nervt.

„Die Einführung des Videobeweises in der Bundesliga sei ein großer Schritt im Fußball, findet Markus Merk. Dass der Eingriff in den Fußball jetzt so groß ausgefallen sei, hätte er allerdings nicht vermutet. Der Einsatz technischer Hilfsmittel solle zum Besseren, zum Gerechteren führen. Daran würde gearbeitet, müsse jedoch auch noch weiter gearbeitet werden.

Die Diskussion müsse wieder versachtlicht werden, meint Alex Feuerherdt. Von 35 Videoentscheidungen seien 27 in die richtige Richtung korrigiert worden. Das bedeute natürlich auch, dass acht richtige Entscheidungen in falsche umgewandelt worden seien. Nicht mit eingerechnet seien Situationen, in denen der Videoschiedsrichter nicht eingegriffen habe.“

Mich stört der Videobeweis ungemein, weil er meiner Meinung nach ein reines Zugeständnis an die Sehgewohnheiten der Fernsehzuschauer*innen ist. Klar gab es vor dem VAR Fehlentscheidungen, aber das gehörte halt zum Spiel. Und viele dieser Entscheidungen wurden erst durch das Anschauen und Wiedergeben von acht Superzeitlupen aus fünf Perspektiven als falsche erkannt. Ich lehne mich einfach mal von Wissen unbeleckt aus dem Fenster und behaupte, dass sich diese falschen Entscheidungen halbwegs gerecht über den Ablauf einer Bundesligasaison verteilt haben. Alle Nicht-Bayern-Fans widersprechen jetzt reflexartig – „Bayern kriegt immer einen Bonus“ –, was ich auch nicht völlig von der Hand weisen will. Trotzdem meine ich, dass der VAR das Spiel nicht besser und auch nicht gerechter gemacht hat.

Er reduziert den Schiedsrichter auf dem Feld manchmal zum Befehlsempfänger, und als Stadionzuschauer*in weiß man oft schlicht nicht, was eigentlich gerade gepfiffen wurde. So zum Beispiel beim letzten Heimspiel in Augsburg, als dem FCA ein Elfmeter zugesprochen wurde. Anscheinend meldete sich der Assi aus Köln – die Geste mit der Hand am Ohr kann man inzwischen auch im Stadion deuten –, dann schaute sich der Schiedsrichter irgendwas auf dem Monitor an, zeigte anschließend die für uns völlig unverständliche Geste für Handspiel an und pfiff das Spiel in der Nähe des Mittelkreises wieder an, obwohl wir doch gerade im Strafraum waren. Hä? Ich habe erst abends in der Fernsehzusammenfassung gesehen, dass eine halbe Minute vorher anscheinend der FCA am Mittelkreis ein Handspiel begangen hatte – was ich jetzt auch nicht so irre eindeutig fand, aber gut –, und deswegen wurde ihm eben eine halbe Minute später der völlig verdiente Elfer aberkannt. What the fuck? Können wir demnächst zum Anstoß zurückgehen, weil der vielleicht nicht regelkonform ablief?

Wenn ein Schiedsrichter etwas übersieht und auch seine beiden Assistenten es nicht mitbekommen, dann war das in Herrgottsnamen halt so. Mir geht es jetzt nicht darum, dass der FCA seinen Elfer nicht bekommen hat. Im Spiel auf Schalke wurde Augsburg ein Elfmeter nach Videobeweis zugesprochen, was mich natürlich gefreut, aber gleichzeitig angefressen hat. Wieder wird das Spiel unterbrochen, wieder weiß man erst einmal nicht, was Sache ist. Wobei ich das Schalke-Spiel auch am Laptop gesehen habe, aber selbst da geht es mir inzwischen auf den Keks. Im Stadion ist der VAR ein einziger Schmerz im Arsch, weil man sich bei Toren kaum noch traut zu jubeln, sondern immer den Schiri im Blick hat, ob der nicht wieder die Hand ans Ohr legt.

Mir ist klar, dass Fußball immer mehr eine TV-Veranstaltung wird, auch weil die Stadionpreise dafür sorgen, dass gerade jüngere oder nicht ganz so begüterte Menschen sich kein Ticket leisten können; da ist ein Sky-Abo doch immer noch günstiger. Oder weil man für einen Verein schwärmt, der am anderen Ende der Republik oder sogar Europas oder der Welt liegt. Klar ist das nett, dem Club trotzdem zuschauen zu können. Aber ohne Stadionpublikum, seine Emotionen, seine Lautstärke und seine Unterstützung ist das Spiel ein anderes – dann können wir das ganze auch gleich in leere Hallen verfrachten mit 30 Schiris auf allen Positionen, und man selbst konsumiert halt bequem auf dem Sofa im wohligen Bewusstsein, keine einzige Fehlentscheidung mehr sehen zu müssen.

Je öfter ich das Aktuelle Sportstudio oder die Nachberichterstattung auf Sky schaue, weil ich selbst im Stadion bin und keine Konferenz gucken kann, desto mehr geht mir dieses nachträgliche Rumstochern in Spielszenen auf die Nerven. Es wird nicht über Taktik diskutiert oder über gelungene Spielzüge, nein, man arbeitet sich an Fouls und roten Karten ab, fragt danach irgendeinen Trainer, der gerade wackelt, wann er denn nun entlassen wird und ob Nagelsmann zu Bayern geht. Wenn man diesen Standard als Nachbetrachtung gewohnt ist, findet man den Videobeweis vermutlich auch super, weil er für noch mehr Sendezeit für Fouls und rote Karten sorgt. Mir geht er sehr auf die Nerven und ich würde gerne wieder ohne ihn Fußball sehen.

Fehlfarben 12: Seth Price – Social Synthetic, Hisako Inoue – Bibliothek der Gerüche

Zwei Ausstellungen, drei Glühweine und ein etwas kürzerer Podcast als sonst. Because December. Wie auf dem Foto zu sehen ist, gab’s danach noch eine Runde vegetarisches Chili. Wir lassen uns das schon immer sehr gut gehen beim Aufnehmen.

Podcast herunterladen (MP3-Direktlink, 62 MB, 78 min), abonnieren (RSS-Feed für den Podcatcher eurer Wahl), via iTunes anhören.

00.00:00. Begrüßung und Vorstellung.

00.02:10. Glühwein 1 von mir: der mit dem Gin. (Rezept steht weiter unten.)

00.03:40. Die erste Ausstellung: Seth Price, Social Synthetic im Museum Brandhorst, die noch bis zum 8. April läuft. Wir erwähnen seinen Roman Fuck Seth Price von 2015 und nicht 2005, wie ich fälschlicherweise behaupte. Außerdem erwähnen wir sein grundlegendes Essay Dispersion (2002).

00.27:45. Glühwein 2 von Florian: der mit den Himbeeren. (Rezept steht weiter unten.)

00.40:30. Fazit Seth Price: drei nölige Querdaumen.

00.42:50. Glühwein 3 von Felix: Farfallinas Punsch, für 7,50 Euro gekauft bei Farfallinas Patisserie.

00.45:00. Ausstellung 3: Hisako Inoue, Bibliothek der Gerüche in der Villa Stuck, die nur noch bis zum 14. Januar läuft. Hier ein Zweiminüter aus der Abendschau des BR, der ein bisschen in die Ausstellung einführt.

01.13:20. Fazit Hisako Inuoe: drei begeisterte Daumen nach oben.

01.15:30. Glühweinfazit: alle toll.

Danke fürs Zuhören und hoffentlich bis 2018.

Gin-Glühwein

100 g Kristallzucker in
225 ml Wasser auflösen.
2 Zimtstangen und
1 EL Nelken (ganz, nicht gemahlen) dazugeben, aufkochen und für eine Minute kochen lassen. Die Hitze reduzieren und mit
1 Flasche Rotwein aufgießen.
1 Orange und
1 Zitrone, jeweils in Scheiben geschnitten, und
2 EL Wacholderbeeren dazugeben und für eine halbe Stunde auf kleiner Flamme erwärmen. Durch ein Sieb geben und
75 ml Gin dazugeben. Umrühren und heiß servieren.

Bei mir war der Wein ein Edeka-Syrah für sparsame 6 Euro, der angenehm unsüß war. Der Gin war bei mir ein Leipziger Longhorn.

Himbeer-Glühwein

1 Zitrone und
1 Orange halb schälen. Die Schalen sowie den Saft der beiden Früchte,
1 Zimtstange,
1 Sternanis,
7 Nelken sowie
80 g Zucker in
200 ml Rotwein drei Stunden lang kalt ziehen lassen.
1 Handvoll TK-Himbeeren in etwas Rum einlegen.
Zum Servieren den Sud mit dem restlichen Rotwein aus der Flasche (in diesem Fall 800 ml) erhitzen, auf Tassen verteilen und die Himbeeren löffelweise dazugeben.

Der Wein war hier eine schöne Literflasche Trollinger.

Was schön war, Samstag, 16. Dezember 2017 – Heimspiel

Gemeinsam aufgewacht. Mit der Tram gefahren. Einen winzigen Weihnachtsbaum gekauft und entsprechend meiner eigenen, vor einigen Jahren begründeten Tradition im Bus nach Hause gebracht. Mich erneut über die Funktionskleidung gefreut, die ich unter den üblichen Stadionklamotten tragen kann. In netter Gesellschaft nach Augsburg gefahren, wo es ein winziges bisschen frisch war.

(Meine Selfies entstehen immer dann, wenn ich ein Selfie machen will, fünf blöde Bilder produziere und dann irgendwo hingucke, während mein Finger noch auf dem Auslöser liegt. Hier schaue ich wegen irgendwas zur Anzeigetafel. Ich habe übrigens keine grünen Augen, das ist das schicke Flutlicht. #nofilter)

Ich verzichte auf den Bericht vom letzten Heimspiel vor der Winterpause; erwähnen möchte ich die ersten zehn Minuten, in denen ich dachte, dass der FCA echt in Europa mitspielen könnte, und die letzten drei Minuten, in denen der Mann, dessen Name mein Trikot ziert, aus einem 1:3 noch ein 3:3 machen konnte. Alles dazwischen war fürchterlich, aber ich war gut eingepackt, hatte eine Decke und saß neben F. (Der allerdings im Stadion immer von mild-mannered Calvin zu Mr. Hyde mutiert und danach vom Schimpfen heiser ist, aber das ist okay so, ich fühle mich davon gut unterhalten, während ich selbst schweigend gucke.) Nachdem sich das Unentschieden gegen Hertha letzten Sonntag wie eine Niederlage angefühlt hatte, war das Unentschieden gestern quasi ein Sieg, weswegen wir doch recht gut gelaunt in Richtung Tram stapften.

Von dort aus ging es nicht sofort zurück nach München, sondern zum stimmungsvollen Christkindlesmarkt am wunderschönen Rathaus. Zu fünf genossen wir Bosna, Glühwein und Süßkram, und ich brauchte dringend gebrannte Mandeln, bevor wir wieder nach Hause fuhren.

Beim Aktuellen Sportstudio noch mal über den beschissenen Videobeweis in Augsburg aufgeregt. Gemeinsam eingeschlafen.

Was schön war, Freitag, 15. Dezember 2017 – Wellness

Vormittags besuchte ich die zweite Ausstellung, über die wir im Podcast reden werden. Ich war mir nicht ganz so sicher, was ich zu erwarten hatte, obwohl ich auch dafür abgestimmt hatte, sie anzuschauen, aber je länger ich über das Konzept nachdachte, desto skeptischer wurde ich. Das war aber äußerst unbegründet. Ich kam nach gut anderthalb Stunden dermaßen gelassen und erfrischt und gut gelaunt aus dem Museum, als ob ich eine Massage und einen Saunagang hinter mir gehabt hätte. Ich freue mich jetzt schon darauf, euch diese Schau ans Herz legen zu können.

Nachmittags war ich im ZI, um noch ein bisschen was zu einem Künstler zu lesen. Danach ging ich für Sonntag einkaufen. Unsere Fehlfarben-Aufnahmen finden reihum bei einem von uns drei Schnackernasen statt, und der jeweilige Gastgeber (m/w) bekocht die anderen. Oder bestellt Pizza, das ist auch in Ordnung. Früher haben wir zuerst gegessen, auch um für die Weine eine Grundlage zu haben, aber inzwischen hat es sich eingebürgert, dass wir erst arbeiten (aufnehmen) und dann gemütlich beieinander sitzen, gut essen und die Flaschen leermachen. Podcasten ist super.

Abends tischte F. dann ein schönes Stück Fisch auf, wir öffneten einen ebenso schönen Riesling und verbrachten einen ruhigen, entspannten Abend miteinander.

In der vergangenen und in der Woche davor hatte ich bewusst Pause von allem gemacht, um mich wenigstens zum Jahresende hin etwas zu sortieren und nicht mehr weiter hektisch auf fünf verschiedene Ziele gleichzeitig zuzulaufen. Das zeigte gestern allmählich Wirkung. In den Tagen zuvor führte ich bereits ein paar nette Telefonate und las hoffnungsfrohe Mails, gestern kam dann noch ein guter Anruf, und zusammen mit dem wirklich schönen Tag ging es mir gestern gefühlt seit Monaten wieder einmal richtig gut. Also so rundum und nicht nur auf gewissen Baustellen. Es hat sich im Prinzip noch nichts verändert, aber ich fühle mich endlich etwas besser gewappnet für alles, was noch kommt.

Tagebuch, Donnerstag, 14. Dezember 2017 – „The Last Jedi“

Ich behaupte gerne, dass ich Star Wars nicht mag, dass ich ein Trekkie bin und dass ich die Filme nur gucke, um die ganzen Memes zu verstehen, die unweigerlich nach jedem Filmstart kommen werden. Dann saß ich aber in The Last Jedi und musste blöd grinsen, als zur üblichen John-Williams-Fanfare das übliche Logo im üblichen Gelb auf Schwarz erschien und der Crawl mit der Story begann. Damit wollte ich eigentlich ein paar Bemerkungen zum Film im Blog beginnen, bis mir auffiel, dass ich das schon bei The Force Awakens gemacht habe. Vielleicht muss ich mir langsam eingestehen, dass ich die neuen Star-Wars-Filme doch mag. Verdammt.

Ich hatte auch bei diesem Film mehr Spaß als erwartet. Wer den Trailer gesehen hat, weiß, dass dieses Mal Luke Skywalker wieder dabei ist, nachdem im ersten … oder siebten … Teil *eyeroll* … bereits Han Solo und Leia Skywalker ihre großen Auftritte hatten. Carrie Fisher verstarb bekanntlicherweise im letzten Jahr; das hier ist also ihre letzte Rolle, und leider überschattet das den Film die ganze Zeit ein bisschen. Im Nachhinein dachte ich aber: Kein schlechter Abgang, wenn es gelingt, eine Karriere mit einem bestimmten Film zu beginnen und mit einem aus der gleichen Reihe zu beenden – mit 40 Jahren Schaffenszeit dazwischen.

Das wird jetzt keine Filmkritik, weil ich wirklich gar nichts spoilern will, aber: Das war nett, Herrn Skywalker wiederzusehen. Noch mehr freute ich mich persönlich über Emo Kylo Ren aka Adam Driver, der einfach irre sexy ist, wenn er böse sein will oder ist, wer weiß das schon so genau. Ebenso sexy bzw. schnuffig: die Herrn Finn und Poe, dann gibt’s noch ein paar neue Figuren, die tollerweise fast alle weiblich besetzt sind, und ein paar neue Merchandising-Viecher, nachdem wir alle inzwischen ein BB-8-Kuschelkissen haben.

Was mir sehr gut gefallen hat: wenige schlimme Dialoge. Klar sind einige immer noch so hölzern wie eh und je bei Star Wars, ich glaube inzwischen auch, dass das so sein muss, aber manchmal kommen schon hübsche Sätze aus den Akteuren und Aktricen und dazwischen auch einige, die man aus dem Film mitnehmen kann. Dann: Rey mit dem Lichtschwert. Außerdem: Rey mit dem Lichtschwert. Und generell: Rey mit dem Lichtschwert. Wie ich schon beim letzten Film anmerkte: Es ist unglaublich toll, nach 40 blöden Jungsjahren endlich eine Frau mit dem Ding umgehen zu sehen. Und zwar mit Verve.

Am tollsten fand ich allerdings die Settings. Ich grinste zwar ein bisschen, als neben Leia irgendwann mal Kaffeegeschirr auf dem Tisch stand, was vielleicht das Einrichten der Rebellen im Ausnahmezustand symbolisieren sollte – die SZ ist auch darüber gestolpert –, aber generell bleiben die Settings wie immer: futuristisch und gleichzeitig runtergerockt. Deswegen hielt ich kurz die Luft an, als sich eine Szene an Supreme Leader Snokes Arbeitsplatz entwickelte: die Größe! die Farbigkeit! Das ganze Ding sah aus wie eine Mischung aus einer unterirdischen James-Bond-Bösewicht-Villa und einem 40er-Jahre-Musical, und ich fand es irritierend passend. Das zweite Set, bei dem ich nicht wegschauen wollte, war eine Planetenoberfläche, die aus Salz bestand – und unter diesem erschien mit jedem Schritt eine weitere Farbe neben dem gleißenden Weiß. Das war wirklich schönstes Augenpulver.

Was mich hingegen etwas gestört hat, war die Länge des Films, die schlicht dadurch zustande kam, dass immer neue Handlungsstränge aufpoppten. Von denen hätte ich keinen weglassen wollen, aber man hüpfte munter nicht nur durch die Galaxie, sondern auch von einer Figur zur nächsten, und mittendrin wäre ich gerne mal stehengeblieben und hätte Luft geholt. Einige Handlungen fand ich deutlich spannender und sinnvoller für die Plotentwicklung als andere, aber wir sind hier ja nicht bei Netflix, wo ich immer schön zu den Schnuckiszenen vorskippen kann. Also musste ich mich durch eine ewige Casino-Szene bewegen, wo ich doch viel lieber bei Snoke oder Rey rumgehangen hätte. Aber selbst das sehe ich dem Film nach, denn, wie schon erwähnt, hatte ich trotz der Länge ziemlich viel Spaß und schön was zu gucken. Und hey: Rey mit dem Lichtschwert. Und: Rey mit dem Lichtschwert.

Tagebuch, Mittwoch, 13. Dezember 2017 – Lesen und schauen

Den Vormittag verbrachte ich in einem noch nicht zu nennenden Museum, um mir eine noch nicht zu nennende Ausstellung anzuschauen, über die wir – das kann ich jetzt aber total nennen – im Fehlfarbenpodcast am Sonntag sprechen werden. Wenn ich sage, ich habe mir eine Ausstellung angeschaut, kann ich gleichzeitig sagen: Das Aufsichtspersonal hat mich angeschaut. Bis auf eine Dame, die immer aus dem Raum ging, in den ich gerade trat, blieben alle bräsig da, wo sie sind und glotzten mich an. Ich ahne, dass genau das ihr Job ist – „Und dass die Interessierten ja nicht zu dicht an die kostbare Kunst gehen! Augen auf!“ –, aber das nervt echt, wenn man weiß, dass einen jemand beobachtet, während man alleine auf zeitgenössische Werke starrt, die ja gerne etwas sperrig sind.

Mittags gab’s einen Burger mit Fleisch, auf den ich seit vorgestern Lust hatte, als ich mir einen Burger ohne Fleisch zubereitet hatte. Sorry, Rinder. Ihr schmeckt wirklich sehr gut.

Nachmittags las ich das Internet und die FAZ leer, wobei ich mich mal wieder über einen kleinen Artikel zum FC Augsburg freuen durfte. Ich fotografierte ihn ab und schickte ihn an F., der schon in der Allianz-Arena war, um sich das Bayern-Spiel anzuschauen. Dann wollte ich das gleiche Foto vertwittern, bis mir einfiel: Hey, schau doch mal in diesen Interweb nach, ob da der Artikel auch steht, dann kannst du nämlich einen Link twittern. Ich bin sehr stolz auf mich, dass ich daran gedacht habe, bevor ich mal wieder fotografierten Print ablieferte.

Leider verlor der FCA dann bei Schalke, und ich merkte, wie unterschiedlich diese Saison sich zur vergangenen anfühlt. Während ich der letzten Spielzeit mit Kusshand ein Unentschieden genommen hätte und bei einer Niederlage nicht sonderlich erstaunt gewesen wäre, sitzt man jetzt im Stadion oder vor dem Laptop und denkt die ganze Zeit: Da geht noch was, das können wir noch gewinnen. (Außer gegen Bayern, okay.)

Die ganzen #MeToo-Geschichten erstaunen mich nicht wirklich, wie sie vermutlich (leider) recht wenige Frauen erstaunen. Der Essay „Harvey Weinstein is My Monster Too“ von Salma Hayek hat mich dann aber doch mehr mitgenommen, als ich dachte, weil es die Auswirkungen dieser ganzen beschissenen männlichen Machtstrukturen zeigt. Hayek schreibt über ihre Arbeit an Frida, der von Harvey Weinstein mitproduziert wurde.

„I was hoping he would acknowledge me as a producer, who on top of delivering his list of demands shepherded the script and obtained the permits to use the paintings. I had negotiated with the Mexican government, and with whomever I had to, to get locations that had never been given to anyone in the past — including Frida Kahlo’s houses and the murals of Kahlo’s husband, Diego Rivera, among others.

But all of this seemed to have no value. The only thing he noticed was that I was not sexy in the movie. He made me doubt if I was any good as an actress, but he never succeeded in making me think that the film was not worth making.

He offered me one option to continue. He would let me finish the film if I agreed to do a sex scene with another woman. And he demanded full-frontal nudity.“

Jessica Chastain brachte es gestern per Tweet auf den Punkt: „I ask all of our male allies in this industry, why have your journeys been so different from ours?“ Diese Auswirkungen sprachen in den letzten Wochen und Monaten bereits viele Frauen auf Twitter an: Welche Filme hätten wir sehen, welche Artikel hätten wir lesen, welche digitalen Entwicklungen hätten wir genießen können, wenn Frauen die gleichen Möglichkeiten gehabt hätten wie Männer und nicht damit beschäftigt gewesen wären, sich mit derartigem Scheiß auseinandersetzen zu müssen.

Tagebuch, Dienstag, 12. Dezember 2017 – Burgerbauen

Wenn ich ausgehe, bestelle ich Burger mit Fleisch. Wenn ich mir selbst einen Burger baue, würde ich gerne darauf verzichten. Daher habe ich in letzter Zeit verstärkt nach vegetarischen Alternativen gesucht, aus denen man einen Patty zubereiten kann.

Die ganzen Quinoa- und Haferflocken-Dinger habe ich gleich links liegen gelassen, und ich wollte auch keinen Gemüsebratling oder sowas, der mehr nach Mohrrüben schmeckt als nach irgendwas anderem. Vielleicht habe ich auch bei meinen wenigen gekauften Versuchen immer miese Gemüsebratlinge erwischt, aber ich hatte immer das Gefühl, Brühe in fester Form zu essen anstatt irgendwas, das einem Burger ähnelt.

Natürlich war es wieder Buzzfeed Tasty, das mir auf Facebook mit seinen kleinen schnellen Filmchen etwas vor die Füße warf, in diesem Fall einen Burger aus schwarzen Bohnen, in Abwandlung noch mit Mais. Auch Jamie Oliver findet schwarze Bohnen super, wobei er noch Zwiebeln für die Pattymasse verwendet. Mein kleiner Edeka nebenan hatte keine leider schwarzen, aber immerhin Kidneybohnen, also versuchte ich die.

Ich habe das eben verlinkte Bohnen-und-Mais-Rezept nachgebaut, allerdings auf die Avocado verzichtet und statt Salsa diese Burgersauce zusammengerührt, die an den Big Mac erinnern soll (ich liebe den Big Mac). Tut sie nicht, sie schmeckt aber besser als jede Sauce, die ich bisher zustandegebracht habe. Das mag daran liegen, dass ich Mayonnaise für eine der besten Erfindungen aller Zeiten halte. Wenn man nach Big-Mac-Sauce googelt, kommen tausend Rezepte, die dem verlinkten sehr ähneln; manche nutzen statt der Gewürzgurken nur die Flüssigkeit, in der sie eingelegt sind, aber ich ahne, dass das keinen großen Unterschied macht.

Bei mir gab’s zum Patty noch Eisbergsalat, Tomate, rote Zwiebeln, Mozzarella und ein gekauftes Burgerbrötchen; beim ersten Versuch wollte ich nicht gleich selbst Buns backen. Geschmacklich fand ich den Burger sehr gut, aber das nette vegetarische Patty hatte im Vergleich zum fleischigen einen entscheidenden Nachteil: Es fiel beim leichtesten Druck auf den Burger auseinander bzw. quoll an den Brötchenseiten heraus, während Rindfleisch dann doch halbwegs die Form halten kann. Und da ich Burger mit der Hand essen will und sie daher ein bisschen plattdrücken muss, um sie in den Mund zu kriegen, war das leider das Killerargument.

It’s funny cause it’s true.

Wenn ich eh schon schlechte Laune habe und noch schlechtere haben will, gucke ich spaßeshalber nach 3- bis 4-Zimmer-Wohnungen in München. Da wird einem gerne ernsthaft irgendwas in Augsburg, Ingolstadt oder am Starnberger See angeboten, denn mit dem Regionalzug oder der S-Bahn ist das ja bloß ein Stündchen, das ist quasi wie mitten in München wohnen und jeden Tag ein bisschen Zeit zum Lesen zu haben.

Nicholas Nixon hat das 43. Foto der Brown Sisters veröffentlicht. Diese Fotoserie habe ich im letzten (oder vorletzten?) Jahr erstmals komplett in der Pinakothek sehen können und sie fasziniert mich sehr. Hier sind alle Bilder bis 2014.

Außerdem hat Herr Nilzenburger vorgestern seine liebsten zehn Alben des Jahres veröffentlicht, und zu meinem Erstaunen war Harry Styles dabei, den ich nur von One Direction kannte. Seit gestern läuft seine Platte auf Spotify bei mir rauf und runter und natürlich war der Mann auch schon bei James Corden im Auto. Ich fangirle dann mal ein bisschen rum.