Vor sechs Wochen begann die diesjährige Staffel Masterchef Australia. Ich dachte bis zu diesem Jahr, dass die komplette Staffel abgedreht und dann erst ausgestrahlt wird, aber ich lernte, dass dem nicht so ist: Im Vorfeld der ersten Folge 2020 wurde berichtet, dass noch gedreht wird, inzwischen aber alle brav Abstand halten und sich dauernd die Hände desinfizieren. In den letzten Wochen, als wir alle vor den Bildschirmen das schon taten, war das für mich sehr schön mitanzusehen, dass die Kandidat*innen sich, wie in jeder Staffel, ständig in den Armen liegen oder abklatschen und in engsten Küchenräumen miteinander arbeiten. Das hat nun ein Ende. Gestern (bzw. am Montag in Australien) lief die erste Folge, wo die Kandidaten länger Zeit für ihre Aufgaben bekamen, damit sie sich Handschuhe anziehen konnten für die Küchenarbeiten, Hände desinfizieren, nicht mehr alle gleichzeitig in die Vorratsräume rennen etc. Die Aufgabe war eine Team Challenge, und es hat mir fast das Herz gebrochen – was mich selbst überrascht hat –, als die einzelnen Team-Teilnehmer*innen sich nach dem Sieg nicht umarmten, sondern sich irgendwie, selbst noch überfordert, aus zwei Metern Entfernung zuwinkten oder in der Luft angedeutet abklatschten. Ich warte seit Wochen darauf, dass die Sendung anders aussieht als ich es gewohnt bin und liebe, aber das war doch schmerzhafter als ich dachte. Vielleicht weil es eine kleine coronafreie Insel war, auf der alles noch so ist wie ich es kenne.
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Gestern war wieder mal der Wochentag, an dem ich meinen Sauerteigansatz auffrische, also einen winzigen Teil abnehme, den mit Vollkornmehl und Wasser verrühre, schön im Warmen gehen lasse und ihn dann wieder in den Kühlschrank stelle für eine Woche. Normalerweise kippe ich den Rest weg, was mir aber immer mehr auf den Zeiger ging. Ich erinnerte mich an einen Artikel aus dem New Yorker, in dem ein Pfannkuchenrezept aus Ansatzresten und Olivenöl (!) stand. Leicht verändert und nachgekocht – und ein hervorragendes Mittagessen gehabt.
Ich gab Schnittlauch in den Teig und mixte mir einen Dipp aus Frischkäse, Knoblauch und Harissa zusammen und werde das vermutlich nächsten Dienstag wieder machen.
Der Artikel beschreibt übrigens schön, wie unverwüstlich diese verdammten Ansätze sind.
„Every Saturday, we had sourdough olive-oil pancakes. Time passed. My son outgrew his dairy allergy. We started going to a bakery for croissants every Friday and to the farmers’ market for donuts on Saturdays. I didn’t feed the starter for a year. By the time I remembered it, wedged into a sticky corner in the back of the fridge, it had shrunk to a tan, slouching inch of sludge, with an equal amount of moss-green liquid on top of it. My father-in-law said to pour off the moss and feed the starter for a few days.
Three days later, we were back on sourdough pancakes.“
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Solange ich nicht Futterfernsehen sah oder in der Küche stand, saß ich am Schreibtisch und baute meine Diss um. Zum ersten Mal hatte ich alle Autobahn-Kapitel und -Abschnitte auf einem Haufen, was der Sinn des Umbaus war. Zum ersten Mal las ich alles am Stück durch anstatt wie bisher quer durch die ganze Arbeit verstreut, was ich nicht mehr wollte. Und zum ersten Mal stellte ich fest, dass genau dieses Verstreute meine Arbeit davor rettet, unfassbar langweilig zu sein. Ich weiß, dass ich diese Texte jetzt alle ungefähr achtzigmal gelesen habe und auswendig kann, aber meine Güte, 120 Seiten zu Autobahngemälden am Stück gehen echt nicht. Man schaltet irgendwann geistig ab.
Gut, dass ich den Umbau gemacht habe, gut, dass ich es gelesen habe – jetzt kann ich das wegschmeißen und wieder die alte Struktur nutzen. Die fand mein Doktorvater ja auch wunderbar und ich finde das jetzt auch. Nebenbei sind mir noch kleinere Änderungen eingefallen, die weiterhin funktionieren, die mache ich jetzt und dann kann ich das Baby allmählich loslassen.
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Abends noch einen neuen Mundschutz genäht, wieder aus meinem Lieblingsstoff. Ich hatte keinen blauen Zwirn, aber Hot Pink geht ja immer. Die Naht sitzt unterhalb des Nasenbügels, der hält sonst nicht. Wieder sehr entspannt und zufrieden beim Nähen gewesen, bis auf die drei Male, die ich mir, wie immer, brutal eine Stecknadel in den Finger rammte. Ich glaube, ich hätte jetzt wirklich gerne eine Nähmaschine, aber die in meiner Preisklasse, die ich mir schon vor Wochen ausgeguckt hatte, ist gerade nirgends zu kriegen. Warte ich halt noch ein bisschen.
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Weniger Raubkunst in der Sammlung Gurlitt als erwartet
Warum ich mache, was ich mache. Ich zitiere aus dem Artikel:
„Man hat sich wissenschaftlich bemüht, und die Quellenlage ist schlecht. Es ist schlecht möglich, alle Papiere, die zu erbringen wären, tatsächlich zu bekommen. Man muss sich einfach vorstellen, was das für Bedingungen waren, unter denen die Verkäufe stattgefunden haben. Händler, die in der Zeit agiert haben, haben sehr gerne die Spuren verschleiert und wollten die Quellen obskur lassen.“
Deswegen quietsche ich so rum, wenn ich in Archiven etwas finde. Deswegen ist auch eine Arbeit über einen heute zu recht vergessenen Künstler wichtig: weil sie Quellen versammelt, an die andere anlegen können. Weil sie Grundlagenforschung erledigt, die schon vor 20, 40, 60 Jahren hätte erledigt werden müssen. Weil sie Licht in die dunkle Ecke der deutschen Kunstgeschichte bringt und weil sie sich mit dem Schmuddelkram beschäftigt, mit dem sich leider nur wenige beschäftigen wollen. Und weil es einfacher wird, sich mit den Opfern zu befassen, wenn wir mehr über die Täter wissen.
Andrea Baresel-Brand vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste Magdeburg reißt im Interview mit dem MDR die Bandbreite des Systems Kunst im NS an, weswegen ich das alles so spannend finde:
„Auf jeden Fall haben wir da an viele Punkte rühren können. Verbunden ist auch das Thema Benelux, also Niederlande, Belgien. Einer Person sind wir nachgegangen, wo wir dann am Ende die Identität klären konnten. Das war ein Niederländer, der aber für die Abwehr dann als Agent gearbeitet hat und auch mal versucht hat, Kunst zu handeln. Und das sagt auch etwas über den Kunstmarkt vielleicht.
Aber gar nicht mal nur die klassischen Kunsthändler haben sich dort getummelt, sondern es sind auch viele Laien oder interessierte Laien eingesprungen, weil sie gesehen haben, hier ist etwas zu holen. Hier ist Geld. Hier ist der Markt. Hier sind Menschen, die ihr Hab und Gut veräußern, um zu überleben, um über den Krieg zu kommen. Das ist eine unglaublich wilde Zeit gewesen.
Und wir haben natürlich viel gelernt, auch über die Exportpraktiken. Der NS-Staat war ja, auch wenn er Besatzer war, im Ausland sehr akribisch in der Verwaltung. Man musste Exportgenehmigungen einholen. Wir haben aber auch gesehen, wie Dinge manchmal verschleppt wurden. Dass aber gleichzeitig französische Kunstexperten vom Hôtel Drouot – das ist so der Kunst-Umschlagplatz gewesen – sich sozusagen verwandt haben bei den behördlichen Stellen, dass ein Hildebrand Gurlitt beispielsweise Kunstwerke mitnehmen kann. Und wenn keine Spedition zur Verfügung stand, dann hat es auch mal der Botschafter im Gepäck mitgenommen oder andere offizielle Menschen. Also, das sind ganz viele Wege, die wir aber heute mitunter gar nicht im Detail werden aufklären können, weil es natürlich Dinge sind, die schon historisch verschleiert worden sind.
Und ein Wort vielleicht noch, was uns auch neugierig gemacht hat (das war halt nicht die Aufgabe dieser Projekte, wir sollten ja Einzelwerke aufklären, aber es ist eben so viel daraus entstanden): Das ist auch der Blick in das Nachkriegsdeutschland, wo man sich dann gegenseitig Persilscheine gegeben hat, wo die Netzwerke weiter getragen haben. Und da schauen wir in dem Buch auch noch mal ein bisschen über den Zaun sozusagen, in die Nachkriegszeit.“