Was schön war, Samstag, 13. Juni 2020 – Gerne gelesen

Um Punkt 8 eingekaufen gewesen, dann Tee gekocht und an den Schreibtisch gegangen. Mal langsam anfangen, irgendwann halt frühstücken.

Sieben Stunden lang das 50-seitige Kapitel zu 1936 korrigiert, das ist das längste in der Arbeit. Literaturangaben überprüft, alle Fußnoten nochmal angeguckt, noch ein paar Bilder eingefügt (das war so klar), dementsprechend das Abbildungsverzeichnis nochmal angefasst, das eigentlich seit zwei Wochen in Stein gemeißelt ist und an dem ich seit zwei Wochen immer wieder rumfummele, alles nochmal mit dem strengen Blick der Lektorin gelesen: „Brauche ich diesen Satz wirklich? Kann ich das Zitat kürzen? Ist dieser ganze Absatz zielführend für mein Forschungsanliegen? Na gut, dann lass das so.“ Sehr wenig korrigiert, noch ein paar Geistesblitze eingefügt, die ich mir neuerdings beim Einschlafen per Handymail schicke, sehr zufrieden gewesen.

Um 15 Uhr eine Packung Ramen in scharf zubereitet und mich dazu beglückwünscht, das günstige Fertigzeug gekauft zu haben. Während das Wasser kochte und danach die Nudeln drei Minuten badeten, bastelte ich Möhrenstreifen, briet ein Ei, hackte eine Frühlingszwiebel, schnitt ein bisschen Zucchini in Viertelscheibchen, schraubte das Glas mit den Bambussprossen auf und öffnete mein selbstgemachtes Chili-Öl, das ich seit meiner Dan-Dan-Sucht immer parat habe. Ich warf alles zusammen und hatte eine Riesenschüssel hervorragendes Frühstück.

Drei Stunden lang das Kapitel zu 1937 korrigiert, siehe oben, aber keine Bilder mehr eingefügt, wo-hoo! Feierabend um 19 Uhr, F. Bescheid gesagt, dass ich jetzt Feierabend mache, woraufhin der Mann drei Kilo Käse vorbeibrachte und ich ein bisschen Quittengelee dazulegte. Nächstes Mal schneide ich das appetitlich klein, aber mein Kopf war gestern zu erledigt für alles.

Wir öffneten einen kleinen Champagner weil warum nicht und genossen den sehr warmen Sommerabend, der für München vorerst der letzte sein wird, die ganze nächste Woche wird das vermutlich nix mit Balkon. Daher mussten wir irgendwann auch noch einen Rotwein aufmachen, es hilft ja nichts.

Die sechs Sorten Bergkäse (plus ein Pfund der besten Butter, die ich je aß) hatte F. am Freitag aus Kempten angeschleppt, und wenn ihr da wohnt, dann geht doch dringend mal bei Jamei vorbei und kauft auch drei Kilo. Wir kannten den Käse aus unserem Lieblingsrestaurant, dem Broeding, und neuerdings wird er auch im 3-Sterne-Atelier serviert, wie Jan Hartwig auf Insta erzählte. Und wenn ihr nicht in Kempten, aber in Freiburg, Münster, Murnau oder Hamburg wohnt, dann könnt ihr dieses herrliche Zeug auch bei euch vor Ort erwerben. Macht das mal. Lohnt sich wirklich. Meine persönlichen Lieblinge sind der Jamai (15 Monate) und der Bergmatt (18 Monate). Außer Konkurrenz: Mängisch (30 Monate). Das nächste Mal testen wir den Emmentaler.

Gemeinsam eingeschlafen. Ganz hervorragender Tag.

Was schön war, Montag bis Freitag, 8. bis 12. Juni 2020 – Besser als Sex

Am Montag saß ich erstmals im Archiv des Deutschen Museums. Sonst gehe ich da nur in die Bibliothek, biege also am Eingang morgenmüde und vorfreudig gleich hinter dem Eingang nach rechts ab (nach Anmelden, Zeug wegschließen, Maskensitz überprüfen, nochmal die Händchen desinfizieren, Sie wissen schon). Dieses Mal wurde ich vom Pförtnerhäuschen abgeholt, weil ich nicht wusste, wo es langging. Die zwei Treppen nach oben hätte ich vermutlich auch alleine gefunden, aber hey, Service! Das ging auch gleich so weiter: Wo man sonst einfach mit den Akten allein gelassen wird, bekam ich hier eine kleine Einführung – nur mit Bleistift schreiben – „Ich hole Ihnen mal einen“ –, die Ordnung der Dokumente nicht verändern, auch wenn sie gut gemeint ist, die Lose-Blatt-Sammlungen möglichst wieder bündig in die Schachtel legen etc. Kenne ich alles, mache ich auch immer (bloß den Bleistift vergesse ich immer und notiere, wenn es sein muss, dann mit meinem fiesem Tintenroller möglichst weit weg vom Tisch in mein Notizbuch, SORRY! und gucke danach auch, ob kein Schmodder an meinen Händen ist), aber anscheinend sehe ich mit meiner hellblauen Blümchenmaske so aus, als wüsste ich nicht, wie man sich im Archiv zu verhalten hat. Egal, Service! Aber das tollste waren die kleinen Papierstreifen, die mir überreicht wurden, auf denen man sich die Signatur notieren kann, wenn man Dokumente fotografiert, die man hier netterweise fotografieren durfte. Wie toll! Sonst habe ich dafür immer mein Notizbuch geschreddert oder halt alles gleich in die Fußnoten getippt in der Hoffnung, nichts zu vergessen, aber das ist doch mal eine clevere Idee. Top Archiv, gerne wieder.

Und nebenbei viel gefunden, wenn auch nicht alles, aber die Diss ist wirklich lang genug.

Der Weg morgens in Richtung Museum war beim Radeln schon schön, zurück ist es noch schöner, weil es da direkt an der Isar ein bisschen bergab geht. Mein Rad hat nur acht Gänge und ich hätte gerne elf gehabt. Herrlich!

Montag nachmittag war dann nicht ganz so herrlich, da kam ein kleines Hindernis auf dem Weg zum Diss Bliss, aber das habe ich inzwischen veratmet. Abends gemeinsam eingeschlafen und dabei gemerkt, dass wir beide unseren fünfjährigen Jahrestag verpennt haben.

Dienstag musste ich weiterhin Dinge veratmen und dabei Kuchen backen. Merke: Wenn du irgendwas mit „torched meringue“ machen willst, guck vorher, ob deine Torch noch funktioniert bzw. du eine Ersatzpatrone im Haus hast. Aber die Meringue war eh nicht glossy wie geplant sondern eher brockig, passte also alles in seiner Nicht-Funktion. Lemon Curd und Biskuit waren aber gut.

Mittwoch nichts mehr veratmet, sondern ins Bällebad geradelt. Im ZI meine vierseitige To-Do-Liste weiter abgearbeitet, die Stand gestern abend nur noch gut zwei Seiten umfasst. Das war ein sehr anderes Arbeiten als ich es jahrelang gewöhnt war. Anstatt mir gemütlich acht Kilo Bücher an den Platz zu holen und entspannt zu lesen, rannte ich hier mit meiner ausgedruckten Liste, auf der die Signaturen stehen, durchs Haus, sammelte, rief die betreffende Seite im Dokument auf, korrigierte, nahm das nächste Buch, arbeitete den Stapel ab und rannte wieder los, um einen neuen Stapel zu holen. Meistens geht es nur um Flüchtigkeitsfehler wie fehlende Seitenzahlen oder eine Schreibweise überprüfen oder irgendeinen komischen Bezug in einem Zitat checken, das ich beim Korrigieren seltsam gekürzt und damit gefühlt sinnentstellend umformuliert habe. Richtig lesen muss ich nichts mehr oder nur wenig, das kommt nächste und übernächste Woche als quasi finaler Schritt.

In der Zwangsmittagspause zu Suckfüll gefahren, dem besten Laden aller Zeiten, weil der einfach alles hat. Meine auf der Fensterbank gezogenen Tomaten brauchten größere Töpfe und langsam auch mal längere Stangen als meine Essstäbchen, an die ich sie anbinden könnte. Normalerweise fahre ich für sowas ins Gartencenter, aber ich will gerade keine Öffis nutzen. Also Suckfüll. Von dort erstand ich drei Kunststofftöpfe, die bequem auf den Gepäckträger passten und drei Bambusstangen, die ich gnadenlos einen Meter oben aus meinem Rucksack gucken ließ. Damit fühlte ich mich wie eine amerikanische Ur-Einwohnerin mit Pfeilköcher und Bogen auf dem Rücken. Vielleicht sollte ich mal Bogenschießen ausprobieren. Für eine hibbelige Brillenträgerin bestimmt genau die richtige Sportart.

Donnerstag war in Bayern mal wieder Feiertag, daher saß ich den ganzen Tag am Schreibtisch und begann die jetzt aber wirklich letzte Korrekturschleife. Alles bis 1933 ist jetzt fertig, final, da fehlt nix mehr, das lass ich jetzt so.

Abends hatte ich einen Tweet in meiner Timeline, der meinen Geisteszustand gerade sehr gut beschreibt:

Ich denke zwar, meist beim Einschlafen, dass ich gerade erst an der Oberfläche meines Stoffs kratze und eigentlich noch ein Jahr daran weiterschreiben sollte, aber jetzt, beim vierten Korrekturgang und nach ungefähr anderthalb Jahren Durchschreiben dachte ich nach dem Lesen der Einleitung zu NS-Kunst, den Autobahnen und der Autobahnmalerei: Das ist gut. Das ist wirklich gut. Das hatte ich zu Uni-Zeiten selten.

Gestern wieder Bällebad, Liste abarbeiten, den Doktorvater auf der Treppe der Bibliothek getroffen, der natürlich ins Büro wollte – „Heute ist mein letzter Urlaubstag“ – ach, Vati –, den Rest des Tages am heimischen Schreibtisch weitergearbeitet, mich bis Ende 1935 durchgekämpft und auch da gedacht: Das ist gut.

Feierabend auf dem Balkon und lauter neue Follower auf Instagram, weil Herr @nilzenburger ihnen in einer seiner Storys gesagt hatte, wenn man mich liest, möchte man wieder studieren.

Möchte ich auch, Hase. Möchte ich auch.

Was schön war, Montag, 8. Juni 2020 – Archiv des Deutschen Museums

Dazu könnte ich jetzt schön was erzählen, weil’s schön war im schönen Archiv mit schönen Schriftstücken, aber ich habe da aus totaler Verpeiltheit ein kleines Böckchen in der Diss geschossen, auf das ich ja schon die ganze Zeit warte. Das lief alles zu reibungslos. Deswegen brauche ich meinen Kopf mal kurz für was anderes als fürs Bloggen. (Alles gut.)

Was schön war, Sonntag, 7. Juni 2020 – Menschen und Maschinen

An der Diss gesessen (bald haben wir das Thema alle hinter uns, wo-hoo!). Fußball geguckt bzw. eine Halbzeit nur damit beschäftigt gewesen, einen Stream zu finden (kein Sky, kein Prime, ich hab nix mehr) und mich trotzdem über das Spiel aufgeregt. Was mache ich hier eigentlich. Aber es gab ja noch die letzten zwei Folgen von „The Circle“, die mir aber etwas zu langatmig waren, und dann fing ich die neue Staffel von „Queer Eye“ an und das war schön. (Okay, Netflix hab ich noch.)

Zum Mittag den restlichen Tofu mit Gemüse und der Sesamsauce und dem Chili-Öl von vorgestern aufgewärmt und aus dem restlichen Teig neue Nudeln geschnitzt. Zum Abendessen dann die Reste der aufgewärmten Reste kalt gegessen. Hervorragende Mahlzeitenplanung.

Eine schöne Mail eines hilfreichen Menschen bekommen, mit F. per DM kommuniziert, auf Twitter gemerkt, dass man nicht alleine ist.

Ich liebe meine Geschirrspülmaschine.

Was schön war, Samstag, 6. Juni 2020 – Wieder im Flow

Keine Atempause, die Diss wird jetzt gemacht, es geht voran!

(Sorry.)

Ich weiß, dass die Kapitel von 1933 bis 1937 die längsten und detailreichsten sind, deswegen dauerte das Freitag auch so irre lange, sich da durchzukämpfen und auf meiner To-Do-Liste zu notieren, was noch to do ist. Es überraschte mich aber doch, wie schnell dann gestern 1938 bis letzter Satz der Arbeit gingen. Da ist wirklich nicht mehr so irre viel zu tun, yay! Die Arbeitsbröckchen verteilen sich auf das Kunstarchiv in Nürnberg (bisher einen Tag gebucht, ich ahne, dass ich noch einen weiteren brauchen werde), das ZI (da rechne ich optimistisch mit drei bis vier Tagen), ein paar Bücher gibt’s nur in der Stabi, dann muss ich nochmal in die Bibliothek des Deutschen Museums und für einen winzigen Kapitelabschnitt ins Archiv desselben, und da bin ich morgen, Vorfreude! Und dann ist das Ding durch. Ich gucke gerade selbst erstaunt, während ich den Satz tippe.

Fürs Mittagsmüsli (nur Cold Brew gefrühstückt) wollte ich mir einen Apfel schälen, dont @ me, und stellte verwirrt fest, dass mein Sparschäler nicht neben den anderen kleinen Messern in seinem Glas stand. Zufällig in ein anderes Behältnis nebenan gerutscht? Nope. Im Geschirrspüler vergessen? Nope. Hm. Wann habe ich den denn das letzte Mal benutzt? Ach, vor ein paar Tagen zum Kartoffelschälen. Und die Schalen habe ich dann in den Müll geworfen, den ich vorgestern zu faul war runterzubringen. … … Ein erneuter Beleg, dass Faulheit super ist, denn mein Sparschäler lag in der Mülltüte. Keine weiteren Kommentare über den Duft, den ich dafür in Kauf nahm, dieses 2-Euro-Gerät wiederzukriegen.

Wie ich auf Twitter lernte, sind Sparschäler die Dinge, die mit am meisten weggeschmissen werden, weswegen sie aus eher günstigen Materialien gefertigt werden. Manchmal ist die Welt doch ein bisschen schlau.

So schön im Flow gewesen, dass mir Fußball egal war.

Abends nach nur einer Woche erneut Dan-Dan-Nudeln gemacht, weil so gut! SO GUT! Dieses Mal mit Tofu statt mit Hack. War auch gut, die Sauce kleistert eh alles zu, aber ich gebe zu, Hackfleisch esse ich schon sehr gern. Das Gemüse war gestern nur roh, einfach hauchdünn gehobelte Zucchini- und Möhrenscheibchen plus ein paar Paprikastreifen und ordentlich Koriander. Was ich beim nun dritten Zubereiten der Nudeln gelernt habe: Die können vor dem Wasserbad ruhig zusammenkleben, die entknäulen sich sofort, sobald sie im Topf landen. Hallo, italienische Eierdiven. Mal ein Beispiel daran nehmen.

Den Feierabend mit drei Folgen von „The Circle“ genossen, einer Netflix-Sendung, in der ein paar Leute in einem Wohnblock eine Woche (?) zusammenleben, sich aber nur über ein Social-Media-System namens „The Circle“ kennenlernen. Aka über Praktikanten, die ihre Spracheingaben abtippen und statt kiki immer keykey schreiben. Ich war fest davon überzeugt, die Sendung total albern zu finden, bin jetzt aber doch sehr fasziniert davon. Alleine für den Satz „So Adam who is really married cat-lover Alex is going on a romantic first date with Rebecca who is really a guy named Seaburn posing as his girlfriend“ hat es sich gelohnt. Als kleiner Lerneffekt nebenbei, obwohl wir Interwebfredels das ja eigentlich wissen: Auch Beziehungen über einen Bildschirm sind Beziehungen.

Lache seit vorgestern über diesen Tweet because it’s true. Ich höre DLF immer im Bad und meist erst ab 22 Uhr irgendwann, wenn ich mich fürs Bett fertigmache, aber wenn ich mal vorher reinklicke, habe ich auch gerne ein Fragezeichen im Gesicht.

Tagebuch Freitag, 5. Juni 2020 – Nicht im Flow

War ja klar: Einen Tag läuft’s, am nächsten ist mein Kopf im Eichhörnchenmodus. Den Vormittag zwang ich mich, am Schreibtisch zu bleiben, statt spätem Mittagessen putze ich meine Wohnung, dann ist das auch erledigt, danach hielt die Selbstdisziplin noch für ein paar Stündchen, aber wo ich sonst immer brav bis zum Kapitelende schreibe, korrigiere oder rumfummele, hatte ich dieses Mal wirklich, wirklich keine Lust mehr auf diese. verdammten. Autobahnen. Der Punkt ist anscheinend überschritten, an dem ich gerührt auf mein Werk schaue und es liebevoll in die Welt entlassen möchte – jetzt geht’s mir nur noch auf die Nerven, und ich will, dass es endlich auszieht, alles besenrein aufräumt und den Müll mit runternimmt.

Aber vorher muss ich noch ein paar zusätzliche Abbildungenngrpmpffft. Der nächste Bachelor wird in Geschichte gemacht, da saßen die Leute größtenteils ohne Powerpoint vorne und lasen dem Kurs ihr Referat vom Blatt vor. Alles ohne Bilder. Das wird super.

Aber: Meine Damen und Herren, ich habe geerntet. Nicht nur so lausige Kräuter, nein, ich habe gestern den ersten Salat aus dem Balkonkasten gepflückt. Und mit einem Hauch Olivenöl, Zitronensaft und Salz war es natürlich der beste Salat der Welt.

Ich habe Nahrungsmittel entstehen lassen! ICH BIN GOTT!

Gott, die neidisch auf die ganzen Gartenfotos in ihrer Timeline guckt, wo Leute faustgroße Radieschen ziehen und so was. Nächstes Jahr.

Was schön war, Donnerstag, 4. Juni – Im Flow

Morgens wieder ein Stündchen vor dem Wecker aufgewacht und mal was richtig Gutes getan: spazierengegangen. Dabei lief ich mir ernsthaft eine Blase in den Schuhen, in denen ich seit Monaten rumlaufe, was mir sehr klar macht: weniger radfahren, mehr gehen. Oder generell öfter die Schuhe anziehen und durch die Gegend laufen. Ich bin in den letzten Wochen anscheinend doch zu sehr mit Stühlen am eigenen Schreibtisch, in Bibliotheken oder Archiven verwachsen.

Müsli mit Obst, O-Saft, keine Lust auf Kaffee gehabt, den Tag ungeplant früh mit der neuen Masterchef-Australia-Folge begonnen.

Den Rest des Tages komplett am Schreibtisch verbracht, so ungefähr elf Stunden. Ein-, zweimal machte ich Pause mit der Teetasse auf dem Sofa und daddelte eine Runde Candy Crush, aber ansonsten tippte ich durch, sortierte neue Abbildungen ein, überprüfte Fußnoten und legte mir die hoffentlich finale To-Do-Liste an von Dingen, die ich nicht zuhause abarbeiten kann. Bisher markierte ich Baustellen in der Diss neongelb, damit ich wusste, dass dort noch etwas zu tun ist, aber jetzt versammelte ich alle diese angemerkten Stellen und notierte sie mit Seitenzahlen, damit ich einen Überblick darüber habe, wo ich noch hinmuss und wofür. Was sich gleich erledigen ließ, erledigte ich, und so bin ich jetzt schon wieder im Jahr 1933 angekommen. Hello again. (Reicht jetzt langsam.)

Gegen 18.30 Uhr näherte ich mich dem Hungertod, klappte den Rechner zu und ging in die Küche, wo noch ein paar Pandanblätter auf mich warteten und Kokosmilch und ein Gemüseberg. Ich fühlte mich schon bei der ersten Benutzung der Blätter für Nasi Lemak wie der totale Profi, und das war gestern auch so. Ich verknotete zwei Blätter, gab Reis und Kokosmilch zu ihnen in den Topf, warf großzügig Salz hinzu und eine Schalotte. Während der Reis vor sich hindämpfte, briet ich in einer Pfanne in ordentlich Chili-Öl hauchdünn gehobelte Möhren und Zucchini, dazu Paprikastreifen und Brokkoliröschen an und gab zum Schluss noch eine Handvoll Erdnüsse über alles. Das hat so viel Freude gemacht, meine Hände mit Lebensmitteln zu beschäftigen und noch stundenlang diesen wundervollen, floralen Duft in der Küche zu haben. Okay, in der halben Wohnung, ich habe die Küchentür bewusst offengelassen. Hätte ich auch nicht gedacht, dass mich Chili und Grünzeug mal so glücklich machen könnten.

Zum Tagesausklang noch mit Hamburch telefoniert, ganz altmodisch. Wir sprachen darüber, dass uns die derzeitige Nicht-Normalität auf den Zeiger geht, aber was wirklich fehlt, ist körperliche Nähe. Ich wohne zwar nicht mit F. zusammen, aber nach fünf Wochen bewusstem Abstandhalten konnte ich ihn wieder umarmen und ich habe ein bisschen geweint, als ich das endlich wieder konnte, weil es mir so gefehlt hat. Darüber vergesse ich gerne, dass es mir als Single gerade vermutlich weitaus weniger gut gehen würde.

Ich erinnerte mich an einen sehr flüchtigen Gedanken, den ich so Mitte April gehabt haben muss. Ich bin gerne alleine und halte in der U-Bahn schon immer Abstand, aber zur Hochzeit der Pandemie erwischte mich ganz kurz der Wunsch, in einer überfüllten Bahn zu stehen, um andere Menschen zu spüren. Neben dem neu erwachten Bewusstsein dafür, wie wichtig mir Kochen und Essen ist und dass es mich durch miese Tage rettet, auch wenn ich wahrscheinlich zwei Kilo zugenommen haben könnte, keine Ahnung, passt noch alles, ist auch sehr egal, ist mein größter Lerneffekt der Pandemie, dass ich doch nicht ganz so der Einzelgänger bin, für den ich mich hielt. Vielleicht war es auch nur das erzwungene Alleinsein, also das Fehlen der eigenen Entscheidungsmöglichkeit, aber ich bin ein bisschen mehr mit Menschen versöhnt worden. (Diesen verdammten Virenschleudern!) ((Mein Gehirn arbeitet noch.))

Ich lese gerade ein Buch, das schon viel zu lange hier herumliegt: Wieder im Rampenlicht: Jüdische Rückkehrer in deutschen Theatern nach 1945 von Anat Feinberg. Dabei stolperte ich gleich im ersten Kapitel über einen Namen, den ich bei der Arbeit im Hauptstaatsarchiv mehrfach gelesen hatte: Dieter Sattler. Der Mann versuchte, zwischen Protzen und Constantin Gerhardinger zu vermitteln, die nach 1945 beide die Münchner Künstlergenossenschaft neu begründet hatten; ein Zivilgericht sprach 1952 Gerhardinger die Organisation zu.

„Nur vier Monate nach Kriegsende erschien in der deutschsprachigen Wochenzeitung Aufbau in New York ein Aufruf an die emigrierten Theaterleute“, wieder nach Deutschland zu kommen. Ein größerer Teil der Kulturschaffenden remigrierte in die damalige sowjetische Besatzungszone, aus der sich offensiv um die Emigrant*innen bemüht wurde.

„Einen vergleichbaren Appell an Bühnenkünstler gab es weder in Westberlin noch in den anderen, von den westlichen Alliierten kontrollierten Zonen Deutschlands. Umso erwähnenswerter ist die Aufforderung zur Rückkehr aus der Feder des bayerischen Staatssekretärs für Schöne Künste, Dr. Dieter Sattler, einer der wenigen Westdeutschen in politischer Funktion, der den Emigranten eine große Bedeutung beim Aufbau des zerstörten Landes zumaß. In seinem Entwurf über ‚Das andere Deutschland‘ (1947) schlug Sattler für den geistigen Wiederaufbau eine ‚Vortragsreihe prominenter deutscher Emigranten‘ sowie ‚Konzerte und Vorstellungen‘ vor. Neben bekannten Schriftstellern und Musikern nannte er die Theaterkünstler [Else] Bassermann, [Fritz] Kortner, [Elisabeth] Bergner und Ernst Deutsch. Ohne ‚unsere Verbannten‘, die man bereits 1945 gebraucht hätte, sei ‚das „andere Deutschland“ ein Torso‘, behauptete Sattler. Dabei fällt auf, dass im damaligen kulturpolitischen Diskurs immer dieselben Namen genannt wurden: ‚die Elite‘, so die Historikerin Marita Krauss; ‚die Reklame-Juden‘, in den Worten des Emigranten Walter Wicclair.“

(Feinberg, Anat: Wieder im Rampenlicht: Jüdische Rückkehrer in deutschen Theatern nach 1945, Göttingen 2018, S. 21/22.)

Was schön war, Mittwoch, 3. Juni 2020 – Korrekturgang 4 (?)

Schreibtischtag. Erfolgreich, konzentriert, Zeug geschafft, mehrere Geistesblitze eingearbeitet, ansonsten korrigiert und ergänzt, mal wieder am Ende vom Dokument angekommen.

Schon im letzten Sommer hatte ich auf meinen Balkontisch einen kleinen Teller steht, in den ich ein paar Steine legte und Wasser goss, damit durstige Insekten einen Thekenbesuch machen konnten. Ich habe da nie ein Viech gesehen, aber in diesem Jahr sah ich schon mehrfach – Wespen. Ausgerechnet. Was ist mit fluffigen Bienen und Hummeln? Nein, Wespen. Noch lasse ich den Teller stehen, aber wenn die Jungs noch ihre Kumpels anschleppen, mache ich den Laden wieder dicht.

F. so: „Jetzt wo wir nicht im Biergarten sind, stören Wespen gar nicht so.“

Einen Platz im Kunstarchiv in Nürnberg zugeteilt bekommen, das seit vorgestern und nur eingeschränkt wieder geöffnet ist. Aber einmal muss ich noch durch den Nachlass wühlen, vermutlich reicht dafür ein Tag gar nicht, aber mehr gibt’s erstmal nicht.

Pfannkuchen aus Sauerteigresten, Chiliquark dazu. Der übliche Berg an Schokomüsli mit einem Pfund Obst drauf. Ostfriesentee und eine Tüte Tropifrutti, bei der WIE IMMER zu wenige Bananen enthalten waren.

Die guten Dinge an Corona: Einige von uns hatten viel Zeit.

How Crowdsourcing Aided a Push to Preserve the Histories of Nazi Victims

„While the coronavirus pandemic has painfully upended lives and businesses around the world, the lockdowns it caused are providing a unique boost for one group’s effort to help heal a generations-old wound: Nazi atrocities.

As the virus prompted lockdowns across Europe, the director of the Arolsen Archives — the world’s largest devoted to the victims of Nazi persecution — joined millions of others working remotely from home and spending lots more time in front of her computer.

“We thought, ‘Here’s an opportunity,’” said the director, Floriane Azoulay.

Two months later, the archive’s “Every Name Counts” project has attracted thousands of online volunteers to work as amateur archivists, indexing names from the archive’s enormous collection of papers. To date, they have added over 120,000 names, birth dates and prisoner numbers in the database.“

Abends im Bad wieder am Deutschlandfunk hängengeblieben, wo es um eine neue CD mit Werken von Aaron Copland ging (Sendung nicht direkt verlinkbar, das waren so ungefähr die letzten 20 Minuten). Das Württembergische Kammerorchester Heilbronn spielt auf „Father Copland“ unter anderem auch Appalachian Spring, aber nicht in der Orchesterversion, sondern für ein kleineres Ensemble. Ich fand die kurze Zeit mit Copland sehr schön, den Herrn kannte ich durch die hervorragenden Klassik-Playlists von Gabriel Yoran. Gelernt: Die Musik des linksgerichteten Copland wurde für mehrere republikanische Werbespots als Inspiration genutzt. Mehr dazu (schöne Links!) beim Musikkritiker des New Yorker, Alex Ross.

Das war’s. Guter Tag. Ich mag konzentriertes Arbeiten, und ich mag schöne Tagesausklänge.

Was schön war, Dienstag, 2. Juni 2020 – Frisch gezapftes Bier

Lange vor dem Weckerklingeln aufgewacht und die nächtliche Timeline nachgelesen. Dabei über ein Foto von Arlene Mejorado auf dem Instagram-Account der US-Vogue gestolpert:

Ich kann mich bis jetzt nicht entscheiden, ob ich das Bild – von diesem Account – großartig oder fürchterlich finde. Das Foto an sich beschäftigt mich und ich bin immer noch dabei, meine Gedanken zu sortieren, das wird also jetzt keine gründliche Bildanalyse.

Die Rückansicht der Protestierenden ist spannend, man erkennt keine Gesichter, sie müssten eine Masse sein, aber ein Mensch sticht heraus. Die Pose mit der erhobenen Faust assoziiert sofort die Black-Power-Bewegung, der nackte Oberkörper mit der Aufschrift erinnerte mich schmerzlich an Fotos von Sklaven, auf deren Rücken Narben von Peitschenhieben zu sehen sind. Hier ist die Rückenhaut vermutlich von eher freundlich gesinnten Menschen mit etwas versehen worden, die glatte, unzerstörte Haut mit dem Slogan darauf hat also eine ganz andere Wirkung als die Sklavenfotos – Stichwort „empowerment“ –, wobei auch letztere, siehe Link, als Botschaft dienten. Trotz der historischen Assoziationen ist das Bild eindeutig aus der Jetztzeit: Mit dem erhobenen Handy wird gefilmt oder instagrammt, an den Ohren des zentralen Mannes sind die Bänder eines Mundschutzes zu erkennen.

Was mich seit gestern fragend auf das Bild starren lässt, ist das Outfit des Mannes: Wenn er nicht gerade auf einer Protestkundgebung wäre, könnte er auch in einem Video einer Klamottenfirma agieren oder für Accessoires wie Rucksäcke werben. Deswegen weiß ich immer noch nicht, ob ich diesen Post großartig finde – weil total on brand – oder fürchterlich – weil total on brand.

Aber immerhin konnte mein Kopf mal wieder über etwas anderes nachdenken als über Autobahnen.

Den Vormittag verbrachte ich im Staatsarchiv und lernte, ohne es zu wollen, dass der Verband der Mineralwasserfabrikanten es 1944 total doof fand, dass die Staatsbrauerei Weihenstephan jetzt auch noch Blubber macht, wo kommen wir denn da hin. „Für die Zeit nach dem Krieg muß jedoch darauf bestanden werden, daß die Brauerei den Handel mit Limonaden einstellt.“

Und ich fand auch ein paar schöne Dinge zu Herrn Protzen und zu seinen Kollegen, von denen viele noch meinten, die zeitgenössische Kunst bestände aus „extremen Experimenten“ oder sei „abnorm“. Einer tat sich 1955 mit einem ganz besonders beknackten Zitat hervor: In einem Schreiben, in dem der bayerische Staat um finanzielle Unterstützung gebeten wird, erwähnte Franz Siegele, dass man sich die Picasso-Ausstellung im Haus der Kunst „unbedingt“ ansehen werde – „nicht der Qualität wegen sondern um zu sehen, was hinter dem Rummel um diesen Maler steckt.“ Auf der Schau hing übrigens auch die Guernica, wenn wir schon von abnorm reden, gell, deutsche Luftwaffe?

Nach Hause geradelt, Croissants zum Mittagessen, danach gut gelaunt am Schreibtisch weitergearbeitet.

Abends hatten F. und ich ein Date, so draußen, unter Menschen, IN EINEM LOKAL! Das hatten wir seit März nicht mehr gemacht und deswegen hielten hier gleich zwei Leute das erste frisch gezapfte Bier seit Monaten bildlich fest. Es war herrlich.

Wir durften nur zwei Stunden bleiben, aber das war in Ordnung. Außerdem trafen wir den charmanten @manumelm, der im gleichen Lokal einen Tisch reserviert hatte. Dieses Dorf! Ich war für zwei Sekunden pissig, dass der Herr auf dem Bürgersteig stehen blieb anstatt an den Tisch zu kommen, aber dann fiel es mir noch ein: Wir müssen ja Abstand halten. Ich vergesse das so gerne, weil ich so gut wie nie unter Menschen komme außer im Supermarkt. Ich bleibe weiterhin so gut es geht zuhause und gehe fast ausschließlich in Gebäude, in denen Menschen die Klappe halten und möglichst weit von mir entfernt an Einzeltischen sitzen und arbeiten.

Nach Schnitzel und Bier (ein Fest!) saßen F. und ich noch Stunden auf meinem Balkon und freuten uns über Schnitzel, Bier, Balkon, Zufallstreffen, nette Gespräche und dass es sich mal für zwei Stunden normal angefühlt hat. Bis auf die maskierte Kellnerin und dass man Namen und Telefonnummer am Tisch ausfüllen musste. Und weil wir den Tisch schon um 18 Uhr reserviert hatten, waren wir sogar noch vor Mitternacht im Bett, aber es fühlte sich an, als hätten wir die halbe Nacht durchgequatscht.

Guter Tag.

Was schön war, Montag, 1. Juni 2020 – 17 Seiten

Ausgeschlafen. Müsli mit Pfirsich, Erdbeeren und Weintrauben. Die neue Folge Masterchef Australia angeschaut, bei der ich zum Schuss fies heulen musste, denn es ist schon schlimm genug, wenn Kandidat*innen, die ich mag, rausfliegen, aber dass sie nun von niemandem mehr umarmt werden, sondern einfach so gehen müssen, bricht einem wirklich das Herz. (Einem = mir.)

Tee gekocht und an den Schreibtisch gesetzt. Die Jahre von 1945 bis 1956 umgebaut und dabei einen neuen Anhang finalisiert. Auf 17 Seiten habe ich jetzt einen guten Überblick über alle Werke, die von Protzen jemals ausgestellt wurden, zu Lebzeiten und posthum. Jetzt muss man keine 300 Seiten mehr lesen, um zu sehen, dass das Gemälde, das heute als sein bekanntestes gilt, gerade einmal 1940 in München zu sehen war und dann in Depots vergammelte, bis es die Ausstellungsmacher der Bundesrepublik wieder ans Licht zerrten und ihm den Untertitel „SO SEHEN AUTOBAHNBILDER AUS, MEINE DAMEN UND HERREN, SCHLIMM, GANZ SCHLIMM“ verliehen. I beg to differ, aber nicht mehr so energisch wie vor drei Jahren, als ich mit der Diss anfing.

Um einen Platz im Lesesaal des Archivs des Deutschen Museums gebeten. Online einen Platz im Lesesaal der Stabi gebucht, der allen Ernstes erst am 15. Juni sein wird, vorher war schon alles dicht. Gut, dass ich aus der Bibliothek nicht mehr viel brauche. Bei F. beklagt, der mir per DM einen Clip schickte mit der Ansage: „For all the other Stabi users who are not you.“ (Der Herr ist ein bisschen voreingenommen, aber ich bin natürlich total seiner Meinung.)

Und dann war der Tag schon rum. Das geht am Schreibtisch ja immer sehr schnell. Irgendwann ein Käsebrot gegessen, Kuchen von vorgestern, der aber anscheinend wirklich nur für den Backtag zum genussvollen Verzehr geeignet ist, abends nochmal Müsli mit Obst, weil lecker. Ruhiger und gleichzeitig emsiger Tag. Die USA weitgehend ignoriert, weil ich sonst irre werde an der Menschheit. Meine Twitter-Nutzung zum achttausendsten Mal hinterfragt, da komme ich auch nie zu einem wirklichen Endergebnis.

Was schön war, Sonntag, 31. Mai 2020 – Ruhe

Ausgeschlafen. Bei offenem Fenster schlafen können, ein bisschen wegen Feiertag, ein bisschen immer noch wegen Corona, es sind bei mir vor der Haustür weiterhin merklich weniger Autos unterwegs. Aber schon wieder mehr als noch vor einem Monat. Das hätte von mir aus nicht sein müssen, aber nun gut.

Gut in der Diss vorangekommen, der Rückbau ist vollzogen, das Inhaltsverzeichnis wird weiterhin angepasst, und bis jetzt (1945) fühlt sich das sehr gut an und liest sich auch so.

Auch die Zweitprüferin hat ihr Okay gegeben, ich plane also jetzt einen Endspurt bis Anfang August, denn dann muss der Stapel in dreifacher Ausführung im Prüfungsamt sein, nachdem ich mich Ende Juni zur Abgabe anmelden werde. Vielleicht hat das Amt bis August auch wieder geöffnet und ich kann persönlich vorbeischauen, ansonsten wird das ein sehr schweres Paket. (Fiel mir gestern im Halbschlaf ein: Haben Copyshops wieder geöffnet?)

Mit Mama telefoniert. Und ein paar Sätze mit Papa, aber er hat mich nicht gut verstanden und mir frohe Weihnachten gewünscht.

Weiterhin Reste der Dan-Dan-Nudeln verspeist, jetzt ist der Berg erledigt. Das war so gut, das möchte ich eigentlich sofort wieder essen.

Stattdessen Kladdkaka gebacken – das Rezept war super, die Backzeit eindeutig zu kurz. Ganz so matschig wollte ich das Innenleben dann doch nicht haben. Falls ihr es nachbackt, und hej, ihr habt vermutlich alles dafür im Haus, lasst das Ding einfach 25 bis 30 Minuten im Ofen.

F. war unterwegs und hatte seinen Schlüssel vergessen, er mailte mich an, dass er seinen Ersatzschlüssel von mir holt. Ich freute mich vor, als die nächste DM kam: Sein Nachbar habe den Schlüssel außen an seiner Wohnungstür bemerkt und ihn angerufen, er käme daher nicht bei mir vorbei. Abends vielleicht? Ich freute mich erneut vor, war dann aber so in der Diss versunken, dass ich ihm schrieb, ich würde gerne noch weitertippen. Als ich mich erst um 21.30 Uhr wieder meldete, hatte der Herr verständlicherweise nicht mehr so recht Lust, noch vor die Tür zu gehen. Dreimal vorgefreut, immerhin nur einmal selbst verkackt.

Aber: Wir haben eine Reservierung! in unserer Lieblingskneipe! morgen abend! WIR GEHEN AUS! Das fühlt sich noch sehr irre an. Wir sitzen natürlich draußen – Innenräume meide ich weiterhin, wenn sie keine Bibliothek oder kein Archiv sind –, und wir haben den Platz erstmal nur für zwei Stunden, aber: WIR GEHEN AUS! SO NORMAL SO!


Igor Levit sprach mit der NYT über seinen Vexation-Marathon. Das blöde Stück hatte ich gestern den halben Tag noch im Ohr.

„There were moments of anger, there were moments of fear, sadness, devastation. But these were touchable moments for me more than anything psychological. In the middle, I looked at where I was and thought: There are still 590 to go, what the heck? It took me about half an hour to get through that, but it was really the only moment where I thought, not that I wasn’t going to make it, but that I was annoyed.“

Was schön war, Freitag/Samstag, 29./30. Mai 2020 – Duft und Klang

Den Freitag nur halbherzig an der Diss gearbeitet, irgendwie mehr Lust auf Kochen gehabt und das dann umgesetzt. Ich probierte das Rezept für Dan-Dan-Nudeln aus und schon der erste Zubereitungsschritt hat mich deutlich glücklicher gemacht, als Unterpunkte im Inhaltsverzeichnis zu korrigieren. Für das Gericht braucht man erstmal ein Chili-Öl, dazu wirft man eine Zimtstange, ein paar Sternanis, zwei Lorbeerblätter und ein paar Szechuanpfefferkörner in Öl und kocht alles auf, bis es duftet. Und so hing ich zehn Minuten über dem Herd und schnupperte, was mir ganz simpel Freude bereitete. Danach gießt man das aromatisierte Öl über Chilipulver und -flocken und das duftet dann auch, auch wenn ich bei Chili immer noch den Atem anhalte weil scharf und ich Memme.

Dann duftete auch noch die Sesamsauce, die ich herstellte, und als ich das ganze einen Tag später für F. und mich zum späten Frühstück erneut zubereitete, weil ich zuviel Nudelteig gemacht hatte, briet ich Schweinehack an und verfeinerte es mit Soja- und Hoisinsauce und auch das roch einfach gut.

Gestern duftete dann mein Darjeeling, der Wochenendtee statt des Ostfriesentees an Werktagen, und mein Kühlschrank riecht gerade nach Erdbeeren, und weil mein Basilikum und mein Thymian auf dem Balkon blühen, musste ich da auch meine Nase reinhalten und überhaupt duftet gerade alles und es ist herrlich.

Gestern verbrachte ich den halben Tag damit, Igor Levit bei seinem Mammutprojekt zuzuschauen und zuzuhören: 840 Mal hintereinander Eric Saties Vexation zu spielen. 20 Stunden waren dafür vorgesehen, der Mann erledigte das in fünfzehneinhalb. Er begann um 14 Uhr damit, sich an den Flügel zu setzen, vor ihm ein Riesenstapel Notenblätter, von denen er sich einen kleineren Packen auf den Notenständer legte, um dann Blatt für Blatt abzuspielen und diese danach auf den Fußboden zu werfen, zu legen, fallenzulassen. Die Blätter werden versteigert, der Erlös geht Kulturschaffenden zu. Dafür war die ganze Aktion überhaupt: um auf die derzeitige Situation von Künstler*innen hinzuweisen und sie zu unterstützen.

Ich habe nicht die ganzen 15 Stunden gesehen, zwischendurch musste ich mich über Augsburg aufregen, dann erwischte mich ein Nickerchen, schlimm, und ein, zwei Serienfolgen mussten auch geschaut werden. Aber ansonsten lief der Stream, bis ich nach Mitternacht ins Bett ging. Ich las nebenbei, kochte, wusch ab, aber meistens schaute ich Levit einfach zu und fand es unerwartet auf- und anregend.

Der Kopf konnte sich nicht ganz verselbständigen, obwohl die hypnotische Musik sich irgendwann so ins Gehirn gefräst hatte, dass ich sie immer noch höre, aber die Kameraführung ließ einen selten wirklich in Ruhe. Und ich fand das nicht schlimm, im Gegenteil, ich war fasziniert davon, wieviele Blicke auf einen Mann in einem Raum, in dem ein Flügel steht, möglich waren, ohne dass es langweilig wurde. Es fiel mir wirklich schwer, den Stream schließlich zu beenden und schlafen zu gehen und Levit gefühlt alleine zu lassen. Um 2 Uhr wurde ich davon wach, dass irgendein Witzbold an meiner Tür klingelte, woraufhin ich nochmal bis 3 Uhr Levit zuschaute, dieses Mal auf dem Handy im Bett.

Holger Schulze hörte fast komplett zu, bis auf die letzten Stunden, und twitterte. Diese Sätze fand ich besonders schön: „Die Musik erfüllte tatsächlich unser Haus als Möbelmusik, als die berühmte “musique d’ameublement”, von der ihr Komponist stets geträumt hatte. / Das offene, driftende tonale Zentrum dieses Stückes – das alles andere als atonal ist, wie es dennoch manchmal heisst – trug dazu bei. Es prädeterminierte nicht die Raum- oder Situationswahrnehmung durch fixe Akkordschritte und Motivarbeit. / Es legte sich tatsächlich als zarter Nebel, als sanfter Filter, als begleitender Duft über diesen Spätnachmittag, durch die Zimmer unseres bescheidenen Hauses.“

Auch Ines Häufler hörte länger zu: „Am Anfang dachte ich übrigens „Come on, was hat die arbeitslose freie Orchestermusikerin davon, dass du dich 20 Stunden quälst?“, denn es geht ja darum, auf die verzweifelte Situation der Kulturschaffenden aufmerksam zu machen. Aber jetzt kommt mir vor: Das Stück ist perfekt. / Also auf der künstlerischen Ebene, finde ich. Die endlose Wiederholung, die aus sich heraus zu nichts zu führen scheint. Die Töne, die zwischen Hoffnung/Harmonie und Verzweiflung/Dissonanzen wechseln. Die Mühe, die Töne immer wieder aufs Neue aus dem Instrument herauszuholen.“

Das fiel mir auch auf: dass das immer gleiche Stück eben nicht immer gleich klingt. Die Unterschiede in der Lautstärke waren wahrzunehmen, ich ahne auch, dass das Tempo nicht immer dasselbe war. Die letzten Minuten schaute ich mir nochmal im Stream an, und da wurde Levit sehr leise und sehr langsam anstatt das Ding einfach runterzubrettern, um endlich, endlich fertigzuwerden.

Dafür, dass wir im Moment nicht in Konzerte kommen, kriege ich doch ganz schön viel Kultur mit und damit die Gelegenheit, mich mit mir selbst und meiner Wahrnehmung von irgendetwas auseinanderzusetzen. Danke dafür.

Dan-Dan-Nudeln mit Sesam-Chili-Sauce

Das Rezept ist eine Variante dieser Zubereitung eines Masterchef-Australia-Kandidaten (vermutlich nur mit VPN außerhalb von Australien zu erreichen). Der Kandidat hatte das ganze mit Pak Choi zubereitet, ich hatte mehr Lust auf anderes Zeug. Nudeln, Hackfleisch und Sauce sind aber nach seiner Anleitung entstanden und auch von mir Scharf-Memme als sehr angenehm empfunden worden. Das war so angenehm, dass ich beim Servieren noch drei Teelöffel von dem frisch erstellten Chili-Öl über das Essen gegeben habe, dann ist es wenigstens latent scharf.

Für vier Personen.

Für die Dan-Dan-Nudeln
280 g Mehl, Type 405, mit
ca. 150 ml Wasser und
ein bisschen Salz mischen. Zu einem geschmeidigen Teig kneten – daher das Wasser lieber nach und nach und nicht auf einmal zugeben, notfalls nachjustieren –, zu einer Kugel rollen, in eine Schüssel geben, abdecken und für mindestens 20 Minuten ruhen lassen.

Für das Chili-Öl in einem kleinen Topf
250 ml Pflanzenöl (bei mir Sonnenblume) mit
1 Zimtstange,
3 Sternanis,
2 Lorbeerblättern und
2 EL Szechuanpfeffer, ungemahlen, für ungefähr zehn Minuten leicht köcheln lassen, bis das Öl duftet. Die Temperatur erhöhen und zwei Minuten kochen. Dann durch ein feines Sieb in eine hitzebeständige Schüssel kippen (kochendes Öl, Kinnings, Vorsicht), in der sich
2 EL Chiliflocken,
1 EL Chilipulver und
ein bisschen Salz befindet. Alles gut umrühren und beiseite stellen.

Für die Chili-Sesam-Sauce
60 ml helle Sojasauce mit
60 ml Hühnerbrühe,
40 g Tahini,
2 Knoblauchzehen, fein gehackt,
2 TL Zucker und
1/4 TL chinesischem 5-Spice-Gewürz mischen.*
Zum Schluss
120 ml des gerade hergestellten Chili-Öls hinzugeben.

Für die Fleischeinlage (das ganze geht garantiert auch super mit Tofu)
3 EL neutrales Öl (bei mir Erdnuss) erhitzen und
450 g Schweinehack bei mittlerer Hitze anbraten. (Bei mir die Hälfte.)
Wenn das Hack gebräunt ist,
1,5 EL Hoisinsauce,
1 EL Shaoxing-Wein (bei mir ein Schluck Süßwein),
2 TL dunkle Sojasauce und
1 TL 5-Spice-Gewürz* dazugeben. Weiterbraten, bis die Flüssigkeit verkocht ist, beiseitestellen.

Den Nudelteig nach der Ruhezeit in vier Teile teilen und in der Pastamaschine zu Nudeln verwandeln. Ich habe den Teig nur bis Stärke 4 von 7 ausgerollt, das war schon arg dünn. Gelernt: chinesischer Nudelteig ohne Ei fühlt sich anders an als italienischer Nudelteig mit Ei. Nudeln in reichlich Salzwasser al dente kochen, das dauert nur wenige Minuten. Nebenbei die ganzen Beilagen, auf die ihr Lust habt, fertigstellen, bei mir Mohrrüben und Brokkoli, einfach nur kurz blanchiert.

Zum Servieren einen ordentlichen Klecks Sauce in den Teller geben, darauf die Nudeln, darauf die Beilagen. Weitere Sauce und auch gerne, wie oben erwähnt, noch das Chiliöl separat servieren. Erdnüsse, Frühlingszwiebeln und Koriander drüber schaden auch nie.

Ich weiß gar nicht, warum ich das versuche, niedlich anzurichten: alles zusammengerührt ist deutlich ansprechender. Für mich jedenfalls.

Gestern mittag gab’s den ersten Versuch ohne Hack und mit Ei. Geht auch.

* Wer kein 5-Spice-Gewürz im Schrank hat, hat vielleicht folgendes:
2 EL Fenchelsamen,
2 TL Szechuanpfeffer, ungemahlen,
1,5 TL Nelken, ungemahlen,
1 Zimtstange und
6 Sternanis. Alles zermörsern, fertig ist das 5-Spice-Gewürz.

Tagebuch Mittwoch, 27. Mai 2020 – Aufgeräumt

Als ich gestern ins Bett ging, dachte ich: Der Tag hat sich so aufgeräumt angefühlt. Nicht normal oder wie früher oder irgendwie ging so, sondern so, als wäre alles da, wo es hingehört. Ich kann es nicht weiter erklären; vielleicht spielt mein Gehirn auch gerade Assoziationsblaster, um mich nicht seltsam werden zu lassen, keine Ahnung.

Vor dem Wecker wach gewesen, den gestrigen Blogeintrag hatte ich schon vorgestern formuliert, den musste ich also nur noch flugs Korrektur lesen und publizieren. Flat White und Orangensaft, wobei ich jetzt in der Rückschau merke, dass da der Tag eigentlich schon nicht aufgeräumt anfing. Ich trug in der linken Hand mein Kännchen mit aufgeschäumter Milch und rechts meine Tasse mit Espresso, als ich kurz vergaß, wie heiß das verdammte Kännchen wird, wenn man kochend heißes Wasser in die Milch sprudelt, ich berührte es doof, erschrak, bewegte beide Hände, Milch und Kaffee schwappten auf Fußboden und Spüle, ich nölte, putzte, war dann aber glücklich, dass noch genug Inhalt für ein Frühstück übrig geblieben war und vergaß das ganze bis eben.

Ins ZI geradelt und dort festgestellt, dass im Gegensatz zu letzter Woche die ganzen von uns Benutzerinnen angelegten Handapparate aufgeräumt wurden. Man stellt, wenn man sich so einen Apparat anlegt, bis zu sieben Bücher ins Regal und versieht das kleine Eckchen mit einem Reiter, auf dem der eigene Name und das Abstelldatum stehen. Nach einer Woche wird das Zeug weggeräumt. Als ich letzte Woche, also eine Woche nach Öffnung der Bibliothek, ans Regal trat, um meinen Stapel abzulegen, sah ich, dass noch alle Handapparate von März im Regal standen, bevor das Institut geschlossen wurde. Gestern waren sie nicht mehr da.

Ich arbeitete konzentriert vor mich hin, blätterte durch eine dicke Enzyklopädie von Kunst zwischen 1933 und 1945, las in einem Ausstellungskatalog über München in den 1920er-Jahren, scannte ein paar Autobahnbilder, fand Zeug, fand anderes nicht und war um 12.30 Uhr durch. Bis 13 Uhr lohnte sich sich nicht, noch etwas anzufangen, also Feierabend vor Ort.

Ich radelte zu Rossmann, um ein paar Rossmanndinge einzukaufen, dann fuhr ich in die Unibibliothek, wo zwei Bücher auf mich warteten, dann brauchte ich total dringend Erdbeeren und kaufte die in einem engen Supermarkt, den ich seit Monaten vermieden habe, der aber nun schön auf dem Weg lag. Gestern wollte ich keinen Umweg radeln, weil ich hungrig war und ich vergessen hatte, mich einzucremen, um richtig entspannt in der Sonne Fahrrad zu fahren.

Vielleicht war das ein Teil des Aufgeräumten: Seit dem Beginn der Ausgangsbeschränkungen hatte ich mir angewöhnt, a) wirklich nur das zu besorgen, was sein musste und b) eben nicht launig von hier nach da zu hüpfen, um möglichst viele menschliche Kontakte mitzunehmen. Ich bleibe auch weiterhin so weit es geht zuhause. Gestern war, wenn ich mich richtig erinnere, so ziemlich der erste Tag, an dem ich so hin- und herfuhr, wie ich es gewöhnt war, als ich mir noch keinen Kopf um Infektionsträger*innen machen musste.

Ein paar Tortellini, die ich mal aus überschüssigem Pastateig gemacht und vorgestern aufgetaut hatte, mit einer schnellen Tomatensauce als Snack genossen. Abends gab’s noch Tofu mit Reis, Brokkoli und Erdnüssen. Die tägliche Folge Masterchef, dann ein Nickerchen, Genius bei der Spelling Bee, dann weiter am Schreibtisch. Abends gab’s Augsburg gegen Paderborn. (Klassiker! *hust*)

F. und ich hatten überlegt, uns gestern zu treffen, aber er wollte den Start von SpaceX gucken und ich Fuppes. Um 22.28 Uhr kam eine SMS von ihm: „Yay, der Raketenstart wurde wegen schlechten Wetters abgebrochen.“ Ich antwortete: „Yay, ich habe ein 0:0 gesehen.“ Learning from mistakes: nächstes Mal Pärchenkram statt Fernsehfrust.

@fuxbooks rief auf Instagram vor ein paar Tagen den Hashtag #moodbooks ins Leben, ich wurde durch @ninialagrande auf ihn aufmerksam. Idee: Bücher zu stapeln, die die derzeitige Stimmung wiederspiegeln. Ich veröffentlichte den deutschen Stapel gestern schon auf Instagram, den ich aber fürs Blog einen Hauch editierte, und stapelte noch schnell einen auf Englisch.


Beim Verlinken eben sah ich, dass man nur vier Bücher nehmen sollte. Mpf. Neu stapeln werde ich nicht, alles schon wieder weggeräumt, und ich mag den Gedankenfluss durch die Titel, aber:

– Keine Ahnung, Irre, Wir sind Gefangene, Remix
– We’re in trouble, Invisible monsters, Anywhere but here, Across the river and into the trees

Tagebuch Dienstag, 26. Mai 2020 – Corona mit Verzögerung

Vor sechs Wochen begann die diesjährige Staffel Masterchef Australia. Ich dachte bis zu diesem Jahr, dass die komplette Staffel abgedreht und dann erst ausgestrahlt wird, aber ich lernte, dass dem nicht so ist: Im Vorfeld der ersten Folge 2020 wurde berichtet, dass noch gedreht wird, inzwischen aber alle brav Abstand halten und sich dauernd die Hände desinfizieren. In den letzten Wochen, als wir alle vor den Bildschirmen das schon taten, war das für mich sehr schön mitanzusehen, dass die Kandidat*innen sich, wie in jeder Staffel, ständig in den Armen liegen oder abklatschen und in engsten Küchenräumen miteinander arbeiten. Das hat nun ein Ende. Gestern (bzw. am Montag in Australien) lief die erste Folge, wo die Kandidaten länger Zeit für ihre Aufgaben bekamen, damit sie sich Handschuhe anziehen konnten für die Küchenarbeiten, Hände desinfizieren, nicht mehr alle gleichzeitig in die Vorratsräume rennen etc. Die Aufgabe war eine Team Challenge, und es hat mir fast das Herz gebrochen – was mich selbst überrascht hat –, als die einzelnen Team-Teilnehmer*innen sich nach dem Sieg nicht umarmten, sondern sich irgendwie, selbst noch überfordert, aus zwei Metern Entfernung zuwinkten oder in der Luft angedeutet abklatschten. Ich warte seit Wochen darauf, dass die Sendung anders aussieht als ich es gewohnt bin und liebe, aber das war doch schmerzhafter als ich dachte. Vielleicht weil es eine kleine coronafreie Insel war, auf der alles noch so ist wie ich es kenne.

Gestern war wieder mal der Wochentag, an dem ich meinen Sauerteigansatz auffrische, also einen winzigen Teil abnehme, den mit Vollkornmehl und Wasser verrühre, schön im Warmen gehen lasse und ihn dann wieder in den Kühlschrank stelle für eine Woche. Normalerweise kippe ich den Rest weg, was mir aber immer mehr auf den Zeiger ging. Ich erinnerte mich an einen Artikel aus dem New Yorker, in dem ein Pfannkuchenrezept aus Ansatzresten und Olivenöl (!) stand. Leicht verändert und nachgekocht – und ein hervorragendes Mittagessen gehabt.

Ich gab Schnittlauch in den Teig und mixte mir einen Dipp aus Frischkäse, Knoblauch und Harissa zusammen und werde das vermutlich nächsten Dienstag wieder machen.

Der Artikel beschreibt übrigens schön, wie unverwüstlich diese verdammten Ansätze sind.

„Every Saturday, we had sourdough olive-oil pancakes. Time passed. My son outgrew his dairy allergy. We started going to a bakery for croissants every Friday and to the farmers’ market for donuts on Saturdays. I didn’t feed the starter for a year. By the time I remembered it, wedged into a sticky corner in the back of the fridge, it had shrunk to a tan, slouching inch of sludge, with an equal amount of moss-green liquid on top of it. My father-in-law said to pour off the moss and feed the starter for a few days.

Three days later, we were back on sourdough pancakes.“

Solange ich nicht Futterfernsehen sah oder in der Küche stand, saß ich am Schreibtisch und baute meine Diss um. Zum ersten Mal hatte ich alle Autobahn-Kapitel und -Abschnitte auf einem Haufen, was der Sinn des Umbaus war. Zum ersten Mal las ich alles am Stück durch anstatt wie bisher quer durch die ganze Arbeit verstreut, was ich nicht mehr wollte. Und zum ersten Mal stellte ich fest, dass genau dieses Verstreute meine Arbeit davor rettet, unfassbar langweilig zu sein. Ich weiß, dass ich diese Texte jetzt alle ungefähr achtzigmal gelesen habe und auswendig kann, aber meine Güte, 120 Seiten zu Autobahngemälden am Stück gehen echt nicht. Man schaltet irgendwann geistig ab.

Gut, dass ich den Umbau gemacht habe, gut, dass ich es gelesen habe – jetzt kann ich das wegschmeißen und wieder die alte Struktur nutzen. Die fand mein Doktorvater ja auch wunderbar und ich finde das jetzt auch. Nebenbei sind mir noch kleinere Änderungen eingefallen, die weiterhin funktionieren, die mache ich jetzt und dann kann ich das Baby allmählich loslassen.

Abends noch einen neuen Mundschutz genäht, wieder aus meinem Lieblingsstoff. Ich hatte keinen blauen Zwirn, aber Hot Pink geht ja immer. Die Naht sitzt unterhalb des Nasenbügels, der hält sonst nicht. Wieder sehr entspannt und zufrieden beim Nähen gewesen, bis auf die drei Male, die ich mir, wie immer, brutal eine Stecknadel in den Finger rammte. Ich glaube, ich hätte jetzt wirklich gerne eine Nähmaschine, aber die in meiner Preisklasse, die ich mir schon vor Wochen ausgeguckt hatte, ist gerade nirgends zu kriegen. Warte ich halt noch ein bisschen.

Weniger Raubkunst in der Sammlung Gurlitt als erwartet

Warum ich mache, was ich mache. Ich zitiere aus dem Artikel:

„Man hat sich wissenschaftlich bemüht, und die Quellenlage ist schlecht. Es ist schlecht möglich, alle Papiere, die zu erbringen wären, tatsächlich zu bekommen. Man muss sich einfach vorstellen, was das für Bedingungen waren, unter denen die Verkäufe stattgefunden haben. Händler, die in der Zeit agiert haben, haben sehr gerne die Spuren verschleiert und wollten die Quellen obskur lassen.“

Deswegen quietsche ich so rum, wenn ich in Archiven etwas finde. Deswegen ist auch eine Arbeit über einen heute zu recht vergessenen Künstler wichtig: weil sie Quellen versammelt, an die andere anlegen können. Weil sie Grundlagenforschung erledigt, die schon vor 20, 40, 60 Jahren hätte erledigt werden müssen. Weil sie Licht in die dunkle Ecke der deutschen Kunstgeschichte bringt und weil sie sich mit dem Schmuddelkram beschäftigt, mit dem sich leider nur wenige beschäftigen wollen. Und weil es einfacher wird, sich mit den Opfern zu befassen, wenn wir mehr über die Täter wissen.

Andrea Baresel-Brand vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste Magdeburg reißt im Interview mit dem MDR die Bandbreite des Systems Kunst im NS an, weswegen ich das alles so spannend finde:

„Auf jeden Fall haben wir da an viele Punkte rühren können. Verbunden ist auch das Thema Benelux, also Niederlande, Belgien. Einer Person sind wir nachgegangen, wo wir dann am Ende die Identität klären konnten. Das war ein Niederländer, der aber für die Abwehr dann als Agent gearbeitet hat und auch mal versucht hat, Kunst zu handeln. Und das sagt auch etwas über den Kunstmarkt vielleicht.

Aber gar nicht mal nur die klassischen Kunsthändler haben sich dort getummelt, sondern es sind auch viele Laien oder interessierte Laien eingesprungen, weil sie gesehen haben, hier ist etwas zu holen. Hier ist Geld. Hier ist der Markt. Hier sind Menschen, die ihr Hab und Gut veräußern, um zu überleben, um über den Krieg zu kommen. Das ist eine unglaublich wilde Zeit gewesen.

Und wir haben natürlich viel gelernt, auch über die Exportpraktiken. Der NS-Staat war ja, auch wenn er Besatzer war, im Ausland sehr akribisch in der Verwaltung. Man musste Exportgenehmigungen einholen. Wir haben aber auch gesehen, wie Dinge manchmal verschleppt wurden. Dass aber gleichzeitig französische Kunstexperten vom Hôtel Drouot – das ist so der Kunst-Umschlagplatz gewesen – sich sozusagen verwandt haben bei den behördlichen Stellen, dass ein Hildebrand Gurlitt beispielsweise Kunstwerke mitnehmen kann. Und wenn keine Spedition zur Verfügung stand, dann hat es auch mal der Botschafter im Gepäck mitgenommen oder andere offizielle Menschen. Also, das sind ganz viele Wege, die wir aber heute mitunter gar nicht im Detail werden aufklären können, weil es natürlich Dinge sind, die schon historisch verschleiert worden sind.

Und ein Wort vielleicht noch, was uns auch neugierig gemacht hat (das war halt nicht die Aufgabe dieser Projekte, wir sollten ja Einzelwerke aufklären, aber es ist eben so viel daraus entstanden): Das ist auch der Blick in das Nachkriegsdeutschland, wo man sich dann gegenseitig Persilscheine gegeben hat, wo die Netzwerke weiter getragen haben. Und da schauen wir in dem Buch auch noch mal ein bisschen über den Zaun sozusagen, in die Nachkriegszeit.“