Was außergewöhnlich schön war, Samstag/Sonntag, 14./15. Dezember 2019 – 1600 Höhenmeter

Am Samstag saß ich auf der Rückbank des Autos von F.s Mütterchen, die uns drei von Deutschland aus nach Liechtenstein zu einer Familienfeier chauffierte. Wir hatten Föhn, weswegen mir dauernd ein tolles Bergpanorama versprochen wurde. Man muss dazu nämlich wissen: Auch nach sieben Jahren München habe ich es noch nie weiter als bis zum Bodensee geschafft, so richtig Berge kannte ich immer noch nicht.

Wir fuhren gemütlich vor uns hin, bis wir die Grenze nach Österreich überquerten. Von da an fluchten mild-mannered F. und Mütterchen wie die Rohrspatzen auf die Autobahngebühren unserer Nachbarn, das Wort „Wegelagerer“ fiel recht oft, und ich musste sehr lachen, weil die beiden sonst so völkerverständigend und rational sind, aber dass man für eine halbstündige Fahrt durch Österreich und die Schweiz zwei Pickerl bräuchte – eine einzige Zumutung! Die Vignette für die Schweiz galt immerhin gleich 14 Monate, aber für Österreich gab es keine nur für einen Tag, die zeitlich kürzeste war die für zehn Tage, was laut der beiden total unverschämt ist, denn wenn man für zwei Wochen nach Italien will, muss man zweimal zahlen, so fies! F. nölig: „Ich nehm mir jetzt ne Woche Urlaub und fahr denen die Autobahnen kaputt!“ Ich musste daran denken, dass ich das im Norden immer charmant fand, wenn man auf den Autobahnen dänische Kennzeichen sah, aber ich habe keine Ahnung, wieviele teutonische Horden an einem üblichen Wochenende nach Süden reisen.

In kürzester Zeit waren wir durch Österreich in die Schweiz gefahren und von dort nach Liechtenstein. Dort fuhr man extra einen kleinen Umweg, auch am Schloss vorbei, und beschied mir nach zehn Minuten, dass ich jetzt quasi das gesamte Fürstentum gesehen hätte. Das konnte ich nicht beurteilen und war auch äußerst abgelenkt, denn quasi seit der deutsch-österreichischen Grenze standen da so komische Felsklötze in der Gegend rum. Die sahen deutlich beeindruckender aus als ich mir das vorgestellt hatte, und deswegen glotzte ich nur blöd aus dem Fenster.

Im Hotel in Triesenberg war das Balkonfenster gegenüber der Tür und wir hatten es schon geöffnet, bevor wir unsere Taschen verstaut hatten. Dann stand ich einfach nur doof da und guckte in die Berge, genauer gesagt, über den Rhein, der die Grenze zwischen Liechtenstein und der Schweiz bildet, auf die Alviergruppe.

Als wir dann wirklich los mussten, warf ich mir schnell etwas Farbe ins Gesicht und zog mich um, dann gingen wir feiern, aßen Kuchen und Gulasch, und solange nur noch ein Fitzelchen Tageslicht da war, stand ich am Fenster und glotzte die Alpen an. Es fällt mir schwer zu beschreiben, warum mich das so verstummen ließ, aber ich konnte mich von der Aussicht schlicht nicht trennen. Der Gastgeber so: „Ach, das siehst du nach zwei Tagen gar nicht mehr.“ Woraufhin ich so dermaßen entgeistert geguckt haben muss, dass er mir mehrfach versicherte, dass das ein blöder Scherz gewesen war. Niemals gewöhnt man sich an die Dinger!

F. konnte spätabends nach der Feier noch ein Bild vom Hotelbalkon machen, mein iPhone war gnadenlos überfordert.


Die Lichter müssten aus Gams kommen. Ich war sehr beeindruckt davon, dass man auch im Dunkeln die schneebedeckten Gipfel sehen konnte.

Wir fielen rotweinschwer ins Bett, waren aber recht früh wach. F. noch früher als ich, und irgendwann flüsterte mir jemand „Der Vollmond steht über den Bergen“ ins halbschlafende Ohr, woraufhin ich mich nölig aus der Bettdecke schälte. Aber sobald ich wieder am Fenster stand, waren Schlaf und Nöligkeit weg, weil, ich meine, BERGE!

Wir standen noch etwas länger einfach stumm rum, irgendwann ging F. duschen, während ich mich wieder in die Bettdecke wickelte und es mir damit auf einem der zwei Stühle auf dem Balkon gemütlich machte. Auf einmal verstand ich, wieso Hans Castorp es ewig nicht vom Zauberberg runtergeschafft hatte.

Kein Foto kann auch nur annähernd wiedergeben, wie wunderschön das war. Ich hatte überlegt, die Fotos aus dem Blogeintrag wegzulassen, weil sie eben nicht annähernd usw., aber ich freue mich immer so, wenn ich sie sehe, also stehen sie hier.

Ich verglich meine stumme, beeindruckte Reaktion auf schneebedeckte Berge mit der am Meer. Das Meer beruhigt mich auch immer, aber das Meer ist anders beeindruckend als die Berge. Meer ist gefühlt unendlich, da wartet hinten irgendwann der Horizont und man guckt schließlich ins Nichts. Außerdem ist das Meer nie ruhig, die Wellen kommen dauernd lockend an, Ebbe, Flut, der Sand, der dir dauernd irgendwo hinweht, die ständigen Geräusche – eigentlich ist das Meer eine totale Unruhequelle.

Nicht so die Berge. Die stehen da extrem majestätisch in der Gegend rum und machen nichts. Die sind einfach da. Und das verdammt groß und breitschultrig. Man kann fast sehen, wie die Erde sie irgendwann zusammengeschoben hat und sich dann dachte, ich lass das jetzt so. Und seitdem ist das so, und ich gucke da jetzt nach Millionen Jahren einfach so drauf, was die Berge nicht die Bohne beeindruckt.

Pathetisch, ich weiß, aber in einem kurzen Augenblick konnte ich die Astronauten (Kosmonauten, Taikonauten, m/w/d) verstehen, die durch ihren Blick aus dem Weltall auf unsere blaue Murmel plötzlich verstanden haben, wie klein wir Menschen sind. Die Alpen sind vermutlich ein etwas anderer Schnack, und an den Himalaya will ich gar nicht denken, aber mir Flachlandei ging es ähnlich. Vielleicht habe ich deswegen sehr viel Zeit an diesen beiden Tagen damit verbracht, einfach nur auf die Berge zu starren, weil es manchmal ganz beruhigend ist, zu merken, wie klein man ist und wie unwichtig vieles.

Zum Abschluss des Tages fuhren wir von Triesenberg aufs Dach von Liechtenstein, ganz nach oben nach Malbun in 1600 Meter Höhe. Dort ärgerte ich mich sehr, dass ich so gar nicht auf Berge vorbereitet war, aber wie auch, ich war da ja noch nie und mir hat niemand gesagt, dass ich vorbereitet sein müsste. Ich hatte profillose Schuhe an und nicht mal eine Sonnenbrille, weswegen der Schneespaziergang für mich flachfiel. F. so: „Wir haben ja jetzt das Pickerl, wir kommen einfach nochmal.“ Trotzdem. Das war sehr schade, weil der Schnee so verlockend aussah, aber so schauten wir Menschen beim Skifahren und Eislaufen zu, wenn ich nicht gerade mal wieder mit offenem Mund ins Tal blickte.

Der Rückweg war ähnlich ereignislos und genauso entspannt wie die Hinfahrt, aber schon in Österreich, wo alles schon wieder graugrün statt weiß war, fiel es mir schwer, mich daran zu erinnern, dass ich vor gerade einer halben Stunde noch im Schnee gestanden und mich wie auf dem Dach der Welt gefühlt hatte.

Immerhin konnte ich einen schönen Thread absetzen.

Wegen meiner Fußheberschwäche sind Bergwanderungen für mich eher ausgeschlossen, außer wir halten alle 100 Meter an, damit ich wieder zu Atem komme, aber ich würde schon gerne mal ein paar kleine Spaziergänge in den Bergen machen. Apropos Atem: Mein Asthma, das ich im Prinzip ignoriere und das meine Lunge ab und zu bei Anstrengungen pfeifen lässt, war quasi weg. Ich habe so tief wie selten eingeatmet und immer auf die Fiepsgeräusche aus dem Brustkorb gewartet, aber nichts. Auch das war herrlich.

Dieser Eintrag hat keine Pointe und die Fotos geben, wie erwähnt, nicht im Entferntesten die Herrlichkeit wieder, die ich sehen und spüren durfte. Ich möchte mich nur an genau das erinnern, und dafür ist mein Weblog da. Mal wieder sehr dankbar gewesen.

Fehlfarben 24: Senga Nengudi – Topologien // O. Winston Link – Retrospektive

Überraschend spannende Ausstellungen und drei Weine, mit denen wir auch nicht so wirklich gerechnet hatten: Das war ein guter Abend.


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00.00:00. Begrüßung und Vorstellung.

00.00:50. Blindverkostung Wein 1. Wir trinken heute Silvaner, die sich, ich nehme alle Pointen vorweg, als durch die Bank großartig herausstellen.

00.03:13. Unsere erste Ausstellung: Senga Nengudi, Topologien in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus. Ich klaue ein Zitat von der dortigen Website: „Eine legendäre Avantgarde-Künstlerin, deren bedeutende Installationen in einen Koffer passen – so beschrieb die Künstlerkollegin Lorraine O’Grady einst Senga Nengudi und ihr Werk. Seit fünf Jahrzehnten entwickelt Nengudi, die 1943 in Chicago geboren wurde, ein einzigartiges Œuvre, das sich zwischen Bildhauerei, Performance und Tanz bewegt.“ Tollerweise hatten wir alles davon vor der Nase: eine aufgezeichnete Performance, ein paar per Fotos, skulpturale Werke sowie Installationen. Dazu spannende Materialien und verschiedene Wege, sich den städtischen Raum wiederzuerobern.

Ich war vor allem vom Entstehungszeitraum der Arbeiten überrascht: Das sah alles hochmodern aus, ist aber jetzt schon fast 50 Jahre alt. Da gab es temporäre Installationen im öffentlichen Raum, also Stoffskulpturen, die zwischen Häusern wehen oder skulpturale Werke aus Nylonstrumpfhosen (Nengudis gefühlt am häufigsten verwendetes Material), die an Autobahnunterführungen befestigt wurden – das erinnerte mich, und das erzähle ich auch, an Urban Knitting, an Graffiti, aber auch an den alten Sony-Spot mit den bunten Bällen oder mich persönlich an ein gerendertes Bild, das ich erst vor kurzem auf Instagram entdeckt hatte.

Die Arbeiten haben so viele und vor allem vielfältige Ebenen, das ich, wie gesagt, kaum glauben konnte, wie alt sie schon waren. Daher gibt’s nicht nur von mir, sondern auch von den Herren am Tisch drei Daumen nach oben und eine Anschauempfehlung. Läuft nur noch bis zum 19. Januar 2020, also schnell rein. Ist auch, und das ist jetzt nicht abfällig gemeint, nicht übermäßig groß, weil die übersichtliche Anzahl von Stücken reicht, um ihr Werk abzubilden oder wenigstens anzureißen, und daher braucht man auch keine fünf Stunden, um durchzugehen.

00.36:55. Blindverkostung Wein 2.

00.43:55. Unsere zweite Ausstellung: eine Retrospektive des Fotografen O. Winston Links im Kunstfoyer der Versicherungskammer. Die Ausstellung hat uns alle zu kindlichen Eisenbahnfans werden lassen, obwohl wir total analytisch an dokumentarische Fotos rangehen wollten. Hat überhaupt nicht geklappt, so „irrwitzig“ (O-Ton Felix) waren die Bilder (und Töne!).

Mein Tipp wäre: Nicht wie ich – und wie so ziemlich alle Besucherinnen – links anfangen und im Uhrzeigersinn gehen, sondern gleich rechts in den kleinen Raum schlendern, wo sehr kurze Erklärclips zum Werk laufen und wo an einer Wand Links Notizbücher mit Kamera- und Blitzpositionen ausgestellt sind. Dann wird einem nämlich gleich beim ersten Bild klar, was für eine technische Leistung hier vollbracht wurde; bei mir hat das in der Ausstellung ungefähr bis zum letzten Raum gedauert, bis ich Hirn mich das erste Mal fragte: Hey, Moment, das sind ja Nachtaufnahmen – wieso sehe ich überhaupt was?

Neben diesen überraschenden Ansichten sind die Fotos der letzten Dampfloks in den USA vom Ende der 1950er Jahre natürlich auch ein Zeitdokument, wenn auch ein sehr weiß-männliches. Aber auch das ist ja schon eine Erkenntnis. Erneut eine Anschauempfehlung, und weil das Kunstfoyer so nett ist, kostet der Eintritt auch wie immer gar nichts.

01.04:00. Blindverkostung Wein 3.

01.24:15. Wir lösen die Weine auf, aber wir konnten uns nicht entscheiden, weil alle drei sehr sympathische und äußerst eigene Charaktere waren. Den Orange Wine haben wir dann doch auf Platz 1 gesetzt, weil er am spannendsten war, aber wir würden von allen eine Kiste trinken wollen. Oder zwei.

Wein 1 von Flo: Weingut Wechsler, Pet Nat Fehlfarbe, Rheinhessen 2018, Schaumwein, 11,5%, bei 8 Green Bottles für 16,50€.

Wein 2 von mir: Kerstin Laufer, Silvaner trocken, Franken 2018, 12%, bei Wir Winzer für 7,90€.

Wein 3 von Felix: Geiger & Söhne, Silvaner mundart Kabinett trocken, Franken 2018, 13%, beim Winzer für 7€.

Tagebuch Donnerstag, 12. Dezember 2019 – Schlafen, lesen, schreiben, kochen

Nach fast vier verdammten Wochen wieder im Liegen geschlafen und nicht mehr so halb im Sitzen! Und fast durch: Ich wurde um 4 wach, konnte dann bis 6 nicht wieder einschlafen, ignorierte daher den Wecker um 7 und wachte um halb neun erfrischt und munter auf.

Den Tag verbrachte ich daher zwar eine Stunde später als sonst (SCHON ZEHN UHR!), aber so produktiv wie immer im ZI. Ich wühlte mich durch ein paar Kataloge, die ich gesucht hatte, dann wühlte ich einfach im Regal alles aus Berlin zwischen 1935 und 1938 durch, was da war, genauso in München, dann guckte ich noch in ein paar anderen Städten, da war aber leider nicht so viel da, aber ich fand viel von dem, was ich gesucht hatte. Und wie immer darüber hinaus noch Zeug, das sich mindestens gut in einer Fußnote macht.

Dann vibrierte mein Handy und zeigte mir zwei Sendungen an, die per DHL in, nerv, zwei unterschiedlichen Packstationen für mich angekommen sein sollten. Das verstand ich zwar nicht so ganz, machte aber gegen 16 Uhr Feierabend und fuhr mit der Tram zur ersten Station. Dort sagte mir das Display, das hier nichts für mich läge, ätsch, ganz umsonst im Regen rumgelaufen. Ich fluchte die Station ein bisschen an, ging zu Fuß zur nächsten Bushaltestelle und ließ mich zur zweiten Station fahren – die, in der eigentlich immer alles für mich ankommt. Da war dann auch ein Päcken, für das ich mich schon im Blog bedankt habe.

Von meinem Wunschzettel fehlen zwei Bücher, aber ich habe keine Ahnung, wo das zweite Päckchen sein könnte. Ich warte mal einen Tag auf die Erinnerungsmail der DHL und dann nerve ich die Hotline. Falls wider Erwarten etwas an den oder die liebevolle Schenkende/n zurückgeht – an mir liegt es nicht!

Hungrig zuhause ein Salami- und ein Käsebrot verspeist, dazu ein paar meiner in diesem Jahr ganz hervorragend gelungenen Adventsplätzchen. Eigentlich wollte ich danach auf dem Sofa die Serien des Tages nachholen, aber das Honeycomb-Desaster vom Montag nervte mich immer noch, bei dem ich dreimal Müll produziert hatte. Einen vierten Versuch gönnte ich mir noch, denn @Vinoroma hatte mir per DM den Tipp gegeben, nicht gleich bei 149° C das Natron einzurühren, sondern ein paar Grad mehr mitzunehmen.

Gesagt, getan, mit diesem Rezept erfolgreich gewesen, allerdings Honig statt Rübensirup verwendet. Yay!

Abends nach ebenfalls fast vier Wochen endlich mal wieder gemeinsam eingeschlafen! Nochmal yay!

Dann leider doch wieder gehustet, es ist ein Kreuz. Oma Gröner erzählt jetzt nur noch von ihren Zipperlein.

Ein wiedervereinigtes Dankeschön …

… an eine/n Unbekannte/n, der/die mich mit Ilko-Sascha Kowalczuks Die Übernahme: Wie Ostdeutschland Teil der Bundesrepublik wurde überraschte. Auf das Gespräch von Holger Klein mit dem Autoren habe ich schon mehrfach hingewiesen und ich mache das gerne nochmal, denn ich habe selten so viel in so kurzer Zeit gelernt – über ein Ereignis, von dem ich dachte, genug darüber zu wissen, ich war ja schließlich dabei. Jetzt bin ich gespannt darauf, das alles nochmal in Buchform und mit dem gespitzten Bleistift in der Hand nachzulesen und vermutlich das halbe Buch zu unterstreichen. Vielen Dank für das Geschenk, ich habe mich sehr gefreut.

(Der Perlentaucher zum Buch.)

Was schön war, Dienstag, 10. Dezember 2019 – Reich beschenkt

Der morgendliche DM-Dialog zwischen F. und mir:

– Moin.
– MOIN! Off to the Archiv we go!

Und damit war die Tageslaune dann gesetzt.

Ich hatte mir im Staatsarchiv ein paar Bestände ausheben lassen, von denen ich mir gar nicht so viel versprach, die waren eher aus der Ecke „Dann haste da auch mal reingeguckt“. Und wie es dann halt gerne kommt: Ich fand eine Quelle, mit der ich überhaupt nicht mehr gerechnet hatte.

Seitdem ich mich mit dem Thema Autobahnmalerei befasse, habe ich eine Frage an eine bestimmte Ausstellung im Hinterkopf (die ich hier mal ausspare). In der kompletten Literatur zum Thema, und ich behaupte, ich habe inzwischen alles gelesen, was es dazu gibt, wenn das möglich ist, steht stets eine irgendwie grundlegende Antwort, aber ich mit meinem lustigen Spezialinteresse war damit nicht zufrieden. Weil ich aber alles dazu gelesen hatte, war ich der Meinung, dass es dann wohl keine genauere Antwort gibt, denn sonst hätte sie ja schon jemand gefunden.

Und dann blätterte ich gestern so launig vor mich hin, notierte dies, grinste über das, und plötzlich lagen fünf Seiten vor mir, die mir genau die Antwort gaben, die ich seit ungefähr zwei Jahren gesucht hatte. Einfach so. Die lagen da einfach so rum! Ich machte die Beckerfaust, die ich ab sofort Archivfaust nennen werde, schrieb F. eine hektische DM, twitterte natürlich, Chronistinnenpflicht, Sie kennen das, und las und notierte mit roten Bäckchen weiter.

Worum es genau geht, lasse ich hier weg. F. meinte irgendwann mal, ich solle meine schönen Ergebnisse vielleicht nicht ganz so sorglos raushauen. Damit hat der Herr natürlich recht, aber da ich alleine vor mich hinpromoviere, kann ich meine Freude über solche Erkenntnisse nie mit jemandem teilen! Außer mit F., der das alles interessiert begleitet. Sehr wahrscheinlich wird kaum eine meiner Leserinnen sich meine 300 Seiten dicke Dissertation vornehmen, also schreibe ich auf Twitter oder hier über Dinge, die mir so richtig den Tag machen konnten und hoffe, dass ihr euch mitfreuen könnt. Auch wenn ich inzwischen etwas vager bleibe.

(WAS TOTAL DOOF IST, WEIL ICH JETZT SO SPANNENDE SACHEN WEISS, aber na gut.)

Die restlichen Bestände gaben dann nur noch eine Fußnote her, die ich vermutlich im letzten Korrekturgang rausschmeißen werde, aber das war alles wurst, denn ich konnte eine wirklich zentrale Frage für meine persönliche Forschung beantworten und freue mich gerade beim Aufschreiben nochmal.

Aber der Tag war noch nicht rum, nein, nein, wenn ein Archiv gut zu dir ist, dann ist es meist RICHTIG gut zu dir.

Ich erwähnte vor ein paar Tagen, dass ich vom Archiv eine Mail bekommen hatte, mich doch bitte an einen gewissen Herrn zu wenden, der wüsste noch mehr zu den für mich interessanten Beständen. Unter anderem vielleicht was über ein paar Gemälde. Und ich so innerlich, naja, das werden mit sehr großer Wahrscheinlichkeit keine Protzens sein, sondern irgendwelche Autobahnen, aber egal, angucken ist immer super.

Und dann saß ich neben dem Herrn an seinem riesigen Monitor, er rief irgendein Außendepot auf, scrollte und scrollte an lustigen Autobahnmodellen vorbei – und blieb bei einem Bild stehen.

Ich so: „Das ist kein Protzen, oder?“ (Ich sollte dazu sagen, dass ich wegen der nicht ganz vollständigen Fotoalben im Nachlass nicht alle seine Werke vor Augen habe, und vorsichtig ausgedrückt hat der Mann nicht unbedingt in einem Stil produziert, den ich als unverkennbar bezeichnen würde. Eher so das Gegenteil.)

Er so: *scrollt ein Bild weiter, wo die Bildrückseite abfotografiert wurde und ich den mir sehr bekannten Adressstempel des Herrn mit Bildtitel und Werknummer sah* „Doch, scho.“

Ich so: (stundenlang zusammengerissen im Archiv, nur Beckerfäuste gemacht, keine Geräusche, aber jetzt dann:) „WAAAHH! … Entschuldigung.“

Er so: *scrollt zu drei weiteren Protzens, die ich sofort erkenne*

Ich so: „Oh, Kaiserslautern! OH, KÖLN! (Von dem Bild wusste ich nicht, wo es abgeblieben war.) Und … äh … ist das von einer GDK? Ach ja, ich seh den Einreichkleber.“ *notiert hektisch Werknummern*

Dann schnackten wir noch über eventuelle weitere Fundorte und dass da im Depot vielleicht sogar noch mehr von ihm sein könnte und mehr weiß ich nicht mehr, weil ich die ganze Zeit nur dachte: HIER LIEGEN VIER PROTZENS IN MEINER NÄHE!

Trockene DM von F.: „Wirst du die Aura der Originale spüren können?“

Das weiß ich leider noch nicht, ich warte auf eine dementsprechende Mail oder einen Anruf. WAAAHH!

Den Stabi-Aufenthalt nach dem Archiv überspringe ich jetzt mal, obwohl ich da auch noch was Hübsches gefunden habe, weil ich im Kopf nur weiterhin denken konnte: HIER LIEGEN VIER PROTZENS IN MEINER NÄHE! Ich erwähnte bereits, dass eine meiner Schwierigkeiten mit diesem Thema ist, dass Bilder, die eindeutig systemkonforme NS-Kunst sind, logischerweise nirgends öffentlich rumhängen. Ich kann immerhin in die Pinakothek der Moderne gehen, wo seine meiner Meinung nach schickste Autobahn hängt, auch wenn die da natürlich als fieses Beispiel für Nazikram ausgestellt ist, SCHON GUT, aber ansonsten kenne ich die wenigsten Werke von ihm im Original, von den Ölgemälden nämlich nur drei. Deswegen fiepse ich seit gestern hysterisch rum und hoffe, dass ich mal ins Archivdepot darf.

Als Rausschmeißer des guten Tags lag zuhause ein Espressopäckchen einer Leserin, anscheinend persönlich geröstet oder immerhin als persönliche Mischung bestellt. Vielen Dank dafür, ich bin schon sehr gespannt. (Auch danke für den Beipackzettel.)

Mit F. unseren traditionellen heißgeräucherten Dezemberlachs verspeist, mit Kartoffelbrei, weil Kartoffelbrei total unterschätzt wird, und dazu Champagner, denn wenn nicht heute, wann dann.

Nachtrag, zwei Minuten, nachdem ich auf Publish geklickt hatte, Mail aus dem Archiv:

„Sehr geehrte Frau Gröner,

die Autobahndirektion hat sich zurück gemeldet und Sie können die Bilder und die Modelle anschauen.“

WAAAAAAAAAAAAAAHHHHH!

Tagebuch Montag, 9. Dezember 2019 – Museum und Backwerk

Ich schlafe immer noch erhöht, aber immerhin halbwegs durch, das ist nett. Die kleinen Dinge.

Den Vormittag verbrachte ich gespannt im Kunstfoyer der Versicherungskammer Bayern, in dem immer Ausstellungen laufen, die nie Eintritt kosten und meistens ziemlich gut sind. Gefühlt besprechen wir fast jede im Podcast, auch weil das Angebot so niedrigschwellig ist. Wir nehmen diesen Freitag unsere letzte Ausgabe für dieses Jahr auf, und so allmählich müsste ich mal die Ausstellungen anschauen. Daher: gestern die erste. Wie ich es fand, darf ich natürlich noch nicht verraten.

Den Rückweg hätte ich genau wie den Hinweg gestalten können: zweimal die U-Bahn, kürzester Fußweg. Ich glaube, in München gibt es gar keinen langen Fußwege. Hallo, Berlin!

Stattdessen nahm ich aber lieber zweimal die Tram, weil ich ein leicht anderes Ziel hatte, wofür ich sonst noch einmal den Bus hätte nutzen müssen. Ich wollte Natron kaufen, das anscheinend nicht mehr in jedem Supermarkt vorhanden ist, jedenfalls finde ich es eher selten. Beim Karstadt hatte ich es aber schon einmal gesehen, und nach gefühlt fünf halbblinden Minuten vor dem Backwarenregal hatte ich die kleinen Kaiser-Natron-Tütchen dann auch gefunden.

Aber vorher knipste ich aus der Hüfte das Maxmonument an der Tramhaltestelle, weil die Sonne gerade so krachig dahinterstand, ließ mich dann die Maximilianstraße hochshutteln, kurz durch die Einkaufshorden am Marienplatz, stieg am Lenbachplatz um und sah, dass der Wittelsbacher Brunnen schon winterfest eingemottet war. Der Franziskusbrunnen am Josephsplatz war vor ein paar Tagen noch frei, aber vermutlich ist er jetzt auch schon in seiner Holzverkleidung.

Den Nachmittag verbrachte ich dann mal wieder in der Versuchsküche. Bei Masterchef machen die Kandidatinnen quasi dauernd Honeycomb, um gerade bei Desserts noch eine knusprige Komponente auf den Teller zu kriegen. Daher kannte ich natürlich alle Fallstricke und fühlte mich total gewappnet, das Zeug endlich mal selbst zu machen, denn ich hatte ein Rezept bei der NY Times gesehen, das mich sehr angelacht hatte.

Das Erdnussshortbread war einfach und klappte prima, nachdem ich wie immer fluchend Fahrenheit zu Celsius umgerechnet hatte. Bei den Mengenangaben versorgt einen die Website inzwischen schon mit cups und Gramm, aber Temperaturen sind immer noch Selbstverantwortung. (Ich nutze für alles Metric Kitchen.) Gelernt: Mein Billozerhacker kann prima aus Erdnüssen Erdnussmehl machen! Hätte ich gar nicht gedacht; ich war schon bereit, Opas alte Kaffeemühle dafür zu opfern und in 17 Etappen zwei Handvoll Erdnüsse zu zerkleinern.

Der Honeycomb war dann allerdings doof: Ich folgte dem Rezept der NYT bis aufs iTüpfelchen, ließ sogar brav mein Zuckerthermometer auf Fahrenheit eingestellt, aber der goldene Schlotz plusterte sich nicht so schön auf, wie ich es bei Masterchef gesehen hatte. Geistesgegenwärtig widerstand ich dem Versuch, es trotzdem auf das ausgekühlte Shortbread zu kippen, sondern wollte es verklappen. Fragte mich dann aber: Wohin mit diesem sofort aushärtenden Zeug?

Denn meine erste Deppenreaktion war natürlich gewesen: einfach den Wasserhahn aufdrehen und die Schüssel mit dem Honeyklotz drunterzuhalten. Was natürlich zur Folge hatte, dass aus dem arschheißen, aber flüssigen Karamellklon ein einziges Brett wurde. Einen Tag später denke ich: Hättste das mal einfach jetzt in Stücken rausgebrochen, aber gestern im Testmodus ließ ich lieber 100 Liter heißes Wasser in die Schüssel laufen, um das Zeug wieder flüssig zu kriegen. Hat auch funktioniert. Mpf.

Beim zweiten Versuch machte ich alles genauso, achtete aber peinlichst genau darauf, bei exakt 300 Grad F das Natron in die Schüssel zu kippen und nicht bei 302 – mit dem gleichen Ergebnis. Kein Rumgepuffe. War jetzt egal, ab aufs Shortbread. Auskühlen gelassen, Schokolade geschmolzen, aus dem Riesenkeks Stücke gebrochen, mit Schokolade und Salzplättchen verziert und probiert. Schmeckte, aber so richtig umgehauen hat es mich nicht. Beim Zerbröseln lösten sich auch Shortbread und Honeycomb voneinander, was auch mehrere Kommentatorinnen bei der NYT angemerkt hatten.

Frustriert googelte ich wie so ein Newbie „how to make honeycomb“ und landete bei der BBC. Daraufhin wog ich nochmals Zucker und Honig ab, nutzte ein anderes Gefäß zum Schmelzen des Zeugs, stellte das Thermometer auf C und achtete auf die 149 Grad – aber dieses Mal hatte ich das Karamell anscheinend leicht verbrennen lassen. Es sah herrlich aus, aber nach dem Erkalten schmeckte es wie Asche. Und so richtig super aufgepufft war es auch nicht.

Rezept in die Tonne gekloppt, nölig ein paar Käseschnittchen gegessen und nicht mehr vom Sofa runterbewegt. Dabei aber weiterhin über mein Nikolausgeschenk von F. gefreut, der mir einen Nougatengel vom Dichtl aus Augsburg mitgebracht hatte. Den kann ich leider nicht essen, weil er so toll aussieht. Was sind das für nutzlose Süßigkeiten?!?

(Bussi!)

Orangenkringel mit weißer Schokolade

Im Original aus der Schrot & Korn heißen die Dinger Amaretto-Kringel mit Schokolade, aber ich mag keinen Amaretto. Trotzdem klang das Rezept ausprobierenswert, und was soll ich sagen: neue Lieblingskekse!

Das sind die ganz links im Bild, die Kringel halt. Der Rest sind Orangen-Schoko-Plätzchen, simple Mürbeteigkekse (mal mit einer Lage Kakaoteig gerollt, mal mit Marmelade) sowie Lemon Meltaways.

Die Mengen reichen für 40 Kringel, bei mir ist nur die Hälfte rausgekommen, was an meinem vorgestern nicht vorhandenen Spritztüten-Game lag.

125 g weiche Butter mit
125 g Rohrohrzucker schaumig schlagen.

2 Eier einzeln hinzugeben, dann noch
die abgeriebene Schale einer Bio-Orange sowie
3 EL Schokolikör und
1 EL Cointreau. Im Original waren das drei Esslöffel Ahornsirup und ein Esslöffel Amaretto, aber pah.

Zum Schluss
50 g gemahlene Mandeln und
230 g Mehl, Type 405 (im Original 1050) unterrühren.

Den Teig in einen Spritzbeutel mit einer 5er-Sterntülle füllen. Bei mir war’s ne Neuner, weil die Fünfer mir schlicht zu klein vorkam. Ich ahne, warum bei mir nur 20 Kringel auf dem Blech landeten. Die Kringel auf ein mit Backpapier ausgelegtes Blech spritzen (bei mir eher brutal quetschen, das nächste Mal kommen noch ein paar Esslöffel Milch in den Teig) und für 10 bis 12 Minuten bei 170° C Umluft (!) backen.

Nach dem Auskühlen in weiße Kuvertüre tunken und mit gehackten Pistazien bestreuen. Habe ich ignoriert, weil ich die Spritzbeutelscharte wieder ausmerzen wollte. Ich mach’s kurz: ein Massaker. Die Kringel auf dem Foto sind quasi die einzig vorzeigbaren. Völlig egal, denn die Kekse schmecken auch ohne Schokolade. Und: am Tag nach dem Backen lustigerweise noch besser. Eher zäh-fest als bröselig-mürb und schön fruchtig. Den Alkohol schmeckt man allerdings überhaupt nicht durch, was ich natürlich anprangere.

Orangen-Schoko-Plätzchen

Uraltes Rezept aus Mamas Rezeptbox, vermutlich aus einem Dr.-Oetker-Heftchen, weil diverse Zutaten schön mit diesem Markennamen versehen sind. Laut dem Mütterchen sind das ihre Lieblingskekse, und ich habe sie in diesem Jahr erstmals selbst gebacken. Schmecken in der alten Heimat noch einen Tick besser, ich arbeite dran.

Ich mag das vage und latent passiv-aggressive „irgendwas zwischen 175 und 200 Grad wird wohl passen, liebe Hausfrau“ im Originalrezept. Und das Wort „Apfelsine“ im Titel. Sagt das noch wer?

Die Kekse sind die länglich-ovalen, links mittig. Alleine sahen die so einsam auf dem Teller aus, daher habe ich ihnen mal alles, was ich in diesem Advent produziert habe, als Gesellschaft dazugegeben. Der Rest auf der Platte sind Orangenkringel mit weißer Schokolade, simple Mürbeteigkekse (mal mit einer Lage Kakaoteig gerollt, mal mit Marmelade) sowie Lemon Meltaways.

Für ca. 2 Bleche.

200 g Mehl, Type 405,
60 g Speisestärke,
1 gestrichener TL Backpulver,
100 g Zucker und
1 Päckchen Vanillezucker mischen und auf die Arbeitsfläche kippen. Eine Mulde basteln und dort hinein

1 Ei,
100 g gehackte Zartbitterschokolade,
die abgeriebene Schale einer Bio-Orange sowie
125 g Butter geben.

Alles möglichst schnell durchhacken und mit kühlen Händen zu einem Teig verkneten. Mehrere Rollen mit circa 3 Zentimeter Durchmesser fertigen und sie mit einem breiten Messer plattdrücken, so dass der Teig ungefähr 5 Zentimeter breit und 1 Zentimeter hoch ist.

Die Rollen in Klarsichtfolie hüllen und kühl stellen, bis der Teig festgeworden ist. Danach in Scheiben von einem halben Zentimeter Breite schneiden, diese mit einem breiten Messerrücken noch etwas platter und dünner drücken, auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech legen und bei 180° Umluft (!) für 10 bis 15 Minuten backen. Einfach selbst entscheiden, wie knusprig-braun du die Plätzchen haben willst, liebe Hausfrau.

Mal wieder verspätetes Tagebuch, weil erkältet, aber immerhin jetzt wieder aktuell, nämlich bis Samstag, 7. Dezember 2019, ha!

Ich konnte meine Erkältung beim Heimatbesuch nicht so recht auskurieren, weswegen ich diese Woche noch etwas memmig am eigenen Schreibtisch saß und dissertierte. Wenigstens der Wille war da, aber mein Kopf dachte an Kochen, jetzt wo ich wieder die heimischen Messer in den Händen hatte und nicht mehr die 70er-Jahre-Stumpfis, an Lesen, weil ich wieder Zeit nur für mich hatte, und an Schlafen, was ich diese Woche trotzdem eher wenig erledigen konnte, weil der Husten mich nicht lässt, der Arsch.

Ausgelesen und hiermit wärmstens weiterempfohlen: Yōko Ogawas The Memory Police. Ich hatte in diesem Eintrag schon mal auf die Rezension beim New Yorker gelinkt, die ich bis heute nicht zuende gelesen habe, um mich nicht spoilern zu lassen. Ich hatte dort auch kurz was zum Inhalt gesagt, bitte mal nachlesen.

Ich fand das Buch irrsinnig ruhig, fast schon spröde und sparsam in seiner Erzählweise. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, auf dünnem, knirschenden Eis zu gehen, weil man als Leserin immer weiß, dass weiterhin Dinge verschwinden, und manche konnten mich durchaus schockieren. Ich möchte zum Inhalt gar nichts sagen, aber ich war von Anfang bis zum Ende von der Sprache fasziniert, fast noch mehr als von der Story. Das erste Buch, bei dem ich mir wünschte, Japanisch lesen zu können. (Englischsprachige Übersetzung von Stephen Snyder.)

Freitag war mein Kopf wieder so halb bei der Sache und ich wühlte mich durch die Online-Findmittel im Münchner Staatsarchiv. Für Dienstag ließ ich mir ein bisschen Zeug der Autobahndirektion Süd ausheben, bevor ich nach Berlin fahre und dort im Bundesarchiv nach Dingen suche, die mir die wenige Sekundärliteratur zu dem Thema verdammt nochmal nicht verraten will. Ich bekam die übliche Bestätigung – und folgende Mail: „Da wir auch mit Dienststellen der Autobahndirektion zu Materialien, darunter Gemälden, in Kontakt stehen, die noch nicht ins Archiv gelangt sind, würde ich Ihnen empfehlen, sich bei Ihrem nächsten Besuch bei Herrn Dr. XX zu melden, der den besten fachlichen Überblick über diese Behördenüberlieferung hat.“

Waah! GEMÄLDE? Ich fiepse seit dem Empfang der Mail etwas rum, denn: Ich weiß immer noch nicht, wo sich einige von Protzens Autobahnbildern heute befinden. Die meisten sind damals an NS-Organisationen verkauft worden, aber eben nicht alle. Ein paar sind im Historischen Museum in Berlin, die habe ich alle schon in der Datenbank zum Central Collecting Point gefunden, aber bei einigen weiß ich nichts über ihren Verbleib. Daher: Waah!

Nebenbei: Mir ist das fast immer sehr bewusst, wenn ich in der Bibliothek des ZI sitze, dass in diesen Räumlichkeiten sowohl die NS-Mitgliederkarteien verwaltet als auch geraubte Meisterwerke gelagert wurden. Das ist schon immer ein besonderes Arbeiten dort. Es liegt vermutlich an meinen Themen, dass es mir dort so geht, aber es erdet trotzdem.

Am Freitag abend waren F. und ich im Broeding, wo wir dieses Jahr noch gar nicht waren und das geht ja nicht. Normalerweise ist das Broeding mein Geburtstagsfestessenort, aber in diesem Jahr hatte ich Irre selbst gekocht, und weil die Reservierung schon länger stand, war auch meine Erkältung egal. Ich konnte alles riechen und schmecken und wie immer exorbitant genießen, aber meine Stimme war danach erstmal weg.

Die Fotos sind von F., weil ich so seltsam saß, dass ich quasi dauernd einen Schatten auf dem Teller gehabt hätte beim Rumknipsen.

Fischiger Wantan mit kleinem Salätchen drunter als Gruß aus der Küche.

Und schon der Lieblingsgang: Gamba mit Schwarzwurzeln und Zuckerschoten. Plus Erdnüsse und ein bisschen scharf.

Romanasalatsuppe mit einem lustigen Käse darin (Salva Cremasco) und weißen Bohnen.

Wolfsbarsch mit Gemüsefrikassee und Sauce béarnaise.

Kronfleisch und flache Schulter mit Karotte und Topinambur als Püree und Chips. Zweitliebster Gang, weil ich Topinambur liebe. Und: Dazu gab’s meinen allerallerliebsten Blaufränkisch, nämlich die Reserve von Moric.

Alpkäse mit Hagebutte und lustigem Kräuterbrot. Wir freuen uns eigentlich ab dem Gruß aus der Küche auf den Käse, weil der immer so toll ist.

Weißes Schoko-Gewürzmousse mit dicken Schokoplocken drin und zuwenig Ananas, alles sehr weihnachtlich gewürzt.

Wie immer sehr zufrieden und glücklich nach Hause gegangen.

Samstag ewig ausgeschlafen, aber dafür endlich mal wieder halbwegs gut. Trotzdem dachte ich, nee, biste brav, bleibste zuhause, gehste nicht ins Stadion nach Augsburg. Die Stimme war wieder da, aber der Husten noch nicht weg, und die Idee, zwei Stunden in der Kälte zu sitzen, war nicht so erfreulich. Ich sagte schweren Herzens bei meinen Mitfahrenden ab, schrieb meinen Einkaufszettel – es sollte Keksiges gebacken werden –, zog mich an, ging vor die Haustür und dachte: He, Moment, das ist ja gar nicht kalt! Und ich huste auch nicht! Schaff ich den Zug noch?

Noch auf dem Zebrastreifen umgekehrt, mich sehr eilig in die Stadionklamotten geworfen und zum Bahnhof aufgemacht. Dabei fiel mir allerdings auf, dass ich mich zu eilig angezogen hatte: An die Thermotights hatte ich gedacht, aber das wärmende Longsleeve vergessen. Am Oberkörper friere ich eigentlich selten, eher an Händen, Knien und Füßen, ich dachte also, egal, wir versuchen das. Eine Mitfahrerin meinte, wenn’s zu schlimm sei, könnte ich mich in die Fußballkneipe direkt am Stadion setzen, da liefe das Spiel auch. Wie irre wäre das denn bitte. In Sichtweite vom Stadion nicht im Stadion gucken. Aber für Kinder ist das Ganze anscheinend eine gute Idee, wenn es wirklich zu kalt wird.

Ich hatte eine bessere Idee: den Fanshop, in dem es Decken käuflich zu erwerben gab. Ich habe zwar natürlich eine Fleecedecke, Oma Gröner braucht bei null Grad halt was auf den Knien, aber dann habe ich eben noch eine, sogar gebrandet. (F. so: „Jetzt brauchst du für die Bayern-Damen auch noch eine.“ Nooo!) Die Decke wickelte ich mir so kongenial um den Körper, dass sowohl meine Lunge als auch meine Knie warm waren, trug die Jacke darüber und hatte eine hervorragende Zeit. Also bis auf den Fußball, über den wir uns teilweise wieder echauffieren mussten. Egal, 2:1 gewonnen, und bei Siegen leuchtet das Stadion danach in grün.

Ich erwischte in der vollen Stadiontram zurück zum Bahnhof sogar einen Sitzplatz, aber der kam mit einem Preis: Ich saß neben zwei älteren Herren, die 15 Minuten lang möglichst laut ihren Rotz hochzogen, während sie über Finanzen sprachen. Team Taschentücher, herrgottnochmal!

Aber: Weil wir schon gegen 19 Uhr wieder in München waren, konnte ich sogar noch einkaufen und Kekse backen. Jedenfalls zwei der geplanten fünf Sorten.

1000 Fragen, 341 bis 360

341. Worüber kannst du dich immer wieder aufregen?

Ich kann mich eben nicht mehr immer wieder über irgendwas aufregen. Wenn ich das könnte, wäre Twitter entspannter. Ich will mich aber nicht mehr über jeden Scheiß aufregen, weil der meiste Scheiß nicht wichtig genug ist, um den Puls dafür in die Höhe zu jagen. Ich will auf meinem kleinen ruhigen Fluss vor mich hintreiben.

342. Kann jede Beziehung gerettet werden?

Nein. Muss sie auch nicht.

343. Mit welchem Körperteil bist du total zufrieden?

Mit meiner Supernase.

344. Womit hältst du dein Leben spannend?

Hä? Das macht mein Leben schon ganz alleine, dieses Spannendsein, dafür muss ich gar nichts machen.

345. Kannst du unter Druck gute Leistungen erbringen?

Ja.

346. Welche Lebensphase hast du als besonders angenehm empfunden?

Generell mag ich mein Leben als Spätstudentin und Teilzeitarbeiterin außerordentlich gern. Ich wollte gerade schreiben, dass ich damit vielleicht früher hätte anfangen sollen, aber dann wären die Ersparnisse noch nicht da gewesen und auch nicht der Leidensdruck von einer Million sinnloser Meetings.

347. Findest du andere Menschen genauso wertvoll wie dich selbst?

Ja. Ich finde viele von ihnen unsympathisch oder doof, aber natürlich sind sie wertvoll in ihrem Dasein.

Jedenfalls die allerallermeisten. Bei ganz wenigen muss ich mir dauernd selbst sagen, dass Gott/das Universum/das fliegende Spaghettimonster sie vielleicht als schlechtes Beispiel erschaffen haben, damit wir uns an ihnen abarbeiten und es besser machen können.

348. Hast du immer eine Wahl?

Meine spontane Reaktion auf die Frage war „Nein“, aber … hm. Ich glaube, man hat fast immer eine Wahl, wenn es um eigene Entscheidungen geht. Wenn allerdings Dinge einfach passieren – wie Krankheiten –, hat man sie natürlich nicht. Aber bei so ziemlich allem anderen kann man sich natürlich auf die beliebten äußeren Umstände berufen, um diese Entscheidung und nicht die andere zu treffen. Aber die Wahl für diese Entscheidung liegt immer noch bei einem selbst. (Das ist jetzt alles bauchgefühliges Rumtheoretisieren. Ich habe gerade kein wirkliches Beispiel. Frage auf Wiedervorlage.)

349. Welche Jahreszeit magst du am liebsten?

Frühling oder Herbst. Rest ist zu warm oder zu kalt. Hübsch sind aber alle.

350. Wie würdest du heißen, wenn du deinen Namen selbst hättest aussuchen dürfen?

Als Kind wollte ich Nicole heißen, weil das C so schick ist. Irgendwann habe ich nicht mehr über meinen Namen nachgedacht, der ist halt da. Heute finde ich ihn gut, weil es ihn nicht so irre oft gibt und man ihn kaum falsch schreiben kann. Kaum.

351. Wie eitel bist du?

Nur noch sehr wenig. Wenn ich neue Leute treffe, achte ich darauf, wie ich aussehe. Alle anderen kriegen inzwischen die sehr konsequent ungeschminkte Anke in Jeans und Turnschuhen. Meine Faszination von Kleidung an mir selbst war nie besonders ausgeprägt, und je älter ich werde, desto geringer wird sie, falls sie überhaupt noch geringer werden kann. Ich gucke aber sehr gerne andere Menschen in spannenden Klamotten an oder bewundere Frauen, die ihren Lidstrich in der Tram ziehen können. Ich bin schon froh, wenn ich mich dort beim Schalumlegen nicht selbst stranguliere.

352. Folgst du eher deinem Herzen oder deinem Verstand?

Beim Essen dem Herz, beim Schreiben dem Verstand.

353. Welches Risiko bist du zuletzt eingegangen?

Fahrradfahren im deutschen Straßenverkehr. Ansonsten bin ich eine Freundin von Risikovermeidungsstrategien, immer schön dicke Umsteigezeiten und Sitzplätze buchend.

354. Übernimmst du häufig die Gesprächsführung?

Kommt aufs Thema an. Versuche mal, mich auf mein Diss-Thema anzusprechen und guck, ob du was sagen darfst.

355. Welchem fiktiven Charakter aus einer Fernsehserie ähnelst du?

Rory Gilmore mit weniger gutem Kalorienverbrauch und ohne Häuschen am Pool. Was sinnlose Übersprungshandlungen angeht: Monica aus Friends. (“YOU DON’T KNOW THE SYSTEM!”)

356. Was darf bei einem guten Fest nicht fehlen?

Bequeme Sitzmöglichkeiten.

357. Fällt es dir leicht, Komplimente anzunehmen?

Ich glaube schon. Los, sag mir was Nettes!

358. Wie gut achtest du auf deine Gesundheit?

Kaum bewusst. Ich versuche, mich irgendwie mal zu bewegen, halbwegs anständig zu essen und generell darauf zu achten, dass es mir gut geht, aber ich habe keine Schrittzähler und hasse Vorsorgeuntersuchungen, außer beim Zahnarzt. Ich gehe erst zum Arzt, wenn irgendwas weh tut.

359. Welchen Stellenwert nimmt Sex in deinem Leben ein?

Das geht dich einen Scheiß an, Fragebogen.

360. Wie verbringst du am liebsten deinen Urlaub?

Ausschlafen, gut essen, Rest ist Verhandlungssache.

Kürbissalat mit karamellisierten Äpfeln

Gelernt: Ich mag rohen Kürbis lieber als gekochten oder im Ofen gebackenen. Vor allem den hier, wo noch ne Ladung Zucker mitkommt.

Die Mengen im Originalrezept haben mich etwas verwirrt, daher kommen hier unten jetzt die Zutaten, die ich gestern für eine Portion verwendet habe.

1 Hokkaido-Kürbis waschen, vierteln, den Kernmatsch rausschaufeln und dann von einem Viertel mit einem Sparschäler oder Hobel feine Streifen schneiden. Bei mir reichte schon ein Achtel, um satt zu werden.

Die Kürbisstreifen in
2–3 EL mildem Weißweinessig sowie
Salz und
einer dicken Prise Zucker marinieren.

Einen möglichst nicht mehligen Apfel vierteln, entkernen und in dünne Spalten schneiden. Schale lieber dran lassen, sonst zerfällt das gute Ding eventuell in der Pfanne, in die es später kommt.

In einer beschichtenen Pfanne bei mittlerer bis hoher Hitze
eine kleine Handvoll Kürbiskerne mit
etwas Salz anrösten, bis sie anfangen zu duften und rumzuknacken. Die Kerne aus der Pfanne nehmen, ein Drittel davon zurückbehalten, den Rest in ein hohes Gefäß kippen, die werden gleich püriert.

In der noch heißen Pfanne
1–2 EL Zucker karamellisieren lassen. Den Apfel sowie
1–2 EL Butter dazugeben, mit
einem guten Schuss Weißweinessig ablöschen und dann alles kurz durchschwenken, bis der Apfel vom lecker Karamell ummantelt ist. Die Apfelspalten herausnehmen.

Im Originalrezept stand jetzt was von „die restliche Flüssigkeit aus der Pfanne durch ein Sieb geben und mit den Kürbiskernen im hohen Gefäß zu einer Vinaigrette pürieren, notfalls noch ein bisschen Wasser dazugeben.“ Bei mir gab’s quasi keine restliche Flüssigkeit, weswegen ich den Esslöffel Karamelsud mit neutralem Öl (bei mir Sonnenblume) und Wasser gestreckt und dann mit den Kernen püriert habe. Als Vinaigrette würde ich das Dressing immer noch nicht bezeichnen, bei mir war’s eher eine Paste, aber egal, schmeckt.

Das Dressing als Spiegel auf einen Teller geben, aus den marinierten Kürbisstreifen kleine Röschen drehen, Apfelspalten und restliche Kürbiskerne drüber und notfalls noch nen Klecks Dressings. Müsste zu stark aromatischen Dingen wie Geräuchertem ziemlich gut als Gegengewicht passen, hat mir aber auch als volle Hauptmahlzeit gereicht.

1000 Fragen, 321 bis 340

(Ich zitiere Christian: „Die Fragen stammen ursprünglich aus dem Flow-Magazin, Johanna von pink-e-pank.de hat daraus eine persönliche Blog-Challenge gemacht, und Beyhan von my-herzblut.com hat das PDF erstellt.“)

321. Was gibt dem Leben Sinn?

Je nachdem, was man sich dafür vornimmt. Kinder kriegen oder gerade nicht, Bücher lesen oder Filme drehen, Blümchen züchten, reisen, Dissertationen schreiben, einfach den Tag rumbringen. Jedes Leben ist anders. Jede Zeit im Leben ist anders. Wenn ich in zehn Jahren auf diesen Fragebogen gucke, werde ich liebevoll den Kopf über mich schütteln.

322. Was hättest du gern frühzeitiger gewusst?

Dass man nicht schlank sein muss, um glücklich zu sein.

323. Wie alt fühlst du dich?

Wenn ich erkältet durch die Gegend schleiche, wie 70. Wenn ich in der Bibliothek sitze, wie 25.

324. Was siehst du, wenn du in den Spiegel schaust?

Wenn ich in die Bibliothek will, eine gut gelaunte, motivierte 25-Jährige.

325. Kannst du gut zuhören?

Hm? Was?

326. Welche Frage wurde dir schon zu häufig gestellt?

„Pommes frites dazu?“

327. Ist alles möglich?

Noch nicht.

328. Hängst du an Traditionen?

Radio Eriwan sagt: … Ich mag Weihnachten wegen der Lieder und der Lichter, aber nicht wegen der vollen Innenstädte und des Geschenkezwangs. Ich mag Geburtstage wegen des Kuchens, aber nicht wegen der Glückwünsche. Ich mag das Oktoberfest wegen der Geschichte und des Biers, aber nicht wegen der Partyzelte. Ich mag es, wenn mir Männer im Zug anbieten, mir den Koffer ins Gepäckfach zu wuchten, aber nicht, dass sie im gleichen Beruf wie ich mehr verdienen. Bitte denken Sie sich weitere Beispiele aus.

329. Kennt jemand deine finstersten Gedanken?

Ich bin ein Gänseblümchen, ich habe keine finsteren Gedanken. Ich habe ein paar gehässige, die dürften die Damen aus Hamburg kennen und F.

330. Wie sieht für dich der ideale Partner aus?

Och nee.

Okay, public service announcement von Oma Gröner: Es gibt nicht den idealen Partner oder die ideale Partnerin. Und auch wenn man glaubt, man habe für sich mal Parameter entwickelt, wie er oder sie auszusehen oder zu sein habe – plötzlich läuft einem jemand über den Weg, der so gar nicht ins selbstdefinierte Beuteschema passt, und man ist verknallt. Oder verliebt. Und wenn man Glück hat, beruht das auf Gegenseitigkeit. Aber dieser Partner/diese Partnerin bringt ne Menge Zeug mit, das man nie haben wollte – und es ist egal. Oder zumindest kein deal breaker, auch wenn man sich vorher theoretisch sicher war, diese eine Eigenschaft wäre einer.

Für alle, die noch in den Zwanzigern sind und wie ich damals zu viele schlechte Filme geguckt haben, nochmal zum Mitschreiben: Es gibt keinen idealen Partner und keine ideale Partnerin. Nehmt, was ihr kriegt und seid damit glücklich. Das ist nämlich schon sehr viel.

(F. ist natürlich die eine Ausnahme von der Regel, der ist super.)

331. Wonach sehnst du dich?

Nach mehr Ruhe. Manchmal nach mehr Platz. Und dass die ollen Erben mal auf meine Post antworten und Archive WLAN haben.

332. Bist du mutig?

Nein.

333. Gibt es für alles einen richtigen Ort und eine richtige Zeit?

Ich ahne, dass die besten Geschichten daraus entstehen, dass man zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Oder die miesesten. Daher: keine Ahnung.

334. Wofür bist du dir zu schade?

Für zu wenig Geld zu arbeiten.

335. Könntest du ein Jahr ohne andere Menschen aushalten?

Ich bin zwar sehr gerne alleine, aber ein ganzes Jahr würde mich schon sehr einschüchtern. Und vermutlich würde ich nach drei Monaten verrückt werden oder mit Volleybällen reden.

336. Wann warst du zuletzt stolz auf dich?

Letzte Woche.

337. Bist du noch die Gleiche wie früher?

Zum Glück nicht mehr. Noch ein public service announcement: Um sich selbst klarzumachen, wie man sich so entwickelt hat, einfach mal zum Spaß alte Tagebücher lesen. Meine wurden von jemandem geschrieben, die ich nicht mehr kennen möchte.

338. Warum hast du dich für die Arbeit entschieden, die du jetzt machst?

Werbung: inzwischen wegen Geld. Kunstgeschichte: weil’s großartig ist. Ne Kombi wäre toll.

339. Welche schlechte Angewohnheit hast du?

Hm? Was?

340. Verfolgst du deinen eigenen Weg?

Solange mich der Rest der Welt lässt, ja. Lässt er mich meist aber nicht. Siehe Frage 338.

Tagebuch Montag, 2. Dezember 2019 – Wochenende

Ich habe mein Wochenende nachgeholt und quasi nichts gemacht, keine Leseminute für die Diss, keine Zugfahrt.

Der Neuschnee sorgt dafür, dass die Pflanzenabdeckungen auf Nachbars Balkon jetzt noch mehr nach Beuys aussehen. Oder nach Dementoren, wie jemand auf Twitter meinte. Can’t be unseen.

Außerdem habe ich ein Blümchen gekauft und einen Berg fieses Gift, um die Blattläuse auf meiner Begonie auszurotten, die sich über Knoblauchsud und Schmierseife nur kaputtgelacht haben. Macht kaputt, was euch kaputtlacht.

Einziger Pflichttermin: an zwei Kalendern die Türchen öffnen. Okay, und Wäsche waschen. Und den Einkaufszettel für die Woche schreiben. Aber dann habe ich nur noch gelesen und „The Crown“ geguckt, dabei die Teetasse betont elegant gehalten und gehofft, dass meine Lunge endlich wieder normal arbeitet, damit ich wieder flach schlafen kann und nicht mehr mit fünf Kissen im Kreuz.

Latin Dictionary’s Journey: A to Zythum in 125 Years (and Counting)

Den Link hatte ich Sonntag schon auf Twitter verteilt, aber ich mag ihn so gerne. Ich hatte vom Thesaurus Linguae Latinae (T.L.L.) ehrlich gesagt noch nie gehört, aber man erzählte mir auf Twitter, er sei quasi „der Schraubenzieher des klassischen Philologen“. Seit den 1890er Jahren versuchen Wissenschaftler*innen, jede Bedeutung jedes lateinischen Worts, ob es nun bei Cicero stand oder an römischen Klowänden, zu erfassen. Vielleicht wird man 2050 damit fertig. Alleine die zeitliche Einordnung finde ich großartig formuliert:

„When German researchers began working on a new Latin dictionary in the 1890s, they thought they might finish in 15 or 20 years. In the 125 years since, the Thesaurus Linguae Latinae (T.L.L.) has seen the fall of an empire, two world wars and the division and reunification of Germany. In the meantime, they are up to the letter R.“

Tagebuch, irgendwie letzte Woche bis Sonntag, 1. Dezember 2019 – Heimkommen

Ich wunderte mich die letzten Tage in der alten Heimat, warum ich so viele Kekse backen sollte, aber irgendwann fiel mir auf: Das gehört zum Zuhausefühlen, das gehört in den Advent, da wird es früh dunkel, da hängt man Tannengrün auf, da backt man Kekse. Mama hat jetzt anderes zu tun, also übernehme ich das, damit sich das nicht auch noch ändert. Wieder was verstanden, was so diffus mit „Zuhausefühlen“ umschrieben wird.

Kekse habe ich nicht anständig fotografiert, aber mein geliebtes Kartoffelgratin, das ich immer gerne zubereite. Die Kombi Grün-Orange in der Elternküche hat mich ewig wahnsinnig gemacht, inzwischen finde ich sie sehr stylo.

Ein bisschen an der Diss konnte ich auch arbeiten, meist wenn die Pflegekräfte da waren oder wenn Papa geschlafen hat und Mama außer Haus war. Dabei ist mir mal wieder aufgefallen, wie ich dauernd mit mir selbst rede, wenn ich dissertiere. Der Text entstand letzte Woche und ist noch nicht korrekturgelesen, aber das „für“ in der ersten Zeile schmeiße ich auf jeden Fall noch raus.

Das hier ist übrigens der erwähnte Poetzelberger.

Auch auf Ancestry habe ich mich weiter rumgetrieben. Bei Protzen war ich noch nicht weiter groß fündig, aber man kann ja auch mal in den eigenen Vorfahren rumwühlen. Gut, dass Papa auf der Rückseite des Hochzeitsbildes seiner Großeltern die Geburts- und Heiratsdaten notiert hatte. Das Bild (Oldenburg 1902) steht jetzt hier bei mir in München, neben dem Holzklotz von Opa.

Am Samstag gab es im Großraum Hannover den öffentlichen Nahverkehr kostenlos. Die S-Bahn war voller als erwartet, sehr schön. Mein ICE hatte 30 Minuten Verspätung, aber ich hatte Kaffee und ein Buch und ein Smartphone voller Zeitfresserchen. Und wenn man gerade eine Woche Elternpflege hinter sich hat, ist eine Zugverspätung eh das Unwichtigste auf der Welt. Ist sie eigentlich fast immer.

Zuhause fand ich einen kleinen Papieradventskalender vor, den mir F. hingestellt hatte. Davon fotografierte ich sofort die Abbildung auf der Rückseite und werde das Bild jetzt jährlich im Advent irgendwo auf Twitter verteilen.

Irgendwann im Dezember müssen F. und ich auf den Augschburger Christkindlesmarkt, das gehört sich bei uns so (ich mag Pärchentraditionen). Alle kommenden Adventswochenenden sind schon ziemlich dicht, und beim Heimspiel vom FCA am 17. Dezember in Fußballklamotten einen Glühwein runterstürzen wollten wir auch nicht. Also fuhren wir gestern, ich immer noch hüstelnd, die Erkältung hatte nicht so richtig die Chance gehabt, ganz zu verschwinden.

Wir nahmen die Tram zum Moritzplatz, von wo es zur Bosna nur wenige Fußmeter sind, und am Bosnastand erwischte mich dann erstmals Last Christmas. Am 1. Dezember! Zu früh! Aber: gute Wurst, auch wenn sich mir die Kombi von heißem Brät und arschkalten Zwiebeln plus Sauce immer noch nicht erschließen mag. Aber: Tradition.

Danach ging’s an unseren Lieblingsstand, wo auch F. dieses Mal keinen Glühwein trank, sondern meinen geliebten Zirbelzauber, über dessen Name ich mich immer lustig gemacht habe, weswegen ich ihn immer selbst bestellen muss. Es fühlt sich genauso bescheuert an wie „Einmal den Himbeerwuppi da“ beim Bäcker zu sagen, aber dafür gibt’s Alkohol.

Bis zum Engelesspiel blieben wir nicht, die Trams fuhren trotzdem schon nicht mehr, wenn die Engel auf dem Rathausbalkon stehen, soll davor gefälligst nicht rumgebimmelt werden, und so stapften wir den Weg bis zum Bahnhof zu Fuß zurück. Meine Lunge hielt sich wacker, aber so ganz fit ist sie noch nicht.

Manchmal weiß Papa, wo er ist, oft weiß er es nicht, gerade abends, wenn er schon mal weggedöst war und wieder aufwacht. Dann ruft er nach uns, man geht in sein Zimmer, beruhigt ihn und erzählt ihm, wo er ist. „Guck, da ist das Bild mit dem Segelschiff. Und da liegen deine Bücher.“ Und er sagt dann immer langsam: „Ja … ja … ich bin hier zuhause.“ Freitag abend kam dann noch ein Satz, bei dem ich fast angefangen hätte zu heulen, weil in ihm mitschwingt, dass Papa vielleicht doch mitbekommt, wie es ihm geht und dass es ihm früher mal anders ging: „Ich bin hier zuhause. … Ich weiß nicht, warum ich das immer wieder vergesse.“