Ein Jahr Passau

Der Grund, warum es hier sehr ruhig ist und auch noch ein bisschen so bleiben wird: Ich mag nicht über meinen Job schreiben. Ich würde zwar total gerne über meinen Job schreiben, denn er ist irre spannend und befriedigend und toll, aber ich mache das hier ja alles nicht für mich, sondern für einen Auftraggeber, und ehe ich Blogeinträge abnicken lasse, schreibe ich lieber gar nichts.

Neben meinem Job reicht die Kraft in Passau ehrlich gesagt auch kaum noch für andere Dinge, die ich verbloggen könnte, und es ist im Prinzip ganz nett, nach über 20 Jahren nicht mehr jeden Tag darüber nachdenken zu müssen, ob das, was ich gerade erlebe, einen schicken Eintrag produziert. Andererseits frage ich mich des Öfteren, was ich in einem bestimmten Monat im letzten Jahr gemacht habe oder was ich aß oder hörte oder was mich beschäftigte – und derzeit fehlt leider mein schönes Tagebuch, das diese Informationen immer brav für mich bereithielt.

(Ich knipse sehr gerne vom Berg runter, auf dem die Burg steht, in der das Museum ist, in dem ich arbeite.)

Ich beschäftige mich seit einem Jahr mit den Zugängen des Oberhausmuseums in Passau zwischen 1933 und 1945. Und das mache ich noch ein weiteres Jahr, weswegen es hier ab morgen vermutlich wieder ruhiger wird. Aber ab August 2026 plaudere ich wahrscheinlich wieder wild in der Gegend rum, denn, jauchzet, frohlocket, mein Forschungsantrag, über dem ich monatelang gebrütet und den ich schließlich im Mai 2024 eingereicht habe, wurde im Mai 2025 abgenickt und durchgewunken, ohne Änderungen oder Abzüge. In einem Jahr bin ich also wieder nur noch in München, wo genau, verrate ich, sobald mein herrliches, dreijähriges, vollfinanziertes Forschungsprojekt auf der Website der betreffenden Institution steht. Nächstes Vorstellungsgespräch frühestens Ende 2029, wo-hoo! Dann bin ich 60, das wird bestimmt ein Klacks, wieder was Neues zu finden.

Ich müsste mich eigentlich total freuen, wieder ausschließlich in München zu arbeiten, aber ein winziges bisschen Wehmut ist komischerweise auch dabei, denn: Das ist echt nett hier! Ich habe jeden Tag das Gefühl, einen sinnvollen Job zu machen, was ich sehr lange nicht hatte. Zusätzlich ist mir auch etwas gelungen, was man als Provenienzforschende immer erreichen möchte (und dann gleichzeitig überhaupt gar nicht), nämlich Raubkunst wiederzufinden und sogar die Erbberechtigten dazu. Über den Fall schreibe ich demnächst an anderer Stelle (hoffentlich verlinkbar), aber bis dahin gibt’s den kurzen Bericht aus der Passauer Neuen Presse, den ich auf Bluesky ohne Paywall lesbar gemacht habe. Der Artikel hat einige Fehlerchen, aber der Name der jüdischen Sammlerin und die zwei Werke stimmen.

Ich bin inzwischen nach Feierabend nicht mehr ganz so durch wie in den ersten Monaten, wo ich nicht nur einen neuen Job, eine andere Stadt, einen zweiten Kühlschrank und tägliches Autofahren verarbeiten musste, aber ich gebe zu: Sobald der Arbeitsrechner aus ist, ich das Auto im  Parkhaus abgestellt und den Fußweg nach Hause erledigt habe, meist mit Umweg über ein, zwei Supermärkte, Woolworth (Kleinscheiß, der fehlt) oder Thalia (Bücher, die fehlen), reicht die Kraft nur noch zur Zubereitung des Abendessens, das meist zur Hälfte zum Mittagessen am nächsten Tag auf der Burg wird, ein, zwei Serienfolgen, ein bisschen Lesen, die Rätsel der New York Times, die Französisch-Dosis auf Duolingo (Hebräisch habe ich schon lange aufgegeben, dafür ist die App wirklich nicht gemacht), und dann falle ich zwischen 21 und 22 Uhr ins Bett und schlafe wie ein Stein. Ich habe seit einem Jahr kein Ende eines Fußballspiels mehr mitbekommen, ich bin bei der EM-Verlängerung Deutschland-Spanien weggedöst, mein Gehirn und ich sind irgendwann einfach durch und wollen nicht mehr.

Dafür stehe ich jeden Tag um 6 Uhr auf (und mache Fotos wie das oben stehende) und bin meist spätestens gegen 7.30 Uhr auf der Burg, was mich immer noch erstaunt. Ich hatte in meinem Erwachsenenleben eigentlich nie Jobs, die vor 9 Uhr begannen, und ich stand nie vor 7 auf. Im letzten Sommer war ich aber immer so früh wach, erstens weil die Passauer Wohnung nicht so dunkel ist wie die in München und zweitens, weil sie ein Hitzeloch ist. So schön es ist, direkt über einer Konditorei zu wohnen, so beknackt ist es, wenn diese die Backstube ernsthaft im Haus hat und so gefühlt alle Wände mitheizt. Ich musste im Winter kein einziges Mal meine Heizung anmachen, nicht mal bei minus acht Grad draußen, nicht mal im Bad. Aber jetzt im Sommer halte ich es in einem Zimmer nur mit zwei Ventilatoren aus bzw. ziehe, wenn es geht, fluchtartig ins Münchner Home Office, sobald es mehr als 25 Grad werden, weil es in der Wohnung, laut Thermometer, immer knappe zehn Grad wärmer ist als draußen. Konstant. Das hieß vor einem Jahr, als ich erst einen Ventilator besaß, dass ich es nur mit weit geöffneten Fenstern nachts aushielt, weswegen es noch früher hell war als mit geschlossenen Gardinen, weswegen ich früher wach war, weswegen ich ergeben dachte, dann stehste halt auf und bis früh am Schreibtisch. Und das ist irgendwie nicht weggegangen, denn: Es ist schon schön, um 16 Uhr Feierabend zu haben und nicht um 18 Uhr irgendwas, wie ich es aus der Werbung gewohnt war.

(Die Veste auf Oberhaus bei Sonnenaufgang. Ich sitze links vom Kapellentürmchen und gucke vom Büro aus nach Österreich. Hoch die Republik!)

Das ewige Hin und Her zwischen München und Passau wird auch allmählich weniger nervig, weil es ab heute auf die Schlussgerade geht und ich inzwischen gelernt habe, dass zwei Stunden Autobahnfahrt doch besser sind als (wenn ich Glück habe) dreieinhalb in Zug und U-Bahn und ich sonntags nicht immer schon mittags zum Bahnhof in München muss, sondern noch den ganzen Tag mit F. genießen kann und dann halt abends mit der Sonne im Rücken gen Donau schaukele (und dann sogar gratis in der Nähe meiner Wohnung parken kann und ich mir einmal den Fußweg ins Parkhaus erspare). Neuerdings mit Podcasts statt mit Musik, da geht die Zeit noch schneller rum. Und wie ich des Öfteren schon festgestellt habe: Ich fahre anscheinend antizyklisch. Auf der Gegenfahrbahn ist Freitagabend Richtung Passau mehr los als Richtung München, und Sonntagabend ist es genau anders herum.

(Wenn ich nicht die Burg fotografiere oder von ihr runter, halte ich mich gerne unter der brutalistischen Schanzlbrücke auf, die im Winter echt moody drauf ist. #nofilter)

Meine Packstation ist direkt bei Aldi und Lidl und der Waschstraße. Mehr kenne ich quasi nicht von Passau. Okay, den Weihnachtsmarkt mit dem guten Glühwein kenne ich auch. Und das Stadtarchiv!

Oh, und der kleine Feinkostladen nebenan kennt dafür mich. „Ich habe da gerade einen schönen Winzersekt aus der Wachau für mich geöffnet, ich sag Ihnen, ob der was taugt!“

Ich kann meine geliebten Frühlingszwiebelfladen auch mit der Thermosflasche ausrollen, wie ich inzwischen gelernt habe, denn mein Nudelholz ist in München und ich will nicht NOCH WAS doppelt kaufen und hey, wer braucht schon ein Kuchengitter. Okay, die Kuchenform habe ich doppelt gekauft.

Ich weiß bis heute nie, was im jeweils anderen Kühlschrank ist, aber inzwischen hat es sich eingebürgert, dass F. den Münchner Kühlschrank am Donnerstag oder Freitag mit allem auffüllt, was ich für ein Käsebrot mit Gemüsebeilage brauche, und ich am Montag einfach zum Lieblingsbäcker gehe, um ein Pfefferstangerl mit was drauf zu erwerben, wenn im Passauer Kühlschrank nichts mehr liegt, was ich für die Mittagspause vorkochen könnte.

Ich sage „Pfefferstange“ statt „stangerl“, ich kann immer noch kein bairisch, ich werde es nie können, und nebenbei ist Passauer Niederbairisch noch mal eine Extraschippe WTF im Vergleich zu München. Bayerische Kollegin: „Anke, man sieht dir immer an, wenn du uns nicht verstehst, wir sprechen dann extra langsam.“

Ich liebe mein Büro im Rapunzelturm, wo ich quasi fast immer alleine bin und vor mich hindenken kann, aber die Mittagspausen mit den Kolleginnen sind auch immer schön. (Kein Gendern nötig, es ist so herrlich!) Sie führen allerdings dazu, dass ich jetzt einen Airfryer besitze, weil wir so oft darüber geredet haben, und bei 35 Grad in der Wohnung ist das ganz nett, nicht den Backofen nützen zu müssen für ein Portiönchen Abendessen. Mehr als ein Portiönchen passt auch nicht rein, war ein 20-Euro-Schnäppchen beim Aldi. Sie wissen schon, der bei der Packstation.

(Besuch im Stadtarchiv Passau. Meine halbe Fotomediathek auf dem Handy sieht inzwischen so aus. Die andere Hälfte sind die Stockwerkschilder aus dem Parkhaus, wo ich abends fotografiere, wo ich stehe, weil ich das morgens garantiert nicht mehr weiß.)

Was mir allerdings wirklich fehlt: die schönen klassischen Konzerte, die ich mit F. gemeinsam in München besuche. In den letzten Jahren saßen wir des Öfteren mitten in der Woche in der Isarphilharmonie, und das geht jetzt leider gar nicht. Wir haben es auch erst gar nicht am Wochenende versucht, denn meistens möchte ich da lieber mit ihm Redezeit haben und nicht stumm drei Stunden nach vorne starren.

Wir können auch nicht mehr ganz so regelmäßig fine dinen wie früher, aber ein paar Mal dann doch: Wir waren immerhin einmal im Sparkling Bistro, dann im Mokum, neu und toll, im fiesesten Geschäft ever, nämlich Champagne Characters, im guten, alten Broeding, deutlich öfter im Waltz, ein paarmal in der Bar Tantris, und, jaha, bei Marcel von Winckelmann, den einzigen Stern Passaus. Das war richtig nett. Alleine nutzte ich eine Dienstreise nach Regensburg, um im Roten Hahn zu speisen (leider nicht von der Stadt bezahlt), und ich freue mich jetzt schon auf die Weinbar Garbo von den Waltz-Jungs, die ich im August endlich mal ansteuern werde, denn dann habe ich Urlaub.

Den habe ich seit Langem mal wirklich nötig. Zu Ende Juli musste ich den Zwischenbericht über mein Projekt abgeben, der dann auf der oben verlinkten Website Proveana veröffentlicht wird. Er war zum Schluss 152 Seiten lang, und irgendwann ahnte ich, warum F. immer mit den Augen rollte, wenn ich sagte, ABER ICH WEISS DOCH NOCH GAR NICHTS.

Urlaub bedeutet derzeit wie auch schon die zwei Wochen zum Jahresende: möglichst nur rumliegen. Nirgendwo hinfahren (außer zum Mütterchen). Einfach mal nur an einem Ort sein und nur über diesen einen Ort nachdenken bzw. ihn putzen müssen. Alle Städtereisen müssen bis nächstes Jahr warten, denn derzeit möchte ich, wenn der Job erledigt ist, einfach nur irgendwo sitzen. Zum Beispiel auf meinem schönen Münchner Balkon, der dieses Jahr aus Pendelgründen keine Blümchen oder Kräuter hatte. Aber nächstes Jahr wieder!

Ich fotografiere total gerne vom Berg runter, auf den ich jeden Morgen rauffahre, und freue mich jetzt schon auf den Herbst, wenn wieder alles im Nebel liegt. Folgen Sie meinen Insta-Storys, da kommen immer schöne Passau-Bildchen.

Ich habe bestimmt noch mehr erlebt im letzten Jahr, aber das wäre die Zusammenfassung: Es war ein lehrreiches, spannendes, sinnvolles und gutes Jahr, was die Arbeit angeht, und ein herausforderndes, aber – auch durch gute Kommunikation, gemeinsame Mühe und Vertrauen – ein wunderschönes, was das Private angeht. Ich nehme bitte von beidem noch mal ein Jahr Nachschlag.

„[V]ermutlich gestohlene französische Bilder“

Zum heutigen Tag der Provenienzforschung habe ich für das Retour-Blog einen Beitrag geschrieben. Er beschäftigt sich mit dem sogenannten CCP-Bestand, einem Teilbestand meiner Gesamtaufgabe. Was diese Gesamtaufgabe ist, steht hier.

Wem gehört die Kunst?

Das Oberhausmuseum veranstaltet am Tag der Provenienzforschung, also am 9. April, ein Podiumsgespräch. Ich werde mit zwei charmanten Kolleg*innen über die Chancen und Herausforderungen der Provenienzforschung sprechen.

Mehr der Pressemitteilung der Stadt Passau zum Thema.

2024 revisited

(2023, 2022, 2021, 2020, 2019, 2018, 2017, 2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009, 2008, 2007, 2006, 2005, 2004, 2003.)

1. Der hirnrissigste Plan?

Innerhalb von sechs Wochen eine zweite Wohnung finden, umziehen, ein Auto kaufen und einen neuen Job anfangen. Hat aber geklappt. (Ich brauchte danach allerdings viel Wein.)

2. Die gefährlichste Unternehmung?

Wein-Websites ansurfen.

3. Die teuerste Anschaffung?

Ein neues, altes Auto, das in zwei Jahren, wenn dieser Job durch ist, wieder verkauft wird. Das ist jedenfalls der Plan. Mal sehen, in welcher Stadt mit welchen Öffis ich dann lande.

4. Das leckerste Essen?

Bar Food an der Bar Tantris, immer. Dazu jeder Cocktail, immer. Dieser eine Probeschluck Barolo Villero im Waltz, der mir die Tür zum Piemont leider ganz weit aufgestoßen hat. Und das, wo wir uns gerade so halbwegs im Burgund auskennen! Das Tschecherl. Geburtstagsessen im Alois. Mit unserer Lieblings-Sommeliere rumschlemmen im Tantris DNA. Dieser eine Reisgang bei Tohru, den wir seitdem „Tohru in a nutshell“ nennen, weil er seine japanisch-klare Küche mit schlotzigsten französischen Buttersaucen dazu so herrlich repräsentierte. Das Reh mit Chili und Sesam im Sparkling Bistro. Die Kürbiskern-Käse-Stangen beim Bäcker in Passau um die Ecke. Die Sonntagstorte aus der Konditorei, über der ich dort schlimmerweise wohne. Die ganzen lustigen Saucen und Knabbereien aus den veganen Meal Plans, die aus jedem Essen ein Festessen machen.

5. Das beeindruckendste Buch?

Ich hatte gleich mehrere:

Sachbuch:
– Nicole Seifert: „Einige Herren sagten etwas dazu.“ Die Autorinnen der Gruppe 47  (2024)
– Ralf Zerback: Triumph der Gewalt. Drei deutsche Jahre 1932 bis 1934  (2022)
– Carolin Würfel: Drei Frauen träumten vom Sozialismus. Maxie Wander, Brigitte Reimann, Christa Wolf  (2022)
– Brigitte Reimann: Die geliebte, die verfluchte Hoffnung. Tagebücher und Briefe 1947–1972 (1984)

Fiktion:
Anne Rabe: Die Möglichkeit von Glück (2023)
Deniz Ohde: Streulicht (2021)
Bernardine Evaristo: Blonde Roots (2009)
Ruth Rehmann: Illusionen (1959)

6. Was hast du 2024 gelernt?

Dass mich auf einmal Dinge faszinieren und befriedigen, die ich früher eher nicht als faszinierend oder befriedigend empfunden habe. Dass ich mehr weiß, als ich dachte zu wissen. Dass ein menschlicher Schädel ganz schön schwer ist. Dass mir Twitter nicht mehr fehlt und und ich auf Insta lieber Storys poste als Bilder, weil sie nach einem Tag wieder verschwunden sind wie der Tag auch. Dass ich erstmals seit über 20 Jahren mein Blog nicht vermisse, wenn ich es komplett links liegen lasse.

7. Die beste Musik?

Wir haben „Die Passagierin” von Mieczysław Weinberg gleich zweimal in der Bayerischen Staatsoper angeschaut, weil die Inszenierung so großartig war.

8. Das schönste Konzert?

Schönbergs Gurre-Lieder in der Isarphilharmonie. Beckett/Feldman mit dem Jewish Chamber Orchestra in den Kammerspielen. Einmal Sokolov, zweimal Buchbinder, dreimal Levit.

9. Die tollste Ausstellung?

Paula Modersohn-Becker im Landesmuseum Hannover, die Dauerausstellung im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg, Günter Fruhtrunk und Surrealismus/Antifaschismus im Lenbachhaus, Rachel Ruysch in der Alten Pinakothek, generell die Sammlung Schack in München, das Textilmuseum in Augsburg und das Von-der-Heydt-Museum in Wuppertal, denn da hängt unter anderem „Der gelbe Kessel“ von Carl Grossberg, eines meiner absoluten Lieblingswerke. Das habe ich in diesem Jahr zum ersten Mal im Original gesehen.

Richtig scheiße: Caspar David Friedrich in Hamburg. Diesen Almabtrieb in der dümmstmöglichen Ecke der Kunsthalle hatte der Mann nicht verdient. (Aber der Katalog ist super.)

10. Die meiste Zeit verbracht mit …?

Kunstgeschichte.

11. Die schönste Zeit verbracht mit …?

Provenienzforschung und F.

12. Vorherrschendes Gefühl 2024?

Erste Jahreshälfte: alles doof. Zweite Jahreshälfte: alles toll!

13. 2024 zum ersten Mal getan?

Covid gehabt. Einen Forschungsantrag eingereicht. In Wuppertal gewesen und die ganze Schwebebahnstrecke abgefahren. Zweimal am selben Tag im selben Restaurant reserviert, weil’s mittags so nett war, dass ich abends gleich nochmal hinwollte. (Geht ins Waltz.) Einen menschlichen Schädel in der Hand gehabt. Kunst im Museum angefasst. In Linz gewesen. In Passau gewesen und gleich dageblieben. Werke im Depot entdeckt, die mich atemlos gemacht haben.

14. 2024 nach langer Zeit wieder getan?

Einen Zweitwohnsitz angemietet. Ein Auto gekauft. Die Selbständigkeit gegen eine (befristete) Festanstellung getauscht. Eine Wochenendbeziehung geführt.

15. Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten können?

Null Reaktion auf Bewerbungen, 34 Grad im August, Wochenendbeziehung.

16. Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?

Mich selbst, dass ich das kann.

17. Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?

Das bleibt unter uns.

18. Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?

Eine Jobzusage.

19. Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?

Das bleibt auch unter uns.

20. Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?

„Danke.“

21. 2024 war mit einem Wort …?

Fünfzwölftelsupi.

Leseliste 2024

1. Anne Rabe: Die Möglichkeit von Glück (2023) **

Eine Mischung aus Roman, Essay und Dokumentation, die sich mit der eigenen, (hoffentlich) teilweise fiktiven Familiengeschichte auseinandersetzt, die sich von der NS-Zeit über die DDR bis in das neue, wiedervereinigte Deutschland zieht. Mir hat der Stil gefallen, weil ich gerade bei diesen Themen doch dringend lieber Sachbücher lese, und die kurzen Einschübe, die die Recherchearbeit der Erzählerin dokumentieren, haben mir das Romanhafte leichter gemacht.

2. Friedrich Ani: Letzte Ehre (2021) *

Ich haderte erneut mit Gewaltdarstellungen gegenüber weiblichen Körpern und Seelen, da half auch die weibliche Hauptfigur nicht und dass so ziemlich alle Männer im Buch Unsympathen bis armselige Deppen sind. Aber wie immer bei Ani unwiderstehlich geschrieben, las sich in wenigen Stunden runter.

3. Bov Bjerg: Serpentinen (2021) **

Ein Mann ist mit seinem Sohn unterwegs und verarbeitet Familientraumata. Klingt fürchterlich, liest sich aber hervorragend. Mein bisher liebster Bjerg.

4. Hans Sahl: Die Wenigen und die Vielen (1959)*

Sahl verarbeitet seine eigene Emigration aus dem NS-Deutschland in diesem 1959 erschienenen Roman. Mich persönlich haben natürlich die Schilderungen aus Deutschland am meisten interessiert, aber auch seine Zeit in Frankreich und New York habe ich gern gelesen, wenn auch etwas mehr quer.

5. Carolin Würfel: Drei Frauen träumten vom Sozialismus. Maxie Wander, Brigitte Reimann, Christa Wolf (2022) **

Ich kannte weder Wander noch Reimann, wollte danach aber dringend etwas von ihnen lesen.

6. Maxie Wander: Leben wär’ eine prima Alternative. Tagebücher und Briefe (1977?)**

Ich hätte nicht gedacht, dass ich aus einem Tagebuch, das mit einer Krebserkrankung beginnt, viel über die DDR lernen würde, aber so war’s.

7. Friedrich Ani: Ermordung des Glücks (2017)

Der erste für mich etwas langatmige Ani. Trotzdem durchgelesen, denn ich wollte wissen, wer der Mörder war, logisch.

8. Pascal Bresson, Sylvain Dorange (Christiane Bartelsen, Übers.): Beate & Serge Klarsfeld. Die Nazijäger (2021)*

Comic über die titelgebenden Menschen. Nazijagd im Zeitraffer. Las sich gut runter, macht aber nicht so viel Spaß wie Comics mir machen sollten. Dieses verdammte Thema.

9. Friedrich Ani: Bullauge (2022)*

Nicht so langatmig wie „Glück“, dafür eine ewig lange Exposition für ein Hauruck-Ende.

10. Marina Weisband, Eliyah Havemann: Frag uns doch! Eine Jüdin und ein Jude erzählen aus ihrem Leben (2021)**

Lesenswert, wissenswert, Empfehlung.

11. Friedrich Ani: All die unbewohnten Zimmer (2019)*

Das Thema „ewig lange Exposition“ hatten wir gerade, das war auch hier mein Problem. Aber als dann endlich mal zur Sache ging, gefiel es mir sehr. Erstmal weitere Anis in der Stadtbibliothek vorbestellt.

12. Brigitte Reimann: Ankunft im Alltag (1961)**

Von 1961 und das liest sich auch so. Leider anstrengende Geschlechterstereotype, aber für mich sehr spannend: ein Roman aus den Anfangsjahren der DDR. Ich konnte nach den Tagebüchern von Maxie Wander erstmals nachvollziehen, wie groß der Aufbruch sich angefühlt hatte. Kein Vergleich zur westdeutschen Lektüre.

13. Ingrid Strobl: Vermessene Zeit. Der Wecker, der Knast und ich (2020)**

Strobl schreibt dreißig Jahre nach ihrer gut zweieinhalb Jahre in Gefängnissen in München und Essen über diese Zeit. Dabei reflektiert sie in Einschüben ihre eigenen Erinnerungen und ordnet quasi ihren Text neu ein. Sie schreibt über die Bücher und die Musik, die ihr halfen, sowie die Arbeit an ihren eigenen Büchern. Und sie erwähnt einige Mitgefangene und deren Schicksale. Alles äußerst lesenswert; es hat meinen Blick auf die RAF-Hysterie der Bundesrepublik erweitert.

14. Volker Weidermann: Ostende. 1936, Sommer der Freundschaft (2014)**

Las sich viel zu schnell runter, diese letzte Begegnung vieler großer Namen der deutschsprachigen Literatur, bevor sie emigrierten, verhaftet wurden, sich zu Tode tranken. Mir fehlten wie immer Quellenangaben, aber ich habe noch während der Lektüre weitere Bücher bestellt, so neugierig war ich auf so vieles.

15. Friedrich Ani: Idylle der Hyänen (2006)*

Erstes Buch mit Polonius Fischer, ehemaliger Mönch, nun Kommissar. Bisschen viel Gott-Gequatsche, trotzdem komme ich mit Fischer momentan besser klar als mit Tabor Süden, den Kommissar der ersten gefühlt 80 Ani-Bücher, die ich las. Der ertrinkt nämlich in seinen ganzen Bieren und das nervt irgendwann.

16. Friedrich Ani: Hinter blinden Fenstern (2007)*

Zweites Buch mit Polonius Fischer. Weniger Gott, las sich gut weg.

17. Friedrich Ani: Totsein verjährt nicht (2009)*

Drittes Buch mit Polonius Fischer. Hat mir bisher am besten von allen dreien gefallen. Reicht jetzt aber erstmal wieder mit Ani; den snacke ich zwischendurch gespannt weg, will aber eigentlich was anderes lesen.

18. Brigitte Reimann: Die geliebte, die verfluchte Hoffnung. Tagebücher und Briefe 1947–1972 (1984)**

Mit großem Gewinn gelesen. Hier und hier erwähnt.

19. Maxie Wander: Guten Morgen, du Schöne (1977)**

Tolles Buch, zu recht ein Klassiker. Wieso kannte ich das als Westdeutsche nicht? Wieso kannte ich auch Frau Reimann nicht? Wieso kannte ich so viele bildende Künstler*innen der DDR nicht?

20. Norbert Frei: Im Namen der Deutschen. Die Bundespräsidenten und die NS-Vergangenheit 1949–1994 (2023) **

Viel gelernt, lesbar verpackt, wenn der schlechte-Laune-machende Inhalt nicht wäre, gerne wieder.

21. Brigitte Reimann: Franziska Linkerhand (1974)**

Irre viel Geschichte, NS, DDR, alles spannend, aber es passiert dann doch recht wenig. Das Spannende und für mich Aufschlussreiche passiert in den langen Beschreibungen vom Alltag. Daher: große Empfehlung. (Ich musste allerdings ab und zu mal querlesen auf den letzten 100 Seiten.)

22. Jenny Erpenbeck: Aller Tage Abend (2012)**

Eine Familiengeschichte durch fast das gesamte 20. Jahrhundert, immer unterbrochen vom Tod einer Tochter, die im nächsten Kapitel wieder aufersteht und eine andere Handlung ermöglicht. Das fand ich einen sehr schlauen Kniff. Gern gelesen.

23. Manja Präkels: Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß (2017)**

Autobiografisch gefärbter Roman, der Kindheit und Jugend in der DDR, der Wendezeit und die sogenannten Baseballschläger-Jahren behandelt. Ganz nebenbei auf Dinge aufmerksam gemacht worden, über die ich Wessi nie nachgedacht hatte. Beunruhigt gelesen.

24. Uli Oesterle: Vatermilch, Band 1: Die Irrfahrten des Rufus Himmelstoß (2020)**

Halbbiografischer Comic, der im München der 1970er und 2000er Jahre spielt. Sehr gern gelesen; mich über das gezeichnete Tantris gefreut.

25. Uli Oesterle: Vatermilch, Band 2: Unter der Oberfläche (2023)**

Geht weiter in den 1970er Jahren. Der Band erschien erst 2023, ich ahne, dass ich bis zum Ende der Story im nächsten Band noch ein paar Jahre warten muss.

26. Isabel Kreitz: Die Entdeckung der Currywurst (1996)*

Graphic Novel nach dem Roman von Uwe Timm, laut dem die Currywurst in Hamburg und nicht in Berlin erfunden wurde. Ich mochte die gezeichnete Nachkriegszeit.

27. Deniz Ohde: Streulicht (2020)**

Roman über ein Mädchen mit Migrationshintergrund, das zu einer jungen Frau wird, der das immer klarer wird und die diesem Umstand trotzdem schutzlos ausgeliefert ist. Ich musste oft kurz aufhören zu lesen, weil sich einiges so absurd und schmerzhaft liest in seiner total gut gemeinten Gehässigkeit oder im besten Falle Gedankenlosigkeit. Empfehlung.

28. Bernardine Evaristo: Blonde Roots (2009)**

Hier kurz besprochen.

29. Andreas Kossert: Ostpreußen. Geschichte und Mythos (2007)**

Kurze Zusammenfassung von 700 Jahren Geschichte. Für mich war natürlich alles ab Reichsgründung und dem damit entstehenden deutschen Nationalismus am aufschlussreichsten. Leider.

30. Emma Donoghue: Haven (2022)

Drei Mönche auf einer Insel, eine Parabel über Fanatismus und Realismus, nach der Hälfte quergelesen, weil man ahnt, wo es hingeht und mich die Beschreibung alleine nicht fesseln konnte.

31. Knut Bergmann: Mit Wein Staat machen. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (2018)

Erschöpft sich leider hauptsächlich im Name Dropping und launigen Anekdoten von Staatsempfängen, hat mir nicht viel Neues über die Bundesrepublik erzählt. Nach der Hälfte quergelesen.

(Ab hier hatte ich keine Lust mehr, Kurzbeschreibungen zu notieren, daher gibt’s jetzt nur noch Sterne.)

32. Eugen Ruge: Metropol (2019)**

33. Nicole Seifert: „Einige Herren sagten etwas dazu.“ Die Autorinnen der Gruppe 47 (2024)**

34. Tim Schanetzky: „Kanonen statt Butter“. Wirtschaft und Konsum im Dritten Reich (2015)*

35. Gabriele Wohmann: Abschied für länger (1965)**

36. Teresa Präauer: Kochen im falschen Jahrhundert (2023)**

37. Ruth Rehmann: Illusionen (1959)**

38. Ruth Rehmann: Der Mann auf der Kanzel (1979)*

39. Gabriele Wohmann: Paulinchen war allein zuhaus (1974)*

40. Ralf Zerback: Triumph der Gewalt. Drei deutsche Jahre 1932 bis 1934 (2022)**

41. Daniel Siemens (Karl Heinz Siber, Übers.): Sturmabteilung. Die Geschichte der SA (2019)**

42. Wolfgang Koeppen: Nach Russland und anderswo (1973)*

(Und unzählige Fachbücher, von denen ich einige auch rezensierte.)

Was schön war, Dienstag bis Donnerstag, 24. bis 26. Dezember 2024 – Weihnachten

Eine pünktliche und ereignislose Zugfahrt in den Norden, eine pünktliche und ereignislose Zugfahrt in den Süden. Viel auf mehr oder weniger üppig geschmückte Weihnachtsbäume geschaut, einen davon hatte ich mit Rot und Gold behängt. Mal wieder beim Dorfitaliener gewesen und einen Barolo getrunken sowie einen Barbera d’Asti. Einen Panettone geschenkt bekommen, der erstaunlich gut war. Keine Lust auf knackevolle Kirche gehabt, wozu trag ich denn wieder Maske, um mich beim Weihnachtssingen anzustecken. Doppelkopf und Phase 10 gespielt. Toast Hawaii gegessen (low maintenance am Heiligabend), Putenbraten mit Semmelknödeln, Kartoffeln, Rotkohl, Sauce und Preiselbeeren vom Schwager zubereitet am ersten Weihnachtstag, davor Hochzeitssuppe, danach Welfenspeise, der einzig wahre Nachtisch. Papas Grab aufgehübscht, genau wie das von Omi und Opa und Opa. Zu viele Kekse gegessen, wobei, was sind schon zu viele Kekse. Kürbissuppe fürs Mütterchen gekocht, die teils gegessen, teils eingefroren wurde. Geschenke verteilt, Geschenke bekommen. Sehr lange und sehr viel geschlafen und im Gegensatz zum letzten niedersächsischen Weihnachten kein einziges Mal Wasser aus dem Keller schippen oder saugen gemusst.

„In jener Zeit erließ Kaiser Augustus den Befehl an alle Bewohner seines Weltreichs, sich in Steuerlisten eintragen zu lassen. Es war das erste Mal, dass solch eine Erhebung durchgeführt wurde; damals war Quirinius Gouverneur von Syrien. So ging jeder in die Stadt, aus der er stammte, um sich dort eintragen zu lassen.

Auch Josef machte sich auf den Weg. Er gehörte zum Haus und zur Nachkommenschaft Davids und begab sich deshalb von seinem Wohnort Nazaret in Galiläa hinauf nach Betlehem in Judäa, der Stadt Davids, um sich dort zusammen mit Maria, seiner Verlobten, eintragen zu lassen. Maria war schwanger. Während sie nun in Betlehem waren, kam für Maria die Zeit der Entbindung. Sie brachte ihr erstes Kind, einen Sohn, zur Welt, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Futterkrippe; denn sie hatten keinen Platz in der Unterkunft bekommen.

In der Umgebung von Betlehem waren Hirten, die mit ihrer Herde draußen auf dem Feld lebten. Als sie in jener Nacht bei ihren Tieren Wache hielten, stand auf einmal ein Engel des Herrn vor ihnen, und die Herrlichkeit des Herrn umgab sie mit ihrem Glanz. Sie erschraken sehr, aber der Engel sagte zu ihnen: „Ihr braucht euch nicht zu fürchten! Ich bringe euch eine gute Nachricht, über die im ganzen Volk große Freude herrschen wird. Heute ist euch in der Stadt Davids ein Retter geboren worden; es ist der Messias, der Herr. An folgendem Zeichen werdet ihr das Kind erkennen: Es ist in Windeln gewickelt und liegt in einer Futterkrippe.“ Mit einem Mal waren bei dem Engel große Scharen des himmlischen Heeres; sie priesen Gott und riefen: „Ehre und Herrlichkeit Gott in der Höhe, und Frieden auf der Erde für die Menschen, auf denen sein Wohlgefallen ruht.“

(Neue Genfer Übersetzung)

Ich wünsche euch allen ein friedliches, fröhliches, ruhiges, lautes, lustiges, schönes Weihnachtsfest.

Was schön war, Sonntag, 22. Dezember 2024 – Ruhetag

Ewig im Bett rumgelungert, ewig am Frühstückstisch rumgelungert, ewig auf dem Sofa rumgelungert. Wir sind nur vor die Tür gegangen, um mein Auto von der Straße wechzuholen und in F.s Tiefgarage umzuparken. Als ich danach von der Bushaltestelle die wenigen Meter bis zu Rumlunger Central nach Hause ging, hatte ich Schnee auf der Winterjacke.

Was schön war, Samstag, 21. Dezember 2024 – Sparkling Bistro

Endlich mal wieder in der oben genannten Lokalität gewesen. Krachergang: Reh mit Rotkohl und Gänseleber, aber auf dem Fleisch Chili- und Sesamflocken. Dazu Champagner und Rotwein und Port und Marillenbrand und als der Service irgendwann mal am Tisch vorbeikam, als F. gerade auf dem Klo war und mich fragte, ob alles in Ordnung wäre, rutschte mir nur ein seliges „Es ist alles gerade so! schön!“ raus. Und das war’s halt auch.

Was schön war, Freitag, 20. Dezember 2024 – Erstes Weihnachtsgeschenk

Als ich nach einer netterweise ereignislosen und staufreien Autobahnfahrt in München ankam und sogar einen Parkplatz fast vor der Haustür fand, lag auf meinem Küchentisch ein geöffnetes Amazon-Päckchen, das an F. adressiert gewesen war. Vor einiger Zeit habe ich quasi alle Online-Einkaufsquellen, deren Produkte sonst in meiner Packstation in München landen, zu der ich in der kurzen Zeit am Wochenende wirklich nicht hinlatschen möchte, an eine Packstation oder eine Postfiliale in Passau umgeleitet. Das ist manchmal doof, denn wenn ich überraschend krank werde und in München rekonvalesziere, gehen Dinge wieder an Absender zurück, weil ich in Passau niemanden habe, den ich zum Abholen hinschicken könnte. Auch der Arbeitsplatz ist nicht immer eine gute Idee, denn außer DHL-Paketen (ausgerechnet) landet alles irgendwo auf der Burg, aber nicht bei mir. Also kommt jetzt fast alles bei F. an, dem ich aber anscheinend vergessen habe zu sagen, dass auch mein Amazon-Wunschzettel nun bei ihm sein Ziel hat. Sorry! Danke fürs Vorbeibringen!

Vielen Dank an Susanne, die mich mit „Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne“ von Saša Stanišić überrascht hat. Ich habe eben nicht nur den Namen aus der Wikipedia kopiert, weil ich zu faul war, darüber nachzudenken, wo die Akzente auf meiner Mac-Tastatur sind, an die ich mich jeden Abend wieder gewöhne, weil ich ja jetzt tagsüber am Windows-Rechner sitze, sondern auch den langen Titel, weil ich anscheinend auch zum Tippen zu faul bin, danke, Internet.

Lange Rede, kurzer Rausschmeißer: Vielen Dank für das erste Weihnachtsgeschenk, ich habe mich sehr gefreut.

Was schön war, Mittwoch/Donnerstag, 18./19. Dezember 2024 – Nebel

Die Fotos sind vom Mittwoch, aber gestern sah es den halben Tag lang genauso aus.




Fehlfarben 30 – „Aber hier leben? Nein danke.” Surrealismus + Antifaschismus / Rachel Ruysch: Nature into Art

Heute mal ohne Bild, denn wir sind so aus der Übung, dass wir es vergessen haben. Hier bitte eine Tischoberfläche vorstellen, auf der sich neun Weingläser, drei Wassergläser und eine Menge Notizen befinden.

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00.00:00. Begrüßung und Vorstellung.

00.01:30. Blindverkostung Wein 1. Unser Weinthema ist heute sehr hörer*innenfreundlich, denn wir trinken unsere liebsten Alltagsweine. Der hier ist von Flo: Old Coach Road, Sauvignon Blanc 2021, für 12 Euro von Weinfreunde.

00.03:00. Unsere erste Ausstellung: „Aber hier leben? Nein danke.“ Surrealismus + Antifaschismus im Lenbachhaus. Bitte reingehen, lohnt sich sehr. Noch bis zum 2. März.

Das Lenbachhaus schreibt: „Der Surrealismus war eine politisierte Bewegung von internationaler Reichweite und internationalistischen Überzeugungen. Seine Anfänge liegen in der Kunst und der Literatur, er reicht jedoch weit über beide hinaus. Die Wirklichkeit war für die Surrealist*innen ungenügend: Sie wollten die Gesellschaft radikal verändern und das Leben neu denken.“

Die Zeit schreibt: „Alle, die beim Wort Surrealismus einen leichten Gähnreiz verspüren, vielleicht sogar schlimm genervt sind vom Traumkitsch zerfließender Uhren, sollten jetzt unbedingt ins Lenbachhaus nach München fahren und dort die frisch eröffnete Surrealismus-Ausstellung sehen. Fans des Surrealismus sowieso, nicht nur wegen der aus dem Ausland geliehenen Bilder von Pablo Picasso, Leonora Carrington, Victor Brauner. Zum 100. Geburtstag des surrealistischen Manifests von André Breton bebildert diese Ausstellung einen wichtigen Aspekt, der zu lange vergessen wurde: Der Surrealismus war eine antifaschistische Bewegung.“

00.28:00. Wein 2. Das ist Felix’ Alltagswein: Occhipinti, SP 68 rosso 2020, für ca. 19 Euro von Lobenbergs gute Weine.

01.00:00. Wein 3. Das ist seit wenigen Wochen mein Alltagswein: Giacomo Fenocchio, Barbera d’Alba 2020, für 15 Euro von Vinsur.

01.04:00. Unsere zweite Ausstellung: Rachel Ruysch: Nature into Art. Bitte reingehen, lohnt sich sehr. Noch bis zum 16. März in der Alten Pinakothek.

Die Pinakotheken schreiben: „Ihre prachtvollen, täuschend echt wirkenden Blumenstillleben mit Pflanzen und Früchten, Schmetterlingen und Insekten aus den verschiedensten Regionen der Welt galten bereits zu Lebzeiten als gesuchte und kostspielige Sammlerstücke. Die Nachfrage war so groß, dass es sich die Amsterdamer Malerin leisten konnte, nur wenige Stücke im Jahr zu produzieren.“

Die FAZ schreibt: „Das eine postkartenfähige Meisterwerk wie Van Goghs „Sonnenblumen“ gibt es bei Rachel Ruysch nicht. Wer durch die Münchner Ausstellung geht, begegnet siebenundfünfzig meisterhaften Kompositionen aus Flora und Fauna, alle mit derselben Unbedingtheit im Detail und derselben erlesenen Balance von Farben und Formen, Blüten und Blattwerk, hellen und dunklen Partien. Mal ist die diagonale Bewegung von links unten nach rechts oben, die zumal in Ruyschs Frühwerk auffällt, stärker betont, mal mischen sich Früchte, Vogelnester und totes Laub in die stumme Symphonie der Blumen, aber kein einziges Mal lässt die Spannung nach, die diese ekstatisch kühlen, wie nächtliche Visionen aus ihrem tiefschwarzen Hintergrund aufsteigenden Bilder zusammenhält.“

01.37:30. Wir erzählen ein bisschen, warum das unsere Lieblingsweine sind und verabschieden uns mit dem üblichen Gläserklirren.

Schönes Restjahr, geht Kunst gucken und trinkt mehr Wein.

Was schön war, Dienstag, 17. Dezember 2024 – Arbeit

Ölgemälde fotografiert. Eine Mail nach Estland geschrieben. Mit Regensburg telefoniert. Drei Quellen miteinander verglichen. Viel, viel, viel gelesen und genauso viel getippt. Acht Stunden gerne am Schreibtisch verbracht. Das hört netterweise nicht auf.

Was schön war, Montag, 16. Dezember 2024 – Guter Text

„Genau genommen ist man am Ende seiner Reise. Hier wollte man hin. Hier ist man nun. Es stimmt wie alles Erreichte melancholisch.“

Wolfgang Koeppen: „Ein Fetzen von der Stierhaut“, in: Ders.: Nach Russland und anderswo, Frankfurt am Main 1973 (Erstausgabe 1958),
S. 9–72, hier S. 14.

Schon vor wenigen Tagen aus demselben Buch auf Bluesky gepostet: „Der Reinfelder Mond“, zwei gute Seiten Text.

Was schön war, Sonntag, 15. Dezember 2024 – Dreimal Punsch

Gemeinsam aufgewacht, gemeinsam gefrühstückt, gemeinsam in den Zug nach Passau gesetzt und dann gemeinsam auf dem Passauer Chistkindlmarkt Bratwurst gegessen, Punsch getrunken, Punsch getrunken, eine Waffel geteilt, Punsch getrunken, keinen Schokokuss erstanden. Noch kurz bei mir in der Wohnung etwas Coke Zero und Schokolade nachgelegt, dann fuhr F. mit dem Zug wieder gen München und ich blieb am Zweitwohnsitz.