Schnittlauchöl à la Nakamura

Als F. und ich vor einem Jahr im Werneckhof tafelten, fand ich nicht nur das 2-Sterne-Zeug toll, sondern auch das simple Schnittlauchöl, das den ganzen Abend auf dem Tisch stand und in das ich ungefähr drei Laibe Brot getunkt habe. Netterweise hat Tohru Nakamura im Dezember 2019 dem SZ-Magazin das Rezept verraten und seitdem will ich es nachbasteln. Samstagvormittag erledigt.

Ich habe das Rezept geviertelt und dann zweimal zubereitet, weil ich nicht wusste, wieviel Gewicht meine lustigen Spritzbeutel aushalten, in denen man die Masse eine Stunde lang abhängen lassen muss. Bei 250 ml Öl plus grünem Püree habe ich mich sicher genug gefühlt, danach nicht die Küche neu streichen zu müssen, falls was schief geht. Hat auch prima funktioniert. Hier stehen jetzt aber die Originalmengen, also die für einen Liter Öl. Enjoy.

5 Bund Schnittlauch und
100 g Blattspinat waschen, gut abtropfen lassen und fein hacken. Mit
1 l Traubenkernöl fein pürieren.

Eine Schüssel mit Eis füllen, eine zweite hineinstellen. In die kommt nach dem Erhitzen alles rein. Ein feines Sieb bereitlegen.

Schnittlauch, Spinat und Öl in einen Topf geben, vier Minuten bis auf 90 bis 100 Grad erhitzen und stets umrühren. Dabei trennt sich das helle Öl wieder ein bisschen vom Grünzeug – das muss so. Ich habe leider kein Thermometer, das man in den Topf hängen kann, also balancierte ich links das blöde Messinstrument, rechts rührte ich und mittig verfluchte ich mich für den leichten Topf, der ständig rumrutschte. Toller Tipp: einen schweren Topf nehmen. (Oder in meinem Fall endlich ein Thermometer kaufen, das man irgendwo am Topfrand befestigen kann.) Ich habe darauf geachtet, dass nichts kocht, ein bisschen rumsimmern war aber okay.

Nach ungefähr vier Minuten die Masse durch das Sieb in die Schüssel im Eisbad gießen, notfalls beim Durchsieben etwas mit Druck nachhelfen. Eventuell ein zweites Mal durchsieben – das ist mir aber erst zu spät eingefallen. Bei mir ist das Öl nicht hundertprozentig klar geworden, einige wenige Gemüsestückchen sind mitgekommen. Tut dem Geschmack nicht weh, aber klar sieht’s natürlich hübscher aus.

Die durchgesiebte, herrlich grüne Flüssigkeit nun in einen Spritzbeutel füllen und eine Stunde rumhängen lassen. Dabei setzen sich unten die wenigen Gemüsereste noch ab, alles darüber ist Öl. Nach gut einer Stunde den Beutel unten winzigklein aufschneiden oder anstechen, um das Gemüse abzulassen. Das Öl danach in schicke Fläschchen füllen. Hält sich kühl und dunkel für zwei bis drei Wochen und macht süchtig.

Tagebuch Samstag, 18. April 2020 – Fast normal

Morgens um 8.45 Uhr zur Packstation geradelt, wo ein winziges Päckchen mit Nähgarn und Stecknadeln auf mich wartete. Normalerweise würde ich diese Strecke zu Fuß erledigen, aber ich fühle mich auf dem Rad gerade wohler. Danach noch kurz zum Karstadt geradelt, der um 9 öffnete, wo ich in der Lebensmittelabteilung mein Lieblingsbrot erstand; ich wechsele mich gern ab, mal backe ich, mal lasse ich backen. Im Laden selbst sah ich geschätzt die Hälfte der Menschen mit Mundschutz. An der Fischtheke, wegen derer ich überhaupt in den Laden wollte, war ungefähr ein halber Meter vor der Auslage abgesperrt, so dass man nicht ganz so dicht an den Menschen dahinter herankam. Für mein Zanderpäckchen musste ich mich etwas lang machen.

Ich radelte keinen Umweg, weil ich den Rucksack teilweise mit Zeug gefüllt hatte, das in einen Kühlschrank wollte (Zander zum Beispiel). Zuhause erprobte ich ein neues Rezept und war damit sehr zufrieden. Keine Fotos gemacht, wie so ne Anfängerin.

Dann wollte ich eigentlich nur mal kurz an den Rechner. Immerhin in netter Begleitung.

Freitag hatte ich per Twitter von der herrlichen Datenbank Fold3.com erfahren, und durch einen Testzugang für Ancestry.de, der mir netterweise für lau vom Unternehmen zur Verfügung gestellt wurde, konnte ich darauf zugreifen. Ich kann immer noch nicht verstehen, wieso ich Fold3 nicht kannte – dort liegen nämlich auch die Unterlagen der sogenannten „Monuments Men“, also der Abteilung „Monuments, Fine Arts and Archives Section“ der US-Streitkräfte. Genau diese Abteilung war dafür verantwortlich, die ganzen geraubten Kunstschätze, aber auch den ganzen Nazikram (aka Werke von Protzen), der in Bergwerken und sonstwo eingelagert war, wieder zu verteilen.

Von den Werken, die mich interessieren, kamen einige am Central Collection Point Munich an. Die Datenbank, in der man die dort angelegten Property Cards einsehen kann, gehört zum Deutschen Historischen Museum in Berlin und ist seit Wochen nicht erreichbar. Damit konnte ich natürlich nicht rechnen, als ich mir die chronologische Herangehensweise an die ganzen Bilder überlegte und so den Datenbankabruf immer weiter hinauszögerte. Seit ein paar Wochen würde ich jetzt echt gerne die sogenannten Mü-Nummern nachgucken – kann ich aber nicht. Bzw. konnte ich nicht, denn die Property Cards sind auch über Fold3 abrufbar, ha!

Ich fand aber nicht nur die Mü-Nummern der von mir gesuchten Werke, sondern auch noch diversen Schriftverkehr, in denen Potzens Name auftauchte. Durch den konnte ich belegen, dass alle Werke, die Herr Protzen so stolz mit „angekauft vom Führer“ oder auch nur schnöde mit „Reichskanzlei“ im Verzeichnis annotierte, nie nach Berlin kamen, sondern nach den jeweiligen Großen Deutschen Kunstausstellungen im Depot des Hauses der Kunst rumstanden, bis sie dann ab 1943 nach Altaussee oder Kelheim kamen. Letzteres war mir neu, da habe ich noch keine Ahnung, wo in Kelheim was gesammelt wurde. Im Depotbuch des Hauses der Kunst waren nur drei Werke als Abgang verzeichnet, aber jetzt kann ich alle nachweisen, die dort von Protzen verkauft und irgendwann weitergereicht wurden. Aber eben nie in die Reichskanzlei, worüber ich dann doch sehr grinsen musste.

Zwischendurch musste ich mal was kochen. Am Freitag hatte ich bei Masterchef Australia gesehen, wie der Trick mit den Kartoffelschuppen auf einem Stück Fisch funktioniert: den Fisch mit leicht aufgeschlagenem Eiweiß bestreichen, dann hält das Zeug nämlich. Den Fisch in der Hand halten, eine heiße, logischerweise nicht geölte Pfanne vorsichtig drüberstülpen, so dass die Schuppen Pfannenkontakt haben, Fisch andrücken und mit Schwung umdrehen. Öl rein, lustige Kräuter rein, gerne auch noch einen Berg Butter und dann irgendwann vorsichtig wenden. Bis auf eine Schuppe hat das auch hervorragend geklappt. Yay! Die kleinen Erfolgserlebnisse.

Allerdings zu viel Paprika.

Der Tag gestern hat sich fast normal angefühlt. Halbwegs entspannt einkaufen gewesen, lustige Dinge gekocht, gut gearbeitet, wenn auch deutlich länger als geplant. Ich habe mich wie schon im letzten Jahr so sehr darüber gefreut, mir frische Kräuter vom Balkon holen zu können und wie herrlich nach deren Benutzung die Küche duftet. Der Wein zum Fisch war prima, ich habe Wäsche auf dem Balkon trocknen können und sie rechtzeitig vor dem kurzen Regenguss wieder reingeholt, es hat geregnet, yay, auch danach duftet es immer so gut und ich mag das Geräusch von Regen so gern. Versonnen auf dem Sofa gehockt und nach draußen geguckt.

Als Tagesabschluss wollte ich noch eine letzte Runde in der Datenbank drehen, mit den Protzen-Einträgen war ich durch, ich wühlte einfach nur noch so, und dann stolperte ich über eine der Transportlisten aus Aussee, die ich nur überflog, bevor ich den Rechner frustriert und wütend zuklappte. 90 Trucks. 3300 Gemälde. Aus französischem Besitz, aus niederländischem, aus belgischem. Ziel Jugoslawien. Ziel München. 40 Koffer. 3 Tische. 2 Sitzkissen, Besitzer Adolf Hitler.

Ich weiß das ja alles. Ich weiß, dass die Nazis den größten Kunstraub der Geschichte durchgeführt haben und das in schöner deutscher Gründlichkeit, ich kenne die Fotos aus Aussee und dem CCP, die reihenweise Gemälde hintereinander und Lastwagen voller Skulpturen, kenn ich doch, weiß ich doch. Und trotzdem reicht manchmal eine blöde Liste, um mir das Ausmaß in konzentrierter Form ganz kurz vor Augen zu führen. Und dann bin ich wieder pissig, dass ich 300 Seiten über einen Täter/Mitläufer geschrieben habe anstatt was Anständiges zu machen. Ja, ich weiß, dass wir auch die Gegenseite brauchen, um den Raubzug aufarbeiten zu können. Trotzdem.

Schokolade, Community, Hefeteig angesetzt. Und mit F. geredet, das hilft ja auch immer.

Tagebuch Freitag, 17. April 2020 – 1943 bis 1945 und blauer Stoff

Schreibtischtag. Nicht vor der Tür gewesen, Reste gegessen, ansonsten die Jahren 1943 bis 1945 korrekturgelesen. Etwas müde die Zeit des „Dritten Reichs“ vorerst hinter mir gelassen. Ab in die amerikanische Besatzungszone und zu den Kapiteln, die ich als letztes vor den Ausgangsbeschränkungen geschrieben habe: die ganzen Neu- und Wiedergründungen der Münchner Kunstvereine, die ersten Ausstellungen im nun umbenannten Haus der Kunst, Protzens neue und alte Motive im neuen und alten Stil, die bei dem Herrn dazu führten, dass er jegliche Richtung verlor, falls er jemals eine hatte (ich behaupte: eher nein).

Der Campuslieferdienst der LMU, der normalerweise bis zu 30 Seiten eines Buchs als pdf an seine Studierenden verschickt, falls die gerade nicht in die Bibliothek können, hat diese Beschränkung für LMU-Mitarbeitende und Promovierende geändert. Vorgestern landeten bei mir zwei Buchkapitel, die zusammen ungefähr 90 Seiten hatten. Mit denen wollte ich eigentlich anfangen, aber deren Inhalte gehören hauptsächlich ins Kapitel 1938 und daran war ich ja gerade vorbeigelaufen. Ich begann zwar zu lesen, merkte aber, dass ich mich nicht so recht konzentrieren konnte oder wollte, ließ das pdf daher liegen und las weiter im Jahr 1943 Korrektur.

Gestern zum ersten Mal im meinem Leben Stoff bestellt. So zum Nähen. Eine Tätigkeit, der ich bisher weiträumig ausgewichen bin. Ich muss aber gestehen, dass mir in letzter Zeit meine Klamotten auf den Zeiger gehen, weil sie halt nie *richtig* passen, sondern immer nur so ungefähr. Meine Figur ist nicht für die Massenware gemacht und ich habe mich damit arrangiert, dass ich nie perfekt angezogen aussehen werde, weswegen ich es irgendwann auch nicht mehr versucht habe. Das ist eine recht entspannende Art, morgens aus dem Haus zu gehen, aber, weiß der Geier warum, seit einiger Zeit nervt es.

Das Mundschutznähen neulich fand ich erstaunlich spannend und entspannend zugleich: Ich habe versucht, halbwegs präzise zu arbeiten, was natürlich von vornherein Quatsch ist, wenn man nicht mal Stecknadeln im Haus hat, aber ich mochte diese neue Art der Konzentration, die sich mal nicht mit akademischen Texten oder Werbedetails oder Hefemengen in Teigen befasst. Und da wir ja vermutlich noch ein paar Monate mit Mundschutz rumlaufen werden (ich jedenfalls), dachte ich mir, gönnste dir doch mal ein Stückchen schönen Stoff, der keine alte Serviette aus dem Schrank ist und dessen Farbe dir lieber ist. Ich habe nach einem Tipp hier bestellt und bin gespannt.

Gestern gab’s bei Herrn Levit Mussorgskis Bilder einer Ausstellung. Kann man ja auch mal in großer Besetzung hören.

Tagebuch Donnerstag, 16. April 2020 – 1941/1942

Den ganzen Tag am Schreibtisch gesessen und die Jahre 1941 und 1942 Korrektur gelesen. Zufrieden gewesen.

Man merkte den beiden Jahren an, dass ich sie recht konzentriert formuliert hatte. Heißt: Bei den 1930er Jahren wusste ich noch nicht, wo ich hinwill, ich wühlte dauernd im Werkverzeichnis rum, entdeckte ständig neue Einträge bzw. konnte sie endlich zuordnen, musste dementsprechend etwas in der Arbeit weiter vorne ändern, hüpfte wieder nach hinten, fand wieder Zeug, hüpfte wieder nach vorn, ihr wisst schon. Die Kapitel lasen sich etwas fransig und deswegen dauerten die Korrekturen auch länger. Da die Gemälde der Reichsautobahn aber Anfang 1941 beendet wurden, konnte ich mich nun einem neuen Thema zuwenden. Bilder aus den eroberten Ostgebieten machen zwar noch weniger gute Laune als Bilder von Straßenbrücken, aber man merkte den beiden Kapiteln deutlich an, dass ich inzwischen einen guten Überblick über Protzen und sein Werk hatte und auch endlich wusste, was der Punkt meiner ganzen Arbeit war.

Nebenbei freute ich mich zum fünften und sechsten Mal über eine Mail aus dem Historischen Archiv vom Haus der Kunst, in der zu jeder GDK ein bisschen was über Protzen stand, das ich zwar nicht selber hatte rausfinden können, weil ich halt gerade nicht ins Archiv darf, aber das macht fast gar nicht. (Fast! gar nichts.) Seit der GDK 1937 konnte ich immer ein bisschen im Text anlegen, aber bei der GDK 1941 konnte ich RICHTIG was anlegen. In einem Buch hatte ich die Info gefunden, dass der Herr Reichskanzler Werke von 29 Künstlern wenige Tage vor der Eröffnung hatte entfernen lassen, weil ihm die „modern“ vorkamen. Auch Herr Protzen war dabei, aber ich hatte keine Ahnung, was von ihm wohl so modern gewesen sein könnte, dass Cheffe damit nicht klarkam. Durch die Archivalien im Haus der Kunst und dem Werkverzeichnis, das ich inzwischen auswendig kann, konnte ich nun aber belegen, welches Kunstwerk wohl so schlimm gewesen war. (Ne Autobahn.) Das war schön.

Lesezeichen für mich selbst: Jonas Schaible fragte nach den besten Geschichtspodcasts. Die Antworten werde ich mal durchhören.

Beim vorgestrigen Einkauf irgendwie Hackfleisch erworben, ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte. Eigentlich wollte ich gestern weiter am Bärlauchpesto rumschlabbern und hatte schon Smashed Potatoes mit Erbsen und Pesto im Kopf, aber dann fiel mir morgens beim Kühlschranköffnen (Milch für den Flat White) die Packung Hack auf und ich plante um. Denn netterweise hatte ich ja außerdem Hefe bekommen und deswegen wurde ich quasi gezwungen – GEZWUNGEN, SAG ICH –, Burger Buns zu backen und mir abends einen Cheeseburger zu bauen. Nichts Wildes, nur Salat, Tomate, Zwiebel, Käse und was immer die Gewürzflaschensektion in der Kühlschranktür hergab. Gut war’s.

F. gestern so per DM: „Ich habe mal Karten für Igor Levit im April 2021 angefragt.“
Ich so, nachdem ich die zwei Stücke im Programm gesehen hatte: „Pfft, hab ich beide schon im Hauskonzert gehört.“

(Bussi!)

Artistic Strategies for Co-Working in Tight Quarters

Der New Yorker über Künstler*innenpaare, die es mehr oder weniger miteinander aushielten.

„In the era of the coronavirus pandemic, obtaining a separate space outside the house is not really an option. A more actionable case study can be found in the artist Judy Chicago’s autobiography “Through the Flower,” where she described the challenges of trying to work in the same Los Angeles house as her second husband, the sculptor Lloyd Hamrol. Their problem was clashing schedules. Chicago wrote: „I liked to get up in the morning and go directly about my business, going into my studio without talking to anyone. Then I liked to work all day and go out at night. Lloyd, on the other hand, preferred to work at night, sleep later than I, and he loved to talk in the morning.“

To manage the conflict, the couple “worked out a system in which we could both have the psychic privacy we needed to do our work,” Chicago wrote. “We established ‘silent days,’ where we would pass each other and not speak. This allowed us to be in the house together without feeling that we had to be accessible to the other person’s needs all the time.” The key to the arrangement, Chicago continued, was to be “very straightforward with one another.” If one person needed some alone time, it was simply a matter of verbalizing that need—then the other person would say “Sure” and make separate plans.

What a simple yet ingenious arrangement! Indeed, it sounds so wonderful that we should not draw any conclusions from the fact that, within a year of this description, Chicago and Hamrol had split up.“

Mein gestriges Lieblingsfoto.

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One of these two women might be working from home here, but the other can't. Lilly Becker is a trainee in our Conservation Department, currently restoring a painting by Ottile W. Roederstein: the portrait of Elisabeth Winterhalter – Roederstein’s partner and, by the way, the first female surgeon in Germany 👩‍⚕! Of course Lilly can't take the painting home to finish her work (not that we don't trust her 😉). So today's story on ART OUT OF OFFICE is out of a different kind of office: our conservation studio, where Lilly shows us around. Have fun! . . #StaydelAtHome #behindthescene #homeoffice #womeninthearts #museumfromhome #conservation #restoration #surgeon #ottilieroederstein

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Tagebuch Dienstag/Mittwoch, 14./15. April 2020 – Zwischenfazit und Bärlauchpesto

Ich habe in den letzten beiden Tagen das Jahr 1940 der Dissertation abgeschlossen. Am Dienstag las ich Korrektur, und gestern stand das Fazit für die Jahre 1934 bis 1940 an, mit dem das Überkapitel, das diese Jahre umfasst, endet. Beim Schreiben fühlte ich mich an alle Dissertationen erinnert, die ich in den letzten Jahren in der Hand hatte und irgendetwas nachlesen wollte – natürlich liest man zuerst die Zusammenfassung, um zu begreifen, ob in den ewig langen und detailreichen Kapiteln davor überhaupt das zu finden ist, was man sucht.

Das erste Zwischenfazit meiner Arbeit kam nach dem Jahr 1933, und das schrieb sich deutlich einfacher; es war eher ein Anfang, der Auftakt, der Reinkommer in das große Narrativ. Ja, abgelutschtes Wort, aber ich mag das immer noch; ich will schließlich einen Punkt machen und dafür muss mein Text einen roten Faden haben. Aka ein Narrativ.

Bei diesem zweiten Zwischenfazit war ich im Gegensatz zum ersten quasi mittendrin, denn die nächsten Abschnitte in der Arbeit gehen bis 1945 und dann bis 1956, das Todesjahr des Malers. Ich meine aber, dass hier schon dringend ein weiteres Zwischenfazit hinmuss, denn die Arbeit an den Gemälden der Reichsautobahn endete, laut Werkverzeichnis, 1940. Okay, eigentlich 1941; das letzte RAB-Gemälde war das erste, das 1941 notiert wurde. Ich kann also hervorragend behaupten, dass das schon 1940 begonnen wurde und fertig. Ein schöner Cut, bevor sich der Herr den deutschen und nicht-deutschen Ostgebieten zuwandte. Damit fange ich dann heute an.

Das Kapitel der Reichsautobahnen umfasst Stand gestern 151 Seiten. Ein weiterer Grund, warum so ein kleines, einseitiges, niedliches Zwischenfazit ganz schlau ist. Das ist aber auch mit Abstand der dickste Brocken in der Arbeit. Hoffe ich. Weiß ich noch nicht. Ich gehe jetzt korrigieren.

Und wenn ich Glück habe, darf ich ab dem 4. Mai noch mehr Zeug in den Text ballern, denn eventuell darf ich dann wieder in die Archive. (Punkt 8.) Die Archive, die ich kenne, könnten das Abstandhalten relativ einfach machen: jede zweite Tischreihe absperren und gut ist. So irre voll waren diese kleinen Paradiese eh nie – wobei sich das natürlich nun ändern könnte, weil auf einmal alle Promovierenden wieder reinwollen. #EigeneNase

Ich freue mich jedenfalls schon auf das Abstandsballett bei der Aktenausgabe. Die Mitarbeiterin sieht mich kommen, tritt zwei Meter zurück, ich gehe an die Theke und lege meinen Ausweis hin, gehe zwei Meter zurück, sie kommt an die Theke, notiert meine Daten und geht nach hinten zur Ablage, ich gehe vor, nehme meinen Ausweis und trete zurück, sie legt die Akten ab und geht zurück, ich gehe nach vorne und nehme die Akten und so weiter und so niedlich. Vielleicht ein paar Walzerklänge dazu und alles wird gut.

Gestern morgen war der wöchentliche Einkauf angesagt. Ich merke, dass ich gerade Vorsätze wahrmache, die eigentlich wirklich nur vage Vorsätze waren, die ich aber vor Corona bei jedem Supermarktbesuch gekonnt ignoriert habe. Also: brav alles wegkochen, bevor was Neues gekauft wird. Endlich mal die Dosen da ganz hinten im Vorratsschrank benutzen. Nicht noch mehr Gewürze kaufen, herrgottnochmal! Danke, Corona, du Arschgesicht. Ich esse jetzt endlich das Dosensauerkraut (zu faul zum Selbermachen) und züchte Frühlingszwiebeln im Wasserglas.

Aber einmal die Woche muss ich dann doch raus, Milch, Eier, die Basics halt. Ich setzte erstmals meinen formschönen Mundschutz auf, den ich aus einer Stoffserviette gezaubert hatte und war nach dem Einkauf sehr von mir beeindruckt. Dafür dass ich keine Ahnung habe, wie man eine Nähnadel hält, war das ziemlich super. Ich konnte gut atmen, der Schutz lag recht eng an (vermutlich nicht eng genug, aber immerhin) und dank des tollen Bügels beschlug auch meine Brille nicht.

Ich entschied mich, nicht nach Sonderangeboten und Preisgünstigkeit zu gehen, sondern nach: schnell rein, schnell raus. Der Edeka ist näher an meiner Wohnung als der Lidl, also wurde es der. In dem Markt kenne ich mich auch weitaus besser aus, ich weiß, wo alles ist, was bedeutet, ich kann sehr schnell einkaufen und muss nicht lange rumirren. Außerdem ist er meist leerer als der Lidl.

Es waren gefühlt deutlich mehr Maskenträger im Markt als noch vor einer Woche. Auf der Straße sehe ich quasi nie jemand damit, aber gestern mehrere junge Männer, die einzeln einkauften sowie einen Vater mit seiner kleinen Tochter, beide mit Mundschutz. Die Plastikscheibe an der Kasse hat noch eine weitere, schräge Scheibe bekommen, so dass man die Kassierenden jetzt überhaupt nicht mehr anatmen kann. Sehr gut.

Alles bekommen, es gab Klopapier, das ich aber nicht brauchte und: HEFE! FRANZBRÖTCHEN FÜR ALLE!

In der Mittagspause gönnte ich mir die zweite Folge von Masterchef Australia, meiner allerliebsten Lieblingskochshow, ich schwärmte schon mal ausführlich. Sonntag begann die zwölfte Staffel, allerdings mit einigen Änderungen. Meine geliebten drei Juroren waren alle nicht mehr dabei, eine schnelle Googlesuche weist auf Vertragsprobleme hin. Zweite Änderung: Es gibt keine neuen Kandidat*innen, sondern laute alte, denn das Motto in diesem Jahr lautet „Back to win.“

Die Idee, das Publikum nicht völlig zu überfordern mit einer neuen Jury und 24 neuen Gesichtern, ist vermutlich gar nicht mal so doof. Aber im Moment bin ich noch nicht so recht überzeugt von den drei neuen Jurierenden, auch wenn jetzt immerhin eine Dame dabei ist. Die alten Kandidat*innen finde ich allerdings noch gewöhnungsbedürftiger. Bei einigen freue ich mich, sie noch einmal zu sehen, es sind aber auch durchaus welche dabei, bei denen ich froh war, als sie endlich rausgeflogen waren, weil sie mich so genervt haben. Aber gut, schauen wir mal weiter. Meine Güte, es ist Masterchef Australia, das wird schon gut werden. Pfft.

Mittagessen aka Late Lunch, wie immer, wenn ich am Schreibtisch sitze und erst gegen 16 Uhr davon aufstehe: Spaghetti mit Bärlauchpesto. Der Osterhase brachte nämlich auch noch Bärlauch mit. Davon steht jetzt ein kleines Gläschen im Kühlschrank und ich freue mich sehr.

Ich war zu hungrig, den herrlich-grünen Teller zu fotografieren. Wenn der Magen so richtig knurrt, sind die elf Minuten Kochzeit der Lieblingsnudeln aber auch echt eine Unverschämtheit.

Der Fotograf heißt Joshua Bickel. Hier steht mehr über die Pappnasen auf dem Bild: „Ohio Public Radio’s Karen Kasler posted about the protestors on her Twitter. You can see their signs proclaiming things like, “Open Ohio: We want our rights back” and “My inherent rights don’t end where your fear begins.”“

Orecchiette mit Brokkoli (One Pot)

Normalerweise bin ich ein großer Fan davon, Nudeln und Sauce getrennt zu kochen und erst kurz vor Schluss zusammenzuwerfen, aber dieses Rezept lachte mich auf Instagram an. Zu Recht.

Ich hatte nicht alles im Haus, notiere aber hier brav alles. Rauke werdet ihr auf dem Foto nicht entdecken, denn die landete nicht im Essen. Das Originalrezept von Herrn Ottolenghi beim Guardian ist für vier Personen, ich halbiere mal alles. Bei der gestrigen Zubereitung habe ich alles geviertelt, allerdings etwas mehr Flüssigkeit gebraucht. Daher gilt auch für die untenstehenden Mengen für zwei Personen: Ehe was anbrennt, Wasser oder Gemüsebrühe nachkippen. In den einzigen Topf, den man braucht, yay.

Einen großen Topf mit Deckel auf mittlere Hitze erwärmen.
3 Knoblauchzehen, in dünne Scheibchen geschnitten, in einem ordentlichen Schwapp Olivenöl ein paar Minuten braten, ab und zu umrühren. Der Knoblauch sollte leicht angebräunt sein. Wenn alles herrlich duftet,
1 Kopf Brokkoli, in Röschen geteilt, dazugeben plus
1 Anchovi, fein gehackt, und
die abgeriebene Schale einer halben Zitrone. Mit
ordentlich Salz und noch ordentlicher mit schwarzem Pfeffer würzen. Alles ein paar Minuten anbraten. Ich habe noch etwas Öl nachgekippt.

Wenn der Brokkoli weich zu werden beginnt,
125 g ungekochte Orecchiette,
1 TL Butter sowie
eine kleine Handvoll geriebenen Parmesan hinzugeben und alles mit
250 ml Gemüsebrühe,
50 ml Weißwein (einfach gleich 100 ml nehmen) und
150 ml Wasser aufgießen. Die Hitze erhöhen, bis alles simmert, dann den Deckel auf den Topf geben und alles zehn bis 15 Minuten köcheln lassen. Ab und zu nachschauen, ob auch nichts anbrennt, notfalls Flüssigkeit nachgießen. Mal kosten und notfalls nachsalzen.

In einer Schüssel
eine kleine Handvoll Basilikum,
eine kleine Handvoll glatte Petersilie und
eine kleine Handvoll Rauke fein hacken und mit
der abgeriebenen Schale einer halben Zitrone sowie
einer fein gehackten Knoblauchzehe mischen.

Wenn die Pasta al dente und aus Flüssigkeit und dem zerfallenden Brokkoli eine dickliche Sauce geworden ist, die Kräuter unter die Nudeln rühren, mit Zitronensaft, ein bisschen Olivenöl und Parmesan und ein paar Chiliflocken toppen und sofort servieren.

Tagebuch Montag, 13. April 2020 – Keine Diss, keine Callas (aber Arme und Kekse. Na fast)

Morgens den Plan umgesetzt, der für Sonntag gefasst war: gleich nach dem Aufstehen aufs Fahrrad setzen und losfahren. Es war ein Hauch mehr los als am Karfreitag, aber auch dieser Verkehr verdiente seinen Namen kaum. Wie am Freitag radelte ich sehr unbeschwert und nicht besonders schnell durch die stille und fast leere Stadt. Wie ich nachträglich erfuhr, wären F. und ich uns bei St. Sebastian fast begegnet, der Herr ging dort morgens spazieren, und wir haben uns vermutlich so um fünf Minuten verpasst. F. bog links an der Kirche in Richtung Innenstadt ab, ich ließ hingegen die Kirche rechts liegen und radelte zum Olympiagelände.

Jedesmal, wenn ich da bin, staune ich über dieses Kleinod mitten in der Stadt, hier schrieb ich schon einmal darüber. Wer zu faul ist, zum Blogeintrag zu klicken, bekommt hier nochmal einen Ausschnitt aus meiner Hausarbeit über Sportstadien (2016), den ich auch drüben zitierte, weil ich den Gegensatz zwischen den Sportstätten 1936 und 1972 immer noch faszinierend finde. (Der Auszug steht auf den Seiten 6–8 und hat dort natürlich tolle Fußnoten.)

„In Amsterdam 1928 wurden die zusätzlichen Sportanlagen städtebaulich um das Stadion herum gruppiert; es entstand die erste olympische Gesamtanlage. Die Spiele in Berlin 1936 gingen über diese reine Sportanlage deutlich hinaus: Auf dem sogenannten Reichssportfeld entstanden zusätzlich zum Stadion für 100.000 Zuschauer noch „einer einheitlichen Pflege des deutschen Sports dienende[…] Bauten mit Gedächtnis- und Versammlungsstätten der Nation, mit Theater[n] und Denkmälern in einem Festraum vereinigt“.

Geplant wurde das Stadion bereits 1925 von Werner March (1894–1976); die Nationalsozialisten veränderten den modernen Entwurf während der Bauphase zu einem imperialen Monumentalbau im Sinne der staatlichen Überwältigungsarchitektur. Neben dem Stadion lag das Maifeld mit Tribüne, auf dem 250.000 Menschen aufmarschieren konnten. Das Marathontor im Stadion gab den Blick frei auf einen Glockenturm am westlichen Ende des Maifelds, der über der Langemarckhalle stand, in dem deutscher Toten des Ersten Weltkriegs gedacht wurde. Damit war erstmals ein Sportstadion der Neuzeit nicht nur Teil einer staatlichen Repräsentation, sondern seiner Ideologie: Die Spiele sollte nicht nur die Aufrüstung für einen neuen Weltkrieg verschleiern, sondern auch die angebliche Überlegenheit der „arischen Rasse“ demonstrieren. Die Monumentalarchitektur war die Bühne dieser Ideologie.

An den Spielen in München 1972 lässt sich gut ablesen, wie sehr sich das Selbstverständnis eines Staates ändern kann. Die „heiteren Spiele“, die „Spiele im Grünen“, waren architektonisch ein deutlicher Gegenentwurf zu Berlin: „Statt in geordneten Marschkolonnen und in geometrisierter Kanalisierung bewegten sich die Menschen im freien Fluss, im hügeligen Park, unter einer lichtdurchlässigen Zeltlandschaft, geleitet von heiteren Farben zur Orientierung.“ Bei den „heiteren Farben“ hatte man bewusst auf Rot verzichtet, um auch die letzten Assoziationen zu den Berliner Spielen zu tilgen. […]

Das Münchner Olympiagelände inklusive des Stadions war von Anfang an Teil einer zukunftsfähigen Stadtplanung. Zur Vorbereitung der Spiele wurde die Münchner Innenstadt fußgängerfreundlicher gestaltet, die öffentlichen Verkehrsmittel wurden verbessert, 233 neue Straßenkilometer gebaut sowie diverse Einkaufs- und Übernachtungsmöglichkeiten geschaffen. Das Gelände ist bis heute ein beliebter und belebter Park, und aus dem Olympischen Dorf wurden begehrte Miet- und Eigentumswohnungen. Das Stadion selbst war zwar nicht als bauliche Ikone geplant, sein charakteristisches Zeltdach ist aber inzwischen aus der Stadtsilhouette nicht mehr wegzudenken. Das liegt auch daran, dass die Bürger und Bürgerinnen für den Erhalt der olympischen Anlagen kämpften. Nicht in jeder Stadt blieben die Stadien bestehen.“

Eine Fußnote dazu:

„Olympiagelände-Architekt Günter Behnisch schrieb 1987: „Im Bild des Olympiaparks hat sich die Überdachung stärker in den Vordergrund geschoben als dies zunächst geplant war. Ihrer sichtbaren, auffälligen Form wegen […] So übersieht man leicht, daß das Wesentliche unseres Entwurfes unter und neben dem Dach liegt; es ist die Sport- und Spiellandschaft, der Münchner Olympiapark.“

Und genau die begeisterte mich auch gestern wieder, obwohl ich nur im Schritttempo am Olympiasee entlangradelte, um möglichst lange übers Wasser gucken zu können, hinter dem sich hügeliges Grün erstreckt, das ständig von den verschiedenen Olympiabauten unterbrochen wird. Diese Kombination aus weichen, welligen Hügeln und der kantigen, aber leichten Architektur ist bis heute schlicht großartig. Und momentan ist das Gelände fest in der Hand von Joggenden und Radelnden, die alle halbwegs Abstand zueinander halten. Ich hatte Platz und Zeit, fand es ausgesprochen herrlich und wollte gar keine Fotos machen. Nur eins für Insta von meinem Lieblingsflutlichtmast am Stadion, was ich halt so mache.

Wieder zuhause wurde geduscht und endlich Kaffee getrunken, und während ich die Wohnung durchlüftete, um sie dann wieder vor den verdammten Birkenpollen aus dem Innenhof abzudichten, sortierte ich die Osterbeute von der Türklinke gestern.

Weil ich Samstag und Sonntag so brav gearbeitet hatte, ließ ich das gestern sein, die Diss darf ja auch mal ein bisschen Ruhe haben und holte stattdessen lieber das Backwerk nach, auf das ich Sonntag keine Lust gehabt hatte. Ist wie immer hervorragend geworden. Idiotensicheres Rezept. Das nächste Mal werde ich mich an tollere Flechtversionen wagen, aber gestern war ich mit drei Strängen zufrieden.

Abends hätten F. und ich eigentlich in der Oper gesessen. Mein Geburtstagsgeschenk, das ich ja auch schon nicht mehr bekommen hatte, weil wir uns schon brav selbst isolierten, wäre eine Karte für „7 Deaths of Maria Callas“ mit Marina Abramovich gewesen. Die Künstlerin war seit einigen Wochen in der Stadt, und es wurde sogar noch geprobt, weil nach der Live-Absage über einen Stream nachgedacht wurde, aber das hatte sich in der vergangenen Woche auch erledigt. In der NYT spricht Abramovich über ihr Projekt, was mein Fan-Sein kurz etwas erschüttert hat.

„In six of the videos, Mr. Dafoe plays Ms. Abramovic’s lover or assassin; in all of them, Ms. Abramovic dies. In one, Mr. Dafoe handles a python that strangles Ms. Abramovic, to the strains of the “Ave Maria” Desdemona sings shortly before being throttled by the title character in Verdi’s “Otello.”

“I’ve known her for years, and I like being part of her work,” Mr. Dafoe said. “If she wants me to kill her, well, that’s quite an honor.”

In another video, Mr. Dafoe stabs Ms. Abramovic to the Habanera from “Carmen.” Susan McClary, a professor of musicology at Case Western Reserve University in Cleveland, said in an interview that Bizet’s opera had established the trope of the tragic heroine who gets murdered onstage. Women had died in opera from the art form’s beginnings, she said, but the audience didn’t see it until the 19th century.

“After ‘Carmen,’ because it was such a hit, it became almost de rigueur,” Professor McClary said. “If a woman sings these high notes, and does all of this self-display, then, somehow or other, she’s going to have to be killed.”

“7 Deaths of Maria Callas” asks the audience to think about the ubiquity of the dying diva, but Ms. Abramovic said she did not want it to be seen as a critique of misogyny in opera. “I’m not a feminist, to start with,” she said; a woman’s death onstage was simply “more dramatic” and “more beautiful” than a man’s.“

Tagebuch Sonntag, 12. April 2020 – Fragwürdige Errungenschaft

Soviel zum Thema „Sonntag steh ich früh auf und fahre Fahrrad.“ Ich war um kurz vor 6 wach, was mir einfach zu früh war, also blieb ich liegen und schlief bis 8, und dann war es einfach zu spät, um noch vor den Massen an Osterspaziergängern wegzukommen. Jedenfalls war das meine innere Argumentation, als ich gemütlich aufs Sofa schlurfte, wo ich den Vormittag mit Serien und Schokomüsli verbrachte.

Nachmittags setzte ich mich brav an die Diss und merkte bei diesem Büchlein von 1941, wieviel ich in den letzten Jahren gelernt habe. Ich besitze inzwischen die Inselbegabung, Nazimaler zu erkennen, ohne das Gemälde vorher schon mal gesehen zu haben. Das ist super, weil damit wirklich niemand was anfangen kann. Kein Sammler braucht mich als Gutachterin, kein Museum als Kennerin, weil keiner den Kram aufhängen will. Aber ich hatte gestern immerhin ein paar gute Minuten, als ich langsam scrollte und Namen vor mich hinmurmelte: „Gerhardinger … Wissel … Amorbach – oh, doch nicht, Spiegel, stimmt … Junghanns … ach, der olle Padua … Peiner … ach Mist, Schmitz-Wiedenbrück hätte ich erkennen müssen … Schrimpf … oh, Protzen, yay, guter Fund … Hilz … Ziegler … meh, Erler hätte ich auch wissen können … ah, nochmal Gerhardinger, das kenne ich sogar …oh, Heise! Gleich zweimal, ts … das Petersenbild kenne ich, woher bloß … ach guck, Frau Troost … den Herrn Birnstengl kenne ich nicht, gleich mal googeln.“

1939 abgeschlossen. Und falls jemand von euch auf Taylor & Francis Zugriff hat, würde ich mich sehr über ein PDF dieses Buchkapitels freuen. (Ja, diese gewissen alternativen Möglichkeiten, an akademische Aufsätze zu kommen, habe ich schon probiert.) Hat sich erledigt, dankeschön, Universum!

Der moderne Osterhase hängt übrigens heutzutage was an die Wohnungstürklinke und schreibt dann aus sicherer Entfernung eine DM, dass was an der Wohnungstürklinke hängt. (Herzaugen-Emoji.)

Scrooge McMaulwurf. Der Maulwurf war nicht in der Tüte, den habe ich nachträglich reingesetzt, um mich per Bild beim OsterF. zu bedanken. Neuerdings schicken wir uns Fotos von unseren Tätigkeiten, damit der Tag nicht so langweilig ist, und ich inszeniere halt den kleinen Maulwurf, der am Rechner sitzt oder vor einem Teller Spargel oder in einer Tüte Ostereier, weil ich keine Lust auf Selfies habe. #nachrichtenausderquarantäne

Tagebuch Samstag, 11. April 2020 – „Straßen des Führers“

Ich bin in der Diss bei dem Werk angekommen, das als einziges von Protzens 29 Autobahngemälden ein eigenes Kapitel bekommt. Es ist das Werk, das von ihm in der Bundesrepublik am häufigsten gezeigt wurde und wozu immerhin ein winziger Forschungsstand besteht. Im „Dritten Reich“ selbst hing „Straßen des Führers“ nur auf der GDK 1940 und wurde an die Reichskanzlei verkauft.

Zu diesem Werk habe ich äußerst spannende Dinge herausgefunden, die ich hier leider noch nicht breittreten kann, und ich konnte auch gestern mein Problem nicht lösen, wo ich diese Dinge platziere. Ich spreche jetzt im Forschungsstand darüber, dann nochmal im eigentlichen Kapitel und ein weiteres Mal etwas ausführlicher im Schlussteil der Arbeit, wo ich mich unter anderem damit befasse, wo die ganzen Gemälde nach 1945 gelandet sind, wenn sie überhaupt noch existieren. Momentan favorisiere ich noch die chronologische und damit zerstückelte Fassung, aber ich ahne, dass ich darüber noch etwas länger nachdenken werde, denn eigentlich bin ich eine Freundin davon, alle Infos auf einmal zu bekommen.

Gestern arbeitete ich nur an diesem Bild – und ein bisschen Kleinkram – sieben Stunden herum, und dann wollte ich was essen und rumliegen.

Meine niedlichen kleinen uralten Holzostereier, die ich letztes Jahr aus der alten Heimat nach München tragen durfte, hängen dieses Jahr an Ikea-Plastikblumen, weil mein Blumenladen geschlossen ist und mein Edeka kein Dekozeug hat und ich mich nicht traue, auf irgendeinem Friedhof ein Zweiglein abzubrechen und das in eine Vase zu stellen. Das gehört ja nicht mir, sondern allen, also lasse ich die Zweiglein da, wo alle was von ihnen haben. Aber wie hier bereits erwähnt, gilt derzeit „Fuck it, wir haben Pandemie.“ Plastikblumen to the rescue!

Weil die Frage gestern auf Instagram kam: Der Holzklotz ist dieser hier von meinem Opa, und er war 2008 in der Tagebuchausstellung im Museum für Kommunikation in Frankfurt zu sehen. Da sieht man auch das Layout meines Blogs vor diesem hier.

Apropos Museum.

Auf der Website des Hauses der Kunst sind seit gestern (vorgestern?) nur noch bedeutungsschwere Sätze zu sehen und nicht nie normale Website. Da steckt bestimmt ein irre toller Gedanke dahinter – oder man spart sich in diesen Zeiten den Social-Media-Mensch ein, knurr –, aber ich bin, für mich selbst erstaunlich, seit gestern arg pissig auf diese Aktion. Es reicht doch, dass im nicht-virtuellen Leben fast überall kaum noch was geht. Müsst ihr jetzt auch noch im Internet die Rolläden runterlassen? Macht mehr, nicht weniger! Ihr hattet doch gerade euer tolles Blog gelauncht – ballert das voll, jetzt wo der nervige Publikumsverkehr nicht mehr stört.

Vermutlich ist das ne tolle Kunstaktion, die sich in wenigen Tagen auflöst und dann stehe ich wie die totale Kunstbenausin da. Dann lösche ich diesen Rant natürlich souverän-stillschweigend und fand das schon immer großartig, neue Kunstformen und so, hervorragend.

Nachtrag, 14.4.: Sag ich doch. Kunst. Fand ich schon immer großartig.

Nachmittags gab es Spargel mit Kartoffelgratin. Den Schinken hätte ich weglassen können, der störte eigentlich nur die mummelige Einheit. Überhaupt könnte ich mich nur von Kartoffelgratin ernähren.

Wie ich von Oliver Trific, dessen Restaurant ich schmerzlich vermisse, neulich auf Insta gelernt habe, serviert man den Spargel mit den Spitzen zu mir. Immer das beste zum Gast.

Apropos gutes Essen.

Celebrity Chefs Take to Instagram, and to the Pantry

Der New Yorker schreibt darüber, wie Profiköche während der Pandemie notgedrungen – aber anscheinend gern – auf Insta kochen und allen Beteiligten versichern, dass man gnadenlos alles mit allem ersetzen könne, wenn man es gerade nicht vorrätig habe. Sehr sympathisch.

„The other day, the chef Tom Colicchio, whose four restaurants in New York are currently closed, posted a short video on Instagram, demonstrating how he was using leftover roasted Brussels sprouts and carrots to make lunch. (Or was it breakfast? A fried egg was involved. The hours, and the meals, have begun to blur.) He started by drizzling some oil into a pan. “Does it matter what oil?” whispered the person behind the camera. “No. Right now, nothing matters!” Colicchio responded, chuckling.

Emma Bengtsson, the executive chef of Aquavit, in east midtown, filmed herself preparing an easy meat sauce for pasta. She had ordered a tripod online, she said, but it would take two weeks to arrive; in the meantime, she was using a head of broccoli to prop up her phone. She would normally add green olives to her sauce, but her grocery store had been cleaned out.“

Ich persönlich folge – natürlich – Herrn Trific, aber auch Jan Hartwig, dessen Zuhauseküche genauso toll aussieht wie seine Sterneküche.

Abends noch ein nettes Facetime-Gespräch mit einer Hamburger Dame geführt. Ich habe ihr per iPad meine Wohnung gezeigt und konnte im Gegenzug immer die gute alte U3 anschauen, die ab und zu durchs Fenster hinter ihr fuhr.

Tagebuch Freitag, 10. April 2020 – Ein Monat zuhause

Am 10. März war ich, bis auf den Besuch bei meiner Hausärztin zum Impfen am 13. März sowie vier oder fünf Supermarktbesuchen, das letzte Mal mit anderen Menschen in einem anderen Gebäude. Am 9. saß ich im Gasteig und durfte die Wiener Philharmoniker hören, am 10. war ich im Staatsarchiv und buddelte in Akten rum I MISS YOU SO MUCH und am 11. musste ich noch ein Buch in die Unibibliothek zurückbringen. Dabei hat man aber keinen Kontakt zu Menschen, man legt das Buch nur auf ein lustiges kleines Förderband und es verschwindet im Bibnirvana. Hätte ich gewusst, dass wenige Tage später alles geschlossen wird und alle Rückgaben ausgesetzt werden bis auf einen unbestimmten Zeitpunkt, hätte ich das Ding einfach behalten.

In den vergangenen vier Wochen hat es mir mehr und mehr gefehlt, einfach mal ein bisschen Bewegung zu kriegen. Die Riesensportlerin war ich nie, aber ich hatte immerhin die Radfahrten zum ZI oder zu den Bibliotheken, und weil ich so gerne radfahre, bin ich nach dem stundenlangen Rumbrüten am Platz auch gerne mal einen Umweg gefahren. Seit vier Wochen tigere ich nur noch in meiner Wohnung hin und her und ich ahne, dass meine schlechte Laune und Mutlosigkeit und Müdigkeit vom Donnerstag auch daher kamen, dass ich schlicht zu wenig Bewegung bekomme. Zeit hätte ich genug, aber meine derzeitige Panik vor Menschen macht es etwas kompliziert, einfach mal ein Stündchen entspannt spazierenzugehen.

Also nahm ich mir für Freitag morgen vor, direkt nach dem Aufwachen das Fahrrad aus dem Keller zu holen und strunzdumm loszufahren, egal wohin, einfach los. Genau das tat ich dann auch und seitdem geht es mir weitaus besser. Das mache ich morgen, wenn es hoffentlich auch wieder so schön leer ist draußen weil Feiertag und alles geschlossen, gleich nochmal.

Ich fuhr nicht lange und auch nicht irre schnell, ganz im Gegenteil. Ich konnte mich gar nicht sattsehen und -hören an der leeren, leisen Stadt. Wenn ich über große Kreuzungen fuhr, an denen kein einziges Auto stand und kein einziger Fußgänger wartete, rollte ich im Schritttempo über sie rüber, um den Anblick zu genießen. Ich trug auch keine Maske, sondern radelte einfach entspannt durch eine Stadt, die mir völlig unbekannt vorkam. Auch deswegen will ich morgen wieder eine kleine Runde drehen, aber wieder ohne Kamera oder so, einfach nur fahren, ein bisschen an der Luft sein und Bewegung kriegen.

Das Jahr 1938 Korrektur gelesen und vorerst abgeschlossen.

Telephone exchanges click while there’s nobody there
The Martians could land in the car park and no one would care
Closed-circuit cameras in department stores
Shoot the same movie every day
And the stars of these films neither die nor get killed
Just survive constant action replay

And nothing ever happens, nothing happens at all
The needle returns to the start of the song
And we all sing along like before
And we’ll all be lonely tonight and lonely tomorrow.

Tagebuch Donnerstag, 9. April 2020 – Snoozefest

Doofer Tag. Morgens brav an die Diss gesetzt, eine halbe Stunde auf den Text gestarrt, dann aufs Sofa gegangen und quasi den ganzen Tag nicht mehr davon runtergekommen. Ständig bei allem eingeschlafen, Serien, Buch, Twitter, egal, ich glaube, ich habe den halben Tag verdöst. Igor verpasst, Kammerspiele-Stream verpasst, auch egal. War vielleicht einfach nötig. So konnte ich mir immerhin mal keine Sorgen um gar nichts machen, das war nett.

Am frühen Abend dann doch noch zum Schreibtisch aufgerafft. Begeistert festgestellt, dass der Campuslieferdienst seine Beschränkung auf 30 Seiten aufgegeben hat, die man sich als LMU-Mitarbeiter*in oder Promovierende*r als PDF schicken lassen kann. Sofort 90 Seiten aus einem Buch geordert, in dem ich vermutlich schon Grundlagen für den Abschnitt im Text finde, den ich eigentlich im Archiv des Deutschen Museums schreiben wollte. Vielen Dank, Unibibliothek, I love you!

Tagebuch Mittwoch, 8. April 2020 – Rumschiebetextblock

Entspannt aufgewacht, geduscht. Dann nicht Flat White gemacht und rumgebloggt, sondern die Waschmaschine angeworfen und danach in den Supermarkt gegangen, um den Scheiß hinter mich zu bringen. Angenehm leer, ich habe nicht alles bekommen, aber egal, ich jage gerade keine Sonderangebote oder Spezialitäten, ich will einfach nur so schnell wie möglich wieder nach Hause.

Den üblichen Händewaschreigen hinter mich gebracht (waschen, Einkäufe verräumen, nochmal waschen), wobei gestern erstmalig der Panikpunkt „Handy desinfizieren“ dazukam. Ich erinnere mich nämlich derzeit draußen nicht nur dauernd daran, mir gefälligst nicht im Gesicht rumzuwuscheln, sondern auch, das Handy in der Hosentasche zu lassen, bis ich wieder zuhause bin. Denn daran patsche ich ja auch mit meinen ungewaschenen Händen rum und hole mir ZEUG in die Wohnung. Soweit ich weiß, ist bis heute keine Schmierinfektion nachgewiesen, das sage ich mir jedenfalls dauernd, aber trotzdem wurde gestern eins meiner sehr sparsam genutzten Desinfektionstücher eingesetzt, nachdem ich während der Kassenwarteschlange aus Gewohnheit Twitter checken wollte.

Danach begann der Rest des größtenteils guten Tags. Erstmal Flat White zubereitet (Espresso geht zur Neige) und ihn dann auf den Balkon getragen, wo ich den ersten Balkonkaffee des Jahres genoss. Das hat sich für eine Millisekunde normal angefühlt – ich genoss die Ruhe, den Blick ins Grüne (aka begrünter, weiter Innenhof) und stellte fest, dass meine Nachbarn gegenüber, deren Balkon an eine Garage grenzt, deren Dach sie im letzten Jahr mit Blumenkübeln vollgestellt haben, in diesem Jahr auch noch einen Liegestuhl auf dem Dach platziert haben. Nice. Dann erinnerte ich mich aber daran, wieso das gerade an einem Mittwochmorgen, wo normalerweise die Schule nebenan brummt und summt, so ruhig ist und war wieder traurig.

Traurigkeit vertrieben durch Diss-Korrekturen. Das war mir am Dienstag abend noch eingefallen: a) Speers total ausgedachte Ruinenwerttheorie noch an Stelle x einfügen, und b) diesen blöden Textblock mit den anderen Autobahnmalern, die ich im Text dauernd erwähne, dort aber nie Zeit habe, sie ausführlich zu beschreiben, mal wieder an einer anderen Stelle der Diss unterzubringen. Den Block schiebe ich durch die Kapitel, seit ich ihn grob skizziert habe, und immer wenn ich ihn verschoben habe, dachte ich, so, das passt jetzt, da bleibst du jetzt, und dann dauerte es vier Wochen, bis ich dachte, nee, du musst doch woanders hin. Mal sehen, wie lange er da bleibt, wo er jetzt ist. Ich ahne, dass ich ihn irgendwann lösche. Yay, 15 Seiten weniger. Aber die 15 Seiten habe ich gestern erstmals vernünftig verfasst und korrigiert, soweit das ohne Bücher halt gerade geht. (Nicht so gut.) Den ganzen Tag damit beschäftigt gewesen, Tee getrunken, gutes Tagwerk.

Außerdem: Supermarkt-Ranunkeln sind besser als gar keine Ranunkeln.

Um halb drei konnte ich mein Magenknurren nicht mehr ignorieren und machte Mittag. Seit der letzten Kitchen-Impossible-Folge hatte ich Schmacht auf Schnitzel, also suchte ich im verdienstvollen Lecker-Blog, das die dort gekochten Rezepte verbloggt, nach den Tipps fürs Salatdressing. Den Rest kriege ich auch so hin, aber das Dressing wollte ich mir doch mal anschauen. Lustigerweise mache ich meinen normalen Kartoffelsalat nach einem Rezept von Mälzer.

Ich habe mich nicht ganz ans Rezept gehalten, ich wollte keine saure Sahne einkaufen, mein blöder Edeka hatte keine Radieschen und die Rinderbrühe kam aus dem Glas, aber ansonsten habe ich das ganz gut nachbauen können. Der Salat war super, die irre ballonartige Panierung hat bei mir trotz bravem kreisförmigen Schwenken der Pfanne null funktioniert, war aber egal, hat großartig geschmeckt. Was soll beim Schnitzel auch nicht großartig schmecken.

Abends noch mit F. per Facetime gesprochen und wieder traurig geworden. Ich persönlich kann die Quarantäne besser ertragen, wenn ich alleine vor mich hinpuschele, denn das mache ich ja eh gern, und meistens fühlt sich das halbwegs normal an. Sobald ich F. sehe, erinnere ich mich aber wieder daran, dass ich ihn gerade nicht umarmen kann und dann fallen mir auch die Bibliotheken und Archive ein, in denen ich mich sonst gut von Traurigkeit ablenken kann, und dann fällt mir ein, dass ich gerade auch nicht gerne spazierengehe, was manchmal hilft, weil ich gerade Angst vor Menschen habe. Das war dann eher ein doofer Tagesabschluss.

Wir sprachen auch über die Länge der Ausgangsbeschränkungen, wie lange wir das noch aushielten und wie sehr wir uns nach dem Impfstoff sehnten, der ja angeblich so im Frühjahr 2021 eventuell da sein könnte. Dabei fiel uns auf, dass wir das nie anzweifelten – also dass es in nicht so irre ferner Zukunft einen Impfstoff gibt und die Krankheit damit bekämpft werden kann. Ein ziemlich großer Ritterschlag für die Forschung, wie mir im Nachhinein auffiel. *pieps* Please forsch faster. *pieps* Will keine Angst mehr vor Menschen haben.

Ach, und wenn ihr schon dabei seid: Was Wirksames gegen Heuschnuppn wär auch super. Verdammte Pollen. Als ob unsere Lungen nicht gerade genug zu tun hätten. *schneuz*

Mortality and the Old Masters

Fazit aus dem Text: Wenn die Museen wieder geöffnet sind, werden alle Kunstwerke für uns anders aussehen, weil wir uns verändert haben. Das unterschreibe ich sofort. Simple Erkenntnis aus Studium und Fehlfarben-Podcast: Wie wir ein Kunstwerk erleben, liegt nicht an Bildung oder Spezialkenntnissen, sondern daran, wer wir sind und was wir über die Welt wissen, die plötzlich mit diesem Werk konfrontiert wird.

Ich stimme dem Artikel allerdings nicht in seinem Urteil über zeitgenössische Kunst zu, und ob die vielen Toten der Spanischen Grippe wirklich keinerlei kulturelle Nachwirkungen hatten, müsste ich etwas genauer recherchieren.

„Why does the art of what we term the Old Masters have so much more soulful heft than that of most moderns and nearly all of our contemporaries? (I place the cutoff between the murderous scourges of war that were witnessed by Francisco Goya and those that Édouard Manet, say, read about in newspapers.) I think the reason is a routine consciousness of mortality. Pandemic diseases and innumerable other causes of early death haunted day-to-day life, even for those creators who were committed to entertainment. Consider the heaps of bodies that accumulate in Shakespeare’s tragedies: catharses of universal fear. The persistence of religion in art that was increasingly given to secular motives—Bible stories alternate with spiritually charged themes of Greek and Roman mythology—bespeaks this preoccupation. Deaths of children were a perpetual bane. Paintings of the Madonna and Child, most grippingly those by Giovanni Bellini, secrete Mary’s foreknowledge of her son’s terrible fate. The idea that God assumed flesh, suffered, and died was a stubborn consolation—Mary’s to know and ours to take on faith or, if we’re atheists, at least to marvel at as mythic poetry. […]

Here’s a prediction of our experience when we are again free to wander museums: Everything in them will be other than what we remember. The objects won’t have altered, but we will have, in some ratio of good and ill. The casualties of the coronavirus will accompany us spectrally. Until, inevitably, we begin to forget, for a while we will have been reminded of our oneness throughout the world and across time with all the living and the dead. The works await us as expressions of individuals and of entire cultures that have been—and vividly remain—light-years ahead of what passes for our understanding. Things that are better than other things, they may even induce us to consider, however briefly, becoming a bit better, too.“

Tagebuch Montag/Dienstag, 6./7. April 2020 – Zwei Tage, zwei Jahre

In zwei Tagen zwei Jahre Korrekturlesen der Diss fertiggekriegt, nämlich 1936 und 1937. Also „fertig“ wie in: Was online zu ergänzen war, habe ich ergänzt, aber es sind immer noch ein paar Stellen neongelb markiert, wo ich Fußnoten auffüllen muss mit hübschen Angaben, wo ich diese bestimmte Info denn wohl herhaben könnte. Das sind Aussagen, von denen ich weiß, dass sie stimmen – ich sitze an diesem Thema ja schon länger –, die ich aber trotzdem belegen möchte. Es fehlen auch noch ein paar Details, bei denen ich vertiefende Dinge anbringen möchte, von denen ich noch keine Ahnung habe wie zum Beispiel Holzschnitte. Die waren plötzlich wieder irre en vogue. Oder auch nicht plötzlich, keine Ahnung, ich habe mich noch nie mit Holzschnitten befasst, ich kenne ein paar aus der politisch linken Ecke der 1920er, aber das ist nur so fieses Halbwissen. Daher würde ich gerne durch ein paar Standardwerke zu Holzschnitten huschen, von denen ich jetzt noch nicht einmal weiß, wie sie heißen.

Außerdem ignoriere ich beharrlich das Abbildungsverzeichnis, was vermutlich irgendwann 150 Bilder umfassen wird, wenn ich so weiter mache und hinter jedem zweiten Werk, das ich erwähne, „Abb. x“ einfüge. Daher: Erst einmal durch den Text gehen, dann gucken, welche Bilder wirklich nötig sind. Die 29 Autobahnbilder sind natürlich gesetzt, genau wie diverse von anderen Malern. Aber was ich darüber hinaus noch von Protzens Werk präsentieren möchte, um es fassbar zu machen, weiß ich halt erst, wenn der Text und die Zusammenfassung und die große Erkenntnis stehen.

Ebenfalls weiterhin ignoriert: die Angabe „ebd.“ in Fußnoten. Noch steht immer alles namentlich da, also beispielsweise „Schmidt 2012“ fünfmal hintereinander und eben nicht „ebd.“. Aber auch nicht „Schmidt, Marlies: Die „Große Deutsche Kunstausstellung 1937 im Haus der Deutschen Kunst zu München“. Rekonstruktion und Analyse, Dissertation Halle/Saale 2012“. Erst wenn der ganze Text steht, suche ich die erste Fundstelle des Werks, um den Titel komplett hinzucopypasten und danach lauter kleine ebendas einzufügen. Darauf freue ich mich jetzt schon, das ist seit Jahren einer der letzten Handgriffe an meinen akademischen Texten. Ja, Handarbeit. Erneut: Das gibt mir ein bisschen Kontrolle über den Textberg. Lieber fünfmal zu oft über den Text geguckt als einmal zu wenig. (Gilt nicht für Blogeinträge.)

Seitdem die Bibliotheken und das ZI geschlossen sind, treibe ich mich so oft in Datenbanken rum wie nie zuvor während des Studiums. Wozu auch, da stand ja immer alles physisch vor meiner Nase, und ich blättere lieber als zu scrollen – oder 80-mal zu klicken, um durch einen dicken Ausstellungskatalog zu kommen. Trotzdem bin ich gerade sehr dankbar darüber, dass es diese Datenbanken gibt. Ich zitiere jetzt zwar recht oft amerikanische Aufsätze oder Buchkapitel, weil die deutlich großflächiger als deutsche auf JSTOR rumliegen, aber mei, die Damen und Herren wissen auch, was sie schreiben. Nebenbei luscherte ich durchs halbe Bundesarchiv, denn auch die haben Digitalisate online, zum Beispiel aus der Reichskanzlei. Leider nicht das, was ich mir im Februar vergessen hatte auszuheben.

Am Montag läutete ich offiziell das Ende des Winters ein, indem ich meinen kleinen Tisch aus dem Keller holte und ihn auf dem Balkon platzierte. Auch die lauschige Lichterkette hängt jetzt wieder am Geländer. Leider habe ich noch keine Blumen, aber seit meinem gestrigen Bauernmarktbesuch immerhin das nächstbeste zu Blümchen.

Montag abend und Dienstag früh die Folge Kitchen Impossible mit Tim Raue nachgeholt, wo die beiden unter anderem erstmals gemeinsam im gleichen Lokal gegeneinander antraten. Was sie machen mussten: Wiener Schnitzel, Kartoffelsalat und Kaiserschmarrn. Das war so wunderbar, den beiden dabei zuzusehen, wie sie sich über die schönste Panierung der Welt freuen konnten. Das sind für mich die besten Folgen der Sendung: keine irrwitzigen Zubereitungsarten mit 17 Hilfsmitteln, sondern eigentlich simple Rezepte, die aber so fein verbessert wurden, dass auch der 2-Sterne-Koch sehr lange überlegen muss. Ich werde mich heute noch einmal nach draußen trauen, um mich für die Osterwoche mit Lebensmitteln einzudecken, und ich werde so dermaßen Kalbfleisch kaufen müssen. #vorfreude Eigentlich wollte ich gestern auf dem Markt schon Gemüse holen, aber das war mir zu voll. Ich hatte auf frische Luft gehofft und die Leute haben auch an den Ständen brav Abstand gehalten, aber dafür zogen sich die Warteschlangen so dusselig kreuz und quer über den Kirchenvorplatz, dass man da leider nirgends Abstand halten konnte. Also nur schnell die Kräuter geholt und wieder nach Hause hinter die sichere Haustür.

F. und ich sprachen gerade vorgestern darüber, wie ungesund das für einen selbst ist, jeden Menschen für eine Ansteckungsquelle zu halten, aber ich kann mich davon nicht ganz freimachen.

Vorgestern gab’s ewig belegtes Brot und Gemüse zum Rumknabbern, weil frisches Brot halt locker als Mahlzeit reicht. Gestern zauberte ich aus den aufgehobenen Schalen des letzten Spargelgelages einen Sud, den ich per Mehlschwitze und Sahne und Ei in ein ganz hervorragendes Spargelcremesüppchen verwandelte. Unfotogen (ich brauche Suppenschalen!), aber sehr gut.

Noch auf den Einkaufszettel neben Kalbfleisch und Gemüse: mehr Spargel! (Und neue Nougat-Ostereier.)

Gerade heute fand ich den Newsletter von Christian Fahrenbach, „WTH America“ sehr lesenswert. Auch er hat Corona zum Hauptthema, aber das liest sich etwas differenzierter als die Katastrophenmeldungen, die mir sonst aus den USA bekannt sind.

Rustikales Weizenmischbrot nach Lutz Geißler

Ich notiere mal flugs das Rezept, das ich derzeit ständig mache, damit ich nicht immer beim Plötzblog rumklicken muss. Mein Blog, meine Rezeptesammelstelle.

Am Abend vor dem Backtag den Sauerteig ansetzen. Ich habe ja neuerdings und für mich immer noch unfassbarerweise Sauerteiganstellgut im Kühlschrank, das lustig vor sich hinblubbert und jede Woche brav aufgefrischt wird. Dafür habe ich mich natürlich auch beim Plötzblog bedient: hier steht, wie man den Ansatz zusammenbastelt, hier, wie man ihn auffrischt. Ich benutze nur Weizenvollkornmehl statt Roggen, weil es derzeit in meiner Umgebung nichts anderes gibt, wenn überhaupt. Schmeckt prima.

Also, Sauerteig am Vorabend basteln. Dafür

65 g Weizenmehl, Type 550, mit
65 g Wasser (45°C) und
3 g Anstellgut aus dem Kühlschrank mischen. Für 8 bis 10 Stunden (aka über Nacht) bei 30 Grad rumstehen lassen. Das geht entweder auf einem Holzbrett auf der Heizung (sagen zumindest die Kommentare im Plötzblog) oder, wie ich es mache, man wickelt das abgedeckte, aber nicht zugeschraubte Glas mit dem Sauerteig in eine Kuscheldecke ein, in die man zusätzlich noch ein paar Gläser mit heißem Wasser einschlägt. Hat bisher immer gut funktioniert.

Am Backtag morgens den Sauerteig mischen mit

130 g Roggenvollkornmehl (bei mir Weizenvollkorn),
455 g Weizenmehl, Type 550,
415 g Wasser (30°C) und
14 g Salz.

Alles zunächst einige Minuten bei geringer Geschwindigkeit kneten, dann ein paar Minuten bei höherer. Es sollte ein halbfester Teig entstehen. Ich gebe meist noch nach und nach ungefähr eine Handvoll Mehl zum Teig, weil er mir bisher stets zu feucht war. Er löst sich nicht vollständig von der Schüsselwand ab, ist aber auch nicht mehr so klebrig, dass er eine einzige amorphe Masse ist.

Den Teig drei Stunden lang abgedeckt bei Zimmertemperatur reifen lassen, dabei in den ersten zwei Stunden alle 30 Minuten lang ziehen und falten. Danach den Teig langwirken und im Gärkörbchen für zehn bis zwölf Stunden bei 5 Grad reifen lassen. Anders ausgedrückt: Leg eine Auflaufform, einen Brotkorb oder irgendwas anderes mit Rand mit Backpapier aus und bugsiere den zu einem länglichen Laib geformten Teig dort hinein, mit dem Schluss nach oben. Dann zwölf Stunden im Kühlschrank rumliegen lassen.

Den Ofen mit einem schweren Topf und Deckel auf 250 Grad vorheizen. Den Topf heiß etwas bemehlen, damit das Brot nicht festklebt, den Teig in den Topf kippen, so dass der Schluss nun unten liegt, mit scharfer Klinge tief einschneiden und für 40 bis 45 Minuten bei 230 Grad backen. Ich lasse in der ersten halben Stunde den Deckel auf dem Topf und nehme ihn dann ab, um das Brot so lange zu backen, bis es rustikal dunkel ist. Das sind bei mir und meinem Ofen eher 50 bis 55 Minuten.

Nach dem Backen das Brot sofort auf einen Rost umsiedeln und komplett auskühlen lassen.

Eigentlich hatte ich ein Kreuz in die Oberfläche geschnitten, aber vielleicht hat das Brot das nur als Serviervorschlag interpretiert. Wir üben weiter.

Tagebuch Sonntag, 5. April 2020 – 48 Seiten und Ostereier

Ausgeschlafen. Also um 7.20 Uhr wachgeworden. Mit den Augen gerollt, liegengeblieben, aber dann doch zu hibbelig gewesen.

Espressomaschine angeschaltet, selbstgebackene Croissants aus dem Tiefkühler geholt, geduscht. Vor dem üblichen Flat White aber dann den Sauerteig aus seiner Kuscheldecke gewickelt, in die ich ihn vorgestern abend eingepackt hatte. Der wurde mit Weizenvollkorn- und Weizenmehl zu einem Brotteig verarbeitet, den ich in den folgenden zwei Stunden des Öfteren zog und faltete. Dann durfte er noch eine Stunde bei Raumtemperatur rumstehen, bevor er für 12 Stunden in den Kühlschrank wanderte. Okay, elf, ich wollte nicht mehr warten, bis ich endlich backen konnte. Das erste äußerst wohlschmeckende Scheibchen habe ich eben vor dem Bloggen abgeschnitten.

Mich sehr über die Croissants gefreut. Ich glaube, ich habe noch nie ein Gebäck mit so viel Vorfreude und Zärtlichkeit betrachtet, aber jetzt, wo Hefe vorübergehend eine Kostbarkeit geworden ist, habe ich die tollen Hörnchen noch mehr geschätzt als sowieso schon. Guckt mal, sie halten Händchen, die Glücklichen.

Gelesen, Serien geguckt, irgendwann Hummeln im Hintern gehabt und an die Diss gesetzt. Gegen 16 Uhr hatte ich endlich den Brocken 1934/1935 bezwungen und schloss dieses eine Dokument mit nunmehr 48 DIN-A4-Seiten ab. Den nächsten Brocken mit derzeit 49 Seiten fange ich heute an. Hello, 1936/1937. Was musste der Mann auch so viel malen, herrgottnochmal.

Zum Abendessen Brot mit Salat und Fenchelsalami sowie Gurken und Paprika zum Wegknabbern. Dazu eine Tüte Milka-Nougat-Ostereier. Die hatte ich Freitag gekauft und sie hat es immerhin bis Sonntag ausgehalten. Dass sie schon verzehrt wurde, bevor der Osterhase da war, kann ich jetzt super auf den Corona-Stress schieben und nicht auf meine völlige Disziplinlosigkeit, wenn es um Nougat geht.

Über ein Testament nachgedacht und eine Liste mit allen Passwörtern, auch fürs Blog und Twitter. Man weiß ja nie. Sorry für den abrupten Wechsel von Süßigkeiten zum eigenen Ableben, aber damit beschäftigt sich mein Kopf jetzt halt, seit er den Artikel über den Busfahrer aus Detroit gelesen hat, der sich noch per Video über rücksichtslos hustende Passagiere aufregte und elf Tage später war er tot.

Are we at ‘war’ with coronavirus?

Die Washington Post gibt zu bedenken, dass martialische Sprache und Kriegsvokabular gerade nicht angebracht sind.

„Martial language, of course, comes easy to the world’s sole superpower. But others are also expressing it. From India to China, France to Brazil, politicians plunged themselves into the battle, unveiling “war” budgets and promising a triumphant “victory” to come. In Europe, too, leaders invoked the parallel of World War II, warning their populations that their countries have not faced a greater crisis since that epochal conflict. […]

Still, there are many ways in which the “war” analogy falls short. “War metaphors call for mobilization, for action, for doing something,” Veronika Koller, a linguist at Lancaster University in England, told the Atlantic. The current situation poses an altogether different demand — where the bulk of the world’s population is being asked to simply do nothing. The specter of “war,” moreover, has prompted unhelpful forms of panic, cleaning out store shelves and — in the United States — leading to a troubling rush for guns. […]

“We don’t need weapons, we don’t need bombs,” he said. “We need solidarity and compassion.”

And then there’s the greater existential menace. There are no cease-fires with a pandemic. “I happened to find myself in a city at war, destroyed, empty streets … But it always felt like there was a way out,” wrote Rony Brauman, former president of Doctors Without Borders, in reference to his career spent mitigating conflicts. “What is frightening today is the global dimension of the disaster: Even for someone who is used to situations of major crisis, this is an unprecedented experience.”“

Of Beards and Bubonic Plague: German Village Prays for a (2nd) Miracle

Die NYT über die abgesagten Passionsspiele in Oberammergau. Der dortige Geistliche hat einen sehr sympathischen Namen, wie ich feststellen durfte.

„This year’s Passion Play, scheduled to premiere in May and run through the summer, had to be abandoned because of the coronavirus. An epic production, cast with local residents as actors, the play would have brought half a million visitors to the village and 2,500 people, or half of Oberammergau, onto the world’s biggest open air stage.

The production would have been the 42nd since the play’s premiere in 1634. Canceled only twice — in 1770 during the enlightenment and in 1940 during World War II — the play has been performed once every decade and sometimes twice, for special anniversaries. It had to be postponed once before — after too many men had died in World War I to field a cast.

Now, as Easter weekend approaches, Oberammergau is praying for another miracle. So far, the village does not have a single known case of Covid-19.

“Maybe the pledge still protects the village?” Susanne Eski, a dressmaker asked hopefully, as she was preparing to put costumes for the Passion Play into storage one recent afternoon.“