1000 Fragen, 121 bis 140

(Ich paraphrasiere Christian: „Die Fragen stammen ursprünglich aus dem Flow-Magazin, Johanna von pink-e-pank.de hat daraus eine persönliche Blog-Challenge gemacht, und Beyhan von my-herzblut.com hat das PDF erstellt.“)

121. Gibst du der Arbeit manchmal Vorrang vor der Liebe?

Hä? Das hat doch nichts miteinander zu tun. Wenn die Frage ist: Verschiebst du manchmal Verabredungen, weil plötzlich noch ein Job reingekommen ist, lautet die Antwort: ja. Von Luft und Liebe kann ich meine Miete nicht bezahlen.

122. Wofür bist du deinen Eltern dankbar?

Dass sie mich als Kind in die Musikschule, in Zeichenkurse, in Museen und in die Oper geschleppt haben. Es ist mir wirklich erst als Erwachsene aufgefallen, dass nicht alle eine derartige Bildung mitbekommen haben.

Daneben bin ich ihnen dafür dankbar, gewisse finanzielle Grundlagen geschaffen haben, die mir etwas mehr Sicherheit geben, wenn ich an meine Rente denke.

123. Sagst du immer, was du denkst?

Nein. Ich sage nie im Restaurant, wenn das Essen eher so meh war und ich traue mich nie, im Taxi dem Fahrer Kontra zu geben, wenn er Quatsch redet. Ich schweige dann beschämt vor mich hin, ich Weichei.

124. Läuft dein Fernsehgerät häufig, obwohl du gar nicht schaust?

Auf meinem Laptop laufen mittelprächtig oft Serien, die ich schon kenne, während denen ich gerne Candy Crush oder Hay Day spiele. Ich versuche manchmal, mir das abzugewöhnen und stattdessen zu lesen, verfolge dieses Vorhaben aber nicht ernsthaft.

125. Welchen Schmerz hast du nicht überwunden?

Einige Bemerkungen zu meinem Gewicht, einige körperliche Übergriffe, die den Täter*innen vermutlich nicht mal als Übergriff klar sind, meine eigene Scham, nichts dagegen getan oder gesagt zu haben.

126. Was kaufst du für deine letzten zehn Euro?

Wenn ich kurz vor dem Tod bin: Schokolade oder Champagner (für zehn Euro halt Aldi-Schampus). Wenn ich noch Zeit vor mir habe: vielleicht eine warme Decke? Decken sind immer gut. Wenn ich kein anfassbares Geld mehr brauche, weil wir den Kapitalismus, Münz- oder Papierwährungen oder irgendwas anderes abgeschafft haben, würde ich den Schein vermutlich als historisches Dokument behalten.

127. Verliebst du dich schnell?

In die falschen Menschen auf jeden Fall. In der Rückschau ist das ein guter Indikator – die Menschen, mit denen ich länger zusammen war, waren immer erst Freunde oder gute Bekannte.

128. Woran denkst du, bevor du einschläfst?

An etwas Nettes, damit ich einschlafen kann. Hollywoodschnuckel, F. (aber dann grinse ich so debil, dann kann ich nicht schlafen), meine blauen Wände im Arbeitszimmer, perfekter Milchschaum, ein Tag im ZI oder so.

129. Welcher Tag der Woche ist dein Lieblingstag?

Donnerstag. Schon fast die Arbeitswoche hinter mir, Freitag ist quasi schon Wochenende, danach ist wirklich Wochenende, jetzt können wir noch zwei Tage richtig was schaffen. Wochenende ist auch super, aber Donnerstags hat das ZI auf, Samstag und Sonntag nicht.

Außerdem hat Donnerstag so schöne viele Silben und ist nicht so ein Hektiker im Mund wie die anderen Wochentage, aber das lässt mich jetzt sehr seltsam klingen.

130. Was würdest du als deinen größten Erfolg bezeichnen?

Mir als Kind selbst das Zehn-Finger-Tippen beigebracht zu haben. Und auf mein abgeschlossenes Studium bin ich auch ein wenig stolz in meinem hohen Alter man reiche mir die Heizdecke im Hörsaal zieht’s immer so.

131. Mit welcher berühmten Person würdest du gerne einmal einen Tag verbringen?

Mit keiner. Ich wäre viel zu aufgeregt, wenn’s jemand wäre, den ich toll finde. Ich bewundere solche Leute lieber aus der Ferne. Ich folge auch kaum noch Berühmtheiten auf Twitter, weil es mich wahnsinnig macht, wenn sie eine miese Rechtschreibung haben oder doofe Memes retweeten.

132. Warst du schon einmal in eine (unerreichbare) berühmte Person verliebt?

Ich würde es als Celebrity Crush bezeichnen und dann ja. Aber nie so schlimm, dass ich Flüge in die USA gebucht habe oder so.

133. Was ist dein Traumberuf?

Privatier und Mäzenin.

134. Fällt es dir leicht, um Hilfe zu bitten?

Es wird besser. Vielleicht kriege ich das vor der Rente noch hin.

135. Was kannst du nicht wegwerfen?

Ich kann alles wegwerfen, die Frage ist, ob ich es will.

Momentan sind ja Marie Kondo und ihr Joygesparke eine beliebte Zielscheibe. Ich habe vor längerer Zeit ihr Buch … ähem … quergelesen und mir davon genau die Lektion mitgenommen, über die gerade geschmunzelt wird: Wenn dir etwas keine Freude macht, wirf es weg. (Wir reden hier nicht von Steuerformularen, ist klar.) Den Anstoß fand ich ziemlich gut, und mit dieser Frage bin ich als erstes an meinen Kleiderschrank gegangen, in dem viel war, von dem ich dachte, das ziehe ich bestimmt irgendwann an, das war teuer usw. Bis ich dann wirklich mal diese rote Bluse in die Hand nahm und mich fragte, ob sie mir Freude macht. Machte sie nicht, weg damit, nie vermisst.

In die Altkleidertüte kam auch ein violetter Pulli, der mir über die Oberschenkel reicht, Fledermausärmel und einen irre weiten Kragen hat. Man kriegt ihn unter keine Jacke, aber er steht mir wirklich gut und er gefällt mir sehr. Den wollte ich auch wegwerfen, weil er halt nicht praktisch ist. Aber F. fragte ganz unschuldig, ob er mir Freude mache und das tut er, auch wenn er nur im Schrank liegt. Ich habe ihn in diesem Winter öfter zuhause getragen und bin froh, ihn nicht weggeworfen zu haben.

Was ich sagen wollte: Ich werfe meinen alten Teddy nicht weg, weil er mir Freude macht, bin aber kurz davor, 40 Jahre Briefe und Postkarten zu entsorgen, weil ich die nie wieder lese und sie nur von Wohnung zu Wohnung schleppe. Inzwischen kann ich auch Bücher ohne Reue wegwerfen.

136. Welche Seite im Internet besuchst du täglich?

Meine eigene. Nach dem Veröffentlichen noch mal schnell nach Fehlern gucken, liest sich anders als in der WordPress-Vorschau.

137. Sind die besten Dinge im Leben gratis?

Nein. Ja, schon klar, Liebe kann man sich nicht kaufen, schnarch, kleiner Prinz. Aber ein guter Wein kostet halt. Oder ein toller Urlaub. Oder ein schönes Fahrrad, das verlässlich immer glücklich macht.

138. Hast du schon mal was gestohlen?

Ja, in meiner Jugend Aschenbecher aus Kneipen, eine Postkarte in der hannoverschen Passarelle und einen Bembel irgendwo in Frankfurt. Wie ich mich über die Deppen aufrege, die in Biergärten Maßkrüge klauen! Ich war selber nicht besser.

Gerade beim Verlinken der Passarelle gemerkt, dass diese inzwischen Niki-de-Saint-Phalle-Promenade heißt. Heimatstadt, du gutes Ding.

139. Was kochst du, wenn du Gäste hast?

Für F. irgendwas Schnelles, damit ich mit ihm am Tisch sitzen kann anstatt am Herd zu stehen, für kleine Gesellschaften drei bis vier Gänge, für mehr … kann ich nächste Woche beantworten, die Frage.

140. In welchem Laden möchtest du am liebsten einmal eine Minute lang gratis einkaufen?

In einem dieser teuren Möbelläden wie Ligne Roset oder Bolia.

Noch besser: bei einer Maklerin. „Und dann nehme ich da diese Villa am Chiemsee, das Penthouse in der Münchner City, als Wochenendnest die Altbauwohnung in Hamburg und für den Urlaub das Haus in Amsterdam. Mit Putzdienst in allen Locations, gell? Ach, wissen Sie was, packen Sie mir das Reetdachding auf Sylt auch noch ein. Danke, Bussi! Komm, Fifi, Mami geht jetzt Austern essen.“

Neulich hat jemand einen uralten Tweet von mir geliked, den hatte ich schon wieder vergessen, aber seitdem habe ich ihn im Ohr:

„Oooh, ich hab solche Sehnsucht /
Ich bin so von dir betört /
Ich will wieder an den Chiemsee /
Ich will zurück nach Frauenwörth.“

Tagebuch Donnerstag, 7. März 2019 – Mein erstes LaTeX-Dokument

Den Vormittag verbrachte ich in der Stabi, wo ich mir einen Ausstellungskatalog ansah, der unglaublicherweise nicht im Zentralinstitut für Kunstgeschichte steht. Für meine Diss ist eine Ausstellung mit dem propagandistisch hervorragenden Titel „Die Straßen Adolf Hitlers in der Kunst“ wichtig, wo die Menschen in München 1936 bergeweise Autobahnbilder zu sehen bekamen. Die Ausstellung wanderte dann nach Berlin und Ende 1936 nach Breslau, und den Breslauer Katalog kannte ich noch nicht. In ihm fehlten schon einige Werke, denn das waren alles Verkaufsausstellungen, und so eine hübsche Ansicht einer Großbaustelle hängt man sich ja gerne übers Sofa. Im Breslauer Katalog fanden sich daher ein paar Käufernamen, was sehr praktisch für meine kleine Provenienzrecherche ist. Ich bin bei meinem Thema auf jeden Fitzel angewiesen, weil es außer ein paar Lexikonartikeln nichts Schriftliches über Herrn Protzen gibt. Ich bin gerade die erste, die sich länger mit ihm befasst. (Soweit ich weiß.)

Ich würde mir inzwischen ein derartiges Bild übrigens mit Kusshand übers Sofa hängen – vielleicht ist die systemkonforme NS-Kunst doch verführerischer als ich es demnächst auf 150 Seiten entschieden verneinen werde? Da die Pinakotheken aus Urheberrechtsgründen ihre eigenen Bilder nicht auf ihrer eigenen Website zeigen dürfen, verlinke ich mal auf ein Foto eines kommerziellen Anbieters – bei dem ich gerade eine Postkarte von Herrn Protzen erworben habe, von deren Motiv ich bisher noch nicht wusste, dass es als Postkarte erhältlich war. Danke, Google. (Jeder Fitzel!)

In der Mittagspause kaufte ich einen kleinen Eimer (den Satz lasse ich einfach so stehen, der ist super als geistiger Stopper), dann gab’s die neue Folge Masterchef UK und dazu ein Käsebrot.

Und dann setzte ich mich um 14 Uhr todesmutig an den eigenen Schreibtisch, installierte LaTeX, öffnete ein, zwei PDFe, die mir Newbie erklären sollten, wie ich überhaupt anfangen sollte – und dann fing ich an.

(Sie können sich diesen Blogeintrag ersparen und einfach meinen Thread von gestern auf Twitter nachlesen, da kann man mir quasi beim Livelernen zuschauen.)

Vor tausend Jahren hatte ich mal ein paar Tage in HTML und CSS investiert, daher schreckte mich die Oberfläche nicht so sehr ab. Ich erinnerte mich allerdings auch daran, wie schnell ich die Lust am Coden verloren hatte. Das überlasse ich bis heute eher Menschen, die wissen, was sie tun und die das vor allem tun wollen. Ich will bloß schreiben. Und genau deshalb wird die Diss in LaTeX getippt, weil mich Word bei einem derart langen Schriftstück vermutlich in den Wahnsinn treiben wird.

Mein Buch habe ich damals auch in Word geschrieben, aber das kam ohne große Fußnoten aus, ohne wissenschaftlichen Apparat wie einem Literaturverzeichnis und vor allem – ohne Abbildungen. Die haben mich bisher bei jeder Arbeit zum Schreien gebracht, weil Word irrwitzig unkomfortabel und unflexibel ist, wenn man Bilder einfügen will und womöglich noch was drunterschreiben möchte. Oder einen Tag später noch was. Bei der Masterarbeit habe ich ernsthaft teilweise lauter Einzelseiten angelegt, damit nicht immer alles umbrach, die einzeln als PDF abgespeichert und irgendwann alles zusammengefügt. Bei 30 Bildern war das okay, aber für die Diss werde ich weitaus mehr brauchen.

Meine individuelle Schwierigkeit bei der Diss mit ihrem irgendwie unangenehmen Thema: Ich sehe die Bilder, über die ich schreibe, nie in Katalogen. Mit Abbildungen von Kiefer und Lüpertz konnte ich mich totschmeißen, da konnte ich digital sogar aus diversen JPGs der Kunstdatenbanken das auswählen, was den fünf Katalogen vor mir in der Farbgebung am nächsten kommt bzw. von dort das beste einscannen, wenn ausnahmsweise keins bereits online vorhanden war. Systemkonforme Bilder aus der NS-Zeit hängen außer in der Pinakothek de Moderne in keinem deutschen Kunstmuseum und befinden sich daher auch so gut wie nie in Datenbanken. Ersteres ändert sich gerade, ich verweise nochmal auf die hervorragende Hängung in der Moritzburg in Halle. Oder man guckt sich die Bilder im Historischen Museum in Berlin oder dem GNM in Nürnberg an.

Aber Protzen hängt eben, außer wie gesagt netterweise mit zwei Bildern direkt vor meiner Haustür, nirgends. Deswegen war ich so glücklich über die Fotoalben in seinem Nachlass im Kunstarchiv Nürnberg, denn da ist fast sein komplettes malerisches Ouevre auf immerhin Schwarzweißfotos festgehalten. Die Alben habe ich komplett fotografiert und bin immer noch dabei, sie in halbwegs vernünftige Einzeldateien zu unterteilen, 350 von ungefähr 600 Werken habe ich schon.

Ein Kapitel in der Diss wird von der Autobahnmalerei handeln, denn ein solches Bild ist es, mit dem wir heute Protzen verbinden – was ein Teil meiner Forschungsfrage ist: wieso dieser Maler? Wieso dieses Bild? Um das Bild in einen Kontext einzuordnen, brauche ich alle seine Autobahnbilder (28 an der Zahl). Und deswegen sollte mein erstes LaTeX-Dokument ein Abbildungsverzeichnis aller Autobahnbilder von Protzen werden, damit ich sie endlich in einem Dokument vor der Nase habe und mich nicht dauernd durch meine JPGs klicken muss, wenn ich Maße oder Erstellungsdaten brauche.

Ich begann allerdings erst einmal mit einem simplen Textdokument und copypastete ein paar Absätze aus meinem fast fertiggestellten Diss-Exposé in die LaTeX-Eingabemaske. Ich arbeite nicht mit einer wilden Oberfläche wie TeXstudio, sondern bisher komplett händisch. Fühlt sich für mich okay an. Ich erlas und ergoogelte und erfragte mir erste Änderungsmöglichkeiten – eher neue deutsche Rechtschreibung und Trennung als amerikanische, Umlaute wären super, der Texteinzug in der ersten Zeile sollte beim Abbildungsverzeichnis weg, und wie kriege ich fetten Text auch noch kursiv? Letzteres habe ich noch nicht verstanden, aber ich werde mir das erarbeiten. Nicht vorsagen! Ich finde das selbst raus.

Und so propelte ich stundenlang an 28 Seiten herum, was eher daran lag, dass ich alle Bilder umbenennen musste und irgendwann leichtsinnig eine geschweifte Klammer zu viel im Dokument hatte, die ich 30 Minuten lang suchte, bis die Ausgabe wieder so aussah wie ich sie haben wollte. Ich ahne, dass es noch hübschere Möglichkeiten gibt, den Text nicht ganz so nah ans Bild dengeln zu lassen wie ich es jetzt eingestellt habe, und die Schrift gefällt mir auch noch nicht, aber für den ersten Tag war ich doch sehr beeindruckt davon, was alles ging und wie okay mein Dokument schon aussieht. Mein erstes LaTeX-Dokument! Ich bin ein bisschen stolz auf mich.

Was außerdem toll war: der Kaffee, den ich nebenbei trank und der jetzt auch gerade frisch aus der French Press neben mir steht. Er kommt von der Wasserburger Rösterei und schmeckt ausgezeichnet. Danke an die lockige Schenkerin!

Tagebuch Mittwoch, 6. März 2019 – Rumpuscheln

Morgens mal wieder bei F. aufgewacht – da war ich schon länger nicht mehr über Nacht; seit ich endlich wieder ein Schlafzimmer habe, sind wir deutlich öfter bei mir. Sehr gut geschlafen.

Den Vormittag auf Jobfeedback gewartet, das aber nicht kam. Erst Mittags dazu entschlossen, mich wieder ans Exposé zu setzen, denn wenn ich damit anfange, will ich konzentriert daran arbeiten und nicht mittendrin wieder auf Werbung umschalten. Genauso arbeite ich umgekehrt, schön eins nach dem anderen, damit mein Kopf nicht von allem genervt ist.

Ich ahne, dass ein Exposé noch längst nicht die Belegdichte haben muss wie ich sie jetzt angelegt habe, aber ich weiß es nicht, weil ich noch nie ein Exposé zu einer Dissertation geschrieben habe. Vermutlich weiß mein Doktorvater eh alles, was ich ihm erzähle, in den Bereichen dürften meine ausufernden Fußnoten egal sein. Aber in den Nachlass von Herrn Protzen gucke ich quasi als erste wirklich gründlich bzw. arbeite ihn als erste auf, daher belege ich da eben, was die Finger hergeben. Das fühlt sich schon alles sehr nach Einleitung an und nicht mehr nach grobem Foschungsvorhaben, aber mei, so arbeite ich halt. Finde ich aber schon lustig, dass ich in den vergangenen Tagen mal eben aus dem Handgelenk einen Text produziert habe, der die Länge einer Hausarbeit im Bachelorstudium hat. Was jetzt Zeit kostet, ist alles zu belegen, was ich aus dem Handgelenk geschüttelt habe.

Gestern bearbeitete ich auch die restlichen Bilder aus dem Werkverzeichnis, womit ich aber noch lange nicht fertig bin. Ich hatte das im letzten Juli begonnen und dann irgendwann eine Pause eingelegt, weil ich überhaupt mal mit Grossberg anfangen wollte, bevor ich nur noch Protzen mache. Das hat sich ja inzwischen erledigt und so muss ich jetzt noch die restlichen 300 Bilder von knapp 700 Werken ausschneiden, bearbeiten und mit Werknummer abspeichern. Das dauert noch, gestern habe ich nur ungefähr 50 geschafft. Aber netterweise gucke ich inzwischen anders auf die Bilder als noch im letzten Jahr, weil ich natürlich inzwischen wieder viel gelesen habe, was den Blick verändert hat.

Zufrieden mit dem Tagwerk ins Bett gegangen, wozu sich F. noch gesellte, der aus dem Augsburger Rosenaustadion kam, in dem die Amateure von Bayern gespielt hatten.

FRÜF – Frauen reden über Fußball

Beknackter Name, aber gutes Projekt: ein neuer Podcast, in dem nur Frauen über Fuppes sprechen. Die Nullnummer ist bereits online, und ich warte gespannt auf die erste richtige Ausgabe.

Faking Hitler: the story behind a sinister market

Jeder Absatz spannend: Hitler als Maler, echte und gefälschte Werke, Kunstmarkt, yadayadayada.

„Forging Hitler’s art is a time-honoured tradition. After his second rejection from the Vienna Academy of Fine Arts in 1908, Hitler eked out a marginal existence painting watercolours, mainly postcard-sized city views of Vienna. His agent Reinhold Hanisch sold them, and the income was good enough to allow Hitler to move out of a homeless shelter and into a new boarding house with Hanisch. The art historian Birgit Schwarz describes Hanisch as “a shady figure and notorious liar” in her book Geniewahn: Hitler und die Kunst (The Craze for Genius: Hitler and Art).

By the time Hitler seized power, the market was flooded with forgeries of his work, Schwarz says. Among the fraudsters was Hanisch, who “oversaw a veritable forgery centre in Vienna,” she says. He was arrested in November 1936 and died of a heart attack while in custody in 1937.

Hitler tried to clamp down on the market in forgeries by ordering the Nazi Party’s central archive in Munich to track down and buy both the genuine and forged works. He planned to authenticate the real ones to be entered into a catalogue raisonné, while the fakes would be destroyed. “But often he didn’t know whether they were genuine or not himself,” Schwarz says. “He had no distinctive artistic style. You can go into any number of antique shops in Vienna today and find paintings by other artists from the same era which look very similar in style.” Hitler banned publication of his art in 1937. Since then, there has been no scholarly attempt to fully catalogue it, Schwarz says: “It would be impossible to go about this seriously.”

In Nuremberg, Kerstin Weidler showed journalists a copy of Billy Price’s 1983 discredited “catalogue raisonné” of Hitler’s works. Titled Adolf Hitler: The Unknown Artist, it includes the five the auction house offered. Price was a collector who owned a large number of works attributed to Hitler. His book is dedicated to August Priesack, whose signature is on the “certificate of authenticity” that Weidler provided for Village by a Mountain Lake. But Priesack cannot be considered reliable—he was the first historian to authenticate the infamous “Hitler diaries”, unveiled as forgeries in 1983.“

(via @aldaily)

1000 Fragen, 101 bis 120

(Ich paraphrasiere Christian: „Die Fragen stammen ursprünglich aus dem Flow-Magazin, Johanna von pink-e-pank.de hat daraus eine persönliche Blog-Challenge gemacht, und Beyhan von my-herzblut.com hat das PDF erstellt.“)

101. Treffen die deinem Sternbild zugeordneten Charaktereigenschaften auf dich zu?

„Der typische Fisch ist charmant, einfühlsam, empfindsam, feinfühlig, fröhlich, geheimnisvoll, geduldig, gesellig, großzügig, hilfsbereit, hingabefähig, innig, inspirierend, intuitiv, medial, mitfühlend, mitleidend, mystisch, phantasievoll, romantisch, schillernd, seelenvoll, selbstlos, sensibel, sentimental, verständnisvoll und verträumt.

Schwächen: ängstlich, beeinflussbar, chaotisch, disziplinlos, entscheidungsschwach, gehemmt, labil, prinzipienlos, sentimental, überempfindlich, umständlich, unfassbar und unzuverlässig.

Lebensmotto: Ich fühle mich mit allem verbunden! Ich glaube!“

Passt natürlich alles total. Ist mir inzwischen aber egal. Habe gerade interessiert am Bücherregal festgestellt, dass ich meine Astrologiebücher, die ich besitze, seit ich 14 bin, anscheinend bei einem der letzten Umzüge verklappt habe. Ich habe mir aber gemerkt, dass Fische zur Drogensucht neigen und war deshalb vermutlich mein ganzes Leben lang halbwegs brav. Kiffen fand ich fürchterlich, an alles andere habe ich mich nicht rangetraut. Damaliger guter Freund: „Anke, Koks ist genau deine Droge. Nimm die nie.“ Daran habe ich mich gehalten. Außerdem habe ich natürlich Christiane F. gelesen und war sehr verschreckt.

Mein Aszendent (ja, ich kenne meinen Aszendenten, ich hatte Astrologiebücher) ist übrigens Löwe, das passt natürlich auch alles total. Und ganz frei bin ich von dem Schnickschnack auch noch nicht, denn ich lese in jedem Dezember das Horoskop des vergangenen Jahres nach. Das passt natürlich auch alles total. Zauberei!

102. Welche Farbe dominiert in deinem Kleiderschrank?

Blau. Muss an meinem Sternzeichen liegen.

103. Holst du alles aus einem Tag heraus?

Kommt drauf an, was in einem Tag drin ist. (SCNR.)

Lieber Fragebogen, was willst du denn jetzt hören? Carpe diem? Manchmal finde ich acht Stunden Arbeit für Geld und dann noch vier Stunden Kunstgeschichte super, ich kann aber auch prima zwölf Stunden vor Friends vergammeln und Schokolade essen. Ich halte beides für hervorragende Tagesgestaltungen.

104. Wie viele TV-Serien schaust du regelmäßig?

*geht im Kopf die Wochentage durch*
Immer: 9-1-1, This Is Us, The Good Place (wenn Sie das bitte alle anschauen würden?), Mom, Grey’s Anatomy, Brooklyn 99, Bob’s Burger, The Affair, Masterchef (UK und Australia), Outlander, Jane the Virgin, Kitchen Impossible (neuerdings nur noch im Schnelldurchlauf). Auf Netflix Orange is the New Black, Queer Eye, Chef’s Table, Bojack Horseman, Rick & Morty.
Wenn mir langweilig ist: Modern Family, Will & Grace (hat mich nach den ersten zwei, drei Folgen des Revivals nie mehr überzeugt, aber aus alter Verbundenheit, Sie wissen schon).
Diverse Rewatches: The West Wing, Friends, How I Met Your Mother. Die beiden letzteren trotz der bekackten Dickenwitze und ersteres trotz der ambivalenten Haltung zu Frauen im Großen und Ganzen.

105. In welchen Momenten wärst du am liebsten ein Kind?

In keinen. Kindlich staunen kann ich auch so. Generell bin ich sehr gerne erwachsen, denn ich kann mir von meinem eigenen Geld Schokolade kaufen.

106. Kannst du eine Woche auf das Internet verzichten?

Ich habe es noch nie versucht und möchte es auch nicht (Netflix! Sternzeichen googeln!). Aber ja, ich denke, wenn es sein müsste oder aller Strom der Welt ausfällt – ja.

107. Wer kennt dich am besten?

Ich mich selbst. Und wenn ich mich in mir verlaufe, frage ich inzwischen andere nach dem Weg. (Hoffe ich.)

108. Welche Arbeit im Haushalt findest du am wenigsten langweilig?

Wäsche nach Marie Kondo falten.

109. Bist du manchmal von anderen enttäuscht?

Logisch.

110. Wie sieht ein idealer freier Tag für dich aus?

Keine Termine und leicht einen sitzen. (Ach komm, der ist so gut, der Satz. … Okay, ich versuch’s nochmal:)

Ohne Wecker aufwachen. Entweder etwas total Spannendes vorhaben oder gar nichts. Gutes Essen. Temperaturen so um 15 Grad, gerne leicht sonnig, aber nicht so, dass ich eine Sonnenbrille brauche. Nichts auf dem Plan, was im Haushalt erledigt werden müsste.

111. Bist du stolz auf dich?

Klar. Ich sitze an einer Dissertation, darauf kann man mal so richtig fett stolz sein. Und auf die fast gerade Farbkante in der Küche neulich! Und ich hab gestern Altpapier runtergebracht!

112. Welches nutzlose Talent besitzt du?

Ich finde, wenn es sein muss, in allem ein Haar in der Suppe, und wenn man mich anstupst, kann ich darüber 30 Minuten monologisieren.

113. Gibt es in deinem Leben etwas, das du nicht richtig abgeschlossen hast?

Mein erstes Studium. Haha. Dieser Fragebogen lädt heute aber arg zum Kalauern ein.

Hm. Ich habe Omi keine Grüße mehr von Martin ausgerichtet, bevor sie gestorben ist. Ich habe mich nicht anständig von meiner Hamburger Gesangslehrerin verabschiedet, bevor ich nach München gezogen bin. Das könnte ich nachholen, aber vermutlich ist eine Mail nach drei Jahren Funkstille auch ein bisschen albern. Ich habe außer Englisch keine andere Fremdsprache vernünftig gelernt; bei Französisch dürften es so um die fünf Versuche gewesen sein. Jetzt lasse ich das.

114. Warum trinkst du Alkohol beziehungsweise keinen Alkohol?

Ich trinke Alkohol, weil er mir schmeckt. Weil Sekt/Schaumwein/Schampus mich schüchternes Hasi in sozialen Situation total gut gelaunt und entspannt werden lässt. Weil Wein ganz wunderbar zu gutem Essen passt. Weil das Helle in Bayern wirklich ganz großartig ist. Weil ich bei Whisky noch so viel entdecken kann. Weil im Sommer auf dem Balkon nichts besser ist als ein Gin Tonic. Weil immer Wasser, Tee und Coke zero langweilig sind.

115. Welche Sachen machen dich froh?

Sekt, Schaumwein, Schampus … okay, schon gut. Siehe Frage 113.

Bücher, alle. Blaufränkisch. Lustige, traurige, herausfordernde, unerwartete Serien. Die Kammerspiele. Stille. Auf irgendein Gewässer gucken. Rolltreppen. Das Zentralinstitut für Kunstgeschichte. Meine Espressomaschine. Omis Teeservice. Mein alter Teddy. Spotify. Der FCA-Knacker im Stadion. Mein Lieblingsbleistift von arte. Blumen. Noch mehr Blumen. Alles, was F. mir von seinen Reisen mitbringt. DMs, Anrufe, WhatsApps von meinen Freund*innen. Patisserie. Jeder Dur-Akkord bei Martinů. Wenn mich eine Quelle in irgendeinem obskuren Aufsatz überrascht. Archive! Bibliotheken! Mein Fahrrad. Der Königsplatz. Der alte Nordfriedhof. Alte Meister. Die Neue Sachlichkeit. Dicke Kerzen. Ringelsocken. Alleine sein zu können. Ein perfekt gedeckter Tisch. Alles, was mit Käse überbacken ist. Fragebögen, die „Dinge“ statt „Sachen“ sagen.

116. Hast du heute schon einmal nach den Wolken am Himmel geschaut?

Ja, aus F.s raumgroßem Dachfenster, aus meinem Küchenfenster und aus der Balkontür raus.

117. Welches Wort sagst du zu häufig?

ALTER! Echt jetzt? Come on! Achschnickschnack.

118. Stehst du gern im Mittelpunkt?

Mittelnein. Nur nach viel Sekt, Schaumwein, Schampus.

119. Wofür solltest du dir häufiger Zeit nehmen?

Weniger Serien gucken und weniger Alkohol trinken?

120. Sind Menschen von Natur aus gut?

Ich zitiere eine neue Bekanntschaft: Nein, aber sie sind zu Gutem fähig.

Tagebuch Montag, 4. März 2019 – Omis Geburtstag

Auf ein Briefing gewartet, am Exposé rumgepuschelt, Pizza gegessen. Mich abends über das Wiedersehen mit F. gefreut, der ein paar Tage weg war und mir natürlich etwas mitbrachte: ein Buch über Fritz Todt (mit diversen Autobahn-Quellen, die ich noch nicht kannte!) und einen Berg Macarons, an dem ich mich heute überfressen werde.

Irgendwann am frühen Nachmittag leichtsinnig einen Tweet in die Welt geschickt, der mir dann total entglitten ist. Lesen Sie selbst, wobei Sie sich zwischen diversen Antwortsträngen entscheiden können. (Happy birthday, Omi!)

Dann den kapitalen Fehler gemacht, eine HBO-Dokumentation zum Fall Michael Jackson zu schauen, die in der NYT sehr gut besprochen wurde – auch in Bezug auf den Reviewer, der selbst Fan war.

Michael Jackson Cast a Spell. ‘Leaving Neverland’ Breaks It.

„If the average cultural experience demands the suspension of disbelief, if we oughtn’t think too much about this movie we’re watching, this novel we’re reading, this magic trick being performed right before our eyes, if being entertained means setting aside skepticism, logic and possibly a sense of morality, then what a magic trick we had in Michael Jackson.

He lived in defiance of physics and race and gender, and we just kind of lived with that. We ate it up. Just the odyssey of his nose from bulb to nub seemed somehow like a people’s journey. For so long, so much about Michael Jackson won our awe, our pity, our bewilderment, our identification, our belief that he was a metaphor, an allegory, a beacon, a caveat — for, of, about America. You need to do a lot of looking at him to feel this way. You also need to do a lot of looking the other way.

But, eventually, all the suspension reaches a logical end. You run out of hooks to hang things on. There’s a moment in “Leaving Neverland,” Dan Reed’s documentary about Jackson’s alleged pedophilia, where I simply ran out of hooks.“

Die Michael-Jackson-Fans haben schon vor der Ausstrahlung zur Social-Media-Gegenwehr aufgerüstet.

Tagebuch Samstag/Sonntag, 2./3. März 2019 – Essen und schreiben (meine zwei liebsten Dinge)

Leckeres aus einem Blumenkohl angefertigt. Samstag gab’s Steak mit Tomatensalsa und Pesto.

Dieses Mal habe ich daran gedacht, beim Blumenkohl die Blätter mitzunehmen und nicht schon im Laden in die Tonne zu werfen, denn ich wollte ausprobieren, ob man daraus Pesto machen kann. Kann man, aber es sieht sehr hellgrün aus und schmeckt auch nur nach Pinienkernen. Ich warf noch etwas Petersilie dazu, aber geschmacklich hat sich nicht mehr viel verändert. Nächstes Mal werde ich die Blätter mal grillen oder in die knackeheiße Pfanne werfen und rösten, vielleicht kommt dann noch Geschmack aus ihnen heraus. Aber ich mochte es gern, mich etwas intensiver mit einem Produkt auseinanderzusetzen.

Das Steak habe ich in der Pfanne angebraten und dann im Ofen zuende geschmort. Nächstes Mal nehme ich nur die Pfanne und werde das Ding ordentlich mit Butter begießen, während es brät. Weil: Blumenkohl und Butter OMG so gut.

Die Salsa war die gleiche wie die von neulich, die an ein fleischiges Steak kam. Schmeckt auch mit Gemüse ganz hervorragend. (Schalotte, Knoblauch, Tomaten, Zitrone, Anchovis. Geht auch ohne Anchovis, die bringen aber ein schönes Salz mit.)

Am Sonntag verarbeitete ich dann den restlichen Kohlkopf: der Großteil wurde mit Wasser und Milch aufgekocht und zu Püree gestampft, einige Röschen wanderten mit Kartoffeln und Zwiebelachteln aufs Blech in den Ofen. Rest Pesto drauf, fertig. Beim letzten Gang in den Supermarkt nahm ich mir Veggie Wiener von veggie life mit und probierte sie, sowohl roh als auch in der Pfanne gebraten. Das Mundgefühl war grauenhaft, der Geschmack noch mehr, ganz gleich in welchem Zustand. Auf Instagram gab es wenige Tipps für ein fleischloses Wiener Würstchen, aber ich ahne, dass ich die weiter von Tieren essen möchte.

Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob das letzte Bild scharf ist – meine neue Brille strengt etwas mehr an als erwartet. Ich geb mir noch ein, zwei Tage, dann nerve ich die Optiker von nebenan.

Am Samstag abend traute ich mich, mein Exposé zur Dissertation wieder zu öffnen. Nach dem sehr motivierenden Gespräch mit dem Doktorvater am letzten Dienstag hatte ich es Mittwoch in einem Zug runtergeschrieben und war zufrieden. Und überrascht, dass ich es in einem Zug runterschreiben konnte, wo ich doch vorher monatelang rumgenöckelt hatte. Seitdem habe ich es nicht gewagt, die Datei wieder anzuklicken, aus Angst, kompletten Quatsch geschrieben zu haben.

Samstag abend war ich nach einem Gläschen Scheurebe aber anscheinend mutig genug, öffnete das Dokument, las die vier Seiten durch – und war immer noch zufrieden. Gestern verbesserte und ergänzte ich, machte ein paar der hingeschluderten Fußnoten ordentlich, muss aber immer noch genug nachschlagen, bevor ich es losschicke. Und natürlich fielen mir noch weitere Argumente für mein Vorhaben ein, so dass ich jetzt bei sechs Seiten bin. War ja klar.

Bei einer Fußnote musste ich ein bisschen wimmern: Der Rowohlt-Verlag zieht gerade um, weswegen es die wunderbare Literaturangabe „Reinbek bei Hamburg“ demnächst nicht mehr geben wird. Dann wohl nur noch langweilig „Hamburg“. Pffft. Keine Ahnung, warum ich ausgerechnet diesem Detail so hinterhertrauere, aber ich mochte das irgendwie. War halt immer eine besondere Angabe, nicht so banal „Frankfurt“ oder „München“, nee, was Kleines vor den Toren vom Großen. (Hier das Gemeckere vom Lektorgirl einfügen, das immer mit der blöden S-Bahn zum Kleinen fahren musste und abends wieder zurück ins Große und das sich sehr freut, das bald nicht mehr tun zu müssen.)

Man kann dem Verlag übrigens beim Umziehen zugucken. Instagram bricht mir das Herz.

1000 Fragen, 81 bis 100

(Ich paraphrasiere Christian: „Die Fragen stammen ursprünglich aus dem Flow-Magazin, Johanna von pink-e-pank.de hat daraus eine persönliche Blog-Challenge gemacht, und Beyhan von my-herzblut.com hat das PDF erstellt.“)

81. Was würdest du tun, wenn du fünf Jahre im Gefängnis sitzen müsstest?

Sehr viel schlechte Laune haben, nehme ich an. Hoffentlich in der Küche arbeiten und nicht in der Schneiderei. Die Gefängnisbibliothek leerlesen. Ein Fernstudium erledigen, Master in Philosophie oder so.

82. Was hat dich früher froh gemacht?

Bei Omi im grünen Sessel sitzen, lesen und Schokolade essen. Bis auf Omis Sessel mache ich das heute noch genauso.

83. In welchem Outfit gefällst du dir sehr?

Ich mag mein Opernoutfit aus schwarzer Hose und rubinroter Jacke gerne, auch wenn ich neulich in der Spiegelwand der Bayerischen Staatsoper festgestellt habe, dass ich damit Angela Merkel ähnele; die Jackenlänge dürfte auf den Zentimeter die gleiche sein. Da ich zuhause keinen Ganzkörperspiegel mehr habe, wusste ich das bisher nicht.

Ich mag mich ansonsten gerne in Jeans und Shirt, weil es bequem ist und ich mir keine Gedanken darüber machen muss, ob ich mir darin gefalle. Ich mache mir eigentlich um kaum weniger Gedanken als um meine Outfits.

84. Was liegt auf deinem Nachttisch?

Derzeit liegen da fünf Bücher, von denen ich zwei lese. Eins müsste mal wieder in die Bibliothek, die anderen könnte mal wer ins Regal zu den anderen Tsundokus räumen. Außerdem stehen da ein Lämpchen und ein Korb, in dem Kleinkram wie Labello, Taschentücher, Medikamente, Ohropax und ein Bleistift zum Rummalen in Büchern liegt. Abends liegt da zusätzlich noch mein Handy, während es auflädt.

85. Wie geduldig bist du?

Wenn ich auf Essen warte: gar nicht. Wenn ich auf den Bus warte: sehr, weil ich immer was zum Lesen dabeihabe. Wenn die neue Staffel Masterchef Australia anfängt: geht so. Spätestens ab 14 Uhr klicke ich wild im Interweb rum, ob irgendwo die Folge von gestern nacht liegt.

86. Wer ist dein gefallener Held?

Im privaten Umfeld geht euch das nichts an. Bei öffentlichen Figuren ist das Kevin Spacey. Dessen Arbeit verfolge ich bewundernd seit Jahrzehnten, und nun zu merken, dass er genauso ein Penner ist wie so viele andere, tat dann für mich überraschend mehr weh als ich dachte.

87. Gibt es Fotos auf deinem Mobiltelefon, mit denen du erpressbar wärst?

So ziemlich alle meine Fotos auf dem Handy finden sich auch auf Instagram, Twitter und im Blog, glaube ich. Daher: nö. (Und sag bitte nicht „Mobiltelefon“!)

88. Welcher deiner Freunde kennt dich am längsten?

Olli. Es werden jetzt 33 Jahre.

89. Meditierst du gern?

Ich meditiere nie. Ich kann aber prima bei Serien einschlafen, das ist auch super entspannend.

90. Wie baust du dich nach einem schlechten Tag wieder auf?

In eine Bibliothek fahren. In Gesellschaft viel trinken. An einer netten Schulter ausweinen. Dinge anschreien. Eskalastionsstufe: Dinge nach dem Anschreien rumwerfen (glücklicherweise schon sehr lange nicht mehr gemacht). Einfach ins Bett flüchten, Decke über den Kopf ziehen und an Hollywoodschnuckel denken. Kommt immer auf den Tag an.

91. Wie heißt dein Lieblingsbuch?

Ich habe kein Lieblingsbuch, sondern 100, aber ich erwähne einfach nochmal den Zweig und Battle Cry of Freedom, weil ich das hier im Blog NOCH NIE gemacht habe.

92. Mit wem kommunizierst du am häufigsten über WhatsApp?

Fast ausschließlich mit meiner Schwester und dem Lektorgirl.

93. Was sagst du häufiger: Ja oder Nein?

Ich hoffe ja, weil ich inzwischen gelernt habe, dass ich mich mehr über Dinge ärgere, die ich nicht gemacht habe als über die, die ich gemacht habe und damit vielleicht auf die Schnauze gefallen bin. Ist jetzt aber eine arg gestylte Antwort, wenn ich ehrlich bin. Könnt ihr euch mit einem Pastellhintergrund ausdrucken oder als Sinnbild auf Facebook kleben.

94. Gibt es Gerüchte über dich?

Keine Ahnung, ich googele mich seit mindestens zehn Jahren nicht mehr.

95. Was würdest du tun, wenn du nicht mehr arbeiten müsstest?

Meine Diss schneller fertigstellen. Öfter ins ZI gehen, ein irres Stichwort in die Suchmaske eingeben und blindlings die ersten fünf Bücher dazu aus dem Regal holen und lesen, weil ich Zeit dafür habe. Öfter wegfahren vielleicht. Aber generell kann ich im Moment mit meinem Leben gut leben.

96. Kannst du gut Auto fahren?

SELBSTVERSTÄNDLICH!

Ich habe seit … äh … *guckt im Blog nach* … 2013 kein Auto mehr und bin seitdem vielleicht noch fünfmal gefahren. Heißt: Mir fehlt total die Routine. Als ich diese noch hatte, meinte ich gut Auto fahren zu können, ja.

97. Ist es dir wichtig, dass dich die anderen nett finden?

Ich finde es nett, wenn mich Menschen nett finden, die ich auch nett finde. Rest ist mir egal. Kunden und Doktorväter sollen mich bitte kompetent finden.

98. Was hättest du in deinem Liebesleben gerne anders?

Ist klar, Fragebogen, netter Versuch.

99. Was unternimmst du am liebsten, wenn du abends ausgehst?

Essen und trinken, was denn sonst? Neuerdings gerne auch Theater und Konzerte. Aber danach auf jeden Fall essen und trinken.

100. Hast du jemals gegen ein Gesetz verstoßen?

Ich habe früher mal Kleinkram in Kneipen geklaut und vermutlich sehr oft die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit auf deutschen Straßen ignoriert. Heute bin ich brav und fahre nicht mal mehr mit dem Rad falschrum in Einbahnstraßen.

Ein idiotisches Dankeschön …

… an Anka, die mich mit Fjodor Dostojewskis Der Idiot überraschte. Von Dostojewski stehen schon Der Spieler, Schuld und Sühne (heute „Verbrechen und Strafe“) sowie Der Doppelgänger gelesen in meinem Regal – und Njetotschka Neswanowa, aber das habe ich noch nicht durch –, und daher wollte ich die Sammlung erweitern. Ich weiß nicht mehr, wie ich auf die Neuübersetzung einiger seiner Werke gestoßen bin, aber genau deshalb wollte ich keine alte Ausgabe haben oder mir das Ding umsonst auf den Kindle laden. Warum man Dostojewski neu übersetzt hat, erklären die Zeit (1995) und die FAZ (2003). Die Werke, die ich bereits besitze, möchte ich nicht noch einmal erwerben, aber mir fehlen ja noch die Brüder Karamasow sowie Die Dämonen, die beide noch auf der Löffelliste an zu lesenden Werken stehen.

Habe gerade beim Gang am Bücherregal entlang festgestellt, dass er der russische Schriftsteller aus dem 19. Jahrhundert mit den meisten Werken in meiner Sammlung ist. Von Tolstoi habe ich nur zwei gelesen (da immerhin Krieg und Frieden sowie Anna Karenina, und ihr solltet das auch tun, beides großartig, wenn ihr nur Zeit für ein dickes Buch habt, dann nehmt Krieg und Frieden und ignoriert bitte JEDE Frauenbeschreibung, die sind alle fürchterlich), von Gontscharow nur den herrlichen Oblomow und von Gogol nur die Petersburger Novellen. Da geht auch noch was! Aber jetzt erstmal wieder Dostojewski. Vielen Dank für das Geschenk, ich habe mich sehr gefreut.

Und über die Widmung habe ich sehr gelacht. Auch dafür danke.

Tagebuch Freitag, 1. März 2019 – Not today, motherfucker!

Gemeinsam aufgewacht. Und gemeinsam wieder weggedöst. Ähem. Der Mann kam trotzdem rechtzeitig zur Arbeit und ich hatte eh keinen Termin am Schreibtisch. Stattdessen daddelte ich ein bisschen in der Wohnung rum, irgendwas ist ja immer, bis sich ein Briefing ankündigte, auf das ich leider vergeblich wartete. Schade, den Job hätte ich gerne gleich gestern erledigt, denn am Montag wollte ich Punkt 9 im ZI sitzen, um die Lücken im Exposé zu füllen, die sich beim Schreiben auftaten. Also keine richtigen Wissenslücken, sondern eher Beleglücken. Ich konnte formulieren, was ich sagen wollte, wusste auch, wo die Belege zu finden waren, hatte sie aber schlicht nicht als perfekt formulierte Fußnote parat. So werde ich zwar Montag trotzdem um 9 im ZI sitzen, aber die ganze Zeit auf mein Mailfach schielen müssen, ob da ein Job wartet. Dann werde ich das Exposé zur Diss notgedrungen auch mal wieder öffnen müssen, was ich seit dem Schreiben am Mittwoch nicht mehr gemacht habe, aus Angst, nur Quatsch getippt zu haben.

Käsebrot zu Mittag, nicht richtig Appetit auf irgendwas, das Abendspiel in Augsburg lag mir etwas im Magen.

Um halb sechs auf den Weg zum Bahnhof gemacht, bockig ohne Deckentasche, weil ich keine Lust auf die Einlassschikane hatte, und bei sechs, sieben Grad müsste es auch nur mit Thermotights und Jeans auszuhalten sein, die letzten Tage waren ja warm gewesen.

Im Zug war schon ein bisschen Dortmunder Schwarzgelb zu sehen, aber nicht so üppig wie erwartet. Mir fiel zum ersten Mal auf, wie unterschiedlich gelaunt die beiden Fangruppen waren, die sich die Tram zur Arena teilten: Die Dortmunder waren sehr gut drauf und vorfreudig, die Augsburger ergeben eher so „Als 15. im Abstiegskampf gegen den Tabellenersten spielen, yay. Nicht“. Ohne Taschenschlange war ich in einer Minute durch die Kontrolle, auf den Klos war noch nichts los, auch das Anstehen, um die Fresskarte mit frischem Geld aufzuladen, hielt sich sehr in Grenzen. Nach dem obligatorischen FCA-Knacker („rote Bratwurst im Laugenspitz“, wie der Kiosk es formuliert) und einer Apfelschorle war ich fürs Spiel gerüstet. Eine richtig fiese Klatsche erwartete ich nicht, die holen wir uns ja lieber gegen gleichwertige Gegner wie beim ekligen 1:5 gegen Freiburg (fucking FREIBURG HERRGOTTNOCHMAL), aber dass wir verlieren, war ziemlich sicher. Ich tippte innerlich ein 2:2, weil ich halt nicht gegen den eigenen Verein tippe, auch wenn ich selbst nicht an das Ergebnis glaube.

Die Kurve machte Krach wie immer, der Gästeblock eh, Dortmund ist irre laut (Frankfurt auch), aber sobald der Kasper auf der Leinwand war, war auch von dort Ruhe, was ich immer sehr putzig finde. Wenn eine Marionette spricht, halten echt alle mal kurz die Klappe. Nie wirklich lange, weil die Holznase schwer zu verstehen ist (Dialekt, Lautstärke), aber immerhin. Auch beim Rundgang des Kids Club winkten wieder alle freundlich, wie sich das gehört, und ich mag das jedesmal wieder gerne.

Das Spiel selbst … ach, das sollen andere beschreiben. Es war kein herausragendes Spiel wie das Hinspiel in Dortmund, wo Augsburg erst in der letzten Minute der Nachspielzeit geschlagen wurde und bis dorthin, wenn ich mich richtig erinnere, ebenbürtig gewesen war. Es war eher das übliche giftige Spielzerstören des Gegners, was Augsburg halt als einziges halbwegs kann. Das sehe ich aber inzwischen wirklich gerne und habe deswegen sehr viel geklatscht und gebrüllt. Zwischendurch stand es unglaubliche 2:0 für Augsburg, wir riefen den Namen des Torschützen gleich zweimal in die Nacht, das einzige Gegentor war doof, aber nicht unerwartet, aber die letzten fünfzehn Minuten waren großartig.

Nicht nur die Kurve, sondern auch der Rest des Stadtions stand und schrie und klatschte die Mannschaft dazu, das Ergebnis verfickt nochmal zu halten. Und: Selbst die beiden obernervigen Pappköpfe hinter uns waren dabei. Die Herren sitzen sonst blasiert-humorig rum und kommentieren das ganze Spiel, jedes Spiel, je.des ver.damm.te Spiel ironisch und distanziert. Ich frage mich jedesmal, wieso sie überhaupt im Stadion sind, wenn ihnen das alles egal ist, das Sofa ist echt bequemer. Niederlagen werden spöttisch mit „Mei, Augschburg hoid“ kommentiert, Siege mit „Des war etzt Glück, gell“ (oder wie immer das in diesem seltsamen Augsburger Schwäbisch heißt, ich scheitere daran immer noch, sturmfest und erdverwachsen), die Jungs sind nie sauer oder euphorisch, sondern immer hübsch distanziert. Gestern nicht. Gestern standen sie wie alle anderen und brüllten in einer Tour.

Nach dem grandiosen 2:1-Endstand feierte das Stadion einfach weiter, was ich so zum ersten Mal miterleben konnte. Die Jungs gehen nach jedem Spiel in Richtung Kurve, klar, machen alle Mannschaften, aber dieses Mal saßen sie rum, Ji wurde persönlich beklatscht, dann wurde der Torwart Kobel auf den Zaun gerufen, der den Sieg noch mehr festgehalten hatte als die anderen, und Kurve und Tribüne klatschen und brüllten, ich habe heute schmerzende Hände und bin heiser und das muss so. Für dieses Spiel und diese Atmosphäre habe ich gefühlt 80 Grützkicks geguckt und auch das war in Ordnung. Aber dieser Sieg war unglaublich – und fühlte sich auch erst kurz vor Schluss gefährdet an, weswegen halt alle mithalfen, so gut es ging. Not today, motherfucker. Not today.

Wir waren erst um halb zwei zuhause, aber das war’s wert. Der arme F. musste heute früh aufstehen, weswegen wir getrennt schliefen. Ich konnte ausschlafen, weswegen der Blogeintrag viel zu spät online ist, aber den wollte ich gestern wirklich nicht vorformulieren. Und jetzt geh ich immer noch siegestrunken frühstücken. Mimosas für alle!

Tagebuch Donnerstag, 28. Februar 2019 – Offiziöses Zeug

Nach der anstrengenden Nachricht abends war ich gestern vormittag froh, nichts auf dem Schreibtisch zu haben. In die Decke gemummelt und gelesen.

Nachmittags einen Notartermin gehabt, eine Unterschrift geleistet, mich vom Herrn komisches Zeug fragen lassen, wieder nach Hause gefahren. Mich im Nachhinein geärgert, nicht das Rad genommen zu haben bei 18 Grad. Hatte aber keine Lust auf Spaziergang.

Einen Brief im Kasten gehabt, der mich sehr erleichtert hat. Ohne jetzt ins Detail zu gehen: Ich durfte vor einiger Zeit einen charmanten Kriminaloberkommissar kennenlernen, bin jetzt aber doch sehr froh, ihn hoffentlich nie wiederzusehen. Praxistipp: Gebt einfach nie eure Postnummer für die Packstation an irgendwen raus und postet sie bitte nicht in euer Blog.

Das Treibhaus ausgelesen und für viersternewürdig befunden. Was ich bei Goodreads schrieb: Es ist sehr anstrengend, die Beschreibung der Frauenfiguren zu ertragen, die entweder Deko, Staffage, nervige Ehefrau oder nur Brüste und Arsch sind – bis auf die verstorbene Ehefrau der Hauptfigur, die immerhin auch nicht zur Heiligen gemacht wird. Das ist natürlich nicht der Hauptzweck des Buchs, Frauenbeschreiben, aber darüber bin ich halt dauernd gestolpert.

Das Treibhaus ist 1953 erschienen, die Hauptfigur ist Abgeordneter des noch jungen Bundestags, es geht um die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, aber eigentlich geht es um die noch längst nicht bewältigte NS-Vergangenheit. Ich habe noch nicht viele Bücher gelesen, in denen es so stark spürbar war, dass der Verfasser beide Zeiten mitgemacht hat. Von der angeblichen Stunde Null ist hier nichts zu merken, und das fand ich für ein Buch aus den Fünfzigern schon sehr beachtlich.

Hier noch eine schöne Formulierung daraus.

Folgendes Zitat fand ich auch bemerkenswert, das tippe ich mal ab, das obenstehende hatte ich gestern für Instagram fotografiert:

„Sie kam aus Thüringen und war Mechanikerlehrling. Sie behauptete, Zeugnisse zu haben, daß sie Mechaniker sei und schon als Werkzeugmacher gearbeitet habe. Ihre Familie war mit Lena nach Berlin geflogen, und dann waren sie in den Bund geflogen worden und hatten lange in Lagern gelebt. Lena, der kleine Mechaniker, wollte seine Lehrzeit beenden, und dann wollte er als Werkzeugmacher viel Geld verdienen, und dann wollte er studieren und Ingenieur werden, wie man es ihm im Osten versprochen hatte, aber im Westen lachte man ihn aus und sagte ihm, die Drehbank sei nichts für Mädchen und das Studieren nichts für Arme.“ (S. 140)

Die maskuline Formulierung konterkariert so schön die Aussage, dass Lena hier in Bonn eben keine Ingenieurin werden kann. Fand ich spannend, dass die ungleichen Erwartungshaltungen an Frauen in West und Ost auch schon in den Fünfzigern bekannt waren; das ist mir erst bei der Lektüre des Trümmerfrauenbuchs klargeworden. Und ähnliches haben wir jetzt aktuell ja wieder mit dem Drecksparagrafen 219. In der DDR hatten Frauen es leichter abzutreiben. Diese verkackte Restauration geht mir so an die Substanz.

Erstmal was essen, das hilft ja wenigstens temporär.

Lecker Süppchen gekocht, dazu den Fliegenden Holländer gehört. Eine Folge West Wing, bin schon wieder in Staffel 4 angekommen, ein Gläschen Schaumwein für die Nerven, gemeinsam eingeschlafen.

Tagebuch Mittwoch, 27. Februar 2019 – Aber dann

Gemeinsam aufgewacht, bei Sonnenschein den Flat White am Schreibtisch eingenommen, um kurz vor 9 eine Jobanfrage reinbekommen, die ich ab 10 bearbeiten konnte.

Nach gut zwei Stunden war ich damit durch und holte mir Croissants vom Bäcker, quasi zum Brunch. Dazu gab es Pflaumenmarmelade meiner Schwester plus Butter aus meiner neuen französischen Butterdose, die mit der Wasserkühlung, die wirklich funktioniert: frische, streichfähige Butter ohne Kühlschrank. Ich bin begeistert. Weniger vom ollen Manufactum-Preis von 48 Euro, aber die war die einzig halbwegs hübsche, die ich finden konnte. Für diese Dose war ich zum ersten Mal bei Manufactum, dessen Katalog ich früher (TM) gerne gelesen habe, weil er so schön rumschmalzte. Heute geht er mir eher auf die Nerven, und ich summte die ganze Zeit, als ich durch den Laden ging, der mir sehr vollgestopft und provisorisch vorkam, nach der Fußballkurvenmelodie „Ihr seid nur zum Fressen hier“ in Richtung VIP-Tribünen (neudeutsch „Business Seats“) „Du bist nur ein Pop-up-Store“.

Nach dem Brunch sehr motiviert vom vorgestrigen Doktorvatergespräch an die Exposition gesetzt, denn das war meine Hausaufgabe: „Schreiben Sie mal auf, was Sie vorhaben, was Sie an der Idee spannend finden – irgendwas zwischen einer halben Seite und zehn Seiten. Das schicken Sie mir, ich gebe Feedback, und dann geht’s weiter.“ Ich weiß nicht, welcher Knoten sich beim Gespräch gelöst hatte, vielleicht war es auch schlicht das Vertrauen des erfahrenen Wissenschaftlers, der mir hektischem Huhn signalisieren konnte, dass meine Idee für eine Diss trägt und nicht nur für einen Aufsatz, aber zum ersten Mal seit über einem Jahr konnte ich in wenigen Stunden exakt formulieren, was der Anstoß zu meinen Überlegungen war, was ich schon geleistet habe, wo ich noch hinwill und wie ungefähr meine Arbeit aussehen wird. Nach monatelangem Rumhampeln auf diversen Schauplätzen habe ich schlüssig zusammengefasst, was ich vorhabe und warum das interessant und sinnvoll ist. Das hat sich außerordentlich gut angefühlt.

Dann lungerte ich eine Stunde vor den Michael-Cohen-Hearings rum und wollte das eigentlich alles gar nicht wissen, aber glücklicherweise musste ich gegen 19 Uhr in die Kammerspiele, wo F. und ich uns Yael Ronens Genesis anschauten. Ich knabberte die ersten zehn Minuten arg an der Publikumsreaktion, dann fand ich das Stück aber sehr gelungen, wobei ich das Ende mit den persönlichen Erfahrungserzählungen wieder etwas mau fand im Vergleich zu den vorhergegangenen anderthalb Stunden.

Ronen erarbeitet mit ihren Schauspieler*innen in gemeinschaftlicher Arbeit ein Skript, wenn ich das richtig verstanden habe. Die Grundidee ist da, aber der endgültige Text steht relativ spät fest. Dafür fand ich ihn gut bis sehr gut, manchmal ein bisschen zu viel Bühnendramatik (brüllende Kerle), und die Kostüme haben sich mir auch nicht erschlossen, aber wurst, Rest war fesselnd genug. Es ging, ganz grob, um die biblische Genesis und warum wir uns selbst einen so menschen- und lustfeindlichen Schöpfungsmythos ausgedacht haben. Gott war auch auf der Bühne, als Mann, woraufhin ein sich als schwul bezeichnender Schauspieler meinte, er wisse ja nicht, ob heute noch ein cis-Mann den Gott geben sollte, während eine Schauspielerin sagte, sie hätte auch gerne Gott gespielt, der trage immer so bequeme weite Gewänder, während sie hier schon wieder ihren nackten Arsch auf der Bühne zeigen müsse.

In diesem Stil entwickelte das Team ein teils persönliches, teils anklagendes, teils äußerst lustiges Spiel um eben diesen Mythos und erwähnte auch andere. Denn wie eine Schauspielerin meinte: Wenn wir uns den selbst ausgedacht haben, können wir ihn dann nicht ändern? Oder uns für einen anderen entscheiden? Woraufhin zwei Leute von japanischen und ägyptischen Mythen erzählten.

Mir persönlich gefiel die Geschichte mit Kain und Abel am besten. Denn nachdem die Truppe sich an Adam, Eva, Lilith und Gottes angeblichem Verhältnis mit einer sumerischen Fruchtbarkeitsgöttin abgearbeitet hat, tritt Kain hinzu und es gibt Dialoge wie: „Ich bin der erste Mensch, der zum Mörder wird.“ „Ich bin der erste Mensch, der nur zum Sterben geboren wurde.“ „Ich bin die erste Mutter, die ihr Kind begraben muss.“ „Ich bin der erste Vater, der einen Mörder aufgezogen hat.“

Mir gefiel außerdem das Bühnenbild, das sehr simpel aus einer Drehbühne bestand, über der ein schräger Spiegel angebracht war. Des Öfteren wurden auf die Bühnenfläche Gemälde (bei Kain ein Kupferstich) eingeblendet, in die sich die Spielenden einfügten, indem sie sich hinlegten. Gerade bei einer persönlichen Erzählung, als ein jüdischer Knabe alleine im Wald zu Gott finden soll, klappte das wunderbar. Eingeblendet war ein Bild eines Felsvorsprungs, und die zwei Spielenden positionierten sich so, dass es im Spiegel aussah, als würde einer mit baumelnden Beinen auf dem Vorsprung sitzen, während der andere versucht, an der kleinen Bergwand emporzuklettern. Guckt euch das doch einfach selbst mal an.

Wie üblich gingen wir nach dem Theater ins Blaue Haus und bestellten Bier, als meine Schwester sich per Whatsapp meldete, ich sie zurückrief und sie mir weniger gute Nachrichten übermittelte. Die hatte ich hier gestern vorformuliert, habe sie jetzt aber gelöscht, denn was hier nicht steht, wird auch nicht schlimm werden. Ich habe anscheinend gestern einen sehr kindlichen Glauben wiedergefunden.

Tagebuch Dienstag, 26. Februar 2019 – IT TOTALLY IS!

Gemeinsam aufgewacht. Damit haben Tage ja eigentlich immer schon gewonnen.

Ich freue mich immer noch darüber, dass ich mich nach fast vier Jahren immer noch darüber freue. Weil wir nicht zusammenwohnen, ist das immer wieder etwas Besonderes, gemeinsam aufzuwachen. Jaja, Hashtag Hach und so, schon klar, Hormone, Frühling, jaja. Frühling weil: Gestern saß schon wieder halb München vor den Cafés. Ich habe beim Vorbeigehen abends um halb acht extra auf die Wetteranzeige auf dem Handy geguckt: 11 Grad. Total Frühling!

Erzählt mir das Freitag abend im Stadion bitte nochmal, wenn ich meckere, dass ich meine Decke nicht dabei habe.

Nach dem Duschen den Herrn zur Tür begleitet, perfekten Milchschaum produziert und Flat White (jetzt wirklich mal einer und keinen Cappuccino) genossen, während ich den gestrigen Blogeintrag publizierte. Kleiner Kaffeetipp mit nachträglichem Dank an die freundlichen Schenkenden: der Münchner Espresso vom Emilo. Auf der Website sprechen sie von „mittelkräftigem Geschmack“ und vermutlich habe ich bisher nur Memmenkäffchen gehabt, denn ich finde den sehr ausdrucksstark. Gerne wieder!

Einen Job erledigt, ein Buch abgeholt, eingekauft, an der Kasse ein Schwätzchen vom Vormann mitgehört und nett gefunden, Entschuldigung für die Verzögerung abgewehrt, wir haben Zeit, alles gut. Nutellabrot zum Mittagessen (das Beste am Erwachsensein).

Dann langsam auf das nachmittägliche Gespräch mit dem Doktorvater vorbereitet. Notiert, was ich ihm alles erzählen wollte und wo ich noch Fragen habe, ein paar bearbeitete Bilder aus dem Nachlass ins Dock geworfen, damit ich sie nicht ewig aus 600 Dateien raussuchen muss, kurze Exposition formuliert, wo ich jetzt eigentlich hinwill und ob das schon reicht. Ich glaubte nämlich, dass das noch nicht reicht, und deswegen wollte ich mal wieder mit Papi sprechen, denn der Mann hat immer viele gute Ideen.

Ich war wie immer zu früh im ZI, las noch ein bisschen im Treibhaus rum, bis es Punkt 16 Uhr war und klopfte dann an die entsprechende Bürotür. Natürlich war der Termin vor mir noch nicht fertig, mein schnuffiger chaotischer Vati, und während wir sprachen, kamen drei Leute rein, die Kaffee oder Infos brauchten, unter anderem eine Dame, bei der ich an der Uni mein erstes Seminar zum Thema „Kunst während der NS-Zeit“ hatte, das sie damals als frische Doktorin mit meinem Doktorvater zusammen gegeben hatte. Sie sah meinen Protzen-Ordner auf dem Macbook und meinte, sie interessiere sich für dessen Frau, woraufhin ich erzählen konnte, dass im Nachlass in Nürnberg Skizzenbücher von ihr wären, aber nicht so irre tolle. Wenn ich noch auf Dinge stoße, möge ich sie ihr bitte weiterleiten. Logisch!

Dann erzählte ich Papi nochmal vom Ende meiner Grossberg-Ambitionen – das hatte ich natürlich schon per Mail mit ihm besprochen –, wir bedauerten das beide kurz, und dann begann ich aufzuzählen, was ich alles zu Protzen gemacht hatte, zeigte meine Fotos vom Nachlass, wies auf ein paar Bilder hin, die ich spannend fand, führte ein paar Überlegungen dazu aus und kam irgendwann auf meine Forschungsfrage, von der ich, wie eben angedeutet, der Meinung war, die würde noch nicht reichen. Woraufhin ich diesen typischen Etablierter-Wissenschaftler-vs-Nullchecker-Studi-Blick abbekam, dieses: „Kind. Was denn noch?“

O-Ton: „Sie sind schlau, Sie haben schon viel gemacht, Sie wissen anscheinend, was Sie tun, Sie haben eine spannende Frage und wissen auch, wo Sie hinwollen.“

Ich so: „…“

Er so: „Fangen Sie an zu schreiben.“

Ich so: „…“

Er so: *nippt am Kaffee*

Ich so: „ABER ICH HAB DOCH DIES NOCH NICHT UND DAS NOCH NICHT UND IN DEM ARCHIV WAR ICH AUCH NOCH NICHT UND …“

Er so: „Lücken schließt man am besten beim Schreiben. Fangen Sie an.“

Und das war dann das. Ich schreibe dann jetzt anscheinend meine Doktorarbeit. Ich dachte, ich hätte noch mindestens ein Jahr Zeit, mir Gedanken darüber zu machen, ob Word wirklich eine gute Idee ist oder ob ich noch LaTeX verstehen sollte, aber das mache ich dann anscheinend auch unterwegs.

Direkt nach dem Termin war ich ein Mittelding zwischen Grinsekatze und Panikhäschen, denn auf einmal fühlte sich die Diss eben nicht mehr wie ein exzentrisches Hobby an, als die ich sie hier im Blog gerne bezeichne, sondern zum ersten Mal wirklich wie ein fassbares Dokument, das ich erstellen werde. Ich musste mir eingestehen, dass ich zwischenzeitig schon daran gedacht hatte, den Kram hinzuwerfen und nur noch aus Spaß ins ZI zu gehen, weil ich schlicht nicht wusste, ob meine Frage irgendwen weiterbringt. Aber anscheinend kratze ich da an ein paar Stellen der Kunstgeschichte rum, wo eben noch keiner gekratzt hat und mehr will ich ja gar nicht.

Mein Doktorvater meinte zu meiner These, dass es vermutlich einige Leute geben werde, die nicht meiner Meinung seien, aber das ist mir ganz recht. Kein Mensch braucht die nächste Diss, die drei Leute überfliegen, müde abnicken, ja passt, thank you, next.

(Das Gefühl jetzt beim Aufschreiben des Gesprächs ist dasselbe wie direkt nach dem Termin: 50/50 „What the fuck“ und „Yay, SCHREIBEN, SCHREIBEN KANN ICH!“)

Ich ließ mich nach der für mich sehr unerwarteten Ansage von der U-Bahn nach Hause bringen, schrieb F. natürlich erstmal eine DM und atmete dabei geistig weiter in eine Papiertüte. Zuhause angekommen, fand ich die Nebenkostenabrechnung des letzten Jahres im Briefkasten.

Sie erinnern sich vielleicht an den Wasserfall aus dem offenen Ventil der Badewanne, den ich beim Renovieren der alten Wohnung produziert hatte, weswegen ich seitdem auf eine irrwitzig hohe Nachzahlung warte?

Das musste alles gefeiert werden und so kehrten F. und ich in unseren geliebten Georgenhof ein. Der baut gerade seine Küche um, weswegen dort, wo im Sommer der Biergarten vor dem Gebäude ist, jetzt ein, laut Schild, „Küchencontainer“ steht, aus dem auch längst nicht die ganze Speisekarte kommt, sondern nur ein Bruchteil des üblichen Programms. Aber: Schnitzel gibt’s immer und darauf hatte ich Lust und dann gab’s noch ein paar Helle und wir fielen gemeinsam ins Bett.

Tagebuch Montag, 25. Februar 2019 – Eine Ausstellung, zwei(hundert) Meinungen

Einem Kunden einen Job um kurz nach 9 in die Mailbox geschoben und mich dann in die Bibliothek abgemeldet. Bis nachmittags saß ich glücklich im ZI. Also glücklich, weil ZI, aber gleichzeitig stirnrunzelnd, weil herausfordernde Literatur.

Abends noch gearbeitet, die sonntägliche Folge Kitchen Impossible im Schnelldurchlauf geguckt und dementsprechend sofort Kartoffelpüree zubereitet. Allerdings nur einmal durchs Sieb gestrichen und mit weitaus weniger Butter. Aber die Maßeinheit „anderthalb Kilo Butter auf zwei Kilo Kartoffeln“ werde ich irgendwann mal nachbasteln. Das muss so großartig sein.

Aber zurück ins ZI, wo ich erstmal total mitleidig war, wie immer, wenn ich an diesem Schild vorbeigehe, das unten im Keller des ehemaligen NS-Baus hängt, wo jetzt alle Kunstzeitschriften dieser Welt stehen:

Dieses Schild sagt mir, dass Bücher ganz schlimm leiden, sie sind so belastet, dass ihnen sogar die Regale etwas abnehmen müssen. Noch ein Grund mehr, sie immer zu umarmen, wenn man sie durch die Gegend schleppt.

Ich beschäftige mich gerade mit der ersten bundesweiten Ausstellung von systemkonformer NS-Kunst in der Bundesrepublik, die 1974 im Kunstverein Frankfurt stattfand (und die keinen Wikipedia-Eintrag hat!). Den Katalog kann ich quasi auswendig, aber jetzt wollte ich mich ein bisschen mit der Rezeption der Schau befassen. Ich fand erstmal zwei Rezensionen in Kunstfachzeitschriften (nicht Tageszeitungen oder Magazinen), die unterschiedlicher nicht sein konnten und stöberte dann in einem Band, der von den Ausstellungsmachern selbst herausgegeben wurde: Reaktionen. Darin ein irrwitzig dicker Pressespiegel aus eben Tageszeitungen und Magazinen sowie die Auswertung von Fragebögen, die die Besucher*innen ausfüllen konnten, mit Fragen wie „Was soll diese Austellung? Wie fanden Sie das alles? Möchten Sie uns noch was sagen?“ Auch einige Seiten der Wandzeitung (aka des Gästebuchs) waren abgedruckt, und die waren wie alle Seiten von allen Gästebüchern: wie Internetkommentare, nur noch schlechter lesbar, weil handschriftlich.

Ich fand es spannend, wie oft auf dem Thema „ABER WAS IST MIT DER GANZEN LINKEN KUNST?“ rumgeritten wurde. Ich bin mir nicht sicher, wie groß das Wissen des durchschnittlichen Bundesdeutschen 1974 in Bezug auf DDR-Kunst war, aber anscheinend waren sehr viele Menschen der Meinung, der sozialistische Realismus wäre genauso schlimm wie der Nazikram, wenn nicht noch schlimmer. Sinngemäßes Zitat: „Rechts- und Linksfaschismus unterscheiden sich nicht.“ Ich weiß nicht mal, wo ich anfangen soll, den Satz politisch und kunsthistorisch aufzudröseln.

Vieles las sich wie jede Twitterdiskussion, wenn irgendjemand etwas Sexistisches anprangerte: ABER WAS IST MIT FRAUEN, DIE MÄNNER SCHLAGEN? VÄTER HABEN KEINE RECHTE! KÜMMERT EUCH LIEBER MAL UM WITWENVERBRENNUNG IN INDIEN! Ernsthaft. Ich dachte, Whataboutism wäre eine Erfindung von Social Media, aber nein, den gab es schon in Wandzeitungen der 1970er Jahre.

Mich überraschte auch die Vehemenz dieses Urteils. Wir hatten gerade eine sozialliberale Koalition, einen sozialdemokratischen Bundeskanzler, die Ostverträge. Dass der Feind immer noch eher rot als braun war, verwunderte mich doch etwas. Ich ahne langsam, warum die zahlenmäßig recht kleine RAF gefühlt weitaus stärker bekämpft wurde als die ganzen rechten Netzwerke, die sich nach 1945 wieder oder neu etablierten – und deren Bodensatz wir bei diversen Landtagswahlen seit den 1950er Jahren und jetzt sogar bundesweit parlamentarisch spüren.


Foto aus dem Handgelenk für F., um ihn zu informieren, was ich gerade mache.

(Ziegler, Saliger)

Die beiden oben angesprochenen fachlichen Rezensionen lasen sich etwas gefasster, aber auch da knurrte ich ab und zu. Manfred Schlösser fand in das kunstwerk 1 (1975) die Ausstellung problematisch und fragte sich: Wenn sie doch nicht begeistern, sondern informieren und aufklären wollte, hätten dann nicht auch Fotos der Werke gereicht? Mussten da echt die Originale hängen? Und ich so: Manfred, Hase: Reicht dir ein Foto der Mona Lisa nicht auch? Musst du dafür extra nach Paris fahren? Ne Postkartenabbildung ist doch genauso informativ. Womit ich jetzt auf keinen Fall irgendwen in der Ausstellung mit Leonardo gleichsetzen will, aber bei dem Argument wollte ich den Mann gut 40 Jahre zu spät noch liebevoll schütteln.

Dann meinte er noch, der Katalog und die Wandtexte seien so gut, das könne man jetzt so lassen, es „besteht schon fast kein Anlaß mehr, nazistische Kunstübungen eines Tages ernsthaft in kunsthistorischen Seminaren behandeln zu lassen.“ Klingt sinnvoll, wir überspringen einfach zwölf Jahre, da war ja nix. Machen wir in Geschichte ab sofort auch so.

Der Abschluss war dann die oben schon angesprochene Gleichsetzung von systemkonformer NS-Kunst mit dem sozialistischen Realismus und ich regte mich wieder sinnlos auf: „Mit der Weihe der Wissenschaft einerseits und fanatischem Beifall der Vertreter einer andern [sic!] staatlich verordneten Kunstübung ließe sich im Zeichen eines erstarkenden Neorealismus durchaus auch eine Einkehr dieser wie sozialistischer Scheußlichkeiten in Museen denken, die ihre einzige Aufgabe in der Dokumentation verschiedener Zeitläufte sehen.“ Dokumentation, genau. Weil die NS-Künstler mit ihren Bauernbildern ja Berlin 1941 abgebildet haben. Und die DDR-Maler*innen die Bückwarenschlangen. Hast du dir die Bilder eigentlich angeguckt, die da hingen? Oder irgendeine Ausstellung in Leipzig oder Dresden? Und was ist überhaupt gegen Neorealismus einzuwenden?

*schnauf*

Auf Kritik gegenüber realistischen Abbildungen war ich schon in Bezug auf Kiefer und Lüpertz gestoßen – das war durchaus ein großes Thema in der Kunst, gerade weil die letzte realistische Darstellungsweise vor der Bundesrepublik eben der NS-Staat war. Danach wurde brav abstrakt gemalt, um bloß keine ästhetische Nähe aufkommen zu lassen. Die DDR-Kunstgeschichte hat sich das etwas einfacher gemacht und behauptet, der sozialistische Realismus mit seinen Arbeiterdarstellungen wäre was ganz anderes, wir sind ja die antifaschistischen Guten und deswegen kann das keine Propaganda sein. (Sehr überspitzt formuliert.)

Ich will jetzt weder das NS-Regime noch die DDR-Diktatur schönreden und auch nicht die Tatsache, dass Kunst in beiden Systemen eine politische Funktion hatte, aber können wir bitte mal auf dem Teppich bleiben? Das tat netterweise die andere Rezension von Werner Jehle in den schweizerischen Kunstnachrichten 3 (1975). Er erwähnte dankenswerterweise die Filme, die zur Zeit des „Dritten Reichs“ gedreht wurden und mit denen man sich bereits in den 1960er Jahren wissenschaftlich auseinandergesetzt hatte – ohne große Diskussion in den Medien. Aber Bilder und Plastiken waren anscheinend ein anderer Schnack. Über weitere Kunstgattungen neben meinen hatte ich noch gar nicht intensiv nachgedacht, aber seit gestern frage ich mich schon, wieso man den Bauern- und Blumenbildern aus dem Haus der Deutschen Kunst ein so gefährliches Potenzial nachsagte, den ganzen Rühmannfilmen und Leanderschlagern aber nicht, obwohl die genau wie die idealisierten Abbildungen und Plastiken vom Weltkriegsgeschehen ablenken sollten.

Jehle wies auch auf die untragbare Gleichsetzung von Systemkunst und sozialistischem Realismus hin, nutzte aber ein Argument, bei dem ich mir nicht so sicher bin: Er meinte, der Sozialismus hätte schließlich unter dem Faschismus am meisten zu leiden gehabt, und dazu würde ich jetzt gerne mal eine jüdische Stimme hören. Er wunderte sich dann über die Demonstrationen und Proteste im Vorfeld der Ausstellung (darüber ist auch in Reaktionen einiges zu lesen) und zitierte Mit-Kurator Berthold Hinz, den Autor eines Standardwerks über das NS-Kunstsystem (mit dem ich manchmal hadere): „[Hinz] wunderte sich, dass man […] hingegen nichts unternommen hätte gegen die pseudo-kritischen Produkte des Gruner-und-Jahr-Verlags, die das Dritte Reich auf Illustrierten-Niveau abhandelten, und die Hitlerbiographie von Fest, die den Faschismus einem einzelnen überantwortete.“

Und Jehle hat ein schönes Argument zu Ausstellung und wissenschaftlicher Beschäftigung mit dieser Kunst: „Die ästhetischen Produkte der NS-Zeit bewusst ausklammern aus der Historie kann einer nur, wenn er die Verbrechen der NS-Zeit als einmaligen Betriebsunfall der Geschichte betrachtet und nicht als Folge einer auf ganz spezifischen ökonomischen und weltanschaulichen Voraussetzungen beruhenden Politik.“

Tagebuch Sonntag, 24. Februar 2019 – Coffee for fifty

Gegen fünf wach geworden, genau wie der Herr neben mir. Gemeinsam ein Stündchen gelesen, dann wieder eingeschlafen. Erst um halb zehn wieder wach gewesen, der Herr neben mir eine halbe Stunde früher. Noch einen Hauch rumgelungert, aber dann rief der Tag, der olle Schreihals.

Ein bisschen gearbeitet, weil ich mit dem Job am Freitag noch nicht so glücklich war. Jetzt schon.

Auf dem Weg vom Arbeitszimmer ins Bad und umgekehrt immer den Kopf zur Küchentür reingesteckt, um zu überprüfen, ob noch alles hübsch ist und wie sich das Licht verändert. Bin seit gestern abend der Meinung, da müsste noch ein drittes Bild neben die zwei. Ich hätte nie mit diesem visuellen Studium anfangen dürfen.

Am Samstag wurde Goodreads auf Twitter erwähnt, wo ich schon ewig nicht mehr war. Jetzt bin ich aber doch wieder neugierig geworden, mal sehen, wie lange das so bleibt.

In ein paar Wochen erwarte ich einige wenige Menschen zu einem kleinen Umtrunk, genauer gesagt, 25, eventuell 27. Das sind zehn bis fünfzehn mehr als ich erwartet hatte, weswegen ich seit einigen Tagen Dinge googele wie „Kochen für Partygäste“ und meine Mutter nach schlimmen Salatrezepten aus den 70ern frage, weil die garantiert schneller zusammenzubauen sind als Ottolenghi. Ich erinnere mich an einen Salat, obwohl ich ihn eigentlich nicht so nennen will, den ich als Kind immer gern gegessen habe; ich glaube, er bestand so gut wie vollständig aus Silberzwiebeln, Gürkchen, Fleischwurst und einer fiesen Barbecuesauce von Aldi. Ein echter Gaumenschmaus also. Der wird gnadenlos gemacht.

Ansonsten werde ich einfach meine zehn Lieblingsrezepte aus dem Blog verdreifachen und mir von allen Nachbarn im Haus Schüsseln leihen, damit das auch alles irgendwo reinpasst.

Gestern ging ich am Kochbuchregal entlang, wo mir ein altes Buch in die Hände fiel, das meine Mutter mal von einer amerikanischen Nachbarin geschenkt bekam, bevor diese Familie wieder in die USA zurückreiste. Es ist, soweit ich weiß, ein Klassiker der amerikanischen Kochbuchgeschichte: Fannie Farmers Boston Cooking School Cookbook. Es wurde 1896 zum ersten Mal aufgelegt, meine Ausgabe ist von 1978. Hier ein Nachruf auf die 1915 verstorbene Köchin aus der NYT.

Ich habe aus dem Buch noch nie etwas gekocht, aber öfter darin gelesen. Daher erinnerte ich mich, dass dort auch große Mengen verarbeitet wurden. Meine Lieblingsseite ist diese hier, wo man entspannt lernt, wie man 100 Leute verköstigt:

Das teile ich durch vier und dann kriegen alle meine Gäste einfach Fleisch mit Kartoffeln, Erbsen und Sahne, fertig. Apfelmus für die Vegetarier*innen.

Ich habe mir das Kapitel zu Kaffee noch einmal durchgelesen und festgestellt, dass es der ganzen Third-Wave-Aufmerksamkeit recht nahe kommt, zumindest was den Respekt vor dem Produkt und die Zubereitung angeht:

„Try different blends to learn which type you like best. Change once in a while, too. […] Buy fresh-roasted coffee in small quantities for the finest flavor. Buy it in the bean or ground according to the way you make it. Some shops sell excellent coffee at a very low price as a special feature, but inexpensive coffee is not always an economy since you may need to use more of it to make coffee as strong as you like it.“ (S. 32.)

Na gut, sie hat auch nichts gegen Instant-Kaffee, aber der Rat, ganze Bohnen zu kaufen und auf Sorten zu achten, hat mich doch überrascht. In meinem Kopf sind die 60er und 70er Jahre die Convenience-Jahre, wo bewusst verstärkt auf bequeme Produkte zurückgegriffen wurde.

Farmer gibt dann noch den Tipp, Kaffeezubereiter nicht mit Seife auszuwaschen, sondern mit Baking Soda „so there will be no trace of soap to spoil the fine coffee flavor. If the water in your area has a definite taste due to minerals in it, you may prefer to use bottled spring water.“ (S. 32.) Auch ein Tipp, den ich eher ins Zeitalter von Evian und Contrex verortet hätte. Für das Aufgießen möchte sie aber kochendes Wasser, was bei alles Kaffeefans Entsetzensschreie hervorrufen wird; beim Deutschen Kaffeeverband übrigens auch.

Was ich dann auch lustig fand: ihr Rezept für Coffee for fifty. Ich habe das Buch mal bewusst auf mein Notizbuch gelegt, das auf einem weißen Tisch liegt. Es ist halt alt.

Wenn man das Aufkochen am Ende ignoriert, hat man hier ein wunderbares Rezept für Cold Brew, mein sommerliches Lieblingsgetränk. So hip, die Fannie!

Do Not Disturb: How I Ditched My Phone and Unbroke My Brain

Ja, schon wieder ein Artikel über Digital Detox, aber den hier fand ich bemerkenswert einsichtig und gleichzeitig in seinen Lösungsvorschlägen gut. Bis auf die Idee, das Smartphone nicht mehr im Schlafzimmer zu laden – wenn ich das nicht tue, muss ich mir ernsthaft wieder einen Wecker kaufen.

Ich mochte an dem Artikel auch, dass tech columnist Kevin Roose zwar sagt, dass er aus beruflichen Gründen dauernd zum Handy greift, ihm aber durchaus klar ist, dass es auch unterhaltende Gründe hat. Er formuliert das nach seinem halben Entzug so:

„Isn’t it my job to know when news happens? Won’t I be neglecting my duties if it takes me an extra hour to learn that Jeff Bezos is getting divorced, or another YouTuber did something racist? […]

I liked having a constant stream of news at my fingertips, and I wanted to do more of the things I actually like about social media, like keeping tabs on my friends’ babies and maintaining ambient Kardashian awareness.“

„Ambient Kardashian awareness“ brauche ich zwar nicht, aber ich mochte die Aussage, dass man auch kompletten Quatsch online anguckt, weil’s halt Spaß macht. Ich sehe mir gerne anderer Leute Inneneinrichtung an, folge vielen Museen, weil ich da Werke zu sehen bekomme, die ich sonst eher nicht sehe, und nein, es kann nie genug Katzenvideos im Internet geben.

Nochmal Roose mit einem Lösungsvorschlag für übermäßige Handynutzung, den er von der Catherine Price, Autorin des Buchs How to Break Up With Your Phone, erhielt und den ich seitdem im Hinterkopf habe (die Fragen, nicht das Gummiband):

„Catherine encouraged me to set up mental speed bumps so that I would be forced to think for a second before engaging with my phone. I put a rubber band around the device, for example, and changed my lock screen to one that showed three questions to ask myself every time I unlocked my phone: “What for? Why now? What else?”

For the rest of the week, I became acutely aware of the bizarre phone habits I’d developed. I noticed that I reach for my phone every time I brush my teeth or step outside the front door of my apartment building, and that, for some pathological reason, I always check my email during the three-second window between when I insert my credit card into a chip reader at a store and when the card is accepted.

Mostly, I became aware of how profoundly uncomfortable I am with stillness. For years, I’ve used my phone every time I’ve had a spare moment in an elevator or a boring meeting. I listen to podcasts and write emails on the subway. I watch YouTube videos while folding laundry. I even use an app to pretend to meditate.“

Und mir ist, genau wie Roose, klar, dass jeder Artikel über bewusst verringerte Handynutzung genauso nervt wie die Appelle, weniger Fleisch zu essen und mehr Öffis zu nutzen. Obwohl die gar nicht nerven sollten, weil es sinnvolle Vorschläge sind, aber die hören wie ja manchmal nicht so gerne.

„Sadly, there is no way to talk about the benefits of digital disconnection without sounding like a Goop subscriber or a neo-Luddite. Performative wellness is obnoxious, as is reflexive technophobia.“

Leseempfehlung.

Geheimnis der Bilder

Das ZDF kooperiert mit einigen Museen und zeigt Werke aus deren Sammlungen mit kurzen Erklärungen. Ich bin noch nicht ganz überzeugt, aber macht mal.

Hier ein kurzes Video zur Hamburger Kunsthalle, hier das Städel in Frankfurt, dessen wenige ausgewählte Werke auch schon online sind (immerhin ein Leibl dabei). Ich freue mich immer noch über die nun bunten Wände in der Kunsthalle. So viel besser als vor der Renovierung. #hach

Tagebuch Samstag, 23. Februar 2019 – Frisch gestrichen

Die Küche war trotz neuer Lampe weiterhin mein Sorgenkind. Wenn man zur Tür reinkommt, ist linkerhand die weiße Küchenzeile, die die gesamte Raumbreite einnimmt und an deren widersinniger Anordnung ich leider nichts machen kann. Beispiel: einzige wirklich große Arbeitsfläche – ganz rechts direkt am Fenster. Einzige Besteckschublade – ganz links direkt an der Tür, weswegen mein Besteck jetzt offen in einem Korb aufrecht an der Arbeitsfläche steht anstatt brav versteckt in der Schublade zu liegen, denn sonst werde ich beim Vorbereiten von jeder Mahlzeit wahnsinnig.

Klingt oben schon an, direkt gegenüber der Tür sind zwei Fenster, die rechte Wand ist bis auf die Heizung in der rechten Ecke leer und bisher steht an ihr nur mein großer Edelstahl-Kühlschrank. Einige Wochen stand hier noch ein schwarzes Kallax aufrecht, aber das liegt inzwischen waagerecht, was mir weitaus besser gefällt, auch wenn ich an einige Fächer jetzt nur noch mit Mühe rankomme; in denen liegen aber eh nur Teller, die ich nur benutze, wenn wirklich alle anderen dreckig sind (also nie) oder Küchengeräte, für die ich zu faul bin, auf die Leiter zu klettern, um sie vom Flurschrank zu holen, weil ich sie doch etwas häufiger nutze, die aber auch nicht rumstehen sollen (Mixer, Toaster). Vor dem Kallax steht der schwarze Esstisch mit Stühlen, daher die Mühe, an einige Fächer zu kommen.

An der Wand rechts neben der Tür steht meine Edelstahlablage mit schwarzen Schubladen, die ich auch schon in der alten Wohnung hatte, darüber ist ein schwarzes Regalbrett, auf dem Tee und Kaffee in grauen Boxen lagern.

Das Sorgenkind war vor allem die Kallaxwand. Sie wirkte immer undefiniert, Heizung und Kühlschrank waren zwar optische Grenzpfosten, aber die Mitte faserte irgendwie aus und das aufrechte Kallax verstärkte eher die Leere, weil ich plötzlich gefühlt drei Dinge an der Wand hatte, die den Blick auf sich zogen, die aber nirgends angedockt waren, alles stand einfach so rum. Ich dachte darüber nach, den Tisch weiter in den Raum zu ziehen, aber das machte alles noch mehr zu Inseln, dann dachte ich an viele Bilder an der Wand, ahnte aber, dass das ebenso unruhig sein würde und keinen Bezug zum Kallax herstellen würde. Auch ein einzelner großer Kunstdruck, den ich probehalber mal aufs Kallax stellte, war unbefriedigend, und schließlich war ich bei Farbe, um der Wand einen geschlossenen Eindruck zu geben.

Die Küche war weiß geblieben, auch weil alle anderen Räume außer Flur und Bad mit grau, dunkelgrau und blau sehr kräftigfarbig sind. Eigentlich wollte ich keine zwei Räume in der gleichen Farbe haben (ich höre meinen alten Kunstlehrer: „Weiß ist keine Farbe, es ist die Abwesenheit jeder Farbe.“) und dachte daher an: schwarz. Nur eine Wand. Nur die doofe Wand. In der Küche liegt graues Laminat von der Vormieterin, das ist nicht superhübsch, aber hübsch genug und immer noch besser als das 80er-Jahre-quietschblau, was darunter wäre. Küchenzeile ist wie gesagt weiß, Licht hab ich jetzt auch – wieso keine schwarze Wand?

Auf Instagram folge ich diversen Einrichtungsfuzzis und -fuzzinen, Farb- und Möbelfirmen, und so sah ich mir in den letzten Wochen sehr viele schwarze Wände an. Ich hätte lieber helle Möbel für einen Kontrast gehabt, aber das ist jetzt nicht drin, und irgendwie mag ich das ganze Schwarz in der Küche auch (findet sich sonst nirgends in der Wohnung). Ich traute mir auch durchaus zu, eine komplett dunkle Küche ohne Kontraste schick zu finden – bis mir auffiel, dass ich dann vermutlich noch drei Lampen andübeln müsste, denn das Licht jetzt reicht gerade gut aus. Bei einer so dunklen Wand sehr wahrscheinlich aber nicht mehr.

Ich grübelte sinnlos hin und her, bis mir einfiel, dass ich noch Farbreste vom Grau aus der Bibliothek im Keller hatte. Und trotz der Farbgleichhheit dachte ich mir, egal, ich streiche die Wand jetzt erstmal grau, und wenn mir das noch zu hell ist, kann ich immer noch Schwarz drüberdengeln. (Ich weiß nie, wann Farben klein und wann groß geschrieben werden, dieser Absatz ist nach Gefühl getextet. Ja, dafür gehören mir die Ohren langgezogen, ich weiß. In jedem meiner Autokataloge wusste ich bei den Lackfarben, dass das Lektorat mal wieder den Rotstift leerkorrigieren würde.)

Lange Vorrede, kurzer Sinn: In 30 Minuten waren gestern der Kühlschrank, der überraschend leicht war, verschoben, das Edelstahlding leergeräumt und ebenfalls verschoben, Kallax und die Kaffeeboxen vom Regal ins Nachbarzimmer gezerrt, das Regal mit Zeitungspapier abgeklebt, genau wie die Heizung, und die Fläche rund um die Spüle weiträumig leergeräumt, weil ich da ja später Pinsel und Rolle ausspülen musste, wobei ich aus Erfahrung gerne rumspritze.

Ich holte alte Klamotten, Abdeckmatte, Farben und Arbeitsmittel aus dem Keller, saugte nochmal alles brav aus, klebte dann die Wand ab und strich mit Weiß vor. Das ließ ich ein Stündchen trocknen, strich dann die Kanten mit Grau nach und füllte die Fläche gleich zweimal mit der Farbe, bis der Eimer so gut wie leer war. Aus der Bibliothek wusste ich, dass diese Drecksfarbe am liebsten sieben Anstriche gehabt hätte, aber hier reichte es so gerade aus. Ich zog die Klebestreifen noch feucht ab und stellte begeistert fest, dass ich eine durchgängige Deckenkante produziert hatte. Also keine ganz gerade, ich bin immer noch ich, aber zwischen den einzelnen Klebestreifen waren keine Sprünge! Gestern im Blog noch darüber geschrieben, dass ich keine vernünftigen Kanten streichen kann, ha! Jetzt wo ich weiß, dass ich es kann, überlege ich natürlich, ob ich das in den anderen Zimmer auch noch machen sollte, aber dann müsste ich ja einen Blogeintrag ändern und das ist viel zu viel Arbeit.

Ich ließ die Wand trocknen, es war eh gerade Mittagsruhe, aber Punkt drei Uhr schob ich wieder alle Möbel da hin, wo sie hingehörten und hämmerte zwei Nägel in die Wand, um meine Alugrafie von Leo von Welden aufzuhängen sowie das Foto meiner Oma. Die beiden hingen bisher im Flur, da hängt jetzt etwas anderes. Ich weiß noch nicht, ob ich das so lasse oder die Bilder noch etwas tiefer müssten – ich hatte sie auf der Höhe des Kühlschranks gehängt, bewusst etwas höher als mein Gefühl mir sagte, weil auf dem Kallax immer viel unruhiger Kleinkram steht, meist drei Stapel aus Teller und Schüsseln. Ich ahne, dass ich die Bilder wieder etwas tiefer hängen werde, aber ich gucke mir das mal ein paar Tage an. Vielleicht kommen sie auch wieder in den Flur, denn die Küche nebele ich gerne mit Wasserdampf und fettigem Rauch ein und ich ahne, dass das beiden Werken vielleicht nicht ganz so gut gefällt.

Die Küche ist also immer noch Work in Progress, aber sie gefällt mir schon deutlich besser.

Im Flur hängt jetzt die Bedienungsanleitung der Schreibmaschine meiner Mutter, der Olivetti Praxis 48, auf der ich als gelangweiltes Kind in den Sommerferien das Zehn-Finger-Schreiben erlernt habe. Ich weiß nicht, ob das Exemplar meiner Mutter schon von 1964 war, ich tippe (haha) eher auf Ende 60er Jahre.