Tagebuch Freitag, 28. Februar 2020 – Reisetag (total doppelbödige Überschrift, merkt ihr im vorletzten Absatz)

Ich war bereits am Donnerstag mit allen Akten durch. Mist, doch zu wenige bestellt. Wie man’s macht, mache ich’s verkehrt – im Kunstarchiv Nürnberg hatte ich letztes Mal nicht alles geschafft, im Hauptstaatsarchiv München dauerte auch alles länger als gedacht, im Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg brauchte ich für zwei Ordner zwei Tage, aber jetzt, im ehrwürdig runtergerockten Bundesarchiv war ich am Donnerstagnachmittag mit meinen 26 Archiveinheiten durch. Wenn man online ordert, soll man fünf Tage Vorlaufzeit einkalkulieren, daher ahnte ich, dass eine spontane Nachbestellung eher aussichtslos wäre, aber die freundliche Auskunft sagte mir, och, wenn man schon hier vor Ort ist, dann geht das auch innerhalb eines Tages, das wäre dann aber erst Freitag ab 14 Uhr da. Da das Archiv Freitags aber schon um 16 Uhr schließt, dachte ich mir, nee, das ist albern und verzichtete.

Also spazierte ich ein letztes Mal zurück ins Hotel und überlegte die ganze Zeit: Freitag noch Sightseeing machen oder wenigstens ein bisschen Kunst gucken und den gebuchten Flug um 20 Uhr zurück nach München? Flug umbuchen? Lieber einfach in den nächsten Zug steigen? Aber ich habe ja noch eine Nacht im Hotel, die bezahlt ist? Alles sehr kompliziert.

Im Hotel angekommen war dann gar nichts mehr kompliziert. Ich wollte nach Hause, aber nicht für irre viel Geld mehr als ich eh schon in dieser Woche (immerhin sinnvoll) ausgegeben habe, und ich wollte nichts mehr angucken, sondern nur noch den Kopf ausmachen. Ich ahne, dass die Tränchen am Donnerstag ein dezenter Hinweis darauf gewesen sein könnten, dass ich mal eine Pause brauche von det Janze. Also entschieden: ab ins Bett, Netflix and Chill, und dann Freitag möglichst früh wieder nach Hause. Den Flug umzubuchen wäre lächerlich teuer gewesen, also ließ ich den einfach verfallen und buchte mir eine Zugfahrt nach 9 Uhr morgens, damit ich mit dem Köfferchen nicht in den Berufsverkehr musste, da stehen Leute bestimmt total drauf, die schnell ins Büro müssen, wenn ich da im Weg rumirre.

Gebucht, einen entspannten Abend mit ein paar Serienfolgen verbracht, fürs Abendbrot ein letztes Mal bei REWE an der Salatbar bedient, weil das so einen schönen Agenturflashback gab. Bei der letzten Buchung, die ich vor Ort in einer Agentur bestritten habe, war ich nicht in meiner Stadt und konnte daher nichts für die Mittagspause vorkochen oder mitbringen. Also ging es in den Supermarkt. Ich mag die Salatbar wirklich, aber ich habe belustigt festgestellt, dass ich für die Mengen, die ich hungrig in Berlin vertilgte, in Hamburg das Doppelte bezahlt hätte. Ich wohne echt immer in den falschen Städten.

Am letzten Morgen gab es keine Buletten mehr in der Rühreiwarmhaltekiste des Frühstücksbuffets. Berlin machte mir den Abschied leichter. (Okay, es gab ganz hervorragendes Zucchini-Paprika-Gemüse.) Ich twitterte diesen Umstand und meinte auch, dass ich ab heute wieder Frikadellen sagen würde, woraufhin mir noch das Wort „Fleischpflanzerl“ angereicht wurde, das ich schon wieder verdrängt hatte. Ich weigere mich, dieses Wort zu benutzen, weil es so bescheuert ist. Und weil ich bescheuert klinge, wenn ich versuche, es auszusprechen. Als Hannoveranerin mache ich mich mit jedem Dialekt zum Affen, aber mit Bairisch ganz besonders. Frikadellen for life!

Auf Anhieb den Weg zum Südkreuz gefunden, nicht verirrt, ein bisschen am Bahnhof rumgefroren, weil ich sehr viel Puffer eingeplant hatte und eh nutzloserweise ab 4.30 Uhr wach war. Klappte nicht ganz so gut mit dem Kopfausmachen.

Leider war im Zug kein Platz mehr im Ruheabteil freigewesen, und ich stellte in gut vier Stunden zwischen Südkreuz und München interessiert fest, dass Kinder mit iPads und Kopfhörern super umgehen können, während Erwachsene echt dringend und echt laut die ganze Zeit quatschen müssen oder nicht wissen, wie sie ihr Handy stumm schalten können. Ich dankte dem Herrgott erneut für meine Noise-Cancelling-Dinger, war aber etwas missmutig ob des Sitzplatzes. Der Wagen war schon ziemlich ausreserviert gewesen, als ich das Ticket gebucht hatte, daher nahm ich den letzten einzelnen Sitz, der noch da war (ja, 1. Klasse. Alles über zwei Stunden ist 1. Klasse). Der war, wie ich befürchtet hatte, einer dieser Mistsitze, bei denen man nur ein Stück Plastikwand anguckt und kein Fenster neben sich hat. Aus den schmalen Streifen links und rechts vom Plastik konnte ich aber immerhin zwischen Erfurt und Bamberg den total verschneiten Thüringer Wald genießen, falls das noch der Thüringer Wald war. Jedenfalls waren da viele Nadelbäume mit unberührtem Schnee drauf, perfekt wie ein Architekturmodell. Das war schön.

Außerdem saß ich ganz vorne im Zug, hatte es also in München nicht mehr weit bis zur U-Bahn. Und ich hatte wieder Gelegenheit, eine neue Folge vom Podcast „32 x Beethoven“ mit Igor Levit zu hören. Da kamen sogar kurz mal die Walküren vorbei (bei 00.19 min, macht aber im Gesamtzusammenhang mehr Spaß). Das war auch schön.

Zuhause taute ich mir eine Tüte Franzbrötchen vom letzten Wochenende auf und freute mich über einen Brief des Stadtarchivs Leipzig, das mir für 20 Euro verraten hatte, wohin die eine Schwester Protzens irgendwann mal gezogen ist. Ich konnte sie in Leipziger Adressbüchern nur bis Ende der 1940 Jahre finden, und jetzt weiß ich auch warum: weil sie 1938 geheiratet und einen neuen Namen hatte. Ich nehme an, in Kriegszeiten und während der Umbrüche nach 1945 war nicht so recht Zeit für eine ordnungsgemäße Ummeldung, weswegen ich sie noch länger unter ihrem Namen gefunden hatte. 1968 übersiedelte sie mit ihrem Mann in den Westen. Seit 1964 durften Rentner*innen in der DDR für vier Wochen im Jahr Verwandte in der Bundesrepublik besuchen. Wenn ich dieser Statistik trauen kann, wurden in diesem Jahr überdurchschnittlich viele Ausreiseanträge genehmigt; die Zahl ging aber wieder zurück. Vielleicht dachte sich das Ehepaar 1968, dass die Tür sich wieder schließen würde. Christa Protzen war zu dieser Zeit 70 Jahre alt, vielleicht gab auch das den Ausschlag. Sie zogen allerdings nicht nach München; Protzen und seine Ehefrau waren zu dieser Zeit bereits verstorben. Protzens jüngere Schwester verstarb bereits 1959, auch sie hatte ich irgendwann nicht mehr gefunden, wobei sie in Leipzig geblieben war. Noch ein Stückchen deutsche Geschichte, auf das ich anhand dieses Malers gestoßen werde.

Das war eine gute Woche. Viel gelesen, viel gelernt, nicht ganz so viel im Diss-Dokument bzw. den vielen Einzelkapiteln Dinge notiert wie ich gehofft hatte, aber ich weiß ja inzwischen, auch von den Mit-Doktorand*innen, dass wir alle quasi Lückentexte produzieren. Gefühlt steht auf jeder zweiten Seite bei mir „vermutlich“, „wahrscheinlich“, „es besteht die Möglichkeit“, weil mir schlicht die Quellen fehlen. Aber da die auch allen anderen fehlen, lesen sich alle Biografien über NS-Künstler, die nicht die ganz großen Fische waren, so oder ähnlich.

Tagebuch Donnerstag, 27. Februar 2020 – Bundestränchen

Am vorletzten Tag meines Bundesarchiv-Aufenthalts wartete der Feind: die Mikroformate. So war es mir jedenfalls auf der Bestellbestätigung vom Archiv mitgeteilt worden, nicht alles, was ich haben wollte, gab es auf schönem, übersichtlichen Papier.

Todesmutig stapfte ich in den Ausgaberaum, wo mir sechs Umschläge mit Mikrofiches in die Hand gedrückt wurden. Interessiert stellte ich fest, dass die Lesegeräte nicht ganz so altmodisch waren wie die, die ich aus der Münchner Stabi kenne, wo man eines der Plastikblättchen auf die dafür vorgesehene Glasplatte legt, sie unter das Objektiv (?) schiebt und hofft, dass man alles richtig herum reingedengelt hat. Das war’s. Hier war das Lesegerät digital, das heißt, man konnte per Mausklick die Ansicht ändern, wenn man das Blatt, wie erwartet, verkehrt eingelegt hatte. Außerdem konnte man an Kontrast und Helligkeit rumspielen, zoomen (okay, das geht analog auch) und ich meine auch ausdrucken. Und: Man liest nicht die ganze Zeit weißen Text auf schwarzem Grund, was ich hasse, sondern schwarz auf weiß. Wie eingescannte Blätter halt.

Das wäre alles total toll, wenn es das Leseerlebnis verbessern würde. Schwarz auf weiß ist prima, danke, meine Augen haben sich sehr gefreut. Aber: Vieles war schlicht nicht lesbar, weil die Schrift zu hell war. Das war mir schon bei vielen Akten in den letzten Tagen aufgefallen, dass keine Originale erhalten waren, sondern der vierte Durchschlag des Originals. Auf Papier ging das noch, als Scan/Foto war es teilweise komplett unbenutzbar. Aber hey, es waren ja nur die Akten der Reichskanzlei, da stand bestimmt nichts wichtiges drin.

Ich fand immerhin das meiste von dem, was ich zu finden gehofft hatte, anderes fand ich nicht mal ansatzweise und ich weiß jetzt auch nicht mehr, wo ich noch danach suchen könnte. Bleibt das halt eine Lücke in der Diss. Die werde nur ich sehen, aber ich werde mich die nächsten 20 Jahre darüber ärgern, keine Quelle dafür gefunden zu haben.

Ich stolperte außerdem über einen Fall, von dem ich im Rosenheim-Seminar schon mal gehört hatte; das fand ich sehr spannend, den Sachverhalt anhand der Originalquellen nachvollziehen zu können.

Und dann stolperte ich noch über die ersten Entwürfe zur staatlich legitimierten „Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“, also dem Raubzug durch deutsche Museen der heute so genannten Klassischen Moderne. Darauf war ich überhaupt nicht vorbereitet gewesen; ich hatte mich doch gerade nur durch Briefwechsel von einzelnen Künstlern oder Künstlergruppen gewühlt, die irgendwelche Nachlässe, Werke oder Kompositionen dem „verehrten Führer und Reichskanzler“ überlassen wollten, woraufhin die Kanzlei meist sehr höflich formulierte, dass Herr Hitler gerade echt was Besseres zu tun hätte. Allerdings nicht immer: Gerade die Münchner Künstler konnten sehr häufig auf persönliche Unterstützung oder finanzielle Hilfen hoffen. Auch deswegen wollte ich in diesen Beständen rumwühlen; die Sekundärliteratur war da gerne etwas blumig-vage geblieben, aber jetzt konnte ich einzelne Schreiben zitieren und Vorgänge nachvollziehen. Und so war ich im Kopf bei Bettelbriefen und Huldsbezeugungen und dann kamen auf dem Monitor plötzlich die ersten Unterlagen darüber, wie man am besten deutsche Kunst einzieht, aber die Ausländer nicht verprellt, die diesen Kram ja so mögen. Es fiel auch der Begriff „nicht unbeachtliche Vermögensobjekte“; den Deppen war durchaus klar, was sie da an den Wänden hatten, sie wollten es bloß nicht anschauen oder sich damit auseinandersetzen, dass es mehr als ihre beschissen eng gefasste Weltsicht gibt, sondern lieber banalste Genreszenen aus dem 19. Jahrhundert wieder aufleben lassen, weil’s da ja so schön war.

Zuerst war ich pissig und dann sehr nah am Wasser, was mich selbst überraschte. Ich weiß ja so gaaanz langsam, mit was ich mich da seit Jahren befasse, aber manchmal überwältigt es mich dann doch noch. Diese Engstirnigkeit, dieser Hass, dieser Wille zur Macht auf der einen und zur Vernichtung auf der anderen Seite. Die Sprache, das Bürokratische, die ständig neuen Regeln, die gefühlt willkürlich gemacht wurden, weil sie es konnten. Manchmal ist es zu viel und dann heult man kurz im Bundesarchiv. Weil es eben nicht nur um ein paar bunte Bilder ging. Ich bin nicht hart genug für die Kunstgeschichte.

Tagebuch Mittwoch, 26. Februar 2020 – Fundsachen

Archivtag, alles toll für mich, weniger toll für euch, weil ihr euch vermutlich weniger über Halbsätze in Briefen freuen könnt wie ich, die sich über jeden Fitzel freut, den sie zu bestimmten Sachverhalten findet.

So war ich gestern glücklich über einen kleinen Fund, für den ich 19 Aktenpakete hatte durchblättern müssen, aber im 20. war er dann. Ich kann jetzt ungefähr sagen, wieviel Protzen für sein erstes Werk zu den Reichsautobahnen an Geld bekommen hat, was für mich ein wichtiges Indiz dafür ist, dass er einen finanziellen Ansporn hatte, mit dem Thema weiterzumachen. Und zwar keinen ganz kleinen. Anhand der verzeichneten Einkünfte in Werkverzeichnis und Spruchkammerbogen (letzte Quelle ist natürlich mit Vorsicht zu genießen) kann ich seine Einkommensverhältnisse immerhin annähernd erkennen, und da war diese Summe nicht ganz unwichtig. Sie versteckte sich in einem Brief des Ausstellungsleiters Theo Lechner von 1934, der sich bei Eduard Schönleben, die rechte Hand von Fritz Todt, über einen Berliner Grafiker beschwerte, der seiner Meinung nach viel zu viel abrechnen wollte – im Gegensatz zu seinen braven Münchner Kollegen. „Meine Meinung von dem Berliner Geist und dem Berliner Tempo ist neu bestätigt worden.“ (BArch R/4601/1306)

Und wie gestern ist eben beim Aufschreiben fürs Blog was Nettes passiert: Ich guckte nach Herrn Lechner im Interweb und weiß nun, dass sein Nachlass in der TU München liegt. Ich mache gerade geistig einen Termin aus. Ich wusste bis eben nicht, dass da NOCH EINE STELLE ist, an der ich rumwühlen kann. Harhar.

Außerdem freute ich mich über einen kurzen Schriftwechsel über ein anzukaufendes Werk für die Autobahnraststätte in Mährisch Trübau (Moravská Třebová); darin fanden sich Vergleiche zu anderen Malern – wenn Ingenieure über Kunst reden -, berechtigtes Gemeckere über die zu hohen GDK-Preise und, für mich nebenbei interessant, die Bezeichung „Beauftragter für die Durchgangsautobahn“, was den Stellenwert des heutigen Tschechien im Gesamtraumplan der Nationalsozialisten recht deutlich macht.

Daran muss ich mich manchmal selbst erinnern, in welchen Dokumenten ich hier rumwühle. Das ist zwar alles spannend und für mich aufregend und es fühlt sich wie ein sinnvoller Tag an, den ich damit verbringe, aber manchmal muss ich mir selbst deutlich klarmachen, dass auch eine so schicke Ausstellung wie „Die Straße“ eben nicht nur darüber informieren wollte, wie toll deutsche Baumaschinen sind, sondern auch, wie ideologisch selbst Dinge wie die Darstellung einer Landstraße aufgeladen werden kann („Die Straße frei den braunen Bataillonen“). Gestern stieß ich auf einen Schriftwechsel, in dem jemand der Baubehörde einen Bildhauer empfahl, dessen Arbeit aber überhaupt nicht auf Zustimmung stieß. Da hieß es sinngemäß, dass diese Kunst nicht „deutsch“ genug aussehe und dass man den Mann vielleicht mal nach Russland empfehlen sollte. Und schon wird aus dem gespannten, gut gelaunten Archivlesen die Erinnerung an alles, was dieses Regime angerichtet hat.

Auch deswegen war ich, Achtung, Themawechsel, auch so auf Hunters pissig: weil es der Serie nicht gereicht hat, den Holocaust in seiner Grausamkeit darzustellen, nein, sie haben sich total unterhaltsame Gewalttaten ausgedacht, damit es noch fürchterlicher wird. (Habe mich auf sehr seltsame Weise verstanden gefühlt, weil die Gedenkstätte Auschwitz das ähnlich sieht.)

Jeden Abend beim letzten Händewaschen im Archiv denke ich naiverweise, dass es so schön wäre, den ganzen Nazidreck da draußen genauso abspülen zu können wie ich gerade den Staub der Dokumente, die ich stundenlang in den Händen hatte.

Tagebuch Dienstag, 25. Februar 2020 – Babykram

Vor dem Wecker wachgewesen, die Archivvorfreude, Sie wissen schon.

Das erste Mal dem Hotelfrühstück begegnet. Rührei war da, wenn auch mit Feta drin (WARUM), es gab frische Tomaten, Gurken und Paprika, aber weil das hier nur 3 Sterne sind und nicht 4, musste man sich das selber kleinsäbeln. Kann ich. Kaffee war okay, Brotauswahl gut, bergeweise Müsli und Obst, ich war zufrieden und satt. Wo ich zuhause nur einen Flat White trinke, frühstücke ich auswärts immer anständig, weil ich dafür mittags sehr wenig und abends auch nicht irre viel esse. Zuhause kann ich ja theoretisch stundenlang kochen, wenn es mir beliebt. Hotelzimmer haben dooferweise immer noch keine Mikrowellen oder Puppenherde oder sowas.

Beim Bäcker ein Käsebrötchen gekauft, in den Rucksack gepackt, wo schon ein Liter Wasser und ein Apfel lagen. Gab’s später zum Mittach.

Im Archiv acht Stunden durchgearbeitet mit zehn Minuten Brötchen-Apfel-Unterbrechung. Ich wühlte weiterhin in den Beständen der Reichsautobahndirektion bzw. den vielen Akten zur Ausstellung „Die Straße“ von 1934. Für diese Ausstellung malte Protzen mit sieben anderen Malern acht Gemälde, die in der sogenannten Ehrenhalle am Beginn der Ausstellung gezeigt wurden, hier ein Blick in diese Halle.

Bildquelle: Das deutsche Malerblatt 21 (1934), S. 373.

Ihr erkennt in der Mitte das Münchner Kindle (Tippfehler, lass ich so) über den Türen; daneben hingen noch diverse andere Stadtwappen oder Pseudowappen mit Sehenswürdigkeiten. Ich habe ein Schreiben eines Verwaltungsbeamten aus Kassel gefunden, der freundlich anmerkte, dass das abgebildete Wahrzeichen nicht so dringend als Wahrzeichen wahrgenommen werde, eher was anderes, hier ist das Beispiel, ob man das für die Neuauflage der Ausstellung in Berlin 1935 vielleicht verbessern könne, hier ist unser Geld. (Kann mich nicht daran erinnern, was es war, Kassel ist mir gerade wurst, sorry, Kassel, aber anscheinend habe ich mir den Sachverhalt doch halbwegs gemerkt.)

Und jetzt beim Schreiben dieses Blogeintrags ist was Tolles passiert. Ich googelte – anscheinend zum ersten Mal – „straße münchen 1934 ausstellung“ oder so ähnlich, damit ihr wisst, wovon ich rede, und stieß auf diese Seite des Deutschen Museums, das ab 1938 eine Autobahnschau hatte. Und wenn ihr mal im zweiten Bild die riesige Landkarte mit den Brücken anguckt, dann freut euch einfach für mich mit, denn genau davon liegt im Nachlass Protzens ein Foto und ich wusste nie, für was oder wann er diese Arbeit ausgeführt hat. Ha! Bloggen! So super!

Das Archiv des Deutschen Museums steht auch noch auf meiner Liste; vermutlich finde ich da Unterlagen zu dieser Arbeit, aber wenn nicht, habe ich jetzt schon einen Beleg. Yay!

Ich weiß nicht mehr, was ich eigentlich über meinen Archivtag schreiben wollte, aber das ist jetzt auch egal. Ich hatte wie immer viel Spaß und verspürte danach diese angenehme Matschigkeit im Kopf, wenn man viel gelesen, viel gelernt und viel notiert hatte.

Von meinen angefragten 25 Archiveinheiten habe ich jetzt zehn durch, ich hoffe, ich schaffe alles bis Freitag.

Oh, mir ist doch noch was eingefallen vom Archivtag, das ich ausplaudern kann, denn ich habe die Heuer-Ampel kennengelernt. Was man halt so mitkriegt, wenn man sich durch Aktenberge zur Vorbereitung für eine Straßenbau-Ausstellung wühlt.

Abends totalen Schmacht auf Salat gehabt, aber keine Lust, irgendwo hinzugehen. Ich meinte, bei Aldi gestern welchen gesehen zu haben, aber mir fiel ein, dass ich meine üblichen Reiseutensilien Gabel und Löffel zuhause vergessen hatte. Da ich aber WIRKLICH Schmacht auf Salat hatte, ging ich vor dem Supermarkt noch schnell bei dm rein und besitze jetzt ein formschönes Babybesteck mit Dinosauriern drauf. Während ich blogge, esse ich damit übrigens Möhrensalat.

Abends beim Chelsea-Bayern-Spiel schon in der ersten Halbzeit weggenickt, aber noch rechtzeitig zu den drei Toren wieder aufgewacht. Dann aber ohne Buch ins Bett.

Haben alle in meiner Blogblase schon empfohlen, ich jetzt auch: Auf der Suche nach dem Winter aka Andrea Diener war für die FAZ in Sibieren. Hier mein Lieblingsabsatz:

„Galina kochte uns den unvermeidlichen Omul, den endemischen Baikalfisch, den man hier in allen Aggregatszuständen bekommt: Als Suppe, als Fischfrikadelle, geräuchert, gefüllt, gegrillt, mit und ohne Haut. Dazu schenkte sie uns Schnaps aus einer Teekanne in kleine Gläser mit Stiel und Goldrand. Wir waren sauber, es war warm, wir waren satt und hatten diverse Schnäpse intus, die wir, immer gerne genommen, auf die deutsch-russische Druschba tranken, die Völkerfreundschaft, dann tranken wir, inspiriert von den werktätigen Sowjetfrauen im Fernsehen, auf die Liebe, auf den Baikal und was uns sonst noch einfiel. Glücklich und zufrieden wankten wir nach solchen Abenden mit unseren Handtüchern und Seifendosen die Straße zurück in unser Haus und fielen um. Russische Wellness ist nicht sehr glamourös, aber sie wirkt.“

Tagebuch Montag, 24. Februar 2020 – Berlin, Berlin, wir denken in Berlin

Früh wachgewesen, früh zum Flughafen aufgemacht, von wo ich nach Berlin-Tegel wollte. So sehr ich mich auf die Woche im Bundesarchiv vorfreute, so genervt war ich von vornherein, weil das Archiv in Berlin ist. Es ist zwar schon länger her, dass ich hier gelebt habe, aber ich habe für mich gemerkt, dass ich zu alt für diese Stadt bin. Und sie ist mir zu groß und Dinge sind anstrengend. Berlin ist für mich immer das Beispiel für „klappt selten“, während Hamburg mein Beispiel ist für „klappt oft“ und München für „klappt fast immer“. Sowas Simples wie Rolltreppen in U-Bahnen zum Beispiel. Und weil ich so fies zu Berlin war und so großkotzig-münchnerisch, fuhr schon am Münchner Hauptbahnhof nicht die Rolltreppe zum S-Bahnsteig und, noch fieser, auch die Rolltreppe zum Terminal am Flughafen war kapott. AM FLUGHAFEN! WO ALLE KOFFER HABEN! Ich dachte noch so, Berlin kann dieses Mal eigentlich nur gewinnen.

Und das tat es dann auch großflächig, verdammte Axt. Tegel ist ja bekanntlich winzig; sobald man aus dem Flugzeug fällt, steht man schon am Gepäckband, und zack, ist man draußen. Da wartete schon genau mein Bus auf mich, ich fuhr nur zwei Stationen weit, aber die dauerten schon zehn Minuten. F. neulich so: „Berlin = deutsche Los Angeles. Egal von wo du losfährst, egal wo du hinwillst – es dauert immer ne Stunde.“

Der Bus brachte mich zur S-Bahn, wo die Rolltreppe funktionierte und ich nur eine Minute warten musste. An der Zielhaltestelle angekommen, ging ich zur U-Bahn, die uns Umsteigenden vor der Nase wegfuhr. Eine Dame meckerte deswegen, denn die nächste kam erst … IN DREI MINUTEN. Ich wimmerte leise in mich hinein und dachte an die großzügigen Münchner Taktungen. Und wenn ich dann am Rathaus Steglitz nicht zehn Minuten von einer Bushaltestelle zur nächsten geirrt wäre, um die zu finden, an der mein Bus fuhr, wäre ich in unter einer Stunde von Tegel einmal quer durch die Stadt nach Lichterfelde gekommen. Also in ungefähr der Zeit, die ich im Flieger gesessen hatte. So musste ich unfassbare vier Minuten warten, schaukelte im Bus durch Lichterfelde und merkte: Es gibt in Berlin Stadtviertel, für die ich noch nicht zu alt bin. Das fühlt sich hier an wie auf dem Dorf. Oder schon wie Brandenburg. (Oder wie München.)

Mein Hotelzimmer war schon fertig, ich konnte kurz was essen und vor allem meinen Koffer loswerden, und dann stapfte ich ins Bundesarchiv. Ich war schon ein bisschen vom Bundesadler am Tor eingeschüchtert, der guckt ja doch eher grimmig. Trotzdem tapfer den Besucherausweis geholt und, interessiert festgestellt, dazu auch noch gleich einen Schrankschlüssel und eine durchsichtige Tüte bekommen, damit man Zeug rumschleppen kann. Mit Bundesarchiv-Aufdruck! Kommt zuhause neben meine Stabi-Tüte, die ich auch nie benutze, weil ich meinen kostbaren Rechner lieber in der Hand trage als mich auf ein dünnes Tütchen zu verlassen.

Der halbe Tag war schon rum, aber weil ich ab 4 Uhr 30 wachgewesen war, war mir das gar nicht so unrecht, dass ich nur noch fünf Stunden denken musste/durfte und keine acht. Ich gab auch nach viereinhalb auf, weil ich nur noch dicke Akten auf dem Rollwägelchen hatte, die ich eh nicht mehr geschafft hätte. Herrn Protzen selbst hatte ich nicht gefunden, aber schönen Kontext, auf den ich gehofft hatte. Und vor allem Kram zur zweiten Ausstellung, auf der Autobahnbilder hingen und für die ich in München nur rudimentär was hatte finden können.

Beim Rausgehen meinen für diese Woche gültigen Ausweis abgeholt, damit ich nicht jeden Morgen erklären muss, dass ich hier sein darf, dann Schlüssel und den anderen Ausweis wieder an der Pforte abgegeben. Mich von Google Maps zum nächsten Supermarkt lotsen lassen, um Getränke zu kaufen und ein bisschen Schokolade. Es wurde ein Aldi Nord, das war schön. (Wegen Nord, ihr wisst schon.)

Den Feierabend mit Brezn (gingen sogar), Hummus und Cherrytomaten im Hotelzimmer verbracht, zwei Serienfolgen guckt, die FAZ der Lufthansa gelesen und ziemlich zufrieden ins Bett gefallen. Ich konnte mir sogar eins aussuchen, denn in meinem Zimmer stehen drei.

Franzbrötchen nach Lutz Geißler

Ich habe diverse Rezepte für mein Lieblingsgebäck ausprobiert, aber nur mit diesem von Lutz Geißler aus dem Plötzblog bin ich rundum zufrieden. Die meisten Franzbrötchen, die ich in der Vergangenheit produzierte, waren zu trocken, sahen nicht ganz so sexy aus und schmeckten generell eher wie verunglückte Zimtschnecken. Mit diesem Rezept wurden sie innen halbwegs klietschig, so wie ich es mag, außen blieben sie knusprig und sie sehen toll aus, weil sie so viele wunderschöne Knusperschichten haben. Dauert ein bisschen, lohnt sich aber.

Am Vortag den Vorteig ansetzen. Auch das Mehlstück kann schon angesetzt werden, laut der Kommentare im Plötzblog, und ich habe das auch gemacht.

Für den Vorteig

100 g Weizenmehl, Type 550 mit
100 g Vollmilch und
0,1 g Frischhefe verrühren. Das ist ein ca. reiskorngroßes Stück. Abdecken und für ungefähr 20 Stunden bei Raumtemperatur reifen lassen. (Plötzblog: „18 bis 22 Grad.“)

Für das Mehlkochstück

25 g Weizenmehl, Type 550,
125 g Milch und
5 g Salz unter ständigem Rühren erhitzen. Sobald die Masse einzudicken beginnt, vom Herd nehmen und noch ein bis zwei Minuten weiterrühren. Ich habe solange gerührt, bis die Masse klümpchenfrei war. Beim ersten Backen habe ich das Plötzblog beim Wort genommen und brav ein Thermometer in den Topf gehängt, um bis auf 65 Grad zu erhitzen. Bei mir dickte die Masse aber schon früher ein, also habe ich diese Angabe beim zweiten Backen ignoriert.

Das Mehlkochstück abkühlen lassen und mindestens vier Stunden im Kühlschrank parken. Oder ihr macht das genau wie den Vorteig am Tag vorher und lasst es dann einfach im Kühlschrank. So habe ich es gemacht. Das Kochstück soll den Teig länger frischhalten. Ob es daran lag oder einfach am guten Rezept: Meine Franzbrötchen waren auch am Tag nach dem Backen so knusprig wie am Tag davor und sogar noch etwas klebriger, also perfekt.

Am Backtag Vorteig und Mehlkochstück mit

375 g Weizenmehl, Type 550,
30 g Vollmilch,
100 g Ei (ca. 2 Stück) und
8 g Frischhefe

in der Küchenmaschine vermischen. Ich habe keine, der Handmixer tut’s auch. Wenn alles gut vermischt ist, nach und nach

60 g weiche Butter und zum Schluss
60 g Zucker unterrühren. Der Teig sollte nun „elastisch und locker“ sein; ich habe darauf geachtet, dass er nicht zu klebig ist und sich wie ein guter Hefeteig anfühlt. Den Teig nun abgedeckt für 90 Minuten im Kühlschrank parken.

In dieser Zeit die Butterplatte vorbereiten, denn die wird in den Teig eingearbeitet. Dafür
250 g kalte Butter
auf ca. 20 x 25 cm ausrollen. Ich habe dazu einfach 12 flache Butterstücke abgeschnitten und auf einem Stück Backpapier nebeneinander gelegt, das ist schon fast die Größe, die wir haben wollen. Ein weiteres Stück Backpapier oben drauf, und schon kann man die Butter halbwegs gut ausrollen. Die Butterplatte ebenfalls in den Kühlschrank legen.

Nach der Ruhezeit den Teig auf 30 x 25 cm Größe ausrollen, die Butterplatte darauf legen – deren lange Seite an die kurze des Teigs – und den noch freien Teig über die Butter schlagen. Nun das andere Drittel (Teig und Butter) über das erste Drittel klappen, wie ein zweimal nach innen gefalteter Geschäftsbrief. (In diesem Interweb mal nach Videos mit dem Stichwort „tourieren“ suchen, dann versteht ihr, was ich meine.)

Den Teig nun auf 30 x 50 cm ausrollen und nochmals wie einen Brief falten: Erst das linke oder rechte Drittel nach innen klappen, dann das andere darüber. Man kann den Teig auch noch weitere ein oder zwei Mal ausrollen und falten (tourieren), dann gibt es noch mehr Teig- und Butterschichten. Ich habe beim ersten Mal viermal gefaltet, gestern nur zweimal und keinen großen Unterschied festgestellt. Aber ich falte sehr gerne, insofern: tourieren FTW!

Den teigigen Geschäftsbrief erneut für 60 Minuten im Kühlschrank parken.

Nach der Ruhezeit den Teig auf 40 x 60 cm ausrollen, ca. einen halben Zentimeter dick, gerne auch dünner, ein wenig mit Wasser einpinseln und großzügig mit einer Mischung aus
ca. 100 g Zucker (mehr geht immer) und
ca. 4 EL Zimt (mehr geht immer) bestreuen. Dann den Teig straff (!) aufrollen und aus der entstandenen Rolle ca. vier Zentimeter dicke Scheiben abschneiden. Diese mit einem Kochlöffelstiel längs mittig eindrücken; so entsteht die Schmetterlingsform der Brötchen. Wer mag, drückt die Teiglinge noch mit der Hand etwas flach (ich mag).

Die Teiglinge auf zwei bis drei Bleche verteilen und dabei nicht zu eng legen, die gehen noch gut auf. Ich habe sechs auf ein Blech gepackt und sie schräg zueinander angeordnet. Abdecken und für weitere 60 Minuten bei 24 Grad gehen lassen. In meiner Wohnung waren es vermutlich keine 24 Grad, sondern weniger, aber das war egal, im Ofen sind die Brötchen noch hervorragend aufgegangen.

Den Ofen auf 200 Grad Ober- und Unterhitze vorheizen und unten eine Fettpfanne oder ähnliches hineinstellen (bei mir einfach eine Kuchenform). Das erste Blech einschieben und ca. 100 ml Wasser in die Fettpfanne gießen, um Dampf zu erzeugen. Ingesamt 20 Minuten backen, nach 10 Minuten die Tür kurz öffnen, um den Dampf entweichen zu lassen. Damit trocknet das Gebäck nicht so stark aus.

Nach dem Backen ruhig auf dem Blech auskühlen lassen, dann bekommen die Brötchen diese herrlich klebrig-knusprigen Karamellfüßchen, die ich so mag.

Tagebuch Freitag/Samstag, 21./22. Februar 2020 – Interview und Franzbrötchen

Am Freitagvormittag war ich zu einem Gespräch im Café in der Alten Pinakothek verabredet. Mein Gesprächspartner war der ehemalige Leiter des Lenbachhauses, der anscheinend vorher nochmal durchs Haus gegangen war, er trug jedenfalls noch das Tagesbändchen der Pinakothek am Handgelenk. Helmut Friedel war 1976 für den einzigen etwas längeren Text zu Protzen verantwortlich gewesen – immerhin zweieinhalb Seiten –, der als Katalogersatz in der einzigen Ausstellung auslag, die Protzen jemals bekommen hat.

Protzen starb 1956, seine Frau Henny Protzen-Kundmüller 1967 und laut der Testamentsverfügung erhielten die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und das Lenbachhaus ungefähr gleich viele Werke der beiden; der Rest ihres Oeuvres ging an Freunde und Verwandte – das ist die Formulierung, die mir durch Archivalien bekannt ist und die mich wahnsinnig macht, weil ich keine Namen habe, nach denen ich suchen könnte, um noch Werke aufzutreiben, die ich noch nicht lokalisieren konnte. Aber gut. Die Listen von Pinakothek und Lenbachhaus habe ich natürlich seit Ewigkeiten und durch die Archivsuche im Lenbachhaus auch den Text von Friedel. Die Ausstellung von 1976 war quasi die Gegenleistung der beiden Häuser für die Annahme des Erbes: Sie mussten dem Ehepaar eine Gedächtnisausstellung ausrichten und laut der wenigen erhaltenen Unterlagen hatte darauf niemand so recht Lust. Auch Friedel antwortete auf meine Anfrage-Mail nach einem Gespräch, dass es seltsam sei, an seine „Jugendsünden“ erinnert zu werden und er wisse nicht, ob ihm überhaupt noch etwas einfiele.

Tat es aber. Wir hatten eine gute halbe Stunde, mehr gab’s zu dem Herrn Kunstmaler nicht zu sagen, aber ich fand es spannend, etwas mehr über die kuratorische Arbeit in den 1970er zu erfahren, gerade im Bereich der NS-Kunst. Auch mal zu hören, was überhaupt als Wissensstand noch da war, wie man an Werke kam oder ob Protzen noch ein Name war, den man kannte. Ein paar Dinge kann ich auf jeden Fall in der Diss unterbringen, und ansonsten fand ich es einfach nett, mit jemandem zu reden, der neben mir vermutlich der einzige lebende Mensch auf diesem Planeten ist, der sich mal länger als fünf Minuten mit diesem Künstler befasst hat.

Abends ging es mit F. auf eine kleine Feier, für die ich für mich etwas überraschend eingeladen wurde, was mich aber sehr gefreut hat. Ich sah ein Modell für eine Skulptur, das mir sehr gefiel, und hörte einiges über die Wege vom Gedanken zu fertigen Werken bzw. zu künstlerischen und kunsthistorischen Arbeitsprozessen. Nebenbei aß ich sehr gut und freute mich mal wieder über Rotwein.

Seit dem Abend neu im Gesprächsrepertoire: „That’s between the Sultan and Allah.“ Werde ich jetzt überall anbringen, wenn doofe Fragen kommen. „UND WAS MACHST DU NACH DEM STUDIUM?“ „Das bleibt zwischen mir und dem Fliegenden Spaghettimonster.“

Den Samstag verbrachte ich fast komplett mit Backen und Serien. Ich hatte Freitag nach dem Rezept aus dem Ploetzblog schon einen Vorteig angesetzt, um Samstag backen zu können, dabei aber einen Flüchtigkeitsfehler gemacht. Daher griff ich noch zu einem zweiten Rezept, welches das Ploetzrezept variierte, kombinierte beide und das Ergebnis war ziemlich gut. Trotzdem setzte ich erneut einen Vorteig an, dieses Mal ohne Fehler, und werde heute nochmal backen. Weil ich aber vorher nicht wusste, ob es klappt, testete ich noch ein drittes Rezept an, das weniger Vorbereitungszeit brauchte, und das war erwartungsgemäß nicht ganz so, wie ich es haben wollte. Gut, aber nicht meins.

Eigentlich dachte ich, dass Augsburg gestern in Leverkusen spielte, tun sie aber erst heute. Also sah ich Serien statt Fußball. Die zweite Staffel von GLOW gefällt mir bisher besser als die erste, und die ganzen 80er-Jahre-Songs machen mich fertig mit Erinnerungsflashbacks.

Dann versuchte ich, Hunters zu mögen, weil Celebrity Crush Josh Radnor mitspielt. Den Piloten hielt ich sehr nölig durch, die zweite Folge dann schon nicht mehr. Was für ein Scheiß. Wer eine längere Einschätzung braucht, lese bitte beim Spiegel („Auf geschmacklosere Weise ist der ­Holocaust noch nicht zu Unterhaltungsware verwurstet worden.“) oder der FAZ („Jahrzehnte an Aufarbeitung des Faschismus werden der Unterhaltung willen schmutziger Gewaltpornographie geopfert. Was uns Amazon präsentiert, ist eine Zumutung.“).

Tagebuch Donnerstag, 20. Februar 2020 – Vier statt fünf

Archiveinheiten, that is. Ich saß den halben Tag im Stadtarchiv, nachdem ich meinen Frühsport erledigt hatte: acht Kilo Bücher in Uni-Bibliothek und Stabi zurückschleppen. Ach, vermutlich waren es 20 KILO! *ächz*

Die eine fehlende Einheit betraf einen Nachlass, und ich weiß schon nicht mehr, warum ich sie haben wollte, aber ich bestelle sie einfach nochmal. Gestern las ich zunächst Zeitungsartikel über die Münchner Künstlergenossenschaft zwischen 1930 und 1950. Die hatte ich vor ungefähr einem Jahr schon mal in der Hand und habe als totale Diss-Anfängerin etwas schlampig notiert. Daher musste ich den ganzen Stapel nochmal durchblättern, um vernünftige Fußnoten zu haben.

Danach las ich Zeitungsartikel über die Münchner Künstlergenossenschaft zwischen 1950 und 1986, weiter ging die Sammlung nicht. Da war deutlich weniger drin als ich es erwartet hatte, da muss ich wohl nochmal nach anderen Stichworten suchen. Oder ich mache es mir selbst bequem und husche die letzten Lebensjahre Protzens nur noch so runter, die Autobahnbilder sind ja seit 1941 durch.

Die letzten beiden Sammlungen waren wieder Zeitungsartikel, einmal zum Haus der Kunst nach 45, einmal zur zweiten Münchner Künstlergenossenschaft: Die war nämlich mit allen anderen Künstlervereinigungen 1938 gezwungenermaßen in die sogenannte Kameradschaft der Künstler eingegliedert worden, mitsamt ihrem Vermögen und ihrer Kunstsammlung. Nach 1945 gründeten sich gleich zwei MKGs neu: eine unter Herrn Protzen und eine unter Herrn Gerhardinger und beide fanden sich so richtig scheiße. 1952 gewann Gerhardinger einen Prozess um den Namen und durfte seinen Laden jetzt „Münchner Künstlergenossenschaft königlich privilegiert 1868“ nennen, Protzen sein Häuflein „Neue Münchner Künstlergenossenschaft“. Die beiden gibt’s heute noch (MKG, NM). Aber auch in diesen beiden Sammlungen fand ich quasi nichts zu Herrn Protzen. Hm.

Beim Lesen Hanau verdängt, dann bei den jüngeren Zeitungsartikeln plötzlich wieder im Kopf gehabt. Diese verdammte Egal-Haltung, diese verdammte Nichtaufarbeitung, dieses verdammte Aussitzen.

Dass die angebliche Stunde Null 1945 nie stattgefunden hatte, sollten inzwischen alle verstanden haben. Alte Seilschaften funktionierten weiter, kaum jemand schwärzte seinen Nachbarn an, weil der mal den rechten Arm gehoben hatte, weil der den Ankläger vermutlich genauso anklagen konnte. Und so blieb sehr vieles beim Alten, und das zieht sich bis heute durch.

Auch in der Kunst gab es auf lokaler Ebene, genauer gesagt in München, nur teilweise Umbrüche. Während recht früh die ehemals Verfemten wieder gezeigt wurden (Buchtipp, Inhaltsverzeichnis), schufen viele vom NS-System begünstigte Künstler einfach weiter das, was sie bis 1945 auch schon produziert hatten. Die Große Deutsche Kunstausstellung 1944 im Haus der Deutschen Kunst blieb bis ins Jahr 1945 geöffnet, der letzte Verkauf wurde im April 1945 getätigt. Danach schloss das Haus vorerst als Museum, um im September 1949 als Haus der Kunst neu zu öffnen. Die Münchner Künstlervereinigungen, die sich früher auch an der GDK beteiligt hatten, stellten wieder aus – und bis auf wenige Ausnahmen vorerst stilistisch und inhaltlich dieselben Bilder wie früher. Bereits 1947 hatte in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus die erste größere Münchner Kunstausstellung stattgefunden; Protzen zeigte, soweit ich das bisher beurteilen kann, dort fast nur Werke, die vor 1933 entstanden waren (eins war von 1934).

In einer Rezension von 1951 schrieb die Abendzeitung über die Ausstellung im Haus der Kunst: „Auch die sogenannte „Gerhardinger-Gruppe“ stellte im Haus der Kunst aus; zu ihr gehörten unter anderem Sepp Hilz, Fritz Bayerlein, Claus Bergen sowie Josef Thorak, „der sich, umständehalber, auf bürgerliche Formate zurückgezogen“ hatte. „Bekannt wie die Namen sind Stil, Auffassung und Motive der Kunstwerke. Seit 1937 hat sich hier nichts geändert. Paul Padua, Arno Breker und Werner Peiner sind allerdings nicht vertreten.“ (Abendzeitung, 20.10.1951)

1953 wurde der Ton etwas schärfer, anscheinend reichte es einigen Rezensenten jetzt wirklich, den alten Kram immer wieder großflächig an der Wand zu sehen: „Es muss einmal gesagt werden: Solche Veranstaltungen sind einfach im Haus der Kunst nicht mehr zu verantworten. Man darf diesen Konservativismus nicht als Bewegung sich selbst überlassen; man müßte ihn in die großen Ausstellungen aufnehmen, in denen er höchstens zwei Räume beanspruchen könnte.“ (Unbezeichnete Zeitung, 1953)

Allmählich änderte sich der Tonfall aber wieder; diese Kunst wurde nicht mehr verdammt, sondern eher nölig ertragen. 1963 meinte Reinhard Müller-Mehlis in der Abendzeitung, dass diese „überholte Salonkunst“ nicht an ihrer Rückständigkeit zugrunde gehen würde, „sondern am Überhandnehmen schierer Niveaulosigkeit.“ Und Müller-Mehlis selbst schien es spätestens 1986 dann auch eher egal zu sein, dass Künstler wie Arno Breker wieder im Haus der Kunst zu sehen waren, er war ihm keine besondere Erwähnung wert, sondern er zählte ihn und seine Werke schlicht auf wie die restlichen von ihm rezensierten Künstler. (Münchner Merkur, 17.3.1986.)

(Einschub: Der Wiki-Artikel zu Müller-Mehlis könnte auch mal dringend überarbeitet werden, der ist ja eine einzige Lobhudelei.)

Nach der Archivarbeit eingekauft, Lieblingsbrot besorgt und frische Hefe. Da ich außer zwei Tweets keinerlei Reaktion auf mein Flehen um Franzbrötchenrezepte bekommen habe, gehe ich davon aus, dass ihr die auch alle nicht backen könnt. Das beruhigt mich etwas. Ich übe weiter.

Zwei Folgen GLOW geguckt. Ich bin immer noch nicht ganz von der Serie überzeugt, weil ich Wrestling fürchterlich albern finde, liebe aber den 80er-Jahre-Soundtrack sehr. Und die Abspannmusik aus Exodus, die am Ende der 7. Folge läuft. Hier die Schmachtversion mit meinem Liebling Andy Williams, hier das Instrumental von Ernest Gold.

Die Buchvorlage von Leon Uris stand bei meinen Eltern im Bücherschrank. Es war dick, es war da, also habe ich es gelesen. Ich kann mich kaum an etwas erinnern und werde auch vieles nicht verstanden haben, aber: gelesen. Check!

Wegen Hanau Twitter recht weiträumig umschifft. #fcknzs #fckafd

Tagebuch Mittwoch, 19. Februar 2020 – 😮😡😍

Früh aufgestanden, früh in U-Bahn und Tram gesetzt, um früh im Lesesaal der Bibliothek des Deutschen Museums zu sein, um einen Platz an den Tischen zu kriegen, die Steckdosen haben. Alles geschafft – aber mein Netzteil zuhause liegen gelassen. Very, very slow clap.

An einen anderen Tisch gesetzt, damit jemand anders die Steckdosen genießen kann, und weiter in Die Straße geblättert, dieses Mal die Jahrgänge 1936 bis 1938. Außerdem vor dem Losfahren von zuhause bestellt: Zwei Jahrgänge von Verkehrstechnik. Ich ahne, dass ich das in irgendeiner Fußnote gefunden hatte, denn in meinem Diss-Dok war eine genaue Datumsangabe dazu; ich habe keine Ahnung mehr, woher ich das habe, aber es war hervorragend, denn dort las ich den ersten anständigen Verriss über die Ausstellung „Die Straßen Adolf Hitlers in der Kunst“ (1936). Es gab zu dieser Zeit keine Rezensionen oder Kritiken mehr, sondern nur noch Kunstberichte, und so liest sich das leider auch: Ein Bild nach dem anderen wird aufgezählt, es kommen so wachsweiche Anmerkungen wie „tiefe Tonigkeit“ oder „stimmungsvolle Landschaft“ und das war’s. Auf 20 Seiten, wenn es um die GDK geht. Schnarch.

Der Verfasser des Artikels, den ich großflächig zitiere, schätzte die Autobahnmalerei ziemlich richtig ein; er fragte sich, und ich paraphrasiere, warum man riesige Ölgemälde dazu anfertigt, um einen flüchtigen Bauzustand festzuhalten – er nannte sie „farbige Baustellenberichte“. (Darüber hatte ich auch schon nachgedacht: die Baustelle in der Kunstgeschichte. Außer dem Turmbau zu Babel war da nicht viel. Nein, Ruinenbilder sind was anderes.) Und dann kommt der totale Burn gegen die gesamte angeblich neue deutsche Kunst und ich feierte den Herrn dafür gestern wirklich sehr: „Die Malerei wird sich, wenn sie allgemeine Bedeutung haben will, der künstlerischen Überhöhung allgemein bewegender Themen zuwenden, so wie es im Mittelalter die Darstellung des Heiligen und Großen war. Damit hat sie ein weites Feld. Wenn auf diesem Felde heute noch verhältnismäßig wenig geerntet wird, so mag es sein, daß wir noch eine Zeit der Reife brauchen. […] Die Autobahnen selbst können uns der beste Beweis sein. Diese kühnen Schöpfungen liegen uns näher als die Bilder, die über sie gemalt werden können, und die Arbeit, die hier geleistet wird, ergreift uns in ihrer ethischen und wirtschaftlichen Bedeutung so unmittelbar […] daß eine Übersetzung ins Künstlerische vorläufig weder möglich noch notwendig erscheint. Um zu einer solchen Überhöhung zu kommen, muß vielleicht noch einige Zeit hingehen, wie sich gewöhnlich die künstlerische Form nicht mit dem Erlebnis zugleich einstellt, sondern allmählich heranreift.“

(Quelle: Leitl, Alfons: „Die Reichsautobahnen und die Kunst. Zur Ausstellung ‚Die Straßen Adolf Hitlers in der Kunst‘“, in: Verkehrstechnik 22 (1936), S. 583/584.)

Ich weiß nicht genau, ob es sich um diesen Alfons Leitl handelt, könnte aber hinkommen.

Außerdem fand ich in Die Straße endlich mal Fotos der ganzen Brücken, die Protzen gemalt hatte und kann die jetzt mit den Werken vergleichen; die meisten stehen nämlich nicht mehr. Und dann fand ich noch raus, dass nicht nur die Bibliotheksnutzung im Deutschen Museum nichts kostet, sondern dass sie auch kein Geld für Scans haben wollen und feierte daher einfach weiter.

Den Nachmittag versaute ich mir dann selbst. Beschwingt heimgekommen dachte ich mir, backste doch mal wieder Franzbrötchen. Dafür habe ich zwar schon vier Rezepte oder so ausprobiert und keins war annähernd so, wie ich es haben möchte, aber gestern fühlte sich wie ein guter Tag an, um ein fünftes anzutesten. Ich mach’s kurz: Es war fürchterlich und ich danach stundenlang sehr mies gelaunt.

Ich verstehe es einfach nicht. Es ist doch nur Hefeteig mit Zimt und Zucker drauf. Ich kann doch auch Zimtschnecken, wieso keine Franzbrötchen? Ich habe sogar Croissants hingekriegt, ES SIND DOCH NUR FRANZBRÖTCHEN! Von denen, die ich bisher aus dem Ofen gezogen habe, war keines so, wie ich es haben will: innen fluffig und nicht zu trocken, außer knusprig. Ich will mehrere Schichten haben – sonst könnte ich ja Zimtschnecken backen – und die Dinger sollen flach sein und nicht aufgehen. Habe ich noch nie hingekriegt. Wenn hier jemand ein Anke-sicheres Rezept hat, BITTE SCHICKEN! Ich verzweifele an meinem Lieblingsgebäck!

Immerhin abends netten Besuch gehabt und gemeinsam eingeschlafen. Alles wieder gut.

Tagebuch Dienstag, 18. Februar 2020 – Neues achievement unlocked

Geschlafen wie ein Stein, vom Wecker aus tiefen Träumen gerissen worden. Es ging ums Kinderkriegen, das weiß ich noch. Ich glaube, mein Uterus möchte mir auf den letzten Metern noch was mitgeben.

Den halben Vormittag mit Büro- und Orgakram am Schreibtisch verbracht, bis ich um 11 einer spontanen Eingebung folgte und ins Deutsche Museum fuhr, genauer gesagt, in die dortige Bibliothek. Mich interessierten erstmal nur die Jahresbände von Die Straße, einer Zeitschrift, die den Autobahnbau begleitete. In einigen der Bände hatte ich schon in der Stabi gewühlt, wobei ich da eher zielgerichtet Quellen nachgeschlagen hatte, die mir in Sekundärliteratur-Fußnoten aufgefallen waren. Nun wollte ich einfach alles mal durchblättern, auch um zu sehen, ob irgendwann Gemälde von Protzen als Illustration benutzt wurden.

An der Tramhaltestelle „Deutsches Museum“ steuerte ich auf den Haupteingang zu, von dem mir ein Wegweiser aber wegwies (ja, ich kann über derart billige Wortspiele lachen) und mich an der Seite des Riesengebäudes langlotste. Ein Schild zeigte mir den Eingang der Bibliothek an und nachdem mir eine freundliche Dame den Türöffner gezeigt hatte, als ich kläglich an der schweren Tür scheiterte, fand ich die Schließfächer und staunte danach mit dem Laptop im Arm erstmal über die heiligen Hallen.

Da ich noch nie in dieser Bibliothek gewesen war, nahm ich professionell meinen Personalausweis und einen Zehner mit in den Lesesaal, weil ich nicht nachgeschaut hatte, ob der Ausweis was kostet (tut er nicht). Mir wurde sehr freundlich weitergeholfen, und ich konnte sofort bestellen und meinen Kram vor allen Dingen 30 Minuten später in den Händen halten; deswegen wollte ich in diese Bibliothek und nicht in die Stabi, wo ich mindestens drei Tage auf Zeug warte.

Ich suchte einen Platz mit Steckdose und sah sofort, dass diese eine Tischecke, die vollständig mit Menschen belegt war, was mich beim ersten Vorbeigehen gewundert hatte, der Saal war doch fast leer?, die einzige Ecke war, die Steckdosen hatte. Aber ich wollte ja bloß bestellen und blättern, die paar Stündchen müsste mein Akku durchhalten. Der mitgegebene Flyer sagte mir, dass ich mich einfach ins Museum-WLAN einloggen könne, was aber nicht funktionierte. Ich testete stattdessen den eduroam-Zugang an und der ging.

In diesem Augenblick fiel mir wieder ein, was ich neben dem Semesterticket ab Oktober, wenn das Studium wirklich echt jetzt unwideruflich zu Ende ist, noch vermissen werde: eben diesen Zugang. Ich nutze ihn in jeder Uni-Bibliothek, weil das Uni-WLAN irre langsam ist, ich nutze ihn in der Stabi und sogar im ZI, obwohl dort ein WLAN ist, für das ich aber bis heute noch nicht das Passwort erfragt habe, wozu denn, ich hab ja meinen eduroam-Zugang. Du wirst mir fehlen, Schatz! (In Archiven funktioniert er, meine ich, nicht, da sitze ich meist herrlich ungestört von der Welt. Auch schön. Zum mal eben was Nachgucken allerdings sehr doof; da zücke ich meist ernsthaft mein Handy.)

Und so blätterte und blätterte ich und fand ein paar Dinge, die für mich neu und spannend waren. Nichts direkt zu Protzen, aber Kontext: So fand ich mehrere Anzeigen einer Firma, die 1937 ein Werk von ihm gekauft hatte, und ab 1936 bebilderte sie ihre Anzeigen auch mit einem Foto jener Brücke, von der Protzen ein Bild gemalt hatte. Ich kann nun also belegt behaupten, dass diese Firma an dieser Brücke beteiligt war und sein Werk – eine Kopie eines anderen – vermutlich eine Auftragsarbeit. Für derartigen Kleinkram blättert man halt Zeug durch anstatt nur das zu lesen, was die anderen vor einem schon gelesen haben.


(Anzeige von 1934, war in mehreren Heften drin.)

Als mein Rechner fast leer war, war ich mit den drei Jahrgängen fertig, die ich mir hatte ausheben lassen. Inzwischen waren die Steckdosenplätze wieder frei. Mal sehen, ob ich heute einen abkriege, wenn ich die nächsten drei Jahre durchschaue.

Tagebuch Montag, 17. Februar 2020 – Stabitag

Den Tag in der Bibliothek verbracht. Zuerst fünf thematisch unterschiedliche Bücher aus dem Lesesaalfach geholt und mich mit den eroberten Ostgebieten nach 1939 beschäftigt, dann mit dem Weimarer Bilderstreit, dann mit Ernst Vollbehrs Autobahngemälden von 1934, dann mit einer Ausstellung von 1942 in München, dann mit Hitlers Itinerar, um ein paar Diss-Lücken zu füllen bzw. nachzuschlagen, auch weil das Buch so viele Abbildungen hat, nach denen ich bisher in Archiven ergebnislos gewühlt hatte. Innenaufnahmen der Autobahnraststätte am Chiemsee zum Beispiel, in der theoretisch drei Protzens hingen. Auch hier leider nicht gefunden.

Im Kartenlesesaal noch ein Buch von Vollbehr aus dem Giftschrank geholt, zwei Sachen nachgeschlagen, wieder zurückgegeben.

Hungrig am späten Nachmittag nach Hause gefahren, Käsebrot mit Salat.

Dann längere Pause gemacht, um die neue Folge von Kitchen Impossible nachzuholen. Es hat mich sehr gefreut, Gerichte zu sehen, die erstmal nachkochbar aussehen: Franz Keller durfte Bœuf bourguignon machen, Tim Mälzer Poularde in der Salzkruste mit Frühlingsgemüse und Lauchkram unter der Blätterteighaube. Keller gönnte sich äußerst entspannt während der langen Schmorzeit des Fleisches eine Weinprobe nebenan, während Mälzer, der sich so gefreut hatte, endlich mal was „Normales“ kochen zu können, irgendwann wieder an sich selbst und seiner Bockigkeit scheiterte. Das fand ich sehr schade; ich mag es, wenn in der Sendung weniger Pimmelfechten und Kraftausdrücke vorkommen, sondern die schlichte Freude an gutem Essen und dem eigenen Handwerk vorherrschen. Ich sehe es zwar auch gerne, wenn man Zutaten, Zubereitungsarten oder Gerichte kennenlernt, von denen ich noch nie gehört hatte, aber ehrlich gesagt ist sowas wie Bœuf bourguignon und sieben Gläser Wein für den Koch dann doch eher mein Ding als Zuschauerin.

Mir ist auch aufgefallen, wie sehr ich es vermisse, mit F. ein, zwei Gläser abends zu trinken. Der Herr lebt gerade auf begrenzte Zeit alkoholfrei, was mich bis gestern überhaupt nicht gestört hatte, aber nach der Kochsendung hätte ich doch gerne einen Rotwein geteilt.

Zum Abendessen drei kleine Pfannkuchen gemacht, und weil sie klein waren, konnte ich sie per Hochwerfen wenden. Total professionell gefühlt.

Abends mit neuer Lektüre ins Bett. Ich lese gerade nach der Empfehlung von Marguerite Joly Late in the Day von Tessa Hadley, gefällt mir nach 50 Seiten sehr gut.

Tagebuch Samstag/Sonntag, 15./16. Februar 2020 – Freiburg, Irschenberg, Frauenwörth

Der FCA spielte am Samstag zuhause gegen Freiburg, das Spiel war fürchterlich, das Publikum irgendwann fassungslos, dann pissig, es ging unentschieden aus, und ich habe alles schon wieder vergessen. Aber die Zugfahrt war nett und die Stadionwurst wie immer ausgezeichnet.

Als ich am Freitag im Zug zurück nach München saß, erreichte mich eine DM von F. Sein Mütterchen weilte außer Landes, daher hätten wir den Wagen zur Verfügung. Ob wir einen Ausflug zum Chiemsee machen wollten? Ich so: „Yay!“ Er so: „Dann fahren wir auch über deinen depperten Irschenberg.“ Ich so: „IRSCHENBERG FTW!“

Der Irschenberg bzw. die Autobahn darüber gehört zu den Motiven, die so ziemlich jede*r Autobahnmaler*in um 1936 mal gemalt hat. Hier eine meiner liebsten Ansichten von Wolf Panizza, ich schrieb schon einmal darüber:

Auch Herr Protzen hat das Ding mal gepinselt. Anscheinend haben sich die Herren bei den Bergen im Hintergrund eine gewisse künstlerische Freiheit genommen, so sei es. Jedenfalls mag ich den Irschenberg total, aber F. kann das nicht mehr hören, weil man da angeblich immer im Stau steht.

Wir setzten uns also gestern ins Auto, ich packte sogar meine anständige Kamera ein, wir fuhren, ich knipste – und stellte entsetzt fest, dass alles total überbelichtet war, obwohl ich nie an der Auto-Einstellung herumfummele, die ist eigentlich idiotensicher. Ich jammerte, dass ich zwar kurz das herrlich föhnig-klare Panorama hatte genießen können, aber nun nichts fürs Blog hätte – pics or it didn’t happen –, woraufhin der beste aller Freunde die nächste Abfahrt nahm, fünf Kilometer zurückfuhr und mich noch einmal über den Irschenberg schipperte.

War aber egal, denn die Kamera zickte erneut, was ich aber erst zuhause bemerkte, weswegen ich mein iPhone auch deutlich zu spät zückte, um den herrlichen Aufwärtsschwung zu knipsen. Egal, war toll. Und: kein Stau. Guter, alter Irschenberg!

Dann fuhren wir weiter in Richtung Chiemsee. Ich las meine Hausarbeit von 2014 zum Frauenkloster noch einmal durch und wurde von F. daran erinnert, dass ich der seligen Irmengard noch eine Kerze anzünden wollte. Verdammte Bloggerei, alles merkt sich irgendwer, nur ich nicht. (War aber niedlich, meinen damaligen Eintrag erneut zu lesen, wo ich noch der Meinung war, meine kunsthistorische Zukunft läge in der Digitalen Kunstgeschichte und der Architektur. Unschuldige Zeiten.)

Wir setzten zur Fraueninsel über und ich dudelte wieder meinen selbstgebauten Ohrwurm im Kopf herum, den ich damals schon bei der Hausarbeit immer hatte: „Oooh, ich hab solche Sehnsucht / Du hast mich so sehr betört / Ich will wieder an den Chiemsee / Ich will zurück nach Frauenwörth.“

Spazierengegangen, die Mitte Februar noch sehr leere Insel genossen, dauernd aufs Wasser geschaut, ab und zu ein Foto davon gemacht. Dann gingen wir ins Münster, das zum Kloster gehörte, ich konnte mein im Auto wiederangeeignetes Wissen erneut anbringen, ließ einen Euro in die Sammelbüche fallen und entzündete eine Kerze. Im Hintergrund der Schädel von irgendwem (eventuell sogar die Irmengard, aber ich glaube nicht) im Reliqienschreinchen.

Mehr Wasser.

Mit der Pflanzenbestimm-App Flora Incognita gelernt, dass Efeu dicke Früchte hat. Nie bemerkt. Wir kleinen Deppen hatten zuerst auf Brombeeren getippt.

Mehr Wasser.

Beim Inselwirt eingekehrt, Spezi und Saibling für den Herrn, ein Helles und Schweinemedaillons für mich, die ich vor allem wegen der Beilage Spätzle mit Röstzwiebeln haben wollte, aber letztere waren gefriergetrocknet-ungenießbar, die habe nicht mal ich gegessen und ich esse alles, was irgendwie nach Zwiebel aussieht.

Nach der Rückfahrt nach Gstadt noch einmal das Fraueninselchen fotografiert. Ach, Schnuffi.

Auf der Rückfahrt gaaanz kurz auf dem Irschenberg in etwas dichterem Verkehr gewesen. Das war niemals ein Stau! Das würde mir der Irschenberg nicht antun.

Nebenbei über die Innbrücke gefahren, die Herr Protzen 1934 gemalt hatte, aber die konnte ich nicht genießen, weil wir ja drüberfuhren und ich sie nicht gesehen habe. Außerdem über die Mangfallbrücke gefahren, die auch alle mal gemalt haben. Protzen allerdings nicht, der hatte sich wohl an eine Notiz der Ausstellungsleitung erinnert, die zur Vorbereitung einer Schau zu den geeigneten Motiven meinte: „Mangfallbrücke (schon oft gemalt).“

Tagebuch Montag bis Freitag, 10. bis 14. Februar 2020 – Auto statt Aussteuer

Man gewöhnt sich vermutlich nie so richtig daran, wenn das Gehirn einer geliebten Person auf einmal anders funktioniert als vorher, aber die Woche war weniger stressig als die letzten Male, als ich daheim war, um meine Mutter bei der Pflege meines Vaters zu unterstützen. Für ihn werde ich immer in Hamburg wohnen, aber das ist okay. Gestern morgen verabschiedete ich mich bis zum nächsten Mal und er meinte wie immer, ich hätte es ja nicht so weit.

Der ganze bürokratische Aufwand, der mit einer zu pflegenden Person einhergeht, lässt allmählich nach. Trotzdem hat meine Mutter noch genug zu tun, muss noch immer dauernd irgendwo anrufen und Dinge erfragen, aber es wird. Die Pflegenden sind alle toll, Papa kommt mit allen klar – mit einigen besser, mit anderen weniger, aber das wäre auch nicht anders, wenn sein Kopf noch wie vor dem Schlaganfall wäre.

Dieses Mal konnte ich abends mit dem Mütterchen, wenn wir darauf warteten, dass Väterchen einschläft, ein bisschen mehr über anderen Kram klönen als Orgazeug. Sein Einschlafen zieht sich manchmal etwas; er nickt gerne weg, wacht dann wieder auf, ist orientierungslos, ruft nach irgendjemanden, an den er sich erinnert, und dann geht man halt zwei-, drei-, viermal in sein Zimmer, beruhigt ihn, bringt irgendwann ein Stück Schokolade mit und versucht rauszufinden, was ihn jetzt gerade davon abhält, einzuschlafen. Vorgestern dachte er, er müsste mir noch ein Kissen geben, einen Abend davor verstand er nicht, wieso er nicht im oberen Stockwerk schlafen könne wie wir, weil er vergessen hatte, dass er gerade nicht gehen kann. Manchmal denke ich, mein Kopf ist nicht viel anders, der grübelt abends auch über Quatsch, den er nicht ändern kann oder nicht versteht.

Die Vormittage konnte ich teilweise länger an der Diss sitzen; meine Mutter konnte ausschlafen, ich machte Papa Frühstück, ließ die Pflegekräfte ins Haus, danach schläft Papa gerne noch ein bisschen, weil das anstrengend ist, und weil das Mütterchen die außerhäusigen Termine in die Woche legt, in der ich da bin, konnte ich in Ruhe am Küchentisch am Laptop sitzen.

Am Mittwoch habe ich ein kleines Meilensteinchen gefeiert, indem ich die NS-Zeit der Diss so gut wie abschließen konnte. Alle Ausstellungen, die ich finden konnte, bis 1945 aufgelistet, alle Werke aufgezählt, die wichtigen beschrieben, Verkäufe notiert und vor allem Kontext gegeben. Wenn ein Herr Löbsack als Käufer im Werkverzeichnis auftaucht, sollte man erwähnen, wer das so war, wenn ein Bild „Hartmannswillerkopf“ heißt, auch, wenn ein Gemälde nach Litzmannstadt verkauft wird usw. Das hat alles wenig Spaß gemacht und ich war pissig auf Protzen, aber mei, das habe ich mir ja selbst ausgesucht.

Als ich dann am Mittwoch das Jahr 1945 vorerst abschließen konnte, war ich zunächst erleichtert, dass ich den Nazischeiß endlich hinter mir hatte, aber das dauerte nur wenige Stunden, denn dann war mir klar: Ich bin wirklich fast fertig. Die Zielgerade, die der Doktorvater und F. vor einigen Wochen schon sahen, sah ich plötzlich auch sehr deutlich vor mir. Das war einerseits toll und andererseits vermisse ich es jetzt schon, sie nicht mehr zu sehen.

Aber: Feste feiern, wie sie fallen, abends mit Mama Sekt aufgemacht und auf Meilensteine angestoßen. Dabei fragte ich sie etwas nach der jungen Bundesrepublik aus, denn ich hatte tagsüber natürlich gleich brav mit 1946 weitergemacht, bis 1956 muss ich noch. Sie ist Jahrgang 1940 und konnte sich daher nicht an Dinge wie die Währungreform erinnern, die mich gerade interessieren, weil das Vermögen der Protzens nach 1945 nicht unsubstanziell war, wenn man ihre Spruchkammerbögen als wahrheitsgemäße Quelle ansehen will. Deren Summen konnte ich mit dem Werkverzeichnis abgleichen, bei dem ich davon ausgehe, dass die Zahlen dort stimmen. Einige konnte ich anhand der Archivalien vom Haus der (Deutschen) Kunst bestätigen, daher gehe ich davon aus, dass auch der Rest meist passt.

Mama wusste noch, dass sie mal ein Sparbuch mit 500 D-Mark darauf gehabt hatte, was ihre Mutter mit „Davon kaufst du die Aussteuer“ kommentierte. Sie war mit 14 von der Schule abgegangen, weil meine Omi das Schulgeld für die höhere Schule nicht bezahlen konnte; eine Tante hätte gesagt, sie sei klug und könne gut rechnen: „Du gehst ins Büro.“ Also wurde sie Fremdsprachenkorrespondentin, absolvierte Wettbewerbe in Steno und Schreibmaschine und lernte als dann schon Vorstandssekretärin meinen Vater kennen, der Exportkaufmann war. (Sie verdiente damals mehr als er, was ich super fand.)

Die beiden verlobten sich 1965, und wie das so ist in Beziehungen, zofften sie sich irgendwann. Er ließ dann wohl den fiesen Satz fallen: „Vielleicht will ich dich ja gar nicht heiraten!“ Woraufhin Mütterchen, von der ich anscheinend mehr geerbt habe als ich dachte, zum Beispiel totale Übersprungshandlungen mit finanziellen Folgen, siehe die vier Absätze vor diesem, zu sich selbst sagte: „Wenn ich nicht heirate, brauche ich auch keine Aussteuer. Ich kauf mir lieber ein Auto.“

Da steht das gute Stück vor dem Haus, das die beiden gemeinsam bauten, inzwischen verheiratet (und ich war gerade unterwegs). Der Käfer endete Anfang der 1970er Jahre an einer Leitplanke in Hamburg-Maschen, meine Eltern gottlob nicht. Alle Autos danach wurden auf Papas Namen zugelassen. Aber das erste, das sie gemeinsam fuhren, gehörte Mama.

Gestern erzählte sie mir noch, dass sie in der Fahrschule nur mit zwei weiteren jungen Frauen saß, um sie herum 20 Männer. Auch bei der theoretischen Prüfung war das Verhältnis nicht gerade ausgewogen. Das war 1965 anscheinend etwas Besonders für eine 25-jährige Frau, ein Auto zu haben, und das auch noch selbstbezahlt.

Hier ist die Dame von damals. Ich kann mich nicht erinnern, dass mir das Foto vor vorgestern aufgefallen wäre, was mich irre macht. Ich finde es nämlich ganz großartig, und wenn ich mir die Twitter-Likes anschaue, bin ich nicht alleine. Das Foto hatte 1965 eine Arbeitskollegin von Mama gemacht, Ruth Schäfer, Jahrgang 1925. „Wir hatten einen 36er-Film, den haben wir im Büro mal verknipst.“

Wenn das ein Ölgemälde wäre und Kleidung und Haarfrisur etwas anders, würde ich es gnadenlos in die Neue Sachlichkeit datieren und an der Wand haben wollen. Ich glaube, ich werde mir das als Poster anfertigen lassen.

Das Haus da oben hatte übrigens die tollste Eingangstür der Welt, hier die Ansicht von innen. Ich hatte ja ernsthaft über Glasbausteine als Diss-Thema nachgedacht, weil ich die so toll finde und es erschreckend wenig Literatur über sie gibt.

Und hier die zukünftige Frau Doktor beim Wiederaufbau einer gotischen Kathedrale.

PS: Die Fotos sehen so mies aus, weil sie nur mit dem iPhone abfotografiert wurden, ich hatte keine Lust, mich bei Elterns an den Scanner zu setzen.

Tagebuch Sonntag, 9. Februar 2020 – Unterschrift und Käsekuchen

Mama durfte endlich mal wieder ausschlafen, ich war fürs Frühstück zuständig und dafür, die Morgenpflege ins Haus zu lassen. Danach ist Papa immer erschöpft und schläft. Das Mütterchen wollte auch nicht aufstehen, weswegen ich herrliche drei Stunden ungestört an der Diss sitzen konnte.

Danach machte ich Mittag für Papa und mich, während das Mütterchen sich den Frühstückstee kochte. Nachmittags kamen Schwester und Schwager mit zehn Kilo Torte vorbei. Draußen wurde aus dem üblich-norddeutschen „Büschn windig, hm?“ eine ausgewachsene Sabine. Schwager entschied sich, vielleicht doch schon früher mit dem Zug gen Süden aufzubrechen und erwischte den letzten ICE, der noch aus Hamburg kam.

Vor dem Abendbrot musste Papa noch ein paar Dokumente für die gemeinsamen Konten meiner Eltern unterzeichnen. Die dortigen Hansel erkennen die Vollmacht meiner Mutter nicht an, warum auch immer. Dann kriegen sie jetzt halt Papas neue Unterschrift, die er erstmal ein bisschen üben musste.

Abends nochmal dissertiert und das Jahr 1941 fast abgeschlossen, noch nicht ganz, weil: Bücher liegen zuhause, und wenn man schon mal das Handy zum Tethern nimmt, kann man ja auch gleich in der Stabi noch was bestellen, das liegt dann da auch noch und will gelesen werden.

Gegen 11 sehr müde ins Bett gefallen.

Tagebuch Freitag/Samstag, 7./8. Februar 2020 – Stress und Snooze

Freitag am eigenen Schreibtisch gearbeitet, wollte nicht mehr raus, sondern den letzten Tag noch alleine in Ruhe verbringen, bevor ich wieder eine Woche lang kaum eine Minute für mich habe.

Gefühlt den halben Tag lang stressgegessen.

Am Samstag ereignislose, angenehme, pünktliche Zugfahrt. Das bravste Kleinkind aller Zeiten im Sitz schräg vor mir gehabt. Zwei Stunden lang die Folge von Joseph Arthurs Podcast „Come to where I’m from“ mit Josh Radnor gehört und bis auf wenige Minuten sehr interessiert gewesen. Einen Satz von Lou Reed gemerkt: „Alles, was mehr als drei Akkorde hat, ist Jazz.“ Und einen von angeblich Flaubert (der ihn vermutlich nicht auf Englisch und für Inspo-Bildchen geschrieben hat, wenn überhaupt:) „Be regular and orderly in your life, so that you may be violent and original in your work.“

Der Herr Radnor liest anscheinend viel. Bin mal wieder celebrity crushed. Er hat auch einen Newsletter.

Papa geht’s gut.

Beim Kochen bei meinen Eltern fühle ich mich immer wie eine Kandidatin in MasterChef: „Du hast 10 Kilo Kartoffeln, drei Dutzend Gläser Marmelade, Essig, mit dem man Badezimmer putzt und Gewürze, die zu deiner Geburt schon abgelaufen waren – drei Gänge bitte.“

Bei mir gab’s Feldsalat, Eisbergsalat, Käse und Croutons aus ziemlich supererem Vollkornbrot. Dressing aus Olivenöl (nach ewigem Quengeln angeschafft), körnigem Senf (hatte ich mal gekauft) und Holunderessig (hatte eine Nachbarin als Geschenk dagelassen).

Außerdem gelernt, dass der ehemalige Heizöllieferant meiner Eltern auch eine Metzgerei hatte. Oder umgekehrt.

„Die Firma gibt’s leider nicht mehr. Jetzt kriegen wir das Öl von woanders, aber die haben keine Wurst.“