Was schön war, Mittwoch/Donnerstag, 6./7. November 2019 – Essen, trinken, bücherseufzen

Das derzeit übliche Programm, arbeiten, promovieren. Was man halt so macht.

Am Mittwoch ging ich zur Mittagszeit ein bisschen spazieren, um auf dem Rückweg Einkäufe zu erledigen. Mein Weg führte mich zu Lidl, wo ich den Tofu ausprobieren wollte, da ich gerade alle Tofus in meiner Umgebung anteste – quasi gezwungenermaßen, weil der von Edeka, der mein nächstgelegener Supermarkt ist, total ungenießbar schmeckt. Mir jedenfalls. Auch die Fertigprodukte aus Soja sind grauenhaft und ich will das Zeug nicht mehr weiter durchprobieren. Also Lidl.

Nachdem ich den Tofu in den meterlangen Regalen zwischen Käse und Wurst gefunden hatte (ein kleines Fuck you an vegane Kunden, oder was?), bereitete ich ihn zuhause zu meinem geliebten scharfen Tofu von Ottolenghi zu. Das ist eins meiner Lieblingsgerichte, die ich dauernd essen könnte, es aber nicht so oft tue, weil ich eher selten Frühlingszwiebeln im Haus habe. Rest ist immer da, aber die halt nicht, und komischerweise ist es ohne doof, auch wenn es nur ein weiteres zwiebliges Element im Ganzen ist. Ich nutze auch längst nicht so viel Butter wie im Rezept, mache aus den Schalotten manchmal Zwiebeln und die Chili-Dosierung ist auch sehr tagesabhängig, total egal, das Rezept schmeckt immer. Dieses Mal nutzte ich ausnahmsweise normalen Tofu, nicht den sonst verwendeten Räuchertofu, und dann auch noch eine Marke, die ich vorher nicht kannte, und was soll ich sagen: Es wurde das beste scharfe Tofu, das ich jemals gebraten hatte. Neuer Tofu-Liebling!

Über gutes oder gelungenes oder beides Essen kann ich mich ja stundenlang freuen. Und das tat ich dann auch.

Donnerstag machte ich den Fehler, das Autobahnkapitel doch noch mal anzuschauen, obwohl ich mir geschworen hatte, es erstmal eine Woche liegenzulassen und was anderes zu schreiben. Aber so schaute ich und las und fand noch diverse Stellen, vor allem in den Fußnoten, wo ich mein beliebtes „quelle?“ in rot notiert hatte, oder „checken!“ oder „katalog im zi?“ Seufzend machte ich eine Liste in meinem Moleskine, mit dem ich mit dort frisch notierten Signaturen durch Bibliotheken renne, schaute dann auf die erstellte Liste, sah, dass ich einiges in der Stabi, aber noch mehr im ZI zu tun hätte – und machte mich auf den Weg ins ZI. Es hilft ja nichts.

Dort hatte ich wieder den Effekt, über den ich mich genau wie über gutes Essen stundenlang freuen kann. Ich schloss mein Zeug ein, zeigte an der Pforte meinen Ausweis vor, dessen Name und Nummer werden notiert (früher machte man das selbst, seit der DSVGO nicht mehr, damit man ja nicht mehr lesen kann, wer noch so alles im Haus ist – als ob man die Nasen im kleinen Lesesaal nicht sowieso sofort sehen könnte, aber gut), brachte Rechner und Moleskine an meinen Platz, stöpselte das Netzteil ein und ging ausnahmsweise sofort in die Magazine. Sonst muss ich im Katalog erstmal die Signaturen zu den Büchern oder Zeitschriftenbänden suchen, die ich haben will, aber die hatte ich ja schon brav in der Diss notiert oder ich wusste, wo irgendwas steht. Der Fahrstuhl brachte mich zunächst in den Keller, wo ich einen Zeitschriftenband brauchte und dann in den 3. Stock, wo ich diverse Ausstellungskataloge zusammensammeln wollte. Und spätestens dort war dann wieder das einmalige ZI-Gefühl da: zu wissen, hier steht (fast) alles, was du brauchst – und dann noch 500.000 weitere Bücher.

In den Magazinen begegnet man eher selten Leuten, weil das Haus so klein ist, man steht da einfach zwischen 100.000 Bänden und 50 Regalen, die teilweise vom nachträglich eingezogenen Fußboden bis zur niedrigen Decke vollgestapelt sind – deswegen hat das Haus auch fünf Stockwerke, wo es von außen nur nach dreien aussieht – und ich persönlich mache da durchaus ein Ritual draus, einfach kurz stehenzubleiben und zu gucken und nicht sofort ans gesuchte Regal zu sprinten. Einfach weil ich es so sehr genieße, diese Fülle an Wissen vor meiner Nase zu haben. Ich behaupte, mein Blutdruck geht sofort runter, wenn ich zwischen diesen Bücherbergen stehe und einfach nur gucke. Und meistens seufze ich nochmal glückselig vor mich hin.

Es war dann doch längst nicht alles da, worauf ich gehofft hatte, wir können ja auch nicht alles haben, aber dann seufze ich halt nächste Woche in der Stabi nochmal.

F. konnte relativ früh Feierabend machen (ausnahmsweise Home Office, kein doofer langer Arbeitsweg, yay for home office), und so gönnten wir uns gegen 18 Uhr schon unser gemeinsames Abendessen. Dazu gingen wir nicht in unsere Stammkneipe, das Obacht, sondern in den Görreshof, der leider, wie so viele Münchner Lokale, die Angewohnheit hat, alles auszureservieren. Wenn man spontan kommt, suchen die Kellner*innen aus den ganzen Reservierungsschildern auf den Tischen den Zeitpunkt aus, der am weitesten weg ist und fragen, ob a Stund reicht. Unsere Reservierung sollte erst um 19.30 Uhr kommen, das passte, wir tafelten Schnitzel bzw. Backhendlsalat, tranken jeder zwei Helle und überlegten, ob ein drittes noch drin war, es war grad so nett. Es war kurz nach 19 Uhr, das hätte noch gepasst, aber dann wurde eine Gruppe an den Nebentisch gesetzt, die eigentlich erst um 19.30 hätte kommen sollen, auf unserem Tisch stand plötzlich das Reservierungsschild von dort, auf dem 19.15 Uhr stand, und daher war die Zeit auf einmal knapp. An der Bar stapelten sich auch schon Wartende, und so zogen wir einen Hauch missmutig weiter.

Die schlaue Überlegung wäre gewesen, beim Supermarkt einfach noch zwei, drei Helle zu holen oder die beiden, die noch in meinem Kühlschrank lagen, zu trinken, aber nein, wir gingen „nur noch auf einen Absacker“ dann doch ins Obacht, was wir uns eigentlich bewusst verkniffen hatten, denn da ist es immer so nett, dass wir grundsätzlich mehr trinken und länger bleiben als geplant. Also nur noch eins, gell?

Wir waren dann nach jeder vier weiteren Hellen zuhause und leerten noch die beiden im Kühlschrank, und dann war’s nach Mitternacht und auch mal gut. Das war ein sehr schöner Tag.

Was schön war, Dienstag, 5. November 2019 – Kapitelabschluss (haha)

Vormittags Geld verdient, danach wieder an der Diss gesessen.

Vorgestern hatte ich das dicke Autobahnkapitel, an dem ich gefühlt (und laut Blogeinträgen) ungefähr zwei Monate hauptsächlich saß und schrieb, vorerst abgeschlossen. Gestern fühlte ich mich dadurch gewappnet genug, den Forschungsstand aufzuhübschen, der bisher eine Liste von Texttiteln war, von denen ich aber nie so recht wusste, ob sie da reingehören oder lieber ins Autobahnkapitel oder doch gleich in den Hauptteil zu Protzen und der Diskussion über seine Werke. Nachdem ich jetzt aber das Autobahnding fertig hatte, wühlte ich mich durch den Forschungsstand, kürzte, löschte, formulierte um und erweiterte, erweiterte, erweiterte. Das Ding ist dann jetzt auch vorerst fertig. (Immer im Hinterkopf: haha, fertig, haha.)

Ich musste mir gestern mal wieder eingestehen, dass die Diss mein Everest an Text ist. Bisher habe ich immer stolz gewusst, lange Texte sind genau mein Ding, das kann ich, darin verliere ich mich nicht, weder in üppigen Werbekatalogen noch in meinem Buch übers Essen und Dicksein. Die 220 Seiten Manuskript dafür waren mir relativ schnell im Kopf klar, die musste ich quasi nur runterschreiben. Das sah übrigens so aus; ich habe beim Wiederlesen des nun über acht Jahre alten Blogeintrags festgestellt, dass ich immer noch gerne an schönen Tischen und mit einer Teekanne neben mir arbeite. Und es deutete sich vorsichtig an, dass Kunstgeschichte demnächst eventuell eine Rolle in meinem Leben spielen würde.


(Eins von zwei Regalen, die nach der Umräumaktion neulich jetzt hinter mir im Arbeitszimmer stehen. Schon nach wenigen Tagen mit Büchern vollgestapelt, wo-hoo! Nicht wo-hoo. Nicht im Bild: Teekanne rechts von mir.)

Die Diss kann ich aber nicht einfach so runterschreiben, weil ich noch gar nicht weiß, was ich schreiben werde, weil ich noch nicht alle Quellen gesehen habe, weil ich in Protzens Werken IMMER NOCH erst im Jahr 1937 bin und noch bis 1956 muss und weil ich nicht weiß, was mir alles auf dem Weg dahin noch begegnet. Deswegen ist jeder Satz, den ich schreibe, ein vorläufiger. Und weil es so irre viele Richtungen sind, in die ich schreibe, und es viel zu viel ist, um es dauernd noch einmal durchzulesen, was ich sonst immer mache, lese ich neuerdings alle zwei Monate mal über irgendwas rüber. Dann denke ich meist, oh, das ist schlau, das habe ich hübsch formuliert. Manchmal denke ich aber auch, was ist denn das für ein Quatschsatz, den streichen wir mal formlos. Aber grundsätzlich denke ich immer: Das hab ICH geschrieben? Weil ich schon längst vergessen habe, was ich im März oder Juli mal zu Papier brachte.

Auch deswegen wollte ich jetzt den Forschungsstand halbwegs runterrocken, damit ich nur noch anlegen muss, wenn mir noch irre neue Quellen oder Texte über den Weg laufen, womit ich aber eigentlich nicht rechne. Die Grundlagen zu den Autobahnen, Kunst im NS, Kunst in München im NS habe ich jetzt durch. Für Herrn Protzen hat sich noch nie jemand so richtig interessiert, aber auch über die wenigen Erwähnungen von ihm seit 1945 konnte ich durchaus was schreiben. Ich bin dann jetzt bei 187 Seiten angekommen, weiß nicht wie und habe keine Ahnung, was in ihnen drinsteht.

Erinnerungskultur in der DDR

Ich erwähnte neulich schon mal, dass mich die unterschiedliche Aufarbeitung des NS in Bundesrepublik und DDR interessiert. Die BPB hat dazu ein Dossier von 2008 wieder nach oben geholt, davon verlinke ich mal einen Text (via @frequenzfisch). Wie gesagt, 2008. (Nicht von den Fußnoten mitten im Text irritieren lassen, es geht darunter weiter.)

„Unmittelbar nach Beendigung des Krieges galt die Erinnerung in der sowjetischen Besatzungszone allen Opfergruppen. Es war unerheblich, ob es sich um Widerstandskämpfer kommunistischer, bürgerlicher oder christlicher Couleur handelte oder ob die Verfolgung aus rassistischen Gründen erfolgte. Kurz nach Kriegsende 1945 wurden als “Opfer des Faschismus” diejenigen bezeichnet, die “‘unter der Hitlerdiktatur heldenmütig für die Freiheit des deutschen Volkes’ gekämpft hatten, sowie die ‘Hinterbliebenen der von den Faschisten ermordeten Helden des deutschen Freiheitskampfes'”. Die Weiterführung des Zitats verdeutlicht jedoch, dass eine Hierarchisierung der Opfergruppen im Interesse der kommunistischen Erinnerungskultur und des Geschichtsbewusstseins vorgenommen wurde. Denn es heißt weiter: “‘Opfer des Faschismus’ sind die Juden, die als Opfer des faschistischen Rassenwahns verfolgt und ermordet wurden, sind die Bibelforscher und Arbeitsvertragssünder. Aber so weit können wir den Begriff ‘Opfer des Faschismus’ nicht ziehen. Sie haben alles geduldet und Schweres erlitten, aber sie haben nicht gekämpft.

Vor allem die Spitze der SED sah in den kommunistischen Widerstandskämpfern die bedeutendste Gruppe, die stets hervorgehoben wurde. So wurde zwischen “Opfern des Faschismus” und den “Kämpfern gegen den Faschismus” unterschieden. Die Erinnerung an die anderen Opfer wurde somit sekundär und verschwand größtenteils aus dem öffentlichen Gedächtnis. Jürgen Danyel weist darauf hin, dass “in der DDR […] die Euthanasie-Opfer, die Sinti und Roma, die ‘Asozialen’, die Homosexuellen und andere Minderheiten zu den lange vergessenen Opfergruppen” gehörten.“

Die Bundesrepublik hat sich auch nicht nur mit Ruhm bekleckert, gerade was die Integration von NS-Verbrechern und -Mitläufern anging, da war die DDR deutlich konsequenter in ihrer Ablehnung. Aber die Bundesrepublik hatte immerhin die 68er, in deren Zeit meiner Meinung nach eine intensivere Auseinandersetzung mit der eigenen oder der familiären Vergangenheit möglich war als der von oben verordnete Antifaschismus. Aber ich muss dazu noch viel lesen, das will ich jetzt genauer wissen. Hier ein zweiter Text aus dem Dossier: Geschichte der Erinnerungskultur in der DDR und BRD. (Ich bringe es immer noch eher selten über mich, „BRD“ zu schreiben, westdeutsche Prägung, ts.)

„In der Bundesrepublik lautete 1949 die Frage: Demokratisierung und gesellschaftliche Integration der NS-Funktionseliten, also der mittleren Garnitur, oder vorbehaltlose Aufarbeitung und Bestrafung der Verbrechen. In einer Art großen Koalition entschied man sich für den ersten Weg – ein allgemeiner Rechtfertigungsdrang und ein gemeinschaftlicher Wille, sich von Schuld und Verantwortung frei zu sprechen verband die meisten Deutschen miteinander. Vom Holocaust war bis zum Ende der 1950er Jahre kaum die Rede.

In der Öffentlichkeit wurde das “Dritte Reich” weitgehend totgeschwiegen. Nur Minderheiten, meist Opfergruppen, wagten die Schuld verdrängende Verharmlosung, die Vergangenheitsabwehr und die Schuldabwälzung zu stören. Im populären Geschichtsbild der Zeit erschien der Nationalsozialismus als unerklärlicher Einbruch, als Heimsuchung, ja Verhängnis und Hitler als Dämon. Außerdem wurden die NS-Diktatur und die SED-Diktatur über denselben Kamm geschoren und nach dem Mauerbau 1961 erschien die DDR nicht wenigen als ein KZ. Halbheiten bestimmten die Wiedergutmachung für die Opfer des Nationalsozialismus. Israel erhielt zwar Entschädigungszahlungen, doch in der Wiedergutmachung steckte zu viel Kalkül und Außenpolitik, als dass sie moralisch voll überzeugte: Gezahlt wurde dort, wo es die internationale – und das bedeutete damals: westliche – Reputation der Bundesrepublik gebot, im Westen. Osteuropäische Opfer gingen leer aus.

Das Klima und mit ihm die Erinnerung wandelte sich seit etwa 1958, als antisemitische Skandale die Republik erschütterten. Weit reichende Folgen ergaben sich aus den Reaktionen: Die Kultusminister verabschiedeten neue Richtlinien für den Geschichtsunterricht, der Gesetzgeber schuf den Straftatbestand der “Volksverhetzung” und auf Betreiben von Opfergruppen wurden endlich Gedenkstätten gebaut. Ferner richteten die Landesjustizminister die “Zentrale Stelle zur Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen” ein, womit sie die strafrechtliche Verfolgung von NS-Tätern vorantrieben. Intellektuelle wie Rolf Hochhuth kritisierten den Umgang mir der NS-Vergangenheit offen und ein Generationenkonflikt radikalisierte den Umgang mit der Vergangenheit. Die Verjährungsdebatten im Deutschen Bundestag seit 1965 – Mord verjährte nach 20 Jahren, durfte NS-Völkermord verjähren? – verzeichneten eine ebenso breite öffentliche Resonanz wie der Eichmann-Prozess in Jerusalem oder der Auschwitz-Prozess in Frankfurt am Main.“

Tagebuch Montag, 4. November 2019 – Arbeitstag

Für Geld gearbeitet, an der Diss gesessen, nur einen Liter Tee getrunken (man kommt ja zu nix), zwischendurch Halloumi mit allem Gemüse, was rumlag, geluncht.

Den ganzen Tag warme Füße gehabt. Yay for Home Office.

Diss lief gut, ich blieb bis halb neun am Schreibtisch und musste F. auf einen anderen Abend vertrösten, weil ich danach noch Zeitung lesen wollte. Never leave a hot keyboard.

Tohru Nakamura ist “Koch des Jahres”

F. und ich haben im Mai im Geisels Werneckhof gegessen. Ich habe mich sehr gefreut, meine eigene Einschätzung – „schmeckt alles super und zen-nig“ – im SZ-Artikel wiedergefunden zu haben.

„Tatsächlich kann Nakamura so gut wie wenige andere erklären, warum er ein bestimmtes Gericht auf den Tisch bringt und warum gerade in dieser Form. Sein Stil besitzt ein ungewöhnlich hohes Maß an Stimmigkeit – “was wir servieren, steht in einem totalen Einklang mit mir selber, ich bin damit absolut glücklich”, sagt Nakamura – eine Aussage, die sehr viel konkreter wird, wenn man seine Biografie kennt.

Denn der Sohn einer deutschen Mutter und eines japanischen Vaters ist in zwei kulinarischen Welten zu Hause. Wie kaum ein anderer deutscher Koch weiß er die europäische Hochküche mit der japanischen zu verbinden und zu etwas ganz Eigenem zu machen; zu einem Stil, der längst prägend ist für viele Köche.

Die japanische Küche hat in den vergangenen Jahren auf der ganzen Welt stark an Einfluss gewonnen. Nirgends dürfte der Respekt vor dem Produkt eine solche Bedeutung haben wie in der japanischen Tradition, egal übrigens, ob es sich um Aal, Wagyusteak, Birnen oder Algen handelt. Wissen, Spezialisierung und technische Fertigkeiten sind enorm, es gibt Köche, die über Jahre nur für die Verarbeitung einzelner Produkte ausgebildet werden. Qualität, Regionalität und Saisonalität haben in Japan fast kultischen Stellenwert. Und die Fermentation von Lebensmitteln mit Edelschimmelpilzen, ebenfalls eine japanische Technik, eröffnet völlig neue Geschmackswelten. Bei all diesen Themen geht es durchaus nicht allein um Genuss, sondern auch um Nachhaltigkeit. Um den Einklang mit der Natur. Und es geht um eine Philosophie, die sich, zumindest in Teilen, gut auf andere Küchenstile übertragen lässt.“

Tagebuch Samstag/Sonntag, 2./3. November 2019 – Zwei Krisen, ein Happy-End

Die letzten beiden Tage des langen Wochenendes, das ich mir seit Donnerstag selbst verordnet hatte; manchmal fühle ich mich einen Hauch urlaubsreifer als ich sein möchte. Viel gelesen, unter anderem bin ich auf Seite 225 von Pachinko (deutsche Übersetzung: Ein einfaches Leben) angekommen. Ich kann mich noch nicht entscheiden, ob ich den sehr schlichten Sprachstil als effizient oder spröde bezeichnen möchte. Gefällt aber.

Samstag wollte ich mal wieder etwas backen. Ich hatte noch eine gute Handvoll TK-Himbeeren, die endlich irgendwo reinwandern sollten, also googelte ich nach irgendwas Cheesecake-artigem, bis mir einfiel: Dein gutes altes Käsekuchenrezept klappt immer. Da klatsche ich einfach auf den vorgebackenen Boden die pürierten und etwas eingekochten Himbeeren und fertig.

Das klappte auch hervorragend, aber anscheinend habe ich meinen Eischnee nicht schneeig genug geschlagen, denn nach dem ersten Aus-dem-Ofen-Nehmen und Abkühlen, als ich ein Probestück abschneiden wollte, suppte mir die Mitte des Kuchens energisch entgegen. Hektisch die Springform wieder um den Kuchen gedengelt und nochmal in den Ofen gestellt. Währenddessen die Wohnung oberflächlich in einen besuchsfertigen Zustand gebracht, denn meine Nachbarin hatte sich spontan auf einen Flat White angekündigt. In der Halbzeit des Bayern-Debakel-Spiels testete ich den Kuchen erneut – und wieder war die Mitte nicht fest. What the hell? Für das dritte Nachbacken ließ ich das herausgeschnittene Stück einfach draußen, damit ich sehen konnte, wann nichts mehr flüssig war. Das klappte dann endlich, und lustigerweise war die Außenseite des Kuchens auch nicht überbacken. Trotzdem stehe ich der Mitte bis heute etwas skeptisch gegenüber und friere nur halbe Stücken ein. (Oder F. muss heute noch viel Käsekuchen essen.)

Eine nette Stunde geplaudert und guten Flat White getrunken. Jedesmal wenn ich schwitzend daran denke, wie teuer diese verdammte Maschine war, mache ich mir einen Kaffee und weiß wieder, warum sie so teuer war. Und wie sehr ich mich jeden Morgen über den Kaffee daraus freue.

Derzeit im Ausschank: Sidamo von Fausto, von denen man alles trinken kann (Liebling: Monaco), noch aus der dicken Kaffee-Geburtstagstüte im März. Die habe ich fast niedergerungen und freue mich schon aufs Nachbestellen von Oh, Harvey, der war der Kracher.

Sonntag stand dann endlich mal wieder ein Stadionbesuch an. Leider nur einer, denn sowohl der FCA als auch die Bayern-Damen hatten ein Heimspiel, aber beide würde ich zeitlich nicht schaffen. Ich entschied mich für die Jungs um 18 Uhr.

Dazu wollte am Rechner noch schnell mein Schwabenticket buchen, klickte erfahren auf der DB-Website rum, nur um ganz zum Schluss die Meldung zu bekommen: „Bezahlvorgang abgebrochen“. Keine Zeit zum neuen Versuch, hektisch 30 Euro in bar eingesteckt, in der U-Bahn einen weiteren Versuch am Handy gestartet, wieder dieselbe Meldung. Am Bahnhof dann am Automaten gelernt: Wenn man 23 Euro bezahlen muss, will der Automat nach zwei Zehnern keinen dritten mehr, sondern Münzen – die ich nicht hatte, sonst hätte ich sie eingesteckt. Zweiter Bezahlversuch mit der EC-Karte, die nicht akzeptiert wurde. Darum kümmere ich mich dann heute – WTF? –, kaufte an einem der eine Million Verkaufstände eine Wegcola, hatte nun Kleingeld, erstand ein Ticket und war zwei Minuten vor Abfahrt des Zugs hektisch und verschwitzt am Gleis. Herrgottnochmal. Ich noch so per DM an F., der nicht mitkommen konnte: „Wenn der FCA jetzt noch verliert – AN MIR HAT’S NICHT GELEGEN!“

Damit habe ich das ganze dann vermutlich gejinxt, denn nach einer wirklich guten ersten Hälfte und einem doofen 1:1 (Eigentor) kam eine beschissene zweite Halbzeit und das Spiel ging 2:3 verloren. Aber immerhin hat’s geregnet und mir war kalt. *knurr* Hätte vielleicht doch das 5:2-Spiel der Bayern-Damen gucken sollen.

Zuhause Frustpommes in den Ofen gehauen und die letzte Folge The Affair geguckt. Hm. Ich mochte die Serie vor allem in den ersten beiden Staffeln sehr gerne, die dritte fand ich grauenhaft, die vierte dann wieder okay, und mit der fünften haderte ich auch, allerdings nur mit der Storyline von einer Figur (ich versuche mal nicht zu spoilern). Das Finale erschien mir arg weichgespült im Vergleich zu den bisherigen Folgen, die ihre Figuren doch gerne mal durch die emotionale Mangel drehten. Trotzdem ein okayes Ende. Ich werde vor allem Helen vermissen, die ich in all ihren Irrungen und Wirrungen immer als konsequent – und konsequent suchend – empfunden habe. (Maura Tierney!)

Beim abendlichen Fertigmachen im Bad Deutschlandfunk gehört und gelernt, wer den Text zu Über sieben Brücken musst du geh’n geschrieben hat. Außerdem kennengelernt: King Princess, von der You Destroyed My Heart gespielt wurde, was mir sehr gut gefallen hat. Eben beim Bloggen das ganze Album durchgehört, über das der Guardian treffend schrieb: „It’s the sonic equivalent of putting on a full face just to sit at home smoking weed.“

Was schön war, Donnerstag/Freitag, 31. Oktober/1. November 2019 – All things grow

(Soundtrack zum Blogeintrag: Chicago von Sufjan Stevens)

Am eigenen Schreibtisch sitzen, schreiben können, lesen können, im Warmen sein können, ein Dach über dem Kopf haben.

Geld haben, um einzukaufen. Ist in diesem Jahr nicht ganz so üppig, aber es reicht. Das ist viel.

DMs mit jemandem austauschen, den man liebt. Menschen auf Twitter und Insta zugucken, die man mag, schätzt, unterhaltsam findet, anregend, anstrengend auf eine gute Weise. Sich bilden können.

Ein Geschenk von jemandem Wildfremden aus der Packstation holen. Gehen, im eigenen Tempo, in genau meinem Wetter (Team Herbst), in der geliebten Schnuffeljacke. Auf dem Rückweg ein Stück Kuchen vom Bäcker holen. Geld für Kuchen haben, Zeit, dazu noch einen Kaffee aufzubrühen, beides genießen, stumm und dankbar.

Auf dem Sofa einschlafen können, weil gerade nichts gemacht werden muss. Gar nichts.

Honigbrot, Tee, merken, dass die Blechpommes im Sonderangebot gar nicht so schlecht sind. Ich habe immer noch keine richtig guten selbstgemachten hingekriegt. Aber: Zeit und Lust dazu haben, es immer wieder zu probieren.

Ausschlafen.

Neue Folgen von Queer Eye auf Netflix, die bei mir immer den Effekt haben, mal wieder auf mich raufzugucken und zu merken, was ich alles habe, was ich alles kann, worin ich gut bin. Der gute alte Spruch, über den viele sich lustig machen außer denen, die ihn dauernd aufsagen müssen, um nicht wahnsinnig zu werden: Selbstliebe ist ein radikaler Akt, wenn die Gesellschaft, die Medien, Facebook oder deine angeblichen Freunde dir dauernd sagt, du bist nicht gut genug.

Den Artikel „Was ich lernte, als mein Vater starb“ lesen und genau das mitnehmen, was mich seit einigen Monaten auch beschäftigt:

„Wenn man Hinterbliebene wird, dann erkennt man (oder auch bereits in den Übergängen langer Krankheiten), wie Menschen ticken, wie sie gebaut waren. Wie bei Ruinen sieht man, wo die Stiegenhäuser waren, wo die stabilen Wände, wo die weniger belastbaren. Bei diesem schmerzhaften Prozess lernt man, wie man selbst gefertigt ist. Wo man Wände verstärken sollte. Welche man einreißen könnte, weil man sie selbst dort gar nicht braucht. Und wo man eigentlich lieber einen Balkon hätte. Beraubt der letzten Zeugen der eigenen Kindheit, verabschieden wir uns nicht nur von den Toten, sondern auch von den Menschen, die wir selbst früher waren. “Du sitzt jetzt erste Reihe fußfrei”, hat mir eine Freundin damals gesagt, und das klang knallhart, aber gut. Denn erste Reihe fußfrei bedeutet auch, dass es die eigenen Entscheidungen sind, die zählen und gelten, und das Bild von einem selbst, das man hat, nicht das, das ein anderer hatte, dem man womöglich lange zu entsprechen suchte. Und plötzlich erkennt man, ganz versöhnt, dass selbst dieser Mensch einmal versucht hat, jemand anderem zu entsprechen. Es ist die simple Erkenntnis: Auch die Eltern sind nur Menschen.“

Und ganz dringend das hier:

„”Wird es mir am Totenbett Sorgen machen?”, frage ich mich seither, um herauszufinden, wie es um die Größenordnung eines Problems tatsächlich bestellt ist. Da bleibt erstaunlich wenig übrig. “Wir werden alle sterben” nicht als Tragödie, sondern als Befreiungsschlag.“

Ich werde auf dem Sterbebett nicht denken, ach Mensch, hätte ich doch diese zehn Kilo noch abgenommen, hätte ich doch mehr Geld verdient, hätte ich doch noch mehr Zeug angehäuft. Ich werde denken, scheiße, die 100 Euro für diesen Rotwein hättest du doch ausgeben sollen. Und dann gebe ich sie jetzt aus. Und schreibe eine Dissertation, statt in der Agentur reich zu werden. Und werfe Zeug weg, weil ich genug Zeug habe.

Genug Zeug haben.

In der Küche beim Kochen zu Sufjan Stevens mitsingen.

Abends über Patisserie sprechen, über gutes Essen, dazu einen Wein trinken, der keine 100 Euro gekostet hat, aber trotzdem sehr gut ist.

Gemeinsam einschlafen und darauf vertrauen, dass Dinge wachsen, sich entwickeln und alles irgendwie gut wird.

Ein kontinentales Dankeschön …

… an Gabriele, die mich mit John Iliffes Africans: The History of a Continent überraschte. Das Buch wurde vermutlich in einem der vielen Artikel erwähnt, die ich in den letzten Monaten zum Thema Sklaverei und/oder Rassismus gelesen habe, ich weiß leider nicht mehr in welchem, aber ich erinnere mich daran, dass es als grundlegender Text genannt wurde, und grundlegende Texte sind ja immer gut.

Wenn ich in diesem Zusammenhang mal wieder auf das 1619-Projekt der New York Times aufmerksam machen dürfte, das ins Essays, Podcasts und weiteren Medien die Geschichte der Schwarzen amerikanischen Bevölkerung aufbereitet? Hier der Link zu einigen Gedichten und Storys, die mit diesem Satz angeteasert werden:

„I slide my ring finger from Senegal
to South Carolina & feel the ocean
separate a million families.“

Auch deswegen – wegen der Middle Passage – wollte ich mehr über die Ursprungsländer der Menschen wissen, deren Nachkommen sich heute Afro-Amerikaner nennen. (Wobei ich oft an ein Zitat von Whoopi Goldberg denken muss: „I am not an African-American. I am an American.“) Vor längerer Zeit hatte ich schon Kongo: Eine Geschichte gelesen, das ich euch sehr ans Herz legen kann, und jetzt bin ich sehr auf Africans gespannt.

Ach, wo ich eh gerade Links zum Thema durch die Gegend werfe: Hier einer zum New Yorker, in dem Maya Phillips über das National Museum of African American History and Culture (NMAAHC) schreibt, drei Jahre nach seiner Eröffnung. Ich durfte für den Ausstellungskatalog zu „New Museums“ auch über dieses Gebäude schreiben, und ihr könnt den Text auf meiner Arbeitswebsite lesen. Oder immerhin seine englische Übersetzung.

Gestern habe ich außerdem Michelle Obamas Becoming durchgelesen, was einerseits toll war, andererseits anstrengend. Ihrer Let’s-Move-Kampagne, die gegen Fettleibigkeit bei Kindern vorgeht, stehe ich in einigen Punkten kritisch gegenüber (BMI als Maßstab, was völliger Kappes ist), anderen Dinge, die die Obamas im Weißen Haus angestoßen haben, deutlich weniger (besserer, selbstverständlicherer Zugang zu Bildung, gerade für Schwarze Kinder). Im Buch schreibt sie auch über den Wahlkampf, bei dem sie gegen das Stereotyp der angry black woman anarbeiten musste, damit die armen Weißen keine Angst mehr vor ihr haben. Dieses Denken hat sie anscheinend immer noch gezwungenermaßen verinnerlicht, was mich irre macht. Nettsein schafft keine Veränderungen, und Rassist*innen erreicht man nicht mal als Friedensnobelpreisträger. Ihre Erschöpfung sieht man ihr im Clip ein bisschen an.

Aber eher ich mich weiter aufrege: Vielen Dank für das Geschenk, ich habe mich sehr gefreut. Scheint ein Thema zu sein, was mich wirklich interessiert. Achtung, sehr ausgelutschter Begriff, aber trotzdem ein wichtiger: Das Thema macht mir immer wieder bewusst, welche Privilegien ich habe. Ich habe als dicke Frau in unserer Gesellschaft durchaus mit Vorurteilen zu kämpfen, aber ich habe noch nie Probleme wegen meines Namens oder meiner Hautfarbe gehabt und ich habe keine Ahnung, wie sich das anfühlt. Also höre ich den Leuten zu, die das leider wissen.

Glasierter Tofu mit Sobanudeln und Gurkensalat

Im Original heißt das Rezept Sesame Noodles with Crispy Tofu, aber ich habe keine Ahnung, wieso Sesam. (Edit: Eine Leserin tippt auf das Tahini, was in der Riesenmenge von zwei Esslöffeln in die Sauce kommt. Das könnte es sein!) Danke an @tauben für den Hinweis auf das Rezept, das ist jetzt in meiner Liste, weil gut. Auch wenn ich schnöde Weizennudeln verwendet habe, weil die Sobanudeldichte in meiner unmittelbaren Einkaufsumgebung enttäuschend gering (aka gleich null) war.

Für zwei Personen.

Einen Block Tofu (das waren bei mir so 250 g, das Rezept möchte 340 haben) zwischen zwei Lagen Küchenpapier geben, mit etwas Schwerem belasten, entwässern und trocken tupfen.

2 kleine Salatgurken fein hobeln, in ein Sieb über einer Schüssel geben, mit Salz bestreuen und für ein paar Minuten Wasser ziehen lassen. Ich beschwere die Gurken gerne, damit das Wasser auch rauskommt; wer grobschlächtig drauf ist, drückt sie nach ein paar Minuten einfach vorsichtig aus. In einer Schüssel mischen mit
1 daumengroßen Stück Ingwer, fein gerieben, und
1 EL Reisessig. Beiseite stellen.

240 g Sobanudeln nach Packungsanleitung kochen. Nicht abgießen, sie sollen warm bleiben.

In einer Schüssel
120 ml helle Sojasauce mit
6 EL Honig,*
2 kleinen Chili, fein gehackt, sowie
6 EL Reisessig mischen.

Den entwässerten Tofu nun in Scheiben schneiden. In
neutralem Öl bei mittlerer bis hoher Hitze knusprig braten. Einfach ein paar Minuten lang ungestört braten lassen, nicht dauernd dran rumfummeln, erst wenn die eine Seite schick-knusprig-braun aussieht, wenden. Wieder in Ruhe lassen. (Das hilft mir, wenn mir Rezepte sowas sagen. Ich bin eine Rumfummlerin. Kein Wunder, dass meine Steaks selten was werden.)

Wenn der Tofu fertig ist, rausnehmen, die Pfanne auswischen, Hitze etwas runterschalten, den Tofu wieder hineingeben und dazu nun ein paar großzügige Esslöffel der Sojahonigdingsmischung. Vorsicht, wenn ihr den Herd so hoch hattet wie ich gestern, gibt das eine sehr gut riechende, aber fies große Dampfwolke; am besten vorher die Dunstabzugshaube höher stellen. Den Tofu in der Sauce ganz kurz braten lassen, bis er von der etwas eingekochten, dicklichen Sauce umhüllt ist.

Die restliche Sauce mit
2 EL Tahini und
1 EL Reisessig vermischen.

Den Tofu aus der Pfanne nehmen, stattdessen die nun abgegossenen Nudeln hinein, die restliche Sauce dazu, alles vermischen und einen Hauch einkochen lassen.

Zum Servieren Tofu auf die Nudeln geben, darüber die Ingwergurken und als Deko noch ein paar Frühlingszwiebelringe. Ich glaube, ich habe noch nie Sojasauce mit Tahini vermischt, aber das schmeckt hervorragend, das mache ich jetzt öfter.

* Statt Honig verwende ich inzwischen Ahornsirup, dann wird es nicht ganz so süß. Den Tofu kann man auch prima in Würfel schneiden, dann wird alles knuspriger.

Tagebuch Dienstag, 29. Oktober 2019 – Melodie der Anmut

Die letzten zwei Nächte eher mies geschlafen. Mein Gelästere über angebliche Anpassungsschwierigkeiten nach der Zeitumstellung hat mich anscheinend eingeholt. Danke auch, Universum, du Nervensäge. Trotzdem weiterhin Team Zeitumstellung. Ich habe es im Sommer gerne länger und im Winter gerne früher hell.

Zeug eingekauft: Druckerpatronen, Brot, Sahne, die ich neuerdings in meinen Tee kippe, ich Luxusweib, keine Sobanudeln bekommen.

Eher zufällig beim Rumgucken nach was anderem in einem großen deutschen Warenhaus auf Handtücher in einer Farbe gestoßen, die ich gar nicht auf dem Schirm hatte, weil sie mir immer zu rottenmeiermäßig vorkommt. Mein Bad ist auch ein Jahr nach dem Einzug mein Sorgenkind, weil es neben weißen Kacheln, die bis viel zu weit unter die Decke gehen, fiese bunte Dekokacheln hat. Und mit bunt meine ich alle Farben des Regenbogens. Mein erstes Farbschema beim Einzug war hellblau, was aber doof aussah und mit irgendwas im Regenbogen clashte, dann bin ich auf den Alleskönner weiß und grau ausgewichen, habe mich aber zu sehr damit gelangweilt, dann habe ich alles in grün dekoriert wie im alten Badezimmer, was die Dekokacheln total ignorierte, nicht zum Rest der Wohnung passte und überhaupt eh nur ein Lückenbüßer war … und jetzt bin ich bei: Rosé. Oder wie Alpina es nennt: Melodie der Anmut. (Bitte, was habt ihr geraucht? Oder gespritzt?)

Das wird der letzte Versuch, ein bisschen Wohnlichkeit in die Nasszelle zu zaubern, und dann werde ich mein Bad ignorieren. Oder die Dekokacheln mit Dekofolie überkleben, was aber bei meinen handwerklichen Fähigkeiten eher ein Massaker werden wird.

#schlimmefirstworldprobleme

Zum late lunch Pfannengemüse mit Rostbratwürstchen.

Wieder eine Spende erhalten, vielen Dank, dieses Mal mit der schönen Betreffzeile „Für Frühlingszwiebelfladen gegen Nazis.“ Beste Leser der Welt.

Mich über eine Mail-Konversation mit meiner Steuerberaterin gefreut; wir setzen gerade mein Arbeitszimmer ab, weswegen das Finanzamt einen Fragebogen geschickt hat, auf den ich unter anderem mit einer Skizze meiner Wohnung und dem dort deutlich markierten Arbeitszimmer antworten muss.

Sie so:

„Sie haben in dem Formular das Zimmer mit Balkon als Arbeitszimmer schraffiert. Das könnte etwas problematisch werden, da es das Zimmer ist, das üblicherweise als Wohnzimmer genutzt werden würde. Bitte prüfen Sie, ob das richtige Zimmer schraffiert wurde und ob das Zimmer auch ausschließlich betrieblich genutzt wird, also kein Fernseher, keine Couch, etc.“

Ich so:

„Ja, das ist das richtige Zimmer. Wenn ich schon den ganzen Tag am Schreibtisch sitze, möchte ich auch das schönste Zimmer dafür haben.

Im Arbeitszimmer steht eine kleine Couch, die allerdings nur da steht, weil sie nirgends anders Platz hat. Die anderen beiden Zimmer sind Wohn- und Schlafzimmer; im Wohnzimmer steht die große Couch, auf der ich in der Freizeit rumlungere. Das Sofa im Arbeitszimmer nutze ich ab und zu, um dort mit dem Laptop auf den Knien zu schreiben, wenn ich am Schreibtisch auf keine Gedanken mehr komme. Könnte die wirklich ein Problem werden?“

Sie so:

„Bei der schönen Schilderung eher nicht.

Herzlichen Dank für die schnelle Rückmeldung.“

Den Rest des Tages an der Diss gebastelt und mich so verfranzt, dass ich irgendwann F. eine hysterische DM schrieb: „WO HAB ICH DIE GROSSBERG-AUTOBAHNBRÜCKE GEFUNDEN? ICH FIND NIX IN MEINEN FOTOS!“ Der gute Mann wusste wo und konnte es mir sogar zeigen. Mein Gehirn ist anscheinend jetzt endgültig Matsch und kann nur noch über Rosa im Bad nachdenken.

Tagebuch Montag, 28. Oktober 2019 – Weiterhin pissig, aber mit Gute-Laune-Inseln

An der Diss gesessen, wieder viele Texte aus der NS-Zeit gelesen, logischerweise schlechte Laune gehabt. Zum Spaß – haha – mal die ältere Höcke-Rede aus Dresden im Wortlaut gelesen. Das passte ganz gut zu den üblichen Reaktionen zur Thüringen-Wahl auf Twitter, in der Presse und auch in meinem Postfach, wo um Verständnis für ehemalige DDR-Bürger*innen geworben wurde. Das habe ich, keine Bange, und das habe ich auch oft genug geschrieben. Ich kann es mir nicht vorstellen wie es sich anfühlt, sein Land zu verlieren, das Staats- und Wertegebilde, in dem man sein Leben geplant hat, womöglich seine soziale Stellung oder wie es ist, sein Wissen plötzlich als veraltet oder gar falsch (dem neuen System nach) dargestellt zu bekommen. Ich ahne, wie frustrierend das ist und wie wütend es machen kann. Der Punkt ist aber: All das ist keine Entschuldigung dafür, Faschisten seine Stimme zu geben, Politiker*innen, die den demokratischen Staat und seine Werte abschaffen wollen.

Hier stand seit gestern abend eine lange Abhandlung über Höckes Rede, garniert mit einer paar Zitaten aus „Mein Kampf“, weil das alles so schön passte, aber das habe ich gelöscht. Ich habe keine Lust mehr auf den Scheiß, ich will den Rotz nicht mehr lesen. Guckt doch in eurer Bibliothek mal selbst rein.

Man muss den Mann oder die Partei auch nicht mehr entzaubern oder sie überführen, das wissen die AfD-Wähler*innen schon ganz gut, was sie will. Deswegen wählen sie die Partei ja. Vielleicht könnten wir uns endlich darauf einigen, dass die AfD nicht aus Protest gewählt wird, sondern weil sie ein rassistisches, misogynes, antidemokratisches Programm hat und es anscheinend genug Menschen gibt, die genau das super finden.

Der Kutter hatte dazu einen sehr guten Thread mit vielen Aspekten, von denen ich jeden einzelnen hätte retweeten wollen.

Gefreut habe ich mich über eine Paypal-Spende, die mit folgender Betreffzeile ankam: „Für Leberkässemmeln gegen Nazis.“ Das wollte ich eigentlich gleich in der Mittagspause in die Tat umsetzen, hatte dann aber doch mehr Lust auf Frühlingszwiebelfladen.

Abends die neue Staffel BoJack Horsemann geschaut. Die Szene, in der Todd einem Baby mit Sockenpuppen Brokeback Mountain vorspielt, hat meinen Tag gerettet. Genauso wie dieser Tweet und seine diversen Antworten. Die Welt könnte so nett sein.

Okay, bin immer noch pissig.

Tagebuch Sonntag, 27. Oktober 2019 – Bis 18 Uhr war’s ziemlich nett

Ausgeschlafen. Trotz Zeitumstellung viel zu lange, aber mei, war anscheinend nötig. Immer wenn mein Körper Dinge tut, über die ich die Stirn runzele, denke ich mir, passt schon, ich habe dich 25 Jahre lang mies behandelt und ständig beschimpft, da darfst du dann auch mal zickig oder müde sein. Mach nur. Wir sind ja jetzt Freundinnen, da geht das.

Kaffee übersprungen und gleich eine Kanne Tee gekocht, auf dem Sofa gelesen und gedaddelt.

Mittags die Jacke übers T-Shirt gezogen, um zum Ballabeni zu radeln, F. und ich wollten die Eisdielen-Saison für dieses Jahr beschließen. Draußen die Jacke sofort wieder ausgezogen, so warm war es. Mit Freude radgefahren, beim Ballabeni ein bisschen gewartet, bis F. kam, als ein Mann auf einem Hochrad auf der anderen Straßenseite vorbeifuhr. Ich twitterte, dass mein Zeitgefühl dadurch nachhaltig verwirrt wurde, und als Replys kamen die ganzen Witze über die falsch angegangene Zeitumstellung, die ich im Tweet hätte machen können. Ich so zu F.: „Ich bin nicht geeignet für Schmunzeltwitter!“ Er so: „Für Ausdenktwitter, meinst du.“ Touché.

Zwei Kugeln in der Knusperwaffel, Zitrone-Basilikum und Schokolade, sowie ein Probierlöffelchen Griechischer Jogurt. Ein würdiger Abschied.

Auf nach Nachhauseweg Kuchen vom Bäcker um die Ecke geholt. Bei meinen Eltern gab es jeden Nachmittag Kaffee und Kuchen, immer ungefähr zur gleichen Zeit, damit Papa eine Routine hat, und das fehlt mir komischerweise immer noch. Also gab es ein Stück Käse-Sahne und ein bisschen später noch ein Stück Himbeer, dazu die zweite Kanne Tee des Tages.

Der FC Augsburg war in Wolfsburg zu Gast, ich bibberte 90 Minuten lang mit und freute mich nach dem 0:0 erstens über den unerwarteten Punktgewinn und zweitens darüber, wieder eine unangenehme Mannschaft gesehen zu haben. Ich ahne, warum alle anderen den FCA so hassen – das sieht selten gut aus, was die Jungs da machen und lässt sich vermutlich auch nur eklig bespielen, aber mehr kann der FCA halt nicht, und wenn das für den Klassenerhalt nötig ist, dann macht das halt so.

Die Damen von Bayern haben hingegen teilweise wunderschöne Tore geschossen.

Um 18 Uhr war der gute Tag dann vorbei, denn dann kamen die ersten Hochrechnungen aus Thüringen. Ich muss gestehen, ich hatte ein bisschen auf einen Halle-Effekt gehofft – seht her, das passiert, wenn wir Hass und Hetze als normale politische Kommunikation durchgehen lassen. Und nebenbei Misogynie, 8chan und Antisemitismus, aber hey, nicht alles auf einmal, erstmal wieder die Nazis fragen, warum sie so schlechte Laune habe. Die Tweets gestern ähnelten denen nach den anderen Landtagswahlen, und normalerweise lasse ich Twitter an solchen Tagen aus, aber gestern war ich brastig und wütend und pissig und noch tausend andere Worte für GET YOUR FUCKING SHIT TOGETHER. Jemand twitterte, wir leben in einem der reichsten und sichersten Länder, was kann man denn noch tun, damit sich niemand abgehängt fühlt? Und obwohl ich den Tweet theoretisch richtig finde, ahne ich inzwischen immer mehr: Das Abgehängtsein ist nicht das Problem, die fehlende demokratische Auseinandersetzung ist es. Die ehemaligen DDR-Bürger*innen durften sie nie lernen, die Nachwendekinder hatten genug damit zu tun, überhaupt damit klarzukommen, dass niemand mehr aus dem eigenen Umfeld die Regeln kennt – diejenigen, die sie kennen, waren inzwischen im Westen –, und so ist es einfacher, sich in Verschwörungstheorien zu ergehen anstatt sich ernsthaft mit dem Scheiß auseinanderzusetzen, den Höcke und seine Truppen so von sich geben.

Ich wage inzwischen die Theorie, dass die fehlende Auseinandersetzung mit dem NS dazu geführt hat, dass dieser seine bescheuerte Faszination behalten konnte anstatt wie im Westen etwas weiträumiger entzaubert zu werden. Der angebliche „Schuldkult“ hat meiner Meinung nach nämlich durchaus funktioniert. Ja, hier wählen leider auch noch zuviele Menschen die Faschos, aber nicht in dem Ausmaß wie im Osten. Die DDR hat sich 1948 bequem auf die Aussage „Aber wir sind ein antifaschistischer Staat“ zurückgezogen, ohne das je in der Realität durchgeholt zu haben. Die Rechtsnachfolgerin des „Dritten Reichs“ war allein die Bundesrepublik. Weswegen übrigens auch die ganzen Nazischinken in westdeutschen bzw. Berliner Museumsdepots rumliegen, praktisch für mich. Alleine den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen gehören über 900 Werke, das ist die größte zusammenhängende Sammlung an systemkonformer Kunst des NS.

Zurück zu Thüringen: Mir fällt nichts mehr ein. Und ich kann auch 24 Prozent Wählerstimmen für Faschisten nicht kleinreden, ganz egal, wie wenige Einwohner*innen das Land im Vergleich zu anderen Bundesländern hat. Ich bin weiterhin pissig.

Und weil ich mir gestern so richtig den Abend versauen wollte, habe ich mich noch an die Diss gesetzt und wieder in Originaltexten der Altfaschisten gelesen, denen die Neufaschisten nacheifern, diese beschissenen Arschlöcher.

Was schön war, Samstag, 26. Oktober 2019 – Schlafen und schaffen

Ausgeschlafen. Immer gut. Mit F. die Garderobenstange aufgehübscht. („Ach, lass uns das gleich machen.“) Einkaufen gewesen, danach Dinge verräumt, Pellkartoffeln aufgesetzt, Tee gekocht. FAZ, Spiegel, das Michelle-Obama-Buch zur Couch in der Bibliothek geschafft, den Tee aus Omis Service genossen, gelesen oder meine digitalen Zeitfresserchen bespielt. Um 15.30 Uhr das Bayern-Spiel angemacht und nach 20 Minuten eingeschlafen.

Beim Aufwachen voller Tatendrang gewesen und erstmal alle Fenster geputzt. Okay, fast alle: Für die drei Balkontüren war ich zu faul – aber da ist eh ein Balkon drüber, da regnet es ja quasi nie ran *hust* genau wie an das Fenster, neben dem Luise hängt, da ist meist die Außenjalousie runter, damit das Bild nicht so viel direktes Licht abkriegt. Putzaktion für beendet erklärt und aus den Pellkartoffeln Kartoffelsalat gemacht.

Danach wollte ich die neue Staffel BoJack Horseman gucken, merkte aber beim Rückblick auf die letzte Staffel, dass ich mich an nichts erinnern konnte; muss ich die wohl nochmal gucken, schlimm! Nach zwei Folgen wieder Tatendrang gespürt und mich an den Schreibtisch gesetzt, mit dem Ergebnis, dass der zweite meiner drei Teile des Autobahnkapitels jetzt auch fast fertig ist.

Sehr zufrieden eingeschlafen.

Demokratie in Amerika – Erosion oder Neubeginn?

Gerade eben halb im Bad gehört; wenn ich dusche, höre ich nichts, daher habe ich nur die Hälfte der Sendung mitbekommen. Das klang aber gut, daher hier Text und 30 Minuten Ton.

„Wer bei all dem an Wladimir Putin oder Recep Tayyib Erdoğan denkt, muss da ebenso an Donald Trump denken. Seine Wiederwahl ist sehr wohl möglich und hängt von drei Faktoren ab: ob die US-Wirtschaft weiter relativ rund läuft, ob ihm seine stärkste Bastion, die Evangelikalen, die Treue halten, und ob das Thema Immigration – und das meint die Sorge weißer US-Amerikaner vor dem Verlust ihrer demografischen Mehrheit und kulturellen Hegemonie – im Zentrum bleibt. Um das sicherzustellen, hat Trump die alte Kampagnen-Weisheit „Es ist die Wirtschaft, Dummkopf!“ in „It’s the culture, stupid!“ umgewandelt und sich in Denken und Sprache weißen Suprematisten angenähert, Menschen also, die die Vormachtstellung der Anglo-Amerikaner mit aller Macht, notfalls mit Gewalt verteidigen wollen. Trumps verständnisvolle Reaktion auf den mörderischen Aufmarsch der Ultrarechten in Charlottesville 2017 war ein Beleg dafür. Das Massaker von El Paso die jüngste Episode, wie aus radikalen Worten Mordtaten werden.

Können wir in ein paar Jahren aber auch wieder Analysen der Gegentendenz lesen: Wie Autokratien sterben, oder besser: niedergerungen wurden? Welche horizontalen Gegenkräfte konfrontieren diese Vertikale der Macht? Wie resilient sind die Institutionen der Demokratie, wie resistent ist die Gesellschaft – und wie responsiv kann eine parlamentarische Opposition um die Wiedereroberung jener Wählerinnen und Wähler kämpfen, die zu den autoritären Herrschern übergelaufen sind? Grenzen und Chancen dieser Kehrtwende sollen nun am amerikanischen Beispiel aufgezeigt werden.“

Worte, die vergiften

Carolin Emcke über das als Kampfbegriff verwendete „politisch korrekt“ sowie das widerliche Wort „Gutmenschen“ und warum Sprache und Widerspruch wichtig sind.

„”Politisch korrekt” ist eine bloße Chiffre geworden, seiner eigenen wandelvollen Geschichte beraubt. Es ist gegenwärtig das wirkmächtigste Instrument der Diffamierung eines Gegenübers. Das Urteil, etwas oder jemand sei “politisch korrekt”, ist die Kurzformel, die signalisieren soll, mit den kritischen Einwänden einer anderen Person oder Position brauche man sich nicht auseinanderzusetzen, deren Zweifel, Hinweise, Gründe können missachtet werden, weil sie, nun, “politisch korrekt” seien. “Politisch korrekt” ist das Morsezeichen der Denkfaulen, mit dem sich reflexhaft alles abwehren lässt, was eingeübte Überzeugungen oder Habitus infrage stellen könnte.

Es ist ein geschickt arrangiertes Ensemble aus Worten und Motiven, die gemeinsam all jene diskreditieren wollen, die sich auf Menschen- und Bürgerrechte beziehen. Sie werden bespöttelt als “Moralisten” – als müsse sich rechtfertigen, wer das Grundgesetz für ein schützenswertes Gut hält. Diejenigen, die unter Religionsfreiheit nicht nur Respekt vor katholischer und protestantischer, sondern auch vor jüdischer oder muslimischer Frömmigkeit verstehen, die Armut nicht nur für ein Problem der Umverteilung, sondern auch der Anerkennung halten, diejenigen, die Stigmatisierung von bestimmten Körpern oder bestimmten Familien kritisieren, werden als “Gutmenschen” verhöhnt – als sei Zynismus neuerdings ein Ausweis der Kultiviertheit. […]

All die vollmundigen Erklärungen und Maßnahmen gegen rechtsradikale, völkische Fanatiker nützen nichts, wenn gleichzeitig all jene Bürgerinnen und Bürger herablassend bespöttelt werden, für die Respekt vor anderen keine elitäre Zumutung, sondern eine soziale Selbstverständlichkeit bedeutet. Es ist trostlos, dass das Plädoyer für universale Menschenrechte, für rechtsstaatliche Institutionen und politische Vernunft mittlerweile als radikale, randständige Position gilt.“

(via @giardino)

Cremige Polenta mit Pilzen

Überschrift gnadenlos von der NY Times geklaut, genau wie das herrliche Rezept.

Neulich habe ich eine Serie oder einen Film gesehen, ich weiß es schon gar nicht mehr, wo sich ein Mann in eine Frau verliebte, weil die so toll Polenta kochen konnte, und sie grinste und meinte nur, dabei könne man ja gar nichts falsch machen. Und ich so auf dem Sofa: OH FUCKING DOCH! Meine Polenta war bisher immer bröselig und doof, aber die hier hat funktioniert. Auf meiner Packung steht nämlich „doppelt so viel Wasser wie Polenta nehmen“, aber ich habe hier ungefähr das Vierfache an Flüssigkeit benutzt. Das muss einem ja auch erstmal jemand sagen, dass man Packungsanleitungen total ignorieren darf. (Ich erinnere mich oft ans Tantris, wo ich beim Lammgang fassungslos dachte, ach SO kann Polenta schmecken? An mein Herz, Maisgries!)

(Edit: Ein Leser wies mich darauf hin, dass diese Stelle aus Saša Stanišićs Buch Herkunft stammt, und das ist mir jetzt doch ein bisschen peinlich, dass mir das entfallen war.)

Ich hatte gestern keine getrockneten Pilze im Haus, und ich habe die Mengen aus dem Handgelenk geschüttelt. Hier kommen jetzt die aus der NY Times, bei denen gefühlt alle Kommentator*innen meinten, dass es viel zu viel Polenta für viel zu wenig Pilze sei. Daher: Macht doch bitte einfach so viel Polenta mit so vielen Pilzen, wie ihr wollt. Aber die Sauce, da solltet ihr euch halbwegs ans Rezept halten, denn die ist der Kracher.

Für vier bis sechs Personen, laut Times.

15 g getrocknete Steinpilze mit
120 ml kochendem Wasser überbrühen und 20 Minuten rumstehen lassen. Danach trockentupfen und grob hacken, das Pilzwasser aufheben.

475 ml Milch (2 cups) und
1070 ml Wasser (4 1/2 cups) zum Kochen bringen. Hier bin ich schon ausgestiegen: Bei mir waren es für eine Portion ca. 70 g Polenta auf ca. 350 ml Wasser-Milch-Gemisch.
1 TL Salz einrühren. Oder mehr, ganz wie’s euch schmeckt. Ich habe vorsichtig gesalzen, weil noch ne Menge salziger Kram kommt; hat gepasst.
280 g (1 3/4 cups) Polenta einrühren, am besten mit einem Schneebesen, damit nichts klumpt. Rühren, bis die Masse eindickt, die Hitze stark reduzieren und weitere 30, 40 Minuten kochen. So lange wie eure Polenta halt braucht. Ab und zu umrühren, notfalls Flüssigkeit nachgießen, damit alles schön umrührbar bleibt. Das war der entscheidende Tipp, damit meine Polenta endlich mal geklappt hat: Flüssigkeit nachgießen!
Wenn alles so ist, wie ihr das haben wollt, noch
4 EL Butter und
1 EL frisch geriebenen Parmesan einrühren. Warmhalten.

In einer Pfanne bei großer Hitze
2 EL Butter schmelzen und
1 Knoblauchzehe, fein gehackt, ziemlich kurz anbraten. Sie soll nicht braun werden, das dauert keine 30 Sekunden. Nun die Steinpilze dazugeben sowie
230 g frische Pilze, bei mir Champignons, in feine Scheiben geschnitten, und
1 TL frisch gezupfter Thymian. Alles für ein paar Minuten anbräunen lassen, dann mit ungefähr der Hälfte des Pilzwassers ablöschen und auf die Hälfte einkochen lassen. (Ich hatte kein Pilzwasser, bei mir war’s nur Wasser, Gemüsebrühe wollte ich nicht. Ging auch, wobei ich ahne, dass das Pilzwasser noch viel Geschmackstiefe mitbringt.)

Die Hitze runterschalten und
3 EL Butter in die Pfanne geben sowie
1 EL Sojasauce,
1 EL Olivenöl und
1 EL Sahne. Alles kurz eindicken lassen und vom Herd nehmen. Mit frischem schwarzem Pfeffer würzen. Polenta auf eventuell vorgewärmte Teller geben, Pilze darüber und sofort servieren. Das muss man mir ja nie sagen.

Ich fand den Schlotz herrlich cremig und überraschend vielschichtig, wo ich mich auf eine reine Umami-Bombe eingestellt hatte (Parmesan, Sojasauce). Genau die beiden Zutaten schmeckt man überhaupt nicht raus, es ist alles ein einziger weicher Genuss, bei dem ich schlicht nicht sagen konnte, was ich eigentlich gerade schmecke. Außer: lecker.

Was schön war, Donnerstag, 24. Oktober 2019 – Warten und räumen

Eigentlich hatte ich einen Telefontermin mit meiner Steuerberaterin, aber die Dame bzw. deren Anruf ließ auf sich warten, und so saß ich sinnierend auf dem Sofa, guckte mich um und dachte: Wäre schon schön, hier Gardinen zu haben.

Dazu muss man wissen, dass ich in den letzten beiden Tagen die achtteilige Serie Raumkünstler (Interior Design Masters) gesehen habe und mit sowas darf man mich ja nicht alleine lassen. Ich habe mir in den letzten Jahren so einen Hauch von Geschmack antrainiert, was Raumgestaltung angeht, indem ich auf Pinterest rumlungere, Einrichtungsblogs lese oder auf Instagram durch hunderte von Fotos oder Hashtags scrolle. Ich weiß immer noch nicht, wie Räume wirklich funktionieren, wie sie wohnlich werden und warum bei mir BoHo Chic immer nur wie unaufgeräumter Schraddel aussieht, aber ein paar Grundlagen habe ich kapiert. Behaupte ich jedenfalls. Für Dekoschnickschnack (aka „Rumsteherchen“) habe ich immer noch überhaupt kein Händchen, weswegen ich den klaren, minimalistischen skandinavischen Stil sehr gerne mag. Dachte ich jedenfalls.

Bis vor einem Jahr musste ich den Großteil meiner Habseligkeiten in eine 1-Zimmer-Wohnung quetschen. Seit letztem September habe ich etwas mehr Platz und habe es sehr genossen, wie wenig hier rumsteht und wie leer die Wände sind. Ruhig. Aufgeräumt. Oder neuerdings: ein bisschen zu nackt. Und so dachte ich über Gardinen nach, die bisher nur in Schlaf- und Arbeitszimmer hängen, aber nicht in der Bibliothek.

Ich erspare euch Details und Fotos, aber ich habe gestern drei Bücherregale aus- und umgeräumt, eins ist ins Arbeitszimmer gewandert, ein anderes von dort in die Bibliothek, dort verschob ich ein drittes und holte auch den gemütlichen Lesesessel rüber, der bisher im Arbeitszimmer eher ein Abstandshalter zu Luise war, damit ich nicht morgens schlaftrunken in sie reinrenne. (Sie ist wirklich ein Altbaugemälde und müsste viel höher hängen, aber nun gut.) Außerdem wurden ein paar Steh- und Tischlampen neu positioniert, ich wagte eine Art throw, aber keine Decke, sondern meine dicke Strickjacke, und holte einen Blumentopf vom Balkon nach drinnen, der angeblich auch als Zimmerpflanze funktioniert, wir werden sehen, ob die Werbung da recht hat. Ich zerrte Bilder aus den Schränken und hängte sie auf bzw. vorhandene um, tauschte endlich mal die zwei kaputten Glühbirnen aus, für die ich seit Wochen zu faul gewesen war, suchte immerhin zwei (ZWEI!) Bücher beim Umräumen aus, die jetzt in den Hausflohmarkt kommen, bastelte eine Garderobenstange an das bisher dort nur halbfunktional rumstehende Regal, stellte Vasen und Kerzen auf und fand das alles abends ganz wunderbar, als ich mit meinem inzwischen kalt gewordenen Tee auf dem Sofa saß.

Gardinen habe ich immer noch nicht, aber ich finde bestimmt noch mehr Serien, die mich anstupsen. Und meine Steuerberaterin ruft dann hoffentlich Montag an.

Tagebuch, Dienstag/Mittwoch, 22./23. Oktober 2019 – Schlechte Laune, gute Laune

Dienstag vormittag war Erledigungszeit: Buch aus der Stabi geholt, Buch abgegeben, einkaufen gewesen, Wohnung aufgehübscht, Quittengelee gekocht (leider nur halbfest geworden, meh, aber immerhin schmeckt’s), halbherzig an der Diss gepuschelt.

Abends ging es dann mit F. ins Amerikahaus, wo Khalil Gibran Muhammad den Vortrag „America’s Whiteness Problem and What to Do About it“ hielt. Der kam mal wieder sehr zeitgenau, denn gerade am Nachmittag hatte sich der Präsident nicht entblödet, sein anstehendes Impeachment-Verfahren ernsthaft als „lynching“ zu bezeichnen. Man glaubt ja immer, es geht keine Stufe mehr nach unten an Ignoranz, Geschmacklosigkeit und purer Böswilligkeit, aber ja, doch, geht.

Vor dem Vortrag schlenderten wir noch durch die Ausstellung „“Hope, Never Fear”: Michelle und Barack Obama zwischen Öffentlichkeit und Privatleben / Fotografien von Callie Shell“, bei der wir überlegt hatten, sie für einen Podcast anzuschauen. Gut, dass wir uns dagegen entschieden haben, denn die gab nicht genug her. War aber trotzdem eine fies sentimentale Reise in eine Zeit der Präsidentschaft, die gefühlt schon viel zu lange her war.

Ich fand es spannend, dass Muhammad durchaus Kritik an Obama übte; er erinnerte an die Ereignisse rund um Reverend Jeremy Wright, von dem sich Obama distanzierte – vielleicht distanzieren musste, um weiße Wähler*innen nicht zu verprellen. Er zitierte folgenden Ausspruch von Wright, den man auch durchaus so hätte stehen lassen können:

„And the United States of America government, when it came to treating her citizens of Indian descent fairly, she failed. She put them on reservations. When it came to treating her citizens of Japanese descent fairly, she failed. She put them in internment prison camps. When it came to treating her citizens of African descent fairly, America failed. She put them in chains, the government put them on slave quarters, put them on auction blocks, put them in cotton field, put them in inferior schools, put them in substandard housing, put them in scientific experiments, put them in the lowest paying jobs, put them outside the equal protection of the law, kept them out of their racist bastions of higher education and locked them into positions of hopelessness and helplessness. The government gives them the drugs, builds bigger prisons, passes a three-strike law and then wants us to sing “God Bless America”. No, no, no, not God Bless America. God damn America — that’s in the Bible — for killing innocent people. God damn America, for treating our citizens as less than human. God damn America, as long as she tries to act like she is God, and she is supreme. The United States government has failed the vast majority of her citizens of African descent.“

Der Vortrag im Ganzen war eine einzige deprimierende Anhäufung von Verfehlungen und widerlicher Politik, um Schwarze Menschen nie zu weißen aufschließen zu lassen. Ich hatte einiges schon im Buch von Ibram X. Kendi gelesen, aber die historische Abfolge wurde von Muhammad noch einmal kurz zusammengefasst, quasi unter dem Stichwort Aktion – Reaktion. Also: Auf das Ende der Sklaverei und die Reconstruction folgte als Reaktion die Gründung des Ku-Klux-Klan und Jim Crow. Auf die Great Migration folgten massenhaft Lynchmorde, auf die Black Panther eine intrigante Drogenpolitik, die vermehrt Schwarze in neue, große Gefängnisse brachte. Das folgende Zitat von John Ehrlichman, Berater unter Nixon, hat mich fertiggemacht:

“The Nixon campaign in 1968, and the Nixon White House after that, had two enemies: the antiwar left and black people. You understand what I’m saying? We knew we couldn’t make it illegal to be either against the war or black, but by getting the public to associate the hippies with marijuana and blacks with heroin, and then criminalizing both heavily, we could disrupt those communities. We could arrest their leaders, raid their homes, break up their meetings, and vilify them night after night on the evening news. Did we know we were lying about the drugs? Of course we did.”

Als Abschluss dieser ekligen Pendelbewegung natürlich: Auf Obama folgte Trump. Auch dass es nach der Reconstruction-Zeit, wo erstmals zwei Schwarze Senatoren wurde, bis 1967 dauerte, bis der nächste Schwarze dieses Amt innehatte, wusste ich nicht. Bis heute gab es lausige zehn Schwarze Senator*innen, einer davon war Barack Obama.

Muhammad verwies auch auf die Art und Weise, wie die Geschichte der Schwarzen in den USA gelehrt wird, zeigte den miserablen Stand der Bildung auf und erinnerte an Formulierungen in Schulbüchern wie „Blacks were deported to the Americas“. nicht: Weiße verschleppten Schwarze, folterten sie, beuteten sie aus. Immer schön im Passiv bleiben. Wobei mich das durchaus an deutsche Formulierungen erinnerte wie „Juden wurden deportiert“. Wer das genau tat, wird auch sehr oft hübsch verschwiegen.

F. und ich diskutierten noch lange und brauchten viel Käse und Wein und Quittenpaste dazu.

Gestern war ich wieder in der Stabi, dieses Mal aber fast den ganzen Tag im Lesesaal, wo ich mich durch neue Bücher und Zeitschriftenbände wühlte, um weiter an der Diss zu arbeiten. In den letzten Wochen hatte ich mich sehr auf die Aviso „Grille“ konzentriert – ich las viel über die deutsche Marine, wusste ich auch alles noch nicht, ich merke ja leider dauernd, dass ich gar nichts weiß, Klassiker des Studierendendaseins –, aber gestern fasste ich das Autobahnkapitel wieder an, das zwei Wochen Zeit zum Rumliegen hatte. Und was soll ich sagen: Das finde ich bisher ganz hervorragend. (Hat auch genug Arbeit gemacht.)

Als Rausschmeißer ein Foto, das ich gestern im National Geographic von 1937 gemacht habe, in dem ein langer Text über „Changing Berlin“ stand. Was für ein Bau! Wird aber anscheinend nicht wieder aufgebaut, danke für die Hinweise.

Chandler, Douglas: „Changing Berlin“, in: The National Geographic Magazine 2 (1937), S. 131– 170, hier S. 159.

Dulce de membrillo

Ich mag gerne Süßes zum kräftigen Käse, weswegen ich dieser Quittenpaste sehr verfallen bin. Ist ein bisschen zeitaufwendig, aber von den Zutaten her äußerst entspannt. Und lohnt sich.

Der Witz am Rezept ist, dass ihr die gekochten Quitten wiegen und dann die gleiche Menge an Zucker dazugeben müsst, daher ist es prima skalierbar, je nachdem, wieviele Quitten ihr gerade da habt. Bei mir waren es gestern gekochte knappe 800 g. Aber deswegen spare ich mir hier exakte Angaben, bei Nicky im Original sind es vier Quitten. Dabei kommt aber auf keinen Fall ein Backblech raus wie bei mir, da reicht auch eine größere Auflaufform. Also:

Quitten, Menge nach Lust und Laune, mit einem groben Tuch abreiben, um den putzigen Flaum zu entfernen. Waschen, schälen, vierteln, entkernen. Ich habe beim Googeln diverse Rezepte gefunden, die die Schale mitverwenden, ich habe das nicht gemacht. Scheint aber auch zu funktionieren – und macht deutlich weniger Arbeit mit diesen fiesen festen Früchten.

Die Quittenstücke in einen Topf geben, mit Wasser bedecken und geschlossen weich kochen. Das dauerte bei mir fast eine Stunde.

Das Wasser abgießen – das könnt ihr aufheben und Gelee daraus kochen. Die Quittenstücke zu feinem Püree verarbeiten, entweder mit einem Food Processor oder, wie ich es gemacht habe, mit dem guten alten Stabmixer. Das Püree wiegen und mit der gleichen Menge an Zucker wieder in einen Topf geben. Aufkochen, dabei ruhig öfter umrühren, und dann bei kleiner Hitze so lange weiterköcheln lassen, bis aus dem gelblichen Mus eine orangerote Paste geworden ist. Das waren bei mir fast anderthalb Stunden. Vorsicht beim Umrühren, es spritzt fies und heiß.

Ich habe leider nicht oft genug umgerührt, weswegen ich danach googeln musste, wie man einen total angebrannten Topfboden wieder sauber kriegt. Bonustipp: Einen Teil Essig mit drei Teilen Wasser mischen, so dass der Topfboden bedeckt ist, aufkochen und den Herd ausschalten. 15 Minuten rumstehen lassen, danach sollte sich alles gut reinigen lassen. Ich Vollprofi musste das zweimal machen mit längerer Einwirkzeit, so sehr habe ich meinen armen Topf beansprucht. Sieht aber jetzt wieder aus wie neu.

Die hoffentlich nicht angebrannte Paste auf ein Backblech oder in eine Form streichen, das/die mit Backpapier ausgelegt ist. Nun könnt ihr das Zeug eine Woche lufttrocknen oder bei 50 Grad in den Ofen stellen, dann dauert das nur eine gute Stunde. Ich habe es etwas zu dünn aufgestrichen, das darf ruhig doppelt so hoch sein für die Schickizität.

In Stücke schneiden und servieren. Angeblich ist es im Kühlschrank ewig haltbar, aber es schmeckt so gut, dass ich das vermutlich nicht ausprobieren werde.