Dienstag morgen stand ich vor der Entscheidung: mit dem Fahrrad ins ZI fahren oder für zwei Stationen die U-Bahn nehmen? Ich dachte an die eklige Hitze, die einen in der unklimatisierten Bahn empfängt und bei der ich sofort, und ich meine sofort, aus allen Poren zu schwitzen beginne. Und weil hier niemand ein Fensterchen kippt, nein, erst recht nicht bei 30 Grad, DA MERKT MAN DEN LUFTZUG JA SO SCHLIMM, entschied ich mich fürs Fahrrad.
Ich behaupte, ich bin wirklich fast schweißfrei angekommen, vermutlich auch, weil ich nicht viel schneller als Schritttempo war, und das war herrlich. Weniger herrlich war das Gefühl, sich nach der Arbeit im ZI in sehr dünner Sommerhose auf einen schwarzen Sattel zu setzen, der fünf Stunden in der Sonne gestanden hatte. AUA!
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Das ZI selbst ist bekanntlich nicht nur mein Bällebad, nein, Hasis, es ist mein KLIMATISIERTES Bällebad. Falls ihr noch einen Grund brauchtet, Kunstgeschichte zu studieren, denn sonst kommt man nicht in die schönste Bibliothek Münchens – das hier wäre einer.
Manchmal bin ich mit dieser Meinung aber recht alleine, denn die Klimaanlage ist an einigen Tagen sehr übereifrig. Mir kann es nicht kalt genug sein, aber meine schmaleren Kommilitoninnen nehmen sich durchaus mal bei 30 Grad Außentemperatur einen Pulli mit ins ZI. Wobei es in der Uni auch ein, zwei Hörsäle gibt, bei denen selbst ich schon gefroren habe. Egal, bleibt man wenigstens wach.
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Ich habe für meine Diss ein Word-Dok, das schlicht „To Do“ heißt, in das ich alle Bücher, Hinweise, Archivideen, Gedanken notiere, denen ich nachgehen will. Davon arbeitete ich ein paar ab, merkte aber, wie ich mich verzettelte, wie fast immer, wenn ich im Lesesaal sitze. Da gibt’s stets noch fünf Bücher, die neben dem stehen, das ich gerade aus dem Regal ziehe und schon lese ich wieder über Zeug, das ich gar nicht brauche. Aber es ist halt da! Und es hält mich leider davon ab, mit der Diss weiterzukommen. Aber was kann ich dafür, wenn ich mal wieder „Finde den Arno Breker!“ mit Ausstellungskatalogen spielen musste!
Also schlug ich nur noch schnell ein paar Auktionspreise von Protzen nach – und fand in der dortigen Datenbank ein zauberhaftes Jugendwerk von ihm aus der Zeit, in der er noch kein Kunstmaler war, sondern Gebrauchtsgrafiker.
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Die Wohnung war natürlich den ganzen Tag verrammelt, die Jalousien heruntergelassen, alle Fenster geschlossen. Ich las Zeitung auf dem Sofa, das vom Ventilator gar herrlich bewindet wurde und war’s zufrieden.
Abends wollte ich aber an die Kräuter auf dem Balkon und musste dafür die Balkontür öffnen. Todesmutig stieg ich in die heiße Wand, zupfte ein Zweiglein Rosmarin ab und verarbeitete ihn anschließend zu einem topcheckertollen Rosmarinsalz. Ja, das kennt jeder mit getrockneten Kräutern und das sieht dann bräunlich-doof aus, aber hey: nur ein paar Nadeln frischen Rosmarin halbwegs fein hacken und dann mit Meersalz zermörsern – das wird herrlich quietschgrün und schmeckt fantastisch.
Gleich mal über hässlichen TK-Fisch gestreut.
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Gestern hatte ich dann einen Termin im Lenbachhaus, weil mich eine Kuratorin auf eine Kiste im Depot aufmerksam gemacht hatte, in der eventuell Protzen drin sein könnte – ob ich vielleicht vorbeikommen wolle? Wollte ich total!
Ich Cleverle dachte an das herrlich klimatisierte Foyer des Lenbachhauses und war schon um kurz nach 14 Uhr da, wieder mit dem Rad, obwohl wir erst um 14.30 Uhr verabredet waren, damit ich mich in Ruhe ausschwitzen konnte, um danach präsentabel und entspannt auf hoffentlich Protzen zu gucken. Das klappte von Anfang an nicht: Es macht anscheinend einen Unterschied, ob man morgens bei 26 Grad oder mittags bei 32 radelt. *trief* *tropf*
Außerdem stellte ich erstaunt fest, dass im Lenbachhaus gerade eher Bauarbeiter als Kunstguckende unterwegs waren. Ein freundlicher Mensch an der Tür ließ mich aber trotzdem ins eigentlich geschlossene Haus und rief meine Verabredung an. Währenddessen staunte ich über die Hebebühne, die das gesamte Foyer in Beschlag nahm, denn oben auf ihr waren zwei Herren vom Studio Eliasson damit beschäftigt, das Wirbelwerk mit anscheinend Glasreiniger zu putzen.
Dann wurde ich abgeholt, schwitzend und unpräsentabel, aber egal. Der Vorlageraum war genauso kühl wie das Foyer (hach!), wir zogen uns Handschuhe an und blätterten diverse Mappen und Skizzenbücher durch. Die erste Mappe war von Henny Protzen-Kundmüller, der Gattin meines Forschungsobjekts. Die zweite auch. Die dritte auch. Die vierte auch. Die Kuratorin war schon dabei, sich zu entschuldigen, als ich bei der fünften meinte: „Das ist Carl.“
Wir fanden hauptsächlich Aquarelle, die ich alle noch nicht kannte. Die Motive meistens schon, die waren jetzt nicht so anders als seine Ölgemälde (Landschaft, Stadtansicht, Landschaft, Stadtansicht, Landschaft, Landschaft, Landschaft). Wie ich feststellte, waren die auch hübsch mit Werkverzeichnisnummern versehen, aber ob er das auch irgendwie niedergeschrieben hat – keine Ahnung. Die Aquarelle sind mir für die Diss auch eher wurst, noch ein Kapitel passt da nicht rein, das soll auch keine Protzen-Monografie werden, die ich nicht leisten könnte bei der miesen Quellenlage. Aber als zusätzliches Wissen war es sehr schön, vor allem, weil ich endlich mal Werke von ihm in Farbe sehen konnte.
Ich erwähne das vermutlich dauernd, aber ich habe fast nur die Schwarzweißfotos von seinen Bildern. Protzen hat zu seinen Lebzeiten nie eine Einzelausstellung gehabt, das heißt, es gibt keinen Katalog. Zur posthumen Ausstellung 1976 gab’s auch nur ein paar Einzelblätter mit Text und Werkangaben. Er ist nirgends abgebildet außer in Zeitungsberichten oder Zeitschriften und auch da so gut wie immer schwarzweiß. Und weil er eben kein supertoller Maler war, hängt er in so gut wie keinem Museum – eben nur als mieses Beispiel für die Anpassung an die Wünsche der NS-Machthaber in der Pinakothek der Moderne. Deswegen war es schön, mal einen Berg von ihm in Farbe zu sehen, auch weil ich durch Ebay und Google und die Auktionsdatenbank ein paar Einzelwerke in Farbe kannte und nun vergleichen konnte.
Und ich hatte endlich diesen albernen „Mein Künstler!“-Moment, weil ich zum ersten Mal Werke von ihm in der Hand hatte, ganz simpel. Ich stand nicht nur davor oder sah sie auf Bildschirmen oder auf Fotos, sondern ich hatte sie in der Hand. Die Kuratorin, die kleine Lästerschwester und kein Protzen-Fan, ärgerte mich natürlich gekonnt: „Uuuh, der Hauch des Meisters!“ (Oder so ähnlich.) Ja, Protzen war nicht so richtig super und ist auch nicht so richtig wichtig, aber ich gucke halt schon länger auf ihn drauf und werde ordentlich viel zu ihm zu sagen haben, und deswegen war das ein kleiner schöner Moment und vermutlich habe ich dümmlich gegrinst, ich altes Emoji.
Was mich dann aber doch freute: Ich konnte die meisten seiner Werke sofort datieren, weil ich Vergleichswerke im Kopf hatte, und ich konnte ein bisschen was über seinen sich ständig verändernden Stil erzählen. Wir fanden auch Dinge aus dem Frühwerk, die ich in der Malweise noch nie gesehen hatte, aber anhand der Motive und der Art seiner Signatur zeitlich einordnen konnte. Der kleine Triumph war dann, als die Kuratorin meinte, okay, diese frühen Bilder seien ja schon ein bisschen spannend. Danach fragten wir uns natürlich, was ihn dann so ruiniert hätte. (Seine Gattin übrigens auch.) Die Kuratorin unterstellte Protzen, seine Frau runtergezogen zu haben, ich sehe das natürlich genau andersrum.
Nächste Woche komme ich nochmal vorbei, um alles anständig zu katalogisieren und zu fotografieren, und dann darf es wieder ins Depot, bis die nächste Doktorandin neugierig ist.
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Sehr gut gelaunt radelte ich nach Hause mit einem kleinen Zwischenstopp beim Optiker. Seit Kurzem habe ich eine neue Brille, und je heller und heißer dieses Da Draußen ist, desto mehr vermisse ich meine Sonnenbrille. Die Gläser in meiner alten haben natürlich noch meine alte Stärke. Für ein Fußballspiel reicht es noch, wie ich beim Saisonende der Bayern-Damen merkte, aber beim Radeln ist es doch eher unangenehm. Deswegen hatte ich mich resigniert mit einer satten Geldausgabe abgefunden (Gläser halt), mein altes Gestell mitgebracht und fragte, ob man da neue Gläser reindengeln könne.
Die freundliche Beratung, die letztes Mal schon prima war, meinte, klar ginge das, aber so teuer wäre ein neues Gestell auch nicht (ich hatte erwähnt, dass ich es so preisgünstig wie möglich halten wollte). Ich probierte spaßeshalber ein paar neue Brillen auf, fragte dann nach dem Preis – und war äußerst erstaunt, weil er viel niedriger war als gedacht. Laut Optikerin haben viele Anbieter gerade Sommersonderpreise. Ich gebe das mal so weiter, falls die Brillenträger*innen unter meinen Leser*innen vielleicht auch gerade mit der Entscheidung ringen. Und weil ich erst vor Kurzem im selben Geschäft neue Gläser gekauft hatte, bekam ich jetzt den Zweitglasbonus (oder so ähnlich), der den Gläserpreis halbierte und zahle dann nächste Woche für eine neue Sonnenbrille mit Gläsern in meiner Stärke schlanke 100 Euro.
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F. kam abends noch für zwei Stündchen vorbei, um mit mir vor dem Ventilator zu sitzen, aber geschlafen wurde getrennt. Nicht noch mehr Wärme in der Nähe.