(Ich zitiere Christian: „Die Fragen stammen ursprünglich aus dem Flow-Magazin, Johanna von pink-e-pank.de hat daraus eine persönliche Blog-Challenge gemacht, und Beyhan von my-herzblut.com hat das PDF erstellt.“)
261. Über welche Themen unterhältst du dich am liebsten?
Über die, von denen ich Ahnung habe: Süßigkeiten, Regenwetter, the Interwebs, systemkonforme Kunst des Nationalsozialismus. Notfalls Fußball, aber nur, wenn alle anderen Themen durch sind. Meistens lassen mich alle Leute bei Thema 4 stehen und holen sich was zu trinken.
262. Kannst du leicht Fehler eingestehen?
Kommt auf den Fehler an und wer mich dabei erwischt hat. Vor Gruppen kriege ich meine Zähne seltener auseinander als vor Einzelpersonen.
263. Was möchtest du nie mehr tun?
Kalorien zählen.
264. Wie ist dein Gemütszustand üblicherweise?
Meist recht sonnig, dann gerne blitzschnell von allem angepisst.
Menschen, die mich kennen, meinten unabhängig voneinander, dass ich gerne so klinge, als würde ich mich über alles beschweren, was mich in mittelschwere Sinnkrisen gestürzt hat. Für mich klinge ich so, als ob ich einfach nur was sage, so wie: „Puh, ganz schön warm heute.“ Damit will ich nie sagen: „Alter, alles scheiße, ich zieh nach Island, Klimakrise, Politik, burn everything down!“, sondern: „Puh, ganz schön warm heute, entschuldige, wenn ich etwas transpiriere.“ Vielleicht sollte ich mir angewöhnen, den zweiten Satzteil immer mitzusagen.
Aber vielleicht ist so der Eindruck entstanden, ich würde dauernd mit irgendwas hadern. Ich hadere eigentlich gefühlt mit recht wenig. Jetzt gerade vielleicht mit der DRECKSHITZE!
(Ja, das war wirklich eine Beschwerde.)
265. Sagst du immer die Wahrheit?
Nein.
266. Was bedeutet Musik für dich?
Eine Liebe aus vergangenen Zeiten. Ja, Pathos, ich weiß, aber so wichtig, wie Musik mir während der Pubertät und den Zwanzigern war, ist sie schon lange nicht mehr. Dafür kann ich die ganzen alten 80er-Jahre-Schmachtfetzen noch auswendig.
267. Hast du schon einmal einen Weinkrampf vorgetäuscht?
Ich wüsste nicht mal, wie das geht oder warum ich das tun sollte.
Dafür weine ich, ohne irgendwas vorzutäuschen, viel zu leicht in Kinos, Opernhäusern, Konzertsälen, bei Sonnenuntergängen, guten Prüfungsnoten, zu vielen Serien, in den Armen vom jeweiligen Lieblingsmenschen und am Meer.
268. Arbeitest du gern im Team oder lieber allein?
Allein. Solo. On my own. Lasst mich hier einfach sitzen und schreiben.
269. Welchen Fehler verzeihst du dir immer noch nicht?
Diejenigen, die anderen wehgetan haben.
270. Welche Verliebtheit, die du empfindest, verstehst du selber nicht?
Siehe letzte Frage. Wobei ich „empfindest“ durch „empfandest“ ersetzen möchte, glücklicherweise.
271. Denkst du intensiv genug über das Leben nach?
Ich könnte mich mal mit meiner Rente beschäftigen. Ich könnte aber auch weiter Serien gucken.
272. Fühlst du dich manchen Leuten gegenüber sehr unsicher?
Klar. Schlaueren, disziplinierteren, begabteren. Hübscheren netterweise nicht mehr, die kochen auch nur mit Wasser und optimalem Körperfettanteil.
273. Bist du autoritätsgläubig?
Das würde ich gerne verneinen, aber ich muss mir eingestehen, dass ich vor Cheffchens und Führungspersönlichkeiten Respekt habe. Vielleicht bin ich deshalb so gerne selbständig.
274. Bist du gern allein?
Ja.
275. Welche eigenen Interessen hast du durchgesetzt?
Ich darf essen, was ich will.
276. Welchen guten Zweck förderst du?
Ich spende meiner Kirche was und der Kriegsgräberfürsorge. Von meinen Amazon-Bestellungen – also die, die ich nicht vor Ort im Einzelhandel kriege –, bekommt das Rote Kreuz ein paar Cent ab. Sagt jedenfalls Amazon. Wobei ich eben beim Googeln festgestellt habe, dass das eigentlich Mumpitz ist.
277. Wie sieht dein Traumhaus aus?
Oh, wieviel Zeit haben wir? Okay! Also:
– groß genug, aber nicht zu groß
– Grün ringsrum, aber auch Stadt
– total leise, aber auch Stadt
– gerne Bungalow oder was ähnlich Ebenerdiges. Treppen sind doof. Daher hätte ich auch lieber ein Penthouse als ein Haus. Mit einer Riesendachterasse, dann hab ich’s grün und halbwegs leise.
– Riesenküche mit Riesenspeisekammer und Riesenesstisch
– Platz für ein Klavier
– ein Klavier (nein, kann ich nicht spielen. Aber wenn’s da schon rumsteht?)
– Bibliothek
– noch ne Bibliothek (hey, es ist mein Haus!)
– bodentiefe Fenster, bis auf ein paar, die breite Fensterbänke haben, auf denen man rumliegen kann
– Bad ohne irgendwelche fiesen Dekokacheln, die in jedem Mietshausbad drin sind
– minimalistisch-skandinavisch eingerichtet. Mit einem Extraraum, wo alles reingequetscht wird, was nicht minimalistisch-skandinavisch aussieht
– Vorkehrungen für Durchzug und Verdunkelung
– immer Internet
– gute ÖPNV-Anbindung
Samstag bis zum Achtelfinalspiel der deutschen Fußballfrauen am Schreibtisch gesessen und die Bilderliste von Herrn Protzen fertiggestellt. Jetzt kann ich mich entspannt durch sein fast vollständiges Werk klicken. Hat dann aber doch länger gedauert als ich dachte.
Aber was einem so einfällt, während man halbwegs hirntot Bilder benennt – wo man noch Farbabbildungen herbekommt, nämlich: Ebay. Da guckte ich einfach mal nach seinem Namen und fand sogar ein paar Werke von ihm, die gerade angeboten werden.
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Viel Tee, viel Lieblingsbrot, viel Lemon Curd. Schokoquatsch gebacken, mit F. auf ein Bierchen gegangen.
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Fahrt in die Reha zu Papa gebucht. #pray
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Ich folge auf Twitter nicht nur den Bayern-Damen, sondern auch dem Account der DFB_Frauen. Dort ist mir die PräsentationenderDamen sehr positiv aufgefallen, wie auch bei Einzelspielerinnen auf Instagram. Ich erinnere mich mit Schaudern an einen der letzten großen Wettbewerbe, wo sich einige Spielerinnen für den Playboy hatten ablichten lassen. Soll bitte jede machen, wie sie mag; ich persönlich bevorzuge die Inszenierung von eigener Stärke zu passiv dargebotenen Körperteilen, damit Kerle sie angaffen können.
Gestern konnte ich im Stadtarchiv die Akten einsehen, die ich mir schon zu letztem Mittwoch bestellt hatte. Die haben nicht ganz so viel hergegeben wie ich gehofft hatte, aber ein paar Hintergrundinfos zur Organisation von Künstler*innen in München in den 20er- und 30er-Jahren gab’s dann doch.
Vom Archiv ließ ich mich mit meiner Stammbuslinie direkt vor die Unibibliothek chauffieren, um Bücher abzugeben und Nachschub auszuleihen. Der Bus war perfekt klimatisiert und ich hatte inmitten der widerlichen Temperaturen für zehn Minuten gefühlte 18 Grad, wie sich’s gehört.
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Ich habe mir ein Excel-Tutorial angeschaut, weil ich mit diesem Programm nie arbeite, es nur sehr ungern öffne und es dementsprechend so gut wie gar nicht beherrsche. Aber für die Diss hatte ich eine Idee, F. hatte einen Tipp, und so lerne ich jetzt (ansatzweise) Excel. UNTER PROTEST!
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Nebenbei danke für eure ganzen Hinweise zu Zeug, das ich hier im Blog nebenbei fallenlasse.
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Gestern abend Tomaten mit Büffelmozzarella und Basilikum vom Balkon. Das ist so toll, auf den Balkon zu gehen, um sich Kräuter zu zupfen. Wieso hab ich das nicht schon längst gemacht? Rhetorische Frage, weil kein Balkon, aber echt jetzt mal! Das hätte ich euch wirklich früher glauben müssen, wie nett so ein Ding ist.
Diesen Artikel hätte ich jetzt nicht in der FAZ erwartet, denn er sagt nicht, dass wir alle mal halblang machen und weiter Schnitzel essen und billige Klamotten kaufen sollen. Stattdessen kommt Autorin Tine Stein zum Schluss:
„Die Politiker können auch nicht der Normlogik der Individualethik folgen. Sie sind eben nicht nur ihrem individuellen Gewissen verpflichtet, sondern denjenigen, die sie vertreten – der Bürgerschaft. Allerdings kann das allgemeine Wohl in einem Gemeinwesen, das sich normativ auf die Menschenrechte als Grundlage des Zusammenlebens in einer friedlichen Welt verpflichtet, nicht mehr allein auf das Wohl der konkreten Bürgerschaft reduziert werden. Es ist vielmehr heute die Aufgabe der Politik, die Bedürfnisse der Bürgerschaft im Licht der universalen Gemeinschaft der Menschheit zu interpretieren, die die jeweils partikularen Gemeinschaften übergreift.
Aus der Sicht früherer Erfahrung mag es paradox klingen, dass die eigenen Interessen nicht mehr auf Kosten anderer definiert werden können. Heute, im Zeitalter einer unhintergehbar globalisierten Welt, ist aber genau das nicht Hypermoral, sondern Ausdruck eines politischen Realismus.“
Der Artikel ist hinter der Paywall, wie so gut wie alle, die ich aus der FAZ verlinken oder vertwittern will. Ich bin immer hin- und hergerissen zwischen „Die wissen schon, was Geld wert ist“ und „Wäre aber trotzdem nett, wenn es mehr Leute lesen könnten“.
Gemerkt? „Klimakrise“ in der Überschrift, nicht „Erwärmung“ oder „Wandel“ oder etwas ähnlich Niedliches.
Bei Jeanny von Zimt, Zucker und Liebe sieht das Brot weitaus aufgeräumter aus als bei mir; das ordentliche Stapeln der einzelnen Hefeschichten versuche ich beim nächsten Mal. Für den ersten Versuch bin ich aber äußerst zufrieden. Schmeckt hervorragend und darf deshalb auch gerne ungelenk aussehen. Oder wie das Monster aus dem Sumpf, das aus einer Kuchenform quillt.
60 g Butter mit
300 ml Milch erwärmen, bis die Butter geschmolzen ist. Nicht kochen. Lauwarm abkühlen lassen.
Einen Würfel Hefe (42 g) mit
60 g Kristallzucker in der Buttermilch auflösen.
In einer Schüssel
450 g Mehl, Type 550, mit
1 verquirlten Ei sowie der Hefe-Buttermilch mischen und mit den Teighaken des Mixers zu einem trockenen, weichen Teig rühren; notfalls noch Mehl dazugeben. Ich habe vermutlich schlussendlich um die 500 g Mehl in der Schüssel gehabt. Der Teig löste sich irgendwann so halbwegs von der Schüsselwand, und so wollte ich ihn haben.
Im Originalrezept wird übrigens mit einem Tütchen Trockenhefe statt Frischhefe gearbeitet. Wenn ihr Trockenhefe nehmt, einfach zu Mehl, Zucker und Ei in die Schüssel, Buttermilch dazu, mixen, fertig. Und, hey, wenn ihr nur noch einen halben Würfel Hefe und ein halbes Tütchen nicht mehr ganz frische Trockenhefe habt, könnt ihr das auch beides gleichzeitig benutzen, wie ich seit gestern weiß. Versuch macht kluch.
Die schöne Teigkugel in der Schüssel nun mit einem Küchentuch bedecken und eine bis anderthalb Stunden gehen lassen. Ich mache das neuerdings immer unter der Bettdecke und meine Güte, gehen diese Teige auf!
Kurz vor dem Ende der Gehzeit die Füllung zubereiten. Dazu
60 g Schokolade, bei mir war das 85%-ige, das war eindeutig zu bitter, Vollmilch ist aber vermutlich zu süß, mit
50 g Butter über dem Wasserbad schmelzen.
30 g Puderzucker und
2 EL entölten Kakao in die Butterschokolademasse sieben und kurz verrühren. Das ergibt eine recht zähe Masse.
Nun den herrlichen Hefefluff auf 25 mal 35 Zentimeter ausrollen. Normalerweise sind mir Maße halbwegs egal, aber hier habe ich mich brav daran gehalten (mit Lineal!), denn aus dem Rechteck werden fünf Streifen und dann 25 Teigquadrate, daher sollten die Maße so einigermaßen hinkommen. Also:
Teig auf der leicht bemehlten Arbeitsplatte ausrollen und mit dem Schokoschlotz bestreichen. Das geht am besten mit einer Palette oder einem breiten Pinsel (Hefeteig, die Diva). Dann den Teig in fünf breite Streifen schneiden – Jeanny hat dazu ihren Pizzaschneider benutzt, ein anständiges Messer tut’s auch. Diese Streifen nun übereinander legen und in fünf Teile schneiden; das könnt ihr natürlich auch einzeln machen, aber so geht’s schneller und ist nicht viel weniger nervig (Hefeteig, die Diva). Ihr müsstet jetzt also 25 quadratähnliche Teigfladen mit Schokocreme – und vermutlich total verschmierte Hände – haben.
Diese Teigquadrate stellt ihr nun aufrecht wie Toastscheiben in eine gefettete oder mit Backpapier ausgelegte Kastenform, deckt diese wieder ab und lasst alles nochmal 30 Minuten gehen. Zum Abdecken vielleicht nicht unbedingt ein gutes Handtuch nehmen, bei mir war’s schnödes Küchenpapier.
Nach der Gehzeit im auf 180 Grad C Ober- und Unterhitze vorgeheizten Ofen für ca. 30 Minuten backen. Jeanny wies darauf hin, dass die Schokolade sich eventuell beim Backen verabschiedet, wenn eure Scheiben arg über den Kastenrand gequollen sind, daher habe ich unter den Rost mit der Kastenform noch ein tiefes Blech eingeschoben. Das ist aber sauber geblieben.
Für die Espressoglasur verrührt ihr
2 EL Espresso (oder Kaffee) mit
1 TL Milch und
soviel Puderzucker, wie ihr mögt, damit der Guss die gewünschte Konsistenz hat. Bei mir waren es so um die 100 Gramm.
Einen Teil habe ich gleich auf das warme Brot gekleckert, den Rest gab’s nach dem Auskühlen. Und dann kann lustig gezupft, gedippt oder bestrichen werden. Feuchttücher oder Waschlappen für Hände und Gesicht bereitlegen. Ihr werdet es mir danken.
gestern habe ich morgens ein Paket aus dem Paketshop geholt, eingekauft und dann den ganzen Tag bis 19 Uhr am Schreibtisch gesessen, um Bilder auszuschneiden und korrekt zu betiteln.
Das war’s.
Deine Anke
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Okay, weil ihr’s seid:
Ein kleines Klamottenpäckchen hatte ich bewusst an einen Paketshop bestellt, weil da immer jemand ist, der es entgegennimmt und ich vorbeikommen kann, wann ich will. Das finde ich bei Nachbarn und Nachbarinnen im Haus immer ein bisschen schwierig, man dringt ja doch einen Hauch in die Privatspäre ein, und genau deswegen habe ich ja eine Packstation. Manche Läden versenden aber nicht an Packstationen, und so spazierte ich morgens um 8, mit Flat White im Bauch, gut gelaunt durch den herrlich frischen Morgen zu einem Kiosk, versorgte mich auf dem Rückweg im Supermarkt noch mit Milch, Müsli, Obst und Schokolade, holte die Zeitung aus dem Briefkasten, warf alles in die Küche und ging an den Schreibtisch.
Wie ich im eigenen Blog (so praktisch!) feststellen durfte, hatte ich genau vor einem Jahr sämtliche Fotos der Gemälde Protzens im Nachlass in Nürnberg abgelichtet. Die Fotos waren meist zu viert auf eine Albumseite geklebt, weswegen ich immer die komplette Seite fotografierte und daraus zuhause entspannt vier einzelne Bilder machen wollte. Das war dann natürlich doch mehr Arbeit als sich Spatzenhirn Gröner vorher überlegt hatte, dann kam die Grossberg-Sache dazwischen, wegen der ich sechs Monate lang stinkig war und nicht mehr promovieren wollte, aber jetzt will ich wieder und brauche dafür endlich mal alle Protzen-Gemälde. Also die, von denen es Fotos gibt.
Die sind in den Alben beschriftet, aber wie ich inzwischen vom Scan des Werkverzeichnisses gelernt habe, nicht immer mit den Titeln, die in eben diesem Verzeichnis stehen. Meine Vermutung ist, dass die Fotos nachträglich, vermutlich von Henny, der Gattin, die ihren Mann um elf Jahre überlebte, eingeklebt und beschriftet wurden, während das Werkverzeichnis von ihm selbst angelegt wurde. Das geht leider auch nur bis ca. 1947.
In den vergangenen Tagen hatte ich die Bilder, die ich im letzten Jahr schon ausgeschnitten und beschriftet hatte, alle umbenannt, so dass eine Datei jetzt so bezeichnet wird: Werkverzeichnisnummer Entstehungsjahr Titel aus dem WV Maße.jpg. Als Beispiel das Bild, um das sich meine ganze Arbeit dreht: 357 1939 Straßen des Führers 169×255.jpg. Die ganzen Autobahnbilder hatte ich natürlich als erstes ausgeschnitten, denn mit denen wollte ich mich ja hauptsächlich befassen; inzwischen weiß ich, dass mich noch viel mehr interessiert, also setzte ich mich endlich an die Pflichtaufgabe, alle Werke, die ich von ihm habe – denn der Mann hängt ja nirgends außer mit zwei Bildern in der Pinakothek der Moderne –, vernünftig aufzubereiten. Gestern kam ich bis 611 1952? Montmartre 120×67?.jpg; das letzte Bild im Album hat die Werknummer 685, weswegen ich mit der Arbeit heute vermutlich fertig werde.
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Ich trank wieder eine Kanne Cold-Brew-Ingwertee, irgendwann gab’s Nutellabrot und abends Risotto.
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Zwischendurch wartete ich auf den DHL-Mann, der mir auch ausnahmsweise was nach Hause bringen sollte und nicht in die Packstation, weil ich bei dem Format Angst hatte, dass es eh zur Post kommt und von dort wollte ich es nicht schleppen. Natürlich landete die Sendung bei einer Nachbarin, obwohl ich den ganzen Tag zuhause war, aber egal.
Ich habe mir ein bisschen Kunst gegönnt als Ausgleich zu den vielen anstrengenden Werken, auf die ich den ganzen Tag gucke, nämlich eine Gouche von Katia Kelm. Von der Dame hängt und steht hier ja eh schon einiges rum, und als ich das Motiv neulich bei ihr auf Instagram sah, musste ich zuschlagen. Sorry, Alex Katz, für deine Grafik habe ich jetzt kein Geld mehr, aber die hat auch ne Auflage von 500 und ich hab jetzt ein Unikat.
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Abends begann es zu regnen und zu gewittern, ich setzte mich auf das Sofa im Arbeitszimmer, von dem aus ich über den Balkon gucken kann und starrte meditativ in die blitzende Dämmerung, weil ich Regen als Geräusch so beruhigend finde. Meine Mutter informierte mich dann über Vaterns Reha, woraufhin ich wieder traurig wurde und einfach eine Stunde stumm sitzenblieb, in den Regen guckte und mich nicht mehr so richtig über Arbeitsfortschritt, Kunst und Balkon freuen konnte.
Fronleichnam hätte ich vergessen, wenn es nicht in meinem Kalender gestanden hätte. So stellte ich mir keinen Wecker, schlief ein Stündchen länger als sonst, lungerte mit Flat White auf dem Balkon rum, las dann erstmal ausgiebig die Zeitungen der letzten beiden Tage, auf die mein Kopf vorher noch keine Lust gehabt hatte, und guckte Masterchef.
Den Rest des Tages und des Abends verbrachte ich dann wieder am Schreibtisch, wo ich allerdings keine wilden Entdeckungen mehr machte. Ich erledigte stattdessen Kram, den ich seit Monaten vor mir herschiebe: mal alle Bilder von Protzen vernünftig zu benennen – also die Fotos, die ich von wiederum Fotos seiner Gemälde gemacht hatte, die in Alben im Nachlass liegen und die bisher die Titel trugen, die in den Alben vermerkt waren, so umzubenennen, dass sie mit dem Werkverzeichnis übereinstimmen. Dabei konnte ich auch gleich Entstehungsjahr und Maße im Dateinamen vermerken, dann muss ich danach nicht immer suchen, und bei 700 Bildern kostet sowas halt Zeit. Und ich habe noch nicht mal alle 700 geschafft. Ich ahne jetzt, warum Dissertationen so lange dauern.
Die Überschrift sagt schon alles, und der Beginn des Textes ist sehr schlau:
„Yesterday, when I asked about reparations, Senate Majority Leader Mitch McConnell offered a familiar reply. America should not be held liable for something that happened 150 years ago, since none of us currently alive are responsible. This rebuttal proffers a strange theory of governance that American accounts are somehow bound by the lifetime of its generations. But well into the century the United States was still paying out pensions to the heirs of Civil War soldiers. We honor treaties that date back some 200 years despite no one being alive who signed those treaties.
Many of us would love to be taxed for the things we are solely and individually responsible for. But we are American citizens, and thus bound to a collective enterprise that extends beyond our individual and personal reach. It would seem ridiculous to dispute invocations of the founders, or the Greatest Generation, on the basis of a lack of membership in either group. We recognize our lineage as a generational trust, as inheritance and the real dilemma posed by reparations is just that: a dilemma of inheritance. It’s impossible to imagine America without the inheritance of slavery.“
Der Text von Ibram X. Kendi zum gleichen Thema fängt ähnlich gut an:
„On December 1, 1862—a month before he issued the Emancipation Proclamation—President Abraham Lincoln wrote to Congress. He was not yet the Great Emancipator. Instead, he proposed to become the Great Compensator.
Lincoln proposed a Thirteenth Amendment to the U.S. Constitution: the most expansive and expensive slavery-reparations plan ever put forth by a U.S. president. “Every State wherein slavery now exists shall abolish the same therein at any time or times before” January 1, 1900, and slaveholders “shall receive compensation from the United States” for emancipating the enslaved.
Lincoln stressed to his fellow citizens that “we cannot escape history.” Pursuing gradual emancipation, and compensating the enslavers for their lost labor and wealth—and not the enslaved for their lost labor and wealth—would repair a broken America once and for all. “Other means may succeed,” he said in closing; “this could not fail.”
Indeed, Lincoln’s proposal did not fail to escape history. His politically expedient plan made and portended history, projecting a middle ground for Americans to stand between permanent slavery and inequality, and immediate emancipation and equality.
Today, many Americans who oppose reparations, including a slight majority of Democrats, stand on this middle ground. These Americans self-identify as “not racist,” but do nothing in the face of the racial wealth gap that grows as white people are compensated by past and present racist policies.“
Gestern vormittag wollte ich eigentlich im Stadtarchiv sitzen und lustige Archivalien durchlesen zu einigen Münchner Künstlervereinigungen, in denen Protzen Mitglied war, sowie zur Kameradschaft deutscher Künstler, in der alle 1938 aufgehen mussten. Wie ich gerade im Wikipedia-Link sehe, gibt es dazu noch keine wissenschaftliche Literatur. Auch meine kunsthistorische Suchmaschine weiß dazu rein gar nichts. Hallo, Diss-Thema! Gebe ich mal uneigennützig weiter.
Ich hatte die Archivalien brav am Montag bestellt, weil man ja alles zwei Tage vorher bestellen soll, kam frohgemut um Punkt 9 im Archiv an, denn der Lesesaal war nur bis 12 Uhr geöffnet, und ich hatte viel vor. War dem Archiv aber egal, denn wegen einer technischen Störung (Fahrstuhlausfall) waren keine Archivalien für mich da. „Am besten vorher anrufen.“ Gna. Das Stadtarchiv ist personell unterbesetzt, und jetzt auch noch Technikfirlefanz, was auch nicht das erste Mal vorkommt. Hier bitte den üblichen Rant einfügen über Dinge, für die die Stadt Geld hat und wofür offensichtlich nicht.
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Dann saß ich halt stattdessen den ganzen Tag am heimischen Schreibtisch, wo ein Ventilator die Arbeit auch deutlich angenehmer machte. Jetzt hatte ich nämlich keine Ausrede mehr, mich endlich um die Neustrukturierung der bisher geschriebenen Kapitel zu kümmern, und genau das tat ich dann auch. Was bisher thematisch geordnet war, ist nun größtenteils chronologisch aufgebaut. Mit dem vorgestern verfassten Forschungsstand war ich zufrieden, die Quellen kann ich eh noch nicht vollständig aufschreiben, weil ich noch längst nicht alle eingesehen habe, die mir vorschweben. Und natürlich hoffe ich auch noch auf neue, vor allem das originale Werkverzeichnis des Künstlers.
Ich erwähnte bereits, dass das Verzeichnis zur Gedächtnisausstellung 1976 kopiert und diese Kopie dann irgendwann mal eingescannt wurde und auch, dass sich die Datei genau so liest: wie ein Scan einer 40 Jahre alten Kopie. Protzens Handschrift, wenn man den Scan denn entziffern kann, ist netterweise halbwegs lesbar, manchmal kommt ein bisschen Sütterlin durch, was ich immer noch nicht kann, obwohl hier seit Jahren ein Lehrbuch rumliegt. Ich glaube, ich mache jetzt ernsthaft einen Kurs, falls es einen gibt, denn mindestens für das Gästebuch des Ehepaars brauche ich das. Gleich den ersten Eintrag von 1926, der vermutlich vom Vater der Ehefrau stammt, kann ich nur raten statt lesen.
Trotzdem hatte ich mit dem Werkverzeichnis viel Spaß, weil in solchen Dokumenten ja grundsätzlich mehr steckt als man beim ersten – oder siebzehnten – Überfliegen merkt. Da ich jetzt chronologisch arbeite, ignorierte ich die Autobahnbilder, an denen ich bisher rumgeknabbert hatte, sondern fing ganz brav vorne an. In einem Lexikoneintrag – mehr wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Maler gibt’s halt noch nicht – hatte ich gelesen, dass ihm nach „nach 1933 eine Art Monumentalität“ zugesprochen wird. Das zweifelte ich sowohl von den Bildinhalten als auch schlicht von den Bildgrößen an, und so verbrachte ich – vermutlich sinnlos, aber für mich dann doch interessant – zwei Stunden damit, mal zu gucken, wie groß seine Bilder denn ab 1916 waren und ob sie wirklich monumentaler wurden. Würde ich jetzt spontan verneinen, ich habe aber nur ein paar Jahre mal durchgerechnet, also ernsthaft die durchschnittliche Quadratzentimeterzahl seiner Werke berechnet und geschaut, ob es nach 33 brachial aufwärts ging. Ging’s nicht. Ja, die Bilder wurden größer, aber nicht sprunghaft, und als monumental groß würde ich sie auch nicht bezeichnen. Weiß ich noch nicht, ob diese Info wirklich in den Text gehört oder ob das doofes Nitpicking ist, aber für mich ist erstmal alles spannend.
Noch spannender war dann die Preisentwicklung. So richtig reich ist Protzen vor 1933 nicht mit seiner Kunst geworden, und auch im NS-Staat gehörte er nicht zu den Großverdienern – aber immerhin zu den Mittelprächtigverdienern, jedenfalls nach meinem bisherigen Wissensstand. Jetzt wühlte ich mal in den 20er-Jahren rum, wo ich bisher nur punktuell geschaut hatte und konnte ein bisschen deutsche Geschichte erfassen. Momentan steht im Textdok dieser Abschnitt, wobei „WV“ Werkverzeichnis bedeutet und die Zahl dahinter die entsprechende Gemäldenummer:
„Die in der Gefangenschaft entstandenen Werke Belgodère Steineichen (1916, WV 5, 66 x 78 cm) sowie Eucalyptus Castelluccio (1918, WV 11, 67 x 51 cm) wurden am 3. Juli 1922 für 4050 bzw. 2250 Mark an den Kunstverein Stuttgart verkauft. [Inflation? – damit meine ich, dass ich da den Wertverfall der Mark nochmal belegen möchte, denn diese Summen sind deutlich zu hoch] Das im September 1917 gemaltes Ajaccio (WV 13, 68 x 58 cm) wurde laut Werkverzeichnis am 28. November 1922 an eine/n Dr. Hennigsen in oder aus Kopenhagen verkauft. Die im Werkverzeichnis notierte Zahl 120, die nicht so recht in die Zeit der Inflation im Deutschen Reich passen will, könnten daher dänische Kronen gewesen sein.
Die Inflation zeigt sich auch in weiteren Kaufsummen: Pinia (hell) (1916, WV 4, 66 x 78 cm) wurde am 26. Dezember 1922 für 35.000 Mark verkauft, während ein Käufer für Pinia mit Bergen (1917, WV 7, 66 x 66 cm) am 29. April 1923 bereits 150.000 Mark zahlen musste. Für Rue Fesch Ajaccio (vermut. 1918, WV 19, unbekannte Maße) erhielt Protzen am 30. Mai dann schon 180.000 Mark, sein Bild Freibergsee II (1919, WV 38, unbekannte Maße) wurde über den Feldgrauen Künstlerbund am 20. Juni für 400.000 Mark verkauft, und für Altwasser [?] (1922, WV 92, 75 x 69 cm) bekam er am 8. August 1923 von Herrn oder Frau Kolberg zweieinhalb Millionen Mark.“
Außerdem fand ich bei vier Bildern die Notiz „Deutsche Kunst Gesswein Augsburg“. Das passt hervorragend zu einem Brief seines Vaters von 1922, der bedauerte, dass Sohnemann in Augsburg nichts verkauft hätte. Ich wundere mich zwar, dass ein Münchner Student schon eine Galerie in Augsburg hat, die seine Werke vertritt, aber okay, so weit kenne ich mich im Kunsthandel der 20er-Jahre noch nicht aus. Was mich aber wahnsinnig macht: Ich finde zu diesem Gesswein nichts. Google findet einen heutigen Bäcker, das Stadtarchiv Augsburg ist online nicht durchsuchbar, das dortige Staatsarchiv auch nicht, aber da vermute ich eh nix, im Münchner Stadtarchiv ist nichts, die Nachlassdatenbank weiß nichts, das Bundesarchiv weiß nichts, das Kunstarchiv in Nürnberg weiß nichts. He, Augsburger – könntet ihr bitte mal eure Großeltern fragen, ob sie eine Kunsthandlung Gesswein kennen? Das gibt es doch gar nicht, dass sich nicht irgendwo ein Fitzelchen Quelle findet!
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Um 19.30 Uhr sehr zufrieden Feierabend gemacht, Hummus angerührt, eine halbe Salatgurke aufgeschnitten, mit morgens frisch gekauftem Brot genossen. Noch ein paar Serien weggeguckt, Zeitung ignoriert, Kopf war dicht mit Tagesgeschäft, früh schlafen gegangen. Nicht auf dem Balkon gesessen! Zu warm.
Um 8.30 Uhr einen Termin im Bürgerbüro für 9.30 Uhr gemacht, um mal wieder um eine Melderegisterauskunft zu bitten. Dieses Mal saß ich nicht in der coolen grünen Wartezone, sondern in der lauten roten und musste auch bis kurz nach 10 warten. Dafür war die Auskunft halbwegs erfolgreich, wenn auch nicht in dem Sinne, wie ich sie gerne gehabt hätte.
Zuhause zwei Briefe ausgedruckt an Menschen, die eventuell Vorfahren oder Verwandte haben, die eventuell mal Unterlagen von Protzen in der Hand gehabt haben könnten und die sie eventuell noch besitzen. Die werfe ich heute ein und brauche viele gedrückte Daumen. Der Mann gibt quellenmäßig leider nicht so viel her, daher gebe ich jetzt Geld für Auskünfte aus und schreibe Briefe an unbekannt.
Den Rest des Tages am Schreibtisch verbracht. Das erste Kapitel, das bisher den Titel „Biografische Notizen“ trug, aber jetzt „1887–1925: Vom Lithograf zum Kunstmaler“ heißt, komplett ausgedruckt, weil ich es mit dem zweiten Kapitel, das bisher „Ausstellungsbeteiligungen zwischen 1924 und 1956“ hieß, vermählen möchte. Meinen thematischen Aufbau habe ich zugunsten eines chronologischen gekippt, und so werden aus dem bisher erarbeiteten zweiten Kapitel gleich mehrere, die momentan „3. 1926–1934: Motiv- und Stilsuche“, „4. 1934–1941: Die Motive der Reichsautobahn“ und „5. 1941–1945: ?“ heißen. Bei 5 neige ich zu „Die Blümchen der Ostmark“, aber das ist ein Arbeitstitel, damit ich keine schlechte Laune kriege.
Und dann saß ich da vor den Ausdrucken, überflog die ersten Seiten und merkte: Nee, du musst echt erst Quellen und Forschungsstand erläutern, damit du nicht dauernd doppelt und dreifach Dinge erklären musst. Also tat ich das, wühlte mich durch diverse kopierte, gescannte oder fotografierte Archivalien und schrieb, mit einer 50-minütigen Masterchef-Australia-Pause, bis 19 Uhr durch.
Danach sicherte ich alles tausendmal in verschiedenen Medien und hatte das Gefühl, seit Anfang März, seitdem ich begonnen habe zu schreiben, keinen Schritt vorwärts gekommen zu sein. Vor mir liegen 70 Seiten, aber es fühlt sich so an, als hätte ich noch gar nichts gesagt.
Ich muss mir dauernd selber vorbeten, dass sich das so anfühlt, weil ich den ganzen Kram schon fast auswendig kann, ich aber trotzdem mal eben 70 Seiten vollgeschrieben habe mit Dingen, die so noch niemand in einen Zusammenhang gebracht hat. Das passt vermutlich alles, aber ich stecke gerade in einer Phase des „Was mach ich hier überhaupt“. Gut, dass es auf Twitter diverse Doktorand*innen und Doktores gibt, die Tipps für solche Tage haben: The Valley of Shit.
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Müsli mit Erdbeeren und zwei Kannen Cold-Brew-Ingwer-Orange-Tee. Großartiges Zeug! Wie Ingwerlimo, nur nicht so scharf. Abends eine riesige Schüssel Caesar Salad mit einer selbstgeschlagenen Majo, die im ersten Versuch geklappt hat. Wie es sich bei 29 Grad gehört, verdammte Anstrengung!
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Mit F. auf dem Balkon rumgelungert, er ein Bierchen, ich weiter Ingwertee, der Lichterkette zugeguckt und den schnatternden Damen auf dem Balkon schräg gegenüber. Erst als sie sich gegenseitig YouTube-„Komiker“ vorspielten, wollte ich rein.
Am Sonntag einen sehr ruhigen jungen Mann kennengelernt. Also: sehr jung und sehr ruhig. Er war fünf Tage alt und hat unsere gesamte Besuchszeit verschlafen. Ich sehe sehr kleidsam aus mit Kleinkind auf dem Arm, und ich war überrascht davon, wie wenig langweilig ich es fand, ihn ewig anzuglotzen. (Diese winzigen Finger!)
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Lecker Erdbeerkuchen, lecker Johannisbeerlikör. Neue Menschen kennengelernt – also neben dem jungen Mann – und interessiert über verschiedene Beziehungs- und Wohnungsmodelle diskutiert.
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Zugfahrt durchs Allgäu. Zwei Bücher mitgehabt für drei Stunden Fahrt, nur aus dem Fenster geglotzt. Bei Schwabhausen von F. auf jüdische Grabsteine entlang der Bahnstrecke aufmerksam gemacht worden: Dort liegen Opfer eines Fliegerangriffs im April 1945, Häftlinge aus Dachau, die noch transportiert wurden. Hier findet sich ein längerer Eintrag, den habe ich aber selbst noch nicht gelesen.
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Direkt vom Zug mit F. zum Lieblingsburgerladen gegangen. Von meinem Crispy Chicken etwas enttäuscht gewesen: Wenn ich ne Schnitzelsemmel will, bestelle ich eine. Wenn ich einen Burger bestelle, hätte ich gerne den. Bei McDo schmeckt der doch auch! (Just shoot me.)
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Am Freitag hatte ich die brillante Idee, in meinen Sneakers bei 30 Grad keine Söckchen anzuziehen, sondern Füßlinge – mit dem Ergebnis, dass ich mir eine ungefähr vier Zentimeter lange Stelle wundgescheuert habe. Sehr lustig dabei verbogen, seitwärts auf dem Fuß ein längliches Pflaster zu platzieren. „Pflaster“ auf dem Einkaufszettel notiert.
Nebenbei laboriere ich an einer selbstdiagnostizierten Muskelverhärtung in der Nähe des rechten Knies. Ich behaupte, eine Sportverletzung zu haben, ohne dafür Sport getrieben zu haben. Aber da ist eine harte Stelle unter der Haut, der halbe Oberschenkel fühlt sich wie ein fieser Muskelkater an, und ich jammere beim Treppensteigen. Vermutlich habe ich mich beim Schlafen doof verdreht, aber Muskelverhärtung klingt eindeutig cooler.
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Gestern ein bisschen Wochenende nachgeholt. So nett Podcasten und Babybesuchen ist – mich schlauchen Termine mit Menschen halt immer. Deswegen hatte ich gesten vormittag frei und habe erst nachmittags am Schreibtisch gesessen, lustig Archivmaterial bestellt, mich in stundenlangen Telefonaten über Papas Rehafortschritte informiert und irgendwann die alten Musicalnoten rausgeholt und gesungen.
Seit ich wieder etwas mehr Platz habe, habe ich zwei Zimmer ohne direkte Nachbarn. Also unter und über mir schon, aber da ich inzwischen weiß, dass man nur hört, was aus der jeweils unteren Wohnung kommt und das Pärchen über mir tagsüber nicht zuhause ist, stand ich irgendwann im Arbeitszimmer und schmetterte ein bisschen krächzend vor mich hin.
Will wieder Gesangsunterricht.
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Vermutlich das vorletzte Mal meinen Semesterbeitrag an die Uni überwiesen.
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Abends erst den Damen gegen Südafrika zugeguckt, dann den Herren bis 21 Jahre gegen Dänemark. Dazu Tomatensalat und Baguette mit Mozzarella überbacken. Im Tomatensalat war Basilikum vom Balkon! Es leben noch alle Pflanzen!
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Im Bett noch ein bisschen gelesen, dabei in den Fußnoten wieder Bücher gefunden, die eventuell für die Diss lustig sein könnten und zack, wieder ne Stunde am Schreibtisch gesessen, dieses Mal im Schlafanzug. Ich werde nie fertigwerden.
00.00:50. Der erste Wein. Wir trinken heute Gewürztraminer.
00.02:22. Wir beginnen mit der ersten Ausstellung: El Anatsui – Triumphant Scale im Haus der Kunst. Die Ausstellung läuft noch bis zum 28. Juli und wir verbringen die nächsten 45 Minuten damit, euch zu erklären, warum ihr da unbedingt reingehen müsst. Ich glaube, der beste Grund, und wenn ich mich richtig erinnere, sagen wir das in irgendeiner Form auch alle mal während des Podcasts, ist: Sowas habe ich noch nie gesehen.
Ein Großteil der Werke von Anatsui besteht aus Flaschenverschlüssen bzw. den Banderolen aus Aluminium um den Flaschenhals. Dieses Ausgangsmaterial bearbeitet er: Er nutzt nur die kleine runde Fläche ganz oben am Korken, er walzt die Banderole platt zu glatten, schimmernden Rechtecken, die er wie Stoffstücke aneinanderfügt, er zerschneidet die Banderolen zu dünnen Ringen und verknüpft diese mit Kupferdraht zu Vorhängen, die uns an Kettenhemden und Zauberwälder erinnerten, vor allem, weil sie zehn Meter hoch von der Decke des Hauses der Kunst um uns herum hingen. Dieses so armselig scheinende Material verwandelt Ausstellungsräume in Landkarten, Zeittafeln, Festgewänder und Blumenmeere und hat uns über alle Maßen fasziniert.
Mein persönlicher Liebling, vor dem ich gefühlt ewig stand und zu dem ich nach einem Rundgang auch wieder zurückkehrte, war The Beginning and The End (2015), und man kann es auf Anatsuis Website erahnen (ich spreche im Podcast ab 20:20 min darüber). Wirklich erfassen kann man seine Werke allerdings nur, wenn man vor ihnen steht. Daher nochmal der dringende Tipp: hingehen.
Viele der Ausstellungsstücke erinnerten mich an eine uralte Kollegin, mit der ich vor nun fast 30 Jahren im Kino in Hannover zusammengearbeitet hatte. Sie hatte damals ein halbes Jahr Entwicklungshilfe in Ghana gemacht, und durch sie kannte ich einige Stoffmuster sowie das Spiel Oware, an das mich einige der Stücke Anatsuis erinnerten. Das letzte Mal, als ich von Sabine hörte, saß ich als Juniortexterin in einer Werbeagentur in Hamburg. Sie rief mich auf meinem Handy an – keine Ahnung, wie sie an die Nummer gekommen war, vielleicht über meine Eltern? – und wollte nur mal fünf Minuten mit mir reden. „Ich gucke gerade meinen Rolodex durch mit allen Namen und Nummern und überlege, wen ich weiter behalte.“ Wir klönten kurz miteinander, erinnerten uns an Dinge, die wir zusammen gesehen und gemacht hatten, stellten dabei fest, dass wir uns nicht mehr so irre viel zu sagen hatten, verabschiedeten uns voneinander, indem wir uns gegenseitig ein tolles Leben wünschten und das war’s.
Eins meiner lustigsten Geburtstagsgeschenke bis dahin war von Sabine gekommen: Sie hatte alle Nachrichten, die ich auf ihrem Anrufbeantworter hinterlassen hatte, auf eine Kassette überspielt. Hauptsächlich um mich daran zu erinnern, dass ich mal gesagt hatte, dass es endlich Sommer sei, wie geil. (Ich fand Sommer schon damals scheiße.) Die Nachricht hatte sie gleich dreimal hintereinander geschnitten.
Im Laufe unseres Daseins laufen wir irrwitzig vielen Menschen über den Weg, und Sabine ist einer von denen, die einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben. Ich denke oft an sie, kann sie aber nicht ergoogeln, weil mir ihr Nachname nicht mehr einfällt (ich meine, sie hatte bei der Heirat auch einen anderen angenommen, den ich erst recht nicht weiß). Egal, falls du das liest, Sabine aus Hannover, die ungefähr um 1992 rum in Ghana gewesen sein müsstest: Du warst etwas ganz Besonderes. Und bist es hoffentlich heute noch.
00.10.00. Die Dame, deren Name mir nicht einfällt, ist natürlich Chimamanda Ngozi Adichie. Ich erwähne, immerhin das Wort fiel mir noch ein, wax prints.
00.11:50. Felix spricht das Werk Logolili Logarithm (2019) an, das speziell für die Räume im Haus der Kunst gefertigt wurde. Das kann man im Flyer zur Ausstellung in der Gallery 2 sehen.
00.25:50. Der zweite Wein.
00.38:00. Der dritte Wein.
00.42:10. Wir sprechen auch noch über Anatsuis Holzarbeiten sowie seine völlig irre Keramik (mit Star-Wars-Referenz!). Ich zitiere einen Teil des Wandtextes, der von der „Ästhetik der Fragmentierung“ spricht und meiner Meinung nach die ganze Ausstellung sehr schön zusammenfasst. Aber gerade die Keramik. Felix erwähnt Anatsuis „innere Logik“, was ich auch für eine gute Beschreibung halte.
00.49:40. Eine letzte Verbeugung vor Okwui Enwezor, dessen letzte mitkuratierte Ausstellung das war (und der mit dem weiteren Kurator Chika Okeke-Agulu auch den Katalog noch mit herausgegeben hat); Felix nannte uns intern schon einen Enwezor-Fan-Podcast. Das mündet dann gleich in unser Fazit, das natürlich lautet: reingehen.
00.54:40. Die zweite Ausstellung: eine Retrospektive von Saul Leiter, der heute, nach seiner Wiederentdeckung 1997, als Pionier der Farbfotografie gilt. Die Ausstellung läuft im Kunstfoyer der Versicherungskammer in der Maximilianstraße noch bis zum 15. September, ist täglich geöffnet und koschdet nichts.
Leiter war in den 1950er Jahren schon an zwei kleinen Ausstellungen im MoMA beteiligt, allerdings mit Werken in Schwarzweiß. Farbe galt damals noch als Gestaltungsmittel für Werbung und ähnlichen low-brow-Kram, aber nicht für die hehre Kunst. Was man heute kaum noch fassen kann, gerade wenn man sich seine Bilder anschaut. Die Kunstwelt fand Farbe erst ab William Eggleston 1976 toll. Danke, Kunstwelt, du Quatschnase. Du bist schuld daran, dass der gute Herr Leiter sich sein Geld mit Werbung bzw. Modefotografie für unter anderem Harper’s Bazaar verdienen musste.
Über den Raum mit der Werbung rege ich mich dann wieder auf, weil er so fies vor Augen führt, wie sehr sein einzigartiger Blick verbogen wird für blöde Klischees und artifizielle Posen, die Frauen zu Dekostücken werden lässt – was in seinen Straßenaufnahmen nicht so ist. Selbst seine Akte sind eher auf Augenhöhe mit dem Fotografen als die in weite Wollmäntel gehüllten Models.
Wir sprechen wie immer über einzelne Werke, hängen aber für mich überraschend sehr an einem 15-minütigen Filmausschnitt fest, in dem der Mann druckreife Aphorismen von sich gibt. Einige stehen auch als Wandtext neben den Fotos, und jeder von uns hat sich seinen Liebling notiert. Meiner war: „Photographs are often treated as important moments but really they are little fragments of an unfinished world.“ Im Film meinte er auch noch, dass Fotografie uns das Sehen lernt, denn als (Street-)Fotograf*in geht man los, ohne zu wissen, mit was man heimkommt, während man als Maler*in oder Bildhauer*in vor einer leeren Leinwand oder einem Block Material hockt und selbst etwas beginnen muss. Fotografie sei eigentlich eher eine Reaktion statt einer Aktion. „It teaches you to appreciate all kinds of things.“ Womit ich wieder eine Lanze für Instagram und ähnliche Apps brechen will, auf denen ich eben nicht nur durch 17 Filter gejagte perfekte Bilder sehen möchte, sondern auch Schrott, Mittelschrott und Bilder, von denen ich vielleicht zuerst denke, bah, Schrott, aber dann ihre Schönheit würdigen kann.
00.58:00. Ich spreche darüber, dass ich Leiters Straßenfotografie so mag, weil sie eher die Stadt als die Menschen zeigt: die Muster, die Atmosphäre, die Bewegungen einer Stadt, und beschreibe zwei Bilder. Dann ballern wir uns mit den Lieblingszitaten zu, und ab 01.08:00 rege ich mich über die doofe Modefotografie auf – im Vergleich zu Leiters Street Photography. Es gibt tolle Modefotografie und seine ist natürlich auch toll, aber sie kackt halt so ab im Vergleich zum Rest seines Werks.
01.22:00. Wir sprechen über ein Selbstporträt und grüßen Collinas Erben.
1.31:00. Flo erinnert daran, dass der Film In No Great Hurry. 13 Lessons in Life with Saul Leiter, aus dem wir dauernd zitieren, auch in Gänze gesehen werden kann: Mittwoch, 17. Juli, 19:00 Uhr und Sonntag, 15. September, 17:00 Uhr im Jüdischen Gemeindezentrum am St.-Jakobs-Platz. Bitte anmelden.
01.33:00. Wir lösen die Weine auf: Wein 1 gefiel uns allen am besten.
Wein 1: Kuhlmann Platz Gewürztraminer Rosacker, Alsace AOP, Grand Cru, 2016, 13%, bei Hawesko für 20 Euro.
Ausgeschlafen. Balkonkaffee getrunken. Wie Frau Kaltmamsell (geschützt) twitterte: „Resistance was futile.“ Ich so: „I see that now.“
Das ist übrigens kein gegossenes Herz auf dem Kaffee, sondern ein Blob, der annähernd Herzform hat. Darunter ist ein verunglückter Farn.
Deswegen ist es morgens auf dem Balkon für mich so schön: Es ist SCHATTIG! Aber man kann schön weit gucken, und wenn ich Glück habe, ist in der Schule hinter der Baumreihe links von mir (nicht im Bild) gerade Unterricht. Was ich auch erst weiß, seit ich hier wohne: wie praktisch das ist, neben Schulen zu wohnen. Man hört ein paarmal am Tag die Pausenzeiten und damit einhergehend ein irrwitziges Stimmengewirr, aber ansonsten ist es total ruhig. Gerne wieder.
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Die zweite Ausstellung für unseren Podcast angeschaut. Dorthin gelangte ich per U-Bahn, weil es auch in ihr schattiger ist als auf dem Rad, aber das bereute ich natürlich nach fünf Sekunden, denn sie war nicht klimatisiert und ich kam schon arg angeschwitzt an der Ausstellungslocation an. Da hätte ich auch radeln können.
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Nach der Ausstellung zufrieden nach Hause gefahren und meinen Cold-Brew-Tee abgegossen. Das mache ich seit Tagen – irgendwer hat es mir auf Twitter empfohlen, ich habe leider vergessen wer. Teeblätter in die Kanne und statt mit kochendem oder heißem Wasser einfach kaltes draufgießen, zwei Stunden rumstehen lassen, abgießen, fertig. Schmeckt aromatischer als mit heißem Wasser aufgebrühter Tee, was mich völlig fasziniert. Mein geliebter Bünting-Ostfriesentee hat auf einmal eine zitronige Note, die ich noch nie rausgeschmeckt habe. Der Nilgiri ist äußerst weich und puschelig (fast schon charakterlos), und Earl Grey schmeckt wie immer, nur intensiver. Mehr Sorten habe ich noch nicht getestet, aber ich habe hier noch ein bisschen Zeug rumstehen. Orange-Ingwer, anyone?
Ich nutze dazu übrigens sehr unfeierlich das Wasser direkt aus dem Wasserhahn, nix mit abkochen oder so. Könnte man vermutlich, ist mir aber egal. Ich trinke seit Jahrzehnten Wasser aus dem Hahn anstatt Flaschen zu schleppen, und mir geht’s gut. (Wischt sich mit der dritten Hand den Schweiß von der Stirn.)
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Dann auf dem Sofa gelesen. Zunächst ein bisschen in Postkoloniale Theorien, das ich mir aus dem Museumsshop im Haus der Kunst mitgenommen hatte. Die dekorieren da immer recht clever um, es gibt nicht nur die üblichen bunten Bilderbuchkataloge, sondern auch immer diverse theoretische Auseinandersetzungen mit den Themen der jeweils laufenden Ausstellungen. (Die Kunstgeschichte als Brotbelag habe ich übrigens nicht mehr gesehen, die lag letztes Mal noch direkt an der Kasse. Aber vielleicht liegt sie jetzt auch einfach woanders, ich habe nicht nach ihr gesucht.)
Zurück zu den postkolonialen Theorien: Ich bin noch nicht sehr weit, aber schon die anfänglichen Definitionen von Kolonialismus haben mich zum Nachdenken gebracht. Auch noch nie weiter hinterfragt, diesen Begriff, und ob es unterschiedliche Kolonienarten gab. Gab es.
Der Text beginnt mit der historischen Einordnung: „Als Schlüsseldatum für den Beginn der europäischen Expansion nach ‚Übersee‘ wird in der Regel das Jahr 1492 veranschlagt.“ Kolumbus, wisst ihr ja.
„Die ersten Kolonisatoren waren Soldaten, Abenteurer und Wissenschaftler, aber auch von Privatinvestoren unterstützte Geschäftsleute sowie Missionare und Siedler. Staatliche Protektion und Verwaltungsverantwortung für die besetzten und besiedelten Gebiete übernahmen die europäischen Nationalstaaten meist er in einer späteren Phase. Indien beispielsweise wurde erst im Jahre 1858 zur britischen Kolonie. […] Indien war eine ‚Beherrschungskolonie‘ und entsprach damit einem Kolonientyp, der in erster Linie der wirtschaftlichen Ausbeutung, der strategischen Absicherung imperialer Politik sowie nationalem Prestigegewinn diente, doch keine Besiedelung vorsah; ausgeübt wurde die koloniale Herrschaft dabei von temporär aus dem Mutterland entsandten Verwaltungsbeamten sowie von Soldaten und Geschäftsleuten. In der Kolonialismusforschung werden Beherrschungskolonien von ‚Stützpunktkolonien‘ sowie von ‚Siedlungskolonien‘ unterschieden. Stützpunktkolonien wie beispielsweise Hongkong oder Shanghai dienten dieser Einteilung zufolge der indirekten kommerziellen Erschließung eines Hinterlandes bzw. der informellen Kontrolle über formal selbständige Staaten. Siedlungskolonien hingegen hatten vor allem die billige Nutzung von Land und Arbeitskräften zum Ziel – wobei sich hier Kolonien des ‚neuenglischen‘, des ‚afrikanischen‘ und des ‚karibischen‘ Typs unterscheiden lassen. In den nordamerikanischen Kolonien ‚neuenglischen‘ Typs wurde die Ur- oder Erstbevölkerung, die als ökonomisch entbehrlich angesehen wurde, weitgehend verdrängt oder vernichtet; in den Kolonien ‚afrikanischen‘ Typs waren die Kolonisten abhängig von einheimischen Arbeitskräften, in den ‚karibischen‘ Kolonien hingegen basierte die wirtschaftliche Produktion auf Sklaverei, der Ausbeutung dorthin verschleppter Menschen aus Afrika.“
Kerner weist auch auf den gezielten Einsatz von Gewalt hin: „Besonders drastisch war dies in Nordamerika: Aufgrund eingeschleppter Krankheiten, von Vertreibungen, Kriegen und Hungersnöten verringerte sich dort die Urbevölkerung während der ersten hundert Jahre europäischer Besiedlung um etwa neunzig Prozent.“ (S. 24)
Sie beschreibt danach kurz die Transformationsprozesse, die in den Kolonien (gewaltsam) stattfanden, erwähnt die teils willkürlichen Grenzziehungen, von der Kolonisationsmacht erdachte und meist in ihrer Sprache stattfindende schulische Ausbildung oder auch das bewusste Vorenthalten derselben, politische Entwicklungen, den institutionalisierten Rassismus und auch die Blockbildungen im 20. Jahrhundert vor allem in Afrika, wo westlich-demokratische gegen sozialistische Regimes in Stellung gebracht wurden. Auch die „Leugnung einer vorkolonialen Geschichte, die Unterstellung von Geschichtslosigkeit und mangelnder Zivilisiertheit“ als Rechtfertigung damaliger Kolonialisationsbestrebungen, aber auch heutiger Tourismusklischees werden in einer Reihe von Gründen für noch heute existente politische Probleme erwähnt.
Ich gebe noch zwei sehr kurze, ebenfalls einführende Titel weiter, die ich bisher oft in den Fußnoten gefunden habe und die ich mir mal in der Bibliothek anschauen werde: Jürgen Osterhammel: Kolonialismus: Geschichte, Formen, Folgen, München 1995 sowie Andreas Eckert: Kolonialismus, Frankfurt am Main 2006.
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Zur Entspannung etwas Thomas Mann aus Doktor Faustus, wobei ich manchmal glaube, dass der Herr uns mit seinen Beschreibungen verarschen will.
„Ferner gedenke ich einer Stallmagd namens Hanne, einer Person mit Schlotterbusen und nackten, ewig mistigen Füßen, mit der der Knabe Adrian aus noch näher zu bezeichnendem Grunde ebenfalls eine nähere Freundschaft unterhielt, und der Verwalterin des Molkereiwesens, Frau Luder, einer haubentragenden Witwe, deren ungewöhnlich würdevoller Gesichtsausdruck zu einem Teil wohl der Verwahrung gegen ihren Namen galt, daneben aber auf die Tatsache zurückzuführen war, daß sie sich auf die Herstellung anerkannt vorzüglicher Kümmelkäse verstand. Sie war es, wenn nicht die Hausfrau selbst, die uns im Kuhstall bewirtete, diesem gütevollen Aufenthalt, wo unter den Strichen der auf dem Melkschemel kauernden Magd, die laue und schäumende, nach dem nutzbaren Tiere duftende Milch für uns in die Gläser rann.“
Ich steig jetzt auf Hafermilch um.
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Abends den Podcast aufgenommen und davor mit äthiopischen Spezialitäten verwöhnt worden.
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Eigentlich machen wir nach der Aufnahme die angebrochenen Weine leer, aber ich war müde, sehr verschwitzt und wollte nichts mehr trinken. Also ging ich vor F. nach Hause, riss dort alle Fenster auf, aber in dem Moment begann ein Gewitter, woraufhin ich Schisserin lieber unter die Bettdecke kroch. Die Natur ist mir unheimlich. Außer wenn ich mit Käffchen vom Balkon auf sie raufgucken kann.
… neuen Büchern aus dem Museumsshop, der ein Foto an der Kasse stehen hat …
… der Aussicht auf eine geheimnisvolle Kiste mit Protzen-Kram aus dem Depot des Lenbachhauses, von der auch die Kurator*innen noch nicht genau wissen, was drin ist („ganz viel Papier, stapelweise Aquarelle und Zeichnungen, ein paar Mappen und Skizzenbücher und verpacktes Material, dann auch ein paar nicht aufgezogene Leinwände“) und die ich mir übernächste Woche anschauen kann, ein paar Minuten an der Eisbachwelle, von der ich erst jetzt, als ich mal seitlich stand und nicht frontal, weil da gerade eine Baustelle ist, gemerkt habe, wie hoch das Ding eigentlich ist – und wie gerne ich einfach nur die Füße ins Wasser gehängt hätte …
… erfolgreichen Einkäufen, der Möglichkeit, F. eine kleine Freude zu machen, dem kurzen Bedauern, nicht mit dem Rad unterwegs gewesen zu sein, denn dann wäre ich gnadenlos durch den Brunnen am Stachus gelatscht und tropfnass nach Hause geradelt, aber in der Tram ist das vielleicht eher nicht so nett für die Umstehenden. Winterjacke aus der Reinigung geholt, frische Rosinensemmeln genossen und eine trotz 30 Grad draußen kühle Wohnung weil morgens clever verdunkelt und verschlossen.
Nachmittags ein Foto vom Schwesterchen per WhatsApp bekommen, das bei Papa in der Reha war. Von der Realität eingeholt worden und den Rest des Tages dementsprechend traurig verbracht. Immerhin: Die Pfleger*innen in der Reha haben ihm einen Bart stehen lassen und er sieht jetzt ein bisschen aus wie Jon Stewart. Ich habe Papa noch nie mit Bart gesehen.
Abends ein Gemälde auf Insta entdeckt, das mir sofort gefallen hat. In der Ausstellung am Morgen hatte ich wieder den Wunsch, spannende, einzigartige Dinge um mich herum haben zu wollen und meine Sparsamkeit in Bezug auf Kunst vielleicht wieder zu lockern. Mal sehen.
Entspannt aufgewacht, entspannt auf dem Balkon Kaffee getrunken, überhaupt sehr entspannt in den Tag gekommen.
Um kurz nach 9 war ich im Stadtarchiv, wo ich mir weitere Unterlagen zu den tausend Künstlervereinigungen hatte rauslegen lassen, in denen Protzen Mitglied gewesen war. Die neuen Sammlungen zur Zeitgeschichte bzw. die Zeitungsausschnittssammlungen waren so halbwegs ergiebig – ich konnte eher vergleichendes Material sammeln als direkt was zum Herrn Kunstmaler selbst. Aber es schadet ja nie zu wissen, wieviele Mitglieder ein Verein hatte und über welches Budget er verfügte, denn von einigen anderen Vereinen kenne ich schon Akten zu Darlehen oder Berichte über die Mitgliederentwicklung.
„Der erste Vorsitzende des RV, Bildhauer Hoene, gab in seinem Bereich ein anschauliches Bild über die Tätigkeit des Reichsverbandes. Er beleuchtete vor allem die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die des jungen Kunstschülers harren, sobald er einmal in den freien Wettbewerb eintrete. Mit allen Mitteln müsse vor dem Kunststudium gewarnt werden.“
Das passte ganz schön zu einem Zitat, was ich in einer der letzten Sitzungen gefunden hatte. Im Artikel ging es um die Diskussion, ob die schreibende Presse doch bitte netter über Künstler und Künstlerinnen berichten und nicht immer alles niederschreiben sollte. Wobei ich bisher noch keinen einzigen echten Verriss gefunden habe, und ich habe gefühlt 1000 Artikel durchgelesen. Anyway, here’s the Allgemeine Zeitung, 4.2.1929:
„Münchner kaufen ja so gut wie keine Bilder – jedenfalls nach der übereinstimmenden Aussage aller Wissenden viel weniger als das seiner kulturellen Pflichten in ganz anderer Weise bewußte rheinländische, hanseatische und Berliner Bürgertum. In diesen Liebhaberkreisen sowie im Ausland ist man aber seit langem weit kritisches Abwägen künstlerischer Werte gewohnt. Die bittere Erfahrung mit Amerika hat blitzartig die Lage erhellt und erwiesen, daß die Münchner Presse ganz andere Aufgaben hat, als nur darauf bedacht zu sein, die allgemeine ‚Gemütlichkeit‘ nicht zu stören, und dadurch Münchens sehr ungemütliche Vereinsamung und wirtschaftliche Verelendung zu fördern.“
Ansonsten las ich im Archiv noch einmal ein ganzes Konvolut an Artikeln, die ich schon einmal durchgesehen hatte, weil ich kompletter Dödel vergessen hatte, mir die Artikel-Überschriften zu notieren, und ich weiß nicht, ob mein Doktorvater damit glücklich ist, in den betreffenden Fußnoten nur die Zeitung, das Datum und eine lustige Archiv-Signatur zu finden. Aber wie das so ist mit Dingen, die man ein zweites Mal anschaut, fand ich natürlich noch Interessantes, was ich beim ersten Durchlesen übersehen hatte oder jetzt besser einordnen konnte.
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Nachmittags: Post, Einkaufen, Müsli mit Erdbeeren, langes Telefonat mit dem Mütterchen. Fehlgeschlagenes Telefonat mit dem Väterchen, kein Handyempfang im Reha-Gebäude, what the fuck?, aber wie meine Mutter danach noch meinte, sei er eh sehr müde und erschöpft gewesen und hätte vermutlich auch nicht so recht verstanden, was man ihm da für ein Ding ans Ohr hält und wer da rausquakt. Traurig gewesen.
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Dafür abends mit F. auf dem Balkon gesessen, Pseudo-Waldorf-Salat gegessen (Hühnchen, Staudensellerie statt Knolle, Äpfel, Walnüsse, ein winziges bisschen Romanasalat, der da überhaupt nicht reingehört, aber wegmusste, Dressing aus Majo, saurer Sahne, Zitrone und Schnittlauch, weil frisch), den Rest des total unbeeindruckenden Rosés vom Wochenende ausgetrunken (von dem Winzer bestelle ich nix mehr), beim heimeligen Schummer der Lichterkette in die Nacht geguckt und uns ab 22 Uhr flüsternd unterhalten, weil ich weiß, wie sehr der ganze Innenhof mithören kann.
Ich wollte nach dem gestrigen Monstereintrag erstmal nicht mehr von meinem Balkon sprechen, aber ich kann ja nichts dafür, dass die irrtümlich und im Überschwang gekaufte zu große Dahlie jetzt einsam in der Ecke steht unter den herrlich bepflanzten Kästen. Dieser Einsamkeit musste ich entgegenwirken, und so setzte ich mich erneut in U-Bahn, U-Bahn und Bus, um zum Pflanzencenter zu fahren. Dort sollten zur üppigen Dahlie noch zwei kleinere Pflanzen kommen, damit so eine Art Treppenwirkung entsteht. Noch zwei und nicht nur eine, weil meiner Meinung nach Dinge in ungerader Zahl kombiniert immer besser aussehen als Dinge in gerade Zahl. (Bitte gehen Sie weiter.)
So stieg ich mit großer, blauer Ikea-Tüte im Rucksack und meinem neuen Buch in die Bahn. Den Idiot des Herrn Dostojewski mag ich spontan nicht weiterlesen. Der erste von drei Teilen hatte mir sehr gut gefallen, dann legte ich eine Pause ein und war verwirrt über die Wahl der weiblichen Hauptfigur, wer sie denn nun ehelichen dürfe. Das versprach Spannung, aber jetzt im zweiten Teil rühmt sich der Auserwählte gerade, dass er die Dame erstmal verprügelt habe und sie eventuell umbringen würde, weil ihm die Situation so auf die Nerven ginge, und daraufhin legte ich das Buch weg. Ja, auf derartigen Scheiß sollte man in älteren Romanen vorbereitet sein (leider auch noch in heutigen, aber da empört sich das Feuilleton wenigstens), aber ich mochte nicht mehr. Deswegen lese ich jetzt gerade Doktor Faustus von Thomas Mann. Mal sehen, was da alles Blödes passiert. Also neben dem Nazischeiß.
Beim Pflanzencenter schob ich total profimäßig und als ob ich seit Jahren nichts anderes tue, meinen Wagen in die Blumenabteilung und griff schnell zu: Neben meiner zartrosafarbenen Dahlie stehen jetzt noch eine weiße Begonie und ein blaues Männertreu, über dessen Namen ich mich schon beim ersten Kauf aufgeregt habe. Aber so hübsch!
Die Ikea-Tüte war ein gutes Transportmittel für die zwei Kunststoff-Übertöpfe sowie den einen kleinen aus Ton und die zwei Pflanzen. Ich stieg wieder in den Bus, der mich zur ersten U-Bahn brachte. Dort stieg mit mir eine Frau mit einem kleinen Kind im Wagen ein, das die ganze Zeit vor sich hinblubberte. Es freute sich besonders über die Stationsansagen über Lautsprecher und baute diese seltsamen Worte in sein Geblubber ein. Als dann die Station Poccistraße angekündigt wurde, kam der große Auftritt: Es sprach auf einmal nicht nur, sondern singsangte minutenlang „Pocci, Pocci, Pooocciiii“ in herrlichen Terzen vor sich hin. Alle Leute mit mir im Vierersitz grinsten großflächig. Dann war kurz Pause. „Mama?“ — „Ja?“ — „POCCI, POCCI, POOOCCIIII!“ Großes Gelächter. Ich werde an dieser Station nie wieder vorbeifahren können, ohne im Kopf zu singsangen.
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Den Nachmittag verbrachte ich an der Dissertation. Nach dem Einstampfen der ersten Struktur, auf der ich bereits 64 Seiten produziert hatte, überlegte ich mir eine neue, die sich erstmal hervorragend anfühlte. Dann verließen mich aber Mut und Übersicht, um die bisher erarbeiteten Inhalte in die neuen Kapitel zu dengeln. Einen derart großformatigen Umbruch hatte ich noch in keiner wissenschaftlichen Arbeit, und so knödelte ich nur an Absätzen rum, ohne wirklich dahinterzustehen und trieb mich schließlich lieber noch ein bisschen in der Suchmaske von Stadt- und Staatsarchiv rum, wo ich Archivalien bestellte oder mir immerhin notierte, wo eventuell was für mich liegen könnte. Rechner ausgemacht und auf dem iPad Fußball geguckt, wo der Livestream von ARD und ZDF irritierenderweise deutlich seltener abkackt als auf dem MacBook.
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Abends kam unglaublicherweise eine Textfreigabe, mit der ich schon gar nicht mehr gerechnet hatte. Irgendwie hatte ich diesen Text als eine ganzjährige Begleiterscheinung verinnerlicht, wo doch nur fünf Tage vereinbart gewesen waren. Aber: Er ist angeblich abgenickt und ich darf eine Rechnung stellen. Meine Kontakterin ist noch nicht ganz durch, denn die Grafik und die Programmierung der Website stehen noch an bzw. laufen natürlich schon längst nebenbei. Die Site, die im Mai online gehen sollte, kommt dann vielleicht im August. Ich nehme noch Wetten an, ob das wirklich so kommen wird.
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F. schaute noch mit ein bisschen Feier-Bubbly vorbei (familiäre Ereignisse), ich war aber seltsamerweise nicht so recht in Stimmung für Champagner – vielleicht werde ich krank? – und wollte lieber schnell und alleine schlafen.
Meine zwei Hamburger Nervensägen ärgern mich seit Tagen auf Instagram oder Twitter, wo ich total unschuldig von meinem neuen Leben auf dem Balkon berichte. Ich bin natürlich noch ängstlich und vorsichtig mit diesem „da draußen“. Aber ich werde nicht ernstgenommen!
Schätzekens – you woke the beast. Ich war gestern stundenlang im Zentralinstitut für Kunstgeschichte, wo sich erstaunlich wenig Literatur zu Balkonen finden ließ, aber ich habe doch viel gelernt. Das könnt ihr jetzt auch! Bussi, bitches!
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Was ist das denn überhaupt, dieser Balkon?
Wir beginnen mit einer braven Lexikondefinition: „Mit Balkon wird bezeichnet jede in einen begrenzten oder unbegrenzten Raum vor eine Wand vorgekragte Plattform, die von einem hinter dieser Wand liegenden Raum aus zugänglich ist und ringsum durch eine Brüstung abgeschlossen wird. Der Balkon ist gewöhnlich offen, kann aber auch geschlossen sein.“
Und wir unterscheiden ihn von anderen lustigen Gebäudeteilen: „Der geschlossene Balkon unterscheidet sich von einem Erker dadurch, dass er von dem hinter ihm liegenden Innenraum abgesondert ist und nicht ein gemeinsames Ganzes mit ihm bildet, von einer Loggia dadurch, dass er nicht in den Baukörper einspringt.“ (Beide Zitate Isermeyer 1937, Literatur siehe ganz unten am Ende. Irgendwann werde ich Fußnoten in diesem Blog haben. Aber nicht heute.)
In eben diesem Lexikonartikel wird der Beginn der Balkongeschichte ins 1. Jahrhundert n. Chr. gelegt. Thomas Lauer schreibt hingegen im Ausstellungskatalog Balkone. Eine Ausstellung der Handwerkspflege in Bayern von 1991, dass Prätor Caius Menius am Forum Romanum 318 v. Chr. „einige aufgehängte Loggien als Theatertribünen errichten ließ, die die Vorgänger der Balkone gewesen sein sollen. Aber auch die Haus-Urnen der Etrusker zeigten schon kleine Loggien, die durchaus die Priorität für sich beanspruchen könnten, wenn Aristoteles nicht schon an ein Athener Gesetz aus dem Jahr 403 v. Chr. erinnert hätte, das vorschreiben wollte, daß ‚kein Balkon errichtet werden soll, der auf die Straße hinausragt‘.“ (S. 57) Isermeyer betont in seinem Lexikonartikel allerdings, dass es schwierig sei, die Geschichte der Balkone zu schreiben, weil es im Laufe der Jahrhunderte diverse, sich ähnelnde Bauformen mit unterschiedlichen Bezeichnungen gegeben habe, die schwer voneinander zu trennen seien.
Sowohl Isermeyer als auch Lauer erwähnen die Balkone im mittelalterlichen Festungsbau, wo sie als Pechnasen, Wehrgänge und Abtritte genutzt wurden.
Lauer beschreibt zudem Balkone in Mesopotamien und der antiken Stadt Tello, wo vermutlich eher geschlossene Balkone am Palast des Sumerers Gudea angebracht waren. Ich erinnere mich an meine einzige Vorlesung zu islamischer Baukunst, wo ich die ebenfalls geschlossenen Balkone im Osmanischen Reich bzw. der heutigen Türkei kennengelernt habe, die mit verzierten Holzgittern vor den Blicken der Vorbeiflanierenden schützen. Diese geschlossenen Balkone finden sich auch in Indien.
Das 19. Jahrhundert, der alte Game Changer mal wieder
Balkone an bürgerlichen Häusern anstatt an militärischen Anlagen oder Adelspalästen sind im westlichen Europa noch eine relativ junge Erscheinungsform: Erst seit dem Klassizismus wurden sie regelmäßiger als Gestaltungselement genutzt und „kamen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zur vollen Entfaltung.“ (Nickl 1991, S. 71). Sie befanden sich meist im ersten Stock, der sogenannten Belle Etage, dem Stockwerk, „das seit dem Barock traditionsgemäß das Nobelstockwerk war und nunmehr meist dem Hausbesitzer zu Wohnzwecken diente.“ (Klein 1991, S. 33) Klein beschreibt den Zwittercharakter dieses Gebäudeteils: Er liegt sowohl innen als auch außen, man hält sich nicht allzulange auf ihm auf, teils um nicht als neugierig zu gelten, teils auch, um sich selbst nicht „von den Nachbarn auf die Teller sehen zu lassen“; der Balkon dient einerseits der Erholung an der frischen Luft, aber andererseits auch als vernachlässigte Abstellfläche. (Klein 1991, S. 33)
Über den Charakter von Balkonen schreibt auch Tom Avermaete in Rem Koolhaas’ Monsterbrocken Elements of Architecture, ein Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung auf der Biennale in Venedig 2014 aka ein gut 2.300 Seiten dickes Coffee Table Book.
„Unlike its cousins, the terrace and the logggia (dubbed by modernists as the ‚street in the sky‘), the balcony projects […] from the facade. This is the essence of the balcony’s strange state of exception: it is both inside and outside, private and public, an architectural crescendo and totally superfluous. […]
In Europe, the rise of the middle classes diffuses the balcony’s monarchical association, tilting it towards leisure and urban display – seeing and being seen. Balconies proliferate along Haussmann‘s wide Parisian boulevards – to the intense displeasure of critic Quatremère de Quincy, who thinks they are a crass fashion violating centuries of architectural order.“ (Avermaete 2018, S. 1075)
Diese angesprochene „architektonische Ordnung“ spiegelte die veränderte gesellschaftliche Ordnung wider, wie Lothar Binger und Susann Hellemann in einem Ausstellungskatalog zu Berliner Balkonen schreiben: „Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts hatte der Berliner Balkon – zentral über dem Eingang angebracht – eine Repräsentationsfunktion zu erfüllen und blieb ein ins Auge springender, ‚hervorragender‘, wenn auch kahler, unbegrünter Schmuck des herrschaftlichen Hauses. Dieser Zentralbalkon war vor allem an Adelspalästen und an vornehmen Bürgerhäusern zu finden. Aber kein Bürger hätte es sich im 18. Jahrhundert in der Zeit noch ungebrochener Adelsherrschaft angemaßt, auf diesem Zentralbalkon Platz zu nehmen, sich zu zeigen und von oben herab andere, auch ‚Personen von Stand‘ zu beobachten.
Die zögernde bürgerliche Nutzung der Berliner Balkone begann im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, und ihr gingen tiefgreifende wirtschaftliche und politische Veränderungen voraus. Die Französische Revolution von 1789 hatte die alten absolutistischen Monarchien Europas erschüttert. Ihre Auswirkungen auf die preußische Residenzstadt Berlin nahmen jedoch erst 1806 dramatische Gestalt an, nachdem der preußische Staat unter dem Ansturm der napoleonischen Armeen zusammengebrochen war. Der königliche Hof verließ fluchtartig Berlin, und die Berliner hatten über zwei Jahre lang eine überaus harte französische Besatzungszeit zu ertragen. Nach dem vollständigen Zusammenbruch des Staates waren die alten Verwaltungsstrukturen und Machtverhältnisse nicht länger aufrechtzuerhalten. Als ersten wurde 1807 die Erbuntertänigkeit der Landbevölkerung aufgehoben. Viele Landleute drängten in die Städte – vor allem nach Berlin.“ (Binger/Hellemann 1988, S. 21)
Der Text beschreibt dann die wirtschaftliche Rückständigkeit der Stadt, vor allem in der Textilbranche im Vergleich zu England, sowie das entstehende städtische Elend durch den Zuzug der Menschen vom Land.
„Anderseits bildete sich nach den Befreiungskriegen eine Schicht wohlhabender Bürger, die das kulturelle Erscheinungsbild Berlins zu prägen begannen. […] Die Häuslichkeit wurde zum Angelpunkt des Lebens, kultivierte Innerlichkeit und harmonisierende Idylle drückten sich in wissenschaftlicher Betätigung, in geselligen Zirkeln, in unverbindlicher politischer Debatte, in Gefühlsseligkeit, Naturverbundenheit und dilettierenden Künsten der Salons aus.“(Binger/Hellemann 1988, S. 22)
Exkurs: Dilettantismus (bin ich bei meiner privaten Lektüre gerade drübergestolpert, gleich mal zitieren)
Ein kleiner Schlenker zum Begriff des Dilettantismus, der anscheinend gerade auf Facebook und YouTube wieder en vogue wird:
„Die Begriffe ‚Dilettant‘ und ‚Dilettantismus‘ [haben] seit dem 18. Jahrhundert, als sie aus England importiert wurden, mehrere Bedeutungsschwankungen durchgemacht […]. In der Weimarer Klassik – bei Karl Philipp Moritz, Goethe und Schiller – hatte der Begriff Dilettant einen überwiegend abwertenden, kritischen Sinn. Der Dilettant war der exemplarische Nicht-Künstler: halb Liebhaber, halb Stümper. […] Nach der Goethe-Zeit jedoch erfuhr der Begriff hier und da eine energische Aufwertung, etwa bei Arthur Schopenhauer, der den Dilettanten auf dem Feld der Wissenschaft und Philosophie höher stellte als den Gelehrten vom Fach. Diese Sicht der Dinge machte sich niemand entschiedener zu eigen als Houston Stewart Chamberlain […] Obwohl von Hause aus Naturwissenschaftler, verstand er es, sich das Ansehen eines über den Einzelwissenschaften stehenden, alle Aspekte der Kultur, Religion und Politik souverän überblickenden Universalgenies zu geben.“
Genie war im 18. Jahrhundert das Gegenstück zum Dilettant – der Geniebegriff verfolgt gerade die Kunstdiskussionen bis heute, die Nervensäge. Hier noch Chamberlains super Erklärung, womit wir wieder bei den Impfgegnern und Sandy-Hook-Verschwörern wären: „Den Vorteil des Dilettantismus beschreibt Chamberlain dahingehend, dass eine umfassende Ungelehrtheit einem großen Komplex von Erscheinungen eher gerecht werden, dass sie bei der künstlerischen Gestaltung sich freier bewegen als eine Gelehrsamkeit, welche durch intensiv und lebenslänglich betriebenes Fachstudium dem Denken bestimmte Furchen eingegraben hat.‘“ (Beide Zitate Vaget 2017, S. 92)
Jetzt kommen endlich die Blümchen dran! Und drauf.
Schlenker Ende. Zurück ins Berlin des 19. Jahrhunderts: Kaffeehäuser und Konditoreien wurden zu Treffpunkten von politisch Interessierten, blieben aber auch unpolitischer Rückzugsort. „Das Gros der Berliner Kleinbürger begnügte sich mit dem Meckern über die Obrigkeit, mit Stoßseufzern über die bedrückenden Verhältnisse und beobachtete distanziert das öffentliche Geschehen, statt sich aktiv zu beteiligen. […] Diese beobachtende Haltung wurde schließlich Voraussetzung dafür, dass man Balkone zu nutzen begann, von denen das städtische Geschehen zurückgezogen beobachtet werden konnte.
Mit dieser Balkonnutzung eignete sich der Bürger verstohlen eine Öffentlichkeit an, die bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts noch aussschließlich den Interessen des Adels vorbehalten war. Die Balkonnutzung und Begrünung begann auch nicht auf den Repräsentationsbalkonen, sondern weniger auffällig auf rückwärtig gelegenen Balkonen.“ (Binger/Hellemann 1988, S. 22) E.T.A. Hoffmanns Des Vetters Eckfenster stellte diese Neigung des Bürgertums, die Welt aus einer geschützten Nische zu beobachten, dar.
So, hier, aufgepasst, jetzt kommt meine Lieblingsstelle:
„Nach den Befreiungskriegen wurden um 1820 mit dem Beginn des Biedermeiers zum ersten Mal Balkone mit Pflanzen geschmückt. Das um 1800 entstandene romantische Naturgefühl und eine starke Verbundenheit des Menschen mit der Landschaft drückten sich in einer Zuneigung zur niederdeutschen Ebene, zum Havelland und zum Spreestrom aus. Schinkel machte als der die folgenden Jahrzehnte bestimmende klassizistische Baumeister mit seinen Bauwerken das Verhältnis Landschaft und Stadt zum Thema. Lenné gestaltete als Landschaftsarchitekt die bestehenden weitläufigen Parkanlagen wie den Tiergarten, schuf die Grundlagen für später angelegte Stadtparks und begrünte verschiedene Stadtplätze: 1824 Leipziger Platz, 1842 Belle-Alliance-Platz, 1845/46 Opernplatz etc.“ (Ebd., S. 29) Einschub: Der Englische Garten in München war mit 1789 einen Hauch früher dran.
„In jenem Zeitraum breiteten sich auch liebevoll bepflanzte Gärten aus. Die Stadt wurde zaghaft grün, von den Plätzen zu den Gärten bis hinab zu den Blumenfenstern und schließlich zu den Balkonen. Vorläufer des blumenliebenden Balkonnutzers war der ‚Blumist‘, der aber seiner Neigung – wenn überhaupt – nur auf einem Fensterbrett nachkommen durfte. Er lebte dabei in ständiger Unsicherheit; denn in den Mietverträgen jener Zeit war ausdrücklich untersagt, das Mauerwerk durch herabfließendes Wasser zu beschädigen. Zuwiderhandlungen wurden mit sofortiger Exmittierung bestraft.“ (Binger/Hellemann 1988, S. 29)
BLUMIST! Mein Wort des Tages.
„Die schöne Aussicht als Naturerlebnis und der sehnsuchtsvolle Blick in die Ferne wurden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum bestimmenden Motiv, Balkone zu bauen und zu nutzen.“ Aber es war „zu jener Zeit [bis in die 1850er Jahre hinein] noch unüblich, sich auf dem Balkon niederzulassen und sich häuslich einzurichten. Der Aufenthalt beschränkte sich wohl nur auf einen kurzen Augenblick und Ausblick.“ (Ebd., S. 30)
Ende des Jahrhunderts ließen viele Stadtbewohner ihre Balkone geradezu überwuchern: „Die Laube über dem Balkon verschloss den Blick vor der steinernen Umgebung.“ (Ebd., S. 39) Um 1900 gab es die ersten Tipps, was genau man anpflanzen könnte – und die ersten Wettbewerbe wie in Steglitz, das 1900 vermutlich als erste Stadt des Deutschen Reichs einen jährlichen Balkonwettbewerb ausrief, weil attraktiver und üppiger Balkonschmuck durchaus auch dem Fremdenverkehr nützlich war. (Ebd., S. 40) 1912 entstand der Begriff des „Nützlichkeitsbalkons“, der spätestens im Ersten Weltkrieg wieder wichtig wurde: „In den Tageszeitungen [wurden] gelegentlich Empfehlungen für den ‚Kriegsgemüseanbau‘ auf dem ‚Berliner Kriegsbalkon‘ zu lesen, die aber von Gartenbaufachleuten als unseriös zurückgewiesen wurden. “(Ebd., S. 41)
Hier könnte jetzt noch eine riesige Abhandlung zu Balkonen in Gemälden stehen, aber das machen wir wann anders. Vielleicht den Manet als Beispiel, der geht ja immer. Dieser Blogeintrag ist schon wieder länger als meine Hausarbeiten im Bachelor.
Gesundheit, Politik, Werbung und Individualismus
„At the turn of the 20th century, medical theories associated the balcony with improved health and hygiene. In his novel The Magic Mountain, Thomas Mann employs the balcony of an Alpine sanatorium as metaphor for the moth-eaten world of European intellectual culture: lofty and detached, inhabited by those too fragile for the pungent reality below. As Mann wrote his massive book, the First World War shattered the contemplative universe of the balcony.“ (Avermaete 2018, S. 1075)
In den 1920er-Jahren begann der Balkon allmählich, zu einer Erweiterung des Innenraums zu werden. In den 1928 erlassenen „Richtlinien für die Arbeiten der Architekten an Wohnungsbauten der Stadt Berlin“ stand zu lesen: „Ihre architektonische Verteilung soll eine Folge der guten Bewohnbarkeit sein, d. h. die Balkone und Loggien dürfen nicht willkürlich wegen der Fassadenwirkung verteilt sein, sondern sollen sich aus dem Grundriss organisch ergeben.“ (Binger/Hellemann 1988, S. 43.) Balkone von Bürogebäuden oder Kaufhäusern wurden als Pausenplatz erobert – man hielt sich inzwischen länger auf ihnen auf. Und: Der Balkon wurde wieder politisch.
„Between the First World War and fascism, [the balcony] becomes a stage from which to orchestrate mass spectacle. The balcony positions the leader in direct, visible connection with the masses, but elevated above them. In the 1930s, Mussolini reanimates a medieval balcony type, the arengario, having them constructed wherever he might go.
The balcony-as-platform persists in the postwar world, but loses its centrality: after lending itself so willingly to demagoguery, the balcony as it was – singular, domineering – is thoroughly descredited (“Enough with the balcony!” became a slogan of Italian anti-fascist politics). TV and other media supersede the balcony appearance as a means of image-making, and the micro-managed nature of modern politics doesn’t make for compelling balcony scenes (though Latin-American populism, c. f. Evita, still makes a strong case for the political balcony).“ (Avermaete 2018, S. 1075)
Im Balkon-Kapitel von Avermaete folgen dann diverse Fotoseiten mit Balkonen, darunter auch demokratische Führer*innen, die huldvoll von Balkonen runterwinken. Erwähnt wird auch das Attentat bei den Olympischen Spielen in München, bei denen eins der inzwischen ikonischen Fotos einen der maskierten Terroristen auf einem Balkon des olympischen Dorfs zeigt. Auch ein Bild von Assange auf einem der Winzbalkone der Botschaft von Ecuador in London ist zu sehen, sowie POTUS und FLOTUS, die vom Weißen Haus runterwinken, Michael Jackson mit Baby in Berlin und natürlich die Egoíste-Werbung von Chanel.
Ebenfalls spannend: wie sehr Balkone in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg bewusst als architektonisches und soziales Bauelement gesehen wurden. Zitiert wird der Soziologe Daniel Bell, der 1956 meinte, dasss Balkone die Möglichkeit eines „sense of individual self in our mechanized society“ brächten. (Avermaete 2018, S. 1187) Und weil das hier ein Blogeintrag und keine Masterarbeit ist, gibt’s keine hundert Beispiele, sondern nur zwei Links, nämlich auf die Torres Blancas in Madrid (1969) und Les Choux (1972). Das Kapitel zu post-colonial balconies ist auch super, aber dafür müsst ihr bitte selbst in die Bibliothek gehen.
In „The Return of the political balcony“ beschreibt Avermaete den Wechsel vom bewohnten Abstell- oder Pausenbalkon zum bewusst begrünten Balkon, der aus ökologischen und wirtschaftlichen Gründen (Selbstversorgerbalkon) nun eine andere politische Komponente hat. Es geht nicht mehr um die großen Reden, die von ihm geschwungen werden, sondern um die individuelle Weltverbesserung.
Auch die Nicht-Sichtbarkeit, das verborgene Beobachten, das Ende des 18. Jahrhunderts so wichtig war, hat sich geändert: Gerade bei Luxuswohnungen werden Balkone heute bewusst transparent gestaltet, um herzeigen zu können, was man hat. In Mumbais Aquaria Grande wurde das 2012 auf die Spitze getrieben – durch Balkonpools, die es allerdings schon 1977 im Condomínio Edifício Penthouse in Sao Paulo gegeben hatte, was damals als deutlicher Riss zwischen Arm und Reich gedeutet wurde. Würde ich, gerade auf Mumbai bezogen, auch heute so stehenlassen.
Über die politischen und historischen Implikationen dieses kleinen (oder auch riesigen) Gebäudeteils hatte ich noch nie nachgedacht. Well played, Hamburgnasen. Die Blumistin geht jetzt wieder an die frische Luft.
Wir schließen mit Musik:
(Manic Street Preachers – A Billion Balconies Facing the Sun)
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Literatur:
Tom Avermaete: „Balcony“, in: Rem Koolhaas: Elements of Architecture, Köln 2018, S. 1072–1251.
Lothar Binger/Susann Hellemann: Von Balkon zu Balkon. Berliner Balkongeschichten, Buch zur Ausstellung in der Galerie im Körnerpark vom 2. Oktober bis 6. November 1988, Berlin 1988.
Christian-Adolf Isermeyer: „Balkon“, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. I (1937), Sp. 1418–1423; abrufbar unter www.rdklabor.de/w/?oldid=89071 [11.6.2019].
Dieter Klein: „Der Balkon in der Wohnhauskultur des 19. Jahrhunderts“, in: Kat. Ausst. Balkone. Eine Ausstellung der Handwerkspflege in Bayern, Galerie Handwerk München, München 1991, S. 31–54.
Thomas Lauer: „Planung und Gestaltung von Balkonen“, in: Kat. Ausst. Balkone. Eine Ausstellung der Handwerkspflege in Bayern, Galerie Handwerk München, München 1991, S. 55–63.
Peter Nickl: „Eine Reise durch Balkonien“, in: Kat. Ausst. Balkone. Eine Ausstellung der Handwerkspflege in Bayern, Galerie Handwerk München, München 1991, S. 67–87.
Hans Rudolf Vaget: „Wehvolles Erbe.“ Richard Wagner in Deutschland – Hitler, Knappertsbusch, Mann, Frankfurt am Main 2017.
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(Ich paraphrasiere Christian: „Die Fragen stammen ursprünglich aus dem Flow-Magazin, Johanna von pink-e-pank.de hat daraus eine persönliche Blog-Challenge gemacht, und Beyhan von my-herzblut.com hat das PDF erstellt.“)
241. Fühlst du dich im Leben zu etwas berufen?
Nein. Ich arbeite daran, zufrieden und ein halbwegs netter Mensch zu sein, das muss reichen.
242. Bist du nach etwas süchtig?
Ich empfände mein Leben als ärmer ohne Schokolade, Mittagsschläfchen und Internet, aber wenn der Weltfrieden davon abhängt, könnte ich auf die drei Dinge verzichten.
243. Wessen Tod hat dich am meisten berührt?
Karls.
244. Wie würde der Titel deiner Autobiografie lauten?
„Was weg ist, ist weg.“
245. In welchem Maße entsprichst du bereits der Person, die du sein möchtest?
Ich finde mich ziemlich okay. Ja, ich wäre gerne schlauer und begabter, aber das kann ich mir halt nicht antrainieren. Ich kann aber versuchen, gebildeter und nachsichtiger zu werden.
246. Wann muss man eine Beziehung beenden?
Man muss gar nichts. Und ich muss auch nichts. Ich habe bisher Beziehungen beendet – immer im gegenseitigen Einvernehmen –, wenn aus Liebe Freundschaft geworden war. Auch nicht das Schlechteste, möchte ich erwähnen.
247. Wie wichtig ist dir deine Arbeit?
Kommt drauf an. Wenn sie nur dazu da ist, die Miete zu bezahlen, erledige ich sie gewissenhaft und innerhalb der Deadline. Wenn ich bei ihr etwas lerne, erledige ich sie begeistert und viel zu gründlich. *erinnert sich an die ausufernden Literaturverzeichnisse in den universitären Hausarbeiten und guckt auf ihre acht Millionen Zubereitungsarbeiten für Kaffee (ja, das begann als Job)*
248. Was würdest du gern gut beherrschen?
Auf Zehenspitzen stehen. Das kann mein rechter Fuß ja leider nicht mehr.
249. Glaubst du, dass Geld glücklich macht?
Es beruhigt zumindest sehr.
250. Würdest du dich heute wieder für deinen Partner entscheiden?
Prima Partner, gerne wieder.
251. In welcher Sportart bist du deiner Meinung nach gut?
Ich kann gehen, schwimmen und radfahren. Ganz klar Triathlon.
252. Heuchelst du häufig Interesse?
Häufig? Hm. Ich heuchele Interesse, wenn mir an den Menschen etwas liegt, die mich gerade langweilen. Bei allen anderen reicht die Geduld für fünf Minuten Smalltalk und dann beende ich das (Griff zum Buch, Griff zu den Kopfhörern, „Ich hol mir mal was zu trinken“, „Ich muss hier aussteigen“).
253. Kannst du gut Geschichten erzählen?
Ich behaupte ja. Reicht aber nicht für ein Buch, nur für Unterhaltungen im Biergarten. Passt schon.
254. Wem gönnst du nur das Allerbeste?
Mir. Meiner Familie. Allen, die ich mag, schätze, liebe, verehre. Aber eigentlich wäre es nett, wenn es allen Menschen gut gehen könnte. Warum geht das eigentlich nicht?
255. Was hast du zu deinem eigenen Bedauern verpasst?
Die Europapokalspiele vom FC Augsburg, weil mir damals der FC Augsburg noch egal war.
256. Kannst du dich gut ablenken?
Von allem, immer. Außer von Zahnschmerzen.
257. In welcher Kleidung fühlst du dich am wohlsten?
Jeans, T-Shirt, Sneakers, Hoodie. Zuhause Leggings, barfuß, kein BH.
258. Wovon hast du geglaubt, dass es dir nie passieren würde?
Einen Uni-Abschluss zu haben.
259. Würdest du gern zum anderen Geschlecht gehören?
Nicht ständig. Aber mal gucken, wie das so ist, von Telekomtechnikern und Automechanikern automatisch als kompetent wahrgenommen zu werden und Jacken mit 80 Taschen zu haben, würd ich schon gerne mal. Nein, die Faszination des Im-Stehen-pinkeln-könnens hat sich bei mir mit fortschreitendem Alter erledigt. Auf Zugklos kommt sie manchmal wieder. (Bitte sagt mir, dass sich alle Männer im Zugklo hinsetzen, BITTE!)
260. Wer nervt dich gelegentlich?
Ich mich selbst, wenn ich mich in meinen eigenen Gedankengängen verzettele oder Probleme sehe, wo keine sind. Alle, die in der U-Bahn nicht bis in die Mitte durchgehen. Leute, denen an der Supermarktkasse erst nach dem Verstauen der Einkäufe einfällt, dass sie eventuell bezahlen müssen. Laute Menschen mit einem Musikgeschmack, der mit meinem nicht kompatibel ist. Rauchende Menschen, die neben mir sitzen, selbst wenn sie nicht rauchen. Dinge, die nicht funktionieren, wenn ich davon ausgehe, dass sie es gefälligst immer tun (Rolltreppen, mein Drucker, W-LAN).