Dienstag, 13. Dezember 2022 – Goldente

Nachdem ich Omis Ring neuerdings wieder trage und einen älteren Ring vom Mütterchen hatte für mich weiten lassen, dachte ich noch über weitere Schmuckstücke nach, die ich seit Jahren bzw. Jahrzehnten von einer Wohnung in die nächste schleppe, ohne sie jemals anzulegen. Einige waren Erinnerungsstücke, die ich selbst von Reisen mitgebracht hatte, andere waren Ringe, die Papa meiner Schwester und mir nach seinen Auslandsreisen als Exportkaufmann schenkte. Meine Schwester trägt überhaupt keinen Schmuck und hat die Ringe schon vor Ewigkeiten an mich weitergereicht; ich selbst habe sie nie getragen, weil sie mir nicht passten und ich eben nie Gold trug. Das scheint sich aber gerade zu ändern, und so gab ich einiges vor ein paar Wochen in die Goldschmiede von Melanie Lang in Neuhausen (auch auf Insta), die mit recyceltem Material arbeitet.

Es ist mir in Nachhinein sehr peinlich, nicht alles vor der Umarbeitung fotografiert zu haben, als ob ich erst seit fünf Minuten blogge, ich bitte um Entschuldigung. Der große Reveal wie bei den ganzen herrlichen Interieur-Shows auf Netflix, wo alle in Tränen ausbrechen, wenn sie IHRE NEUE KÜCHE das erste Mal sehen, muss hier leider entfallen. Dafür war es auch nicht so teuer wie EINE NEUE KÜCHE, denn ich konnte ja ein bisschen Altgold in Zahlung geben.

Das hier zum Beispiel. Aus Ägypten brachte ich mir Anfang der 1990er Jahre einen Kettenanhänger und den Ring mit dem Schleifenkreuz mit. Wir, also Eltern, Schwesterherz und ich, fuhren mit Studiosus, wo man neben tollen Besichtigungen auch immer ein paar Einkaufstouren in ausgewählte Läden aufgedrängt bekommt. Man muss natürlich nichts kaufen, aber Sie kennen das. Aus China brachte ich mir mehrere Ringe, die in Cloisoneé gefertigt waren, mit, die hingen jahrelang als Anhänger an meinen Portemonnaies oder Rucksäcken, weil ich schon damals zu dicke Finger hatte, um Mainstreamringe tragen zu können, leider. Den Ring aus Ägypten trug ich sogar eine Zeitlang, aber er lag die letzten zwei Jahrzehnte nur noch rum. Der schlichte Goldring kommt aus Hongkong, und auch ihn habe ich fast nie getragen, höchstens mal an einer Halskette. An die beiden Reisen habe ich genug andere Erinnerungen, dafür brauche ich keinen Schmuck. Und so wurden aus diesen drei Stücken Ohrringe. Dafür brauchte ich aber noch ein paar bunte Steine, und die kamen aus zwei Ringen von Papa.


Die beiden Fotos sind, wie das obere, erst in der Goldschmiede erstanden, als mir einfiel, dass ich sie vielleicht mal machen sollte, bevor der Schmuck auseinandergenommen wird. Aus zweien der Ringe wurden die Rubine entnommen, die farblosen Steine sind nur Glas, die können weg, das Rotgold gab ich in Zahlung. Den einen blauen Stein habe ich wieder mitbekommen, was aus dem wird, weiß ich noch nicht. Der andere saß auf dem unteren Ring, dessen Aufsatz mir und der Goldschmiedin so gut gefiel, dass wir ihn quasi so ließen wie er war und ihn nur in eine andere Form brachten.

Neben diesen Ringen hatte ich noch einen weiteren Ring mit blauem Stein dabei, der blieb so, wie er war und wurde geweitet. Außerdem – ja, ich hatte viel dabei – ließ ich eine Kette und einen Citrin-Ring von (vermutlich) Oma, könnte auch Omi gewesen sein, muss das Mütterchen fragen, aufarbeiten: Beide Stücke wurden poliert und der Ring geweitet. Das ärgert mich etwas, dass ich die nicht vorher fotografiert hatte, denn sie sahen fast wie ungeputztes Messing aus, halt einfach angelaufen und seit Jahrzehnten nicht getragen.

Das hat sich aber mal so richtig geändert:

Die Kette habe ich bereits getragen und freue mich sehr über sie. Der Ring kommt demnächst mal an den Finger, spätestens zu Weihnachten, um ihn dem Mütterchen zu zeigen. Der Ring ist vermutlich aus den 1960er Jahren, damals war es laut der Goldschmiedin in Mode, diese Art Platten zu fertigen, auf denen der Stein ruht. Man kann den Stein von unten auch sehen, er ist nicht komplett in Gold gefasst, sondern liegt quasi in einer bodenlosen Wanne.

Und so sieht der blaue geweitete Ring aus, der vermutlich auch von Papa von irgendwoher mitgebracht wurde; er liegt neben dem kleinen Kettenanhänger, der bisher ein Ring war.

Die beiden Rubine aus den Ringen hatten nicht ganz dieselbe Größe, aber da man nie gleichzeitig auf meine beiden Ohren gucken kann, fällt das kaum auf. Hier sind meine neuen Ohrringe aus Papas Rubinen und meinen ägyptischen und chinesischen Schmuckstücken:

Ein bisschen stilles Schweigen hier bitte. Ich freue mich sehr über diese schönen Stücke und lächele sie seit gestern sinnlos an.

Okay, kann weiter gehen.

Vielleicht würdigen Sie noch kurz das Logo der Goldschmiede in der Schachtel, das finde ich nämlich auch clever.

Das Rotgold der Ringe wurde in Zahlung genommen. Dafür musste ich einen Beleg ausfüllen, denn Gold darf man anscheinend nicht einfach so aus der Hand geben, sondern es muss dokumentiert werden. Ich zückte den Personalausweis, dessen Nummer auf dem Beleg eingetragen wurde. Auch mein Geburtsdatum wurde abgefragt, worauf die Goldschmiedin meinte: „Oh, Sie haben am gleichen Tag Geburtstag wie mein Pferd!“ File under „Sätze, die ich so noch nie gehört habe.“

Falls Sie also auch etwas zum Umarbeiten aus der Hand geben wollen, kann ich Ihnen den Laden von Frau Lang sehr ans Herz legen. Ich wünschte zum Abschied noch entspannte Adventstage und korrigierte mich gleich selbst: „Ach nee, gerade jetzt kommen wahrscheinlich alle für Weihnachtsgeschenke?“ Sie erzählte, dass früher schon die Regel galt, ab Oktober nichts mehr anzunehmen, weil man nur noch für Weihnachten zu tun hätte, aber das scheint sich geändert zu haben. Das klassische Modell, wo der Ehegatte was Hübsches fürs Frauchen kauft, scheint sich erledigt zu haben; heute gönnt man sich auch einfach selber etwas und das gelegenheitsunabhängig (eigene Nase). Aber auch eine weitere Mode scheint weniger wichtig geworden zu sein: das Set aus Schmuckstücken. Im ersten Jahr gab’s die Kette mit einem bestimmten Stein, im nächsten dann den passenden Ring dazu, dann die Ohrringe, dann vielleicht ein, zwei Armbänder, und dann, ich zitiere, „wandte man sich dem nächsten Stein zu.“ Auch spannend; über Schmuckmode habe ich noch so gar nicht nachgedacht.

Ich bin durch; alles, was jetzt noch bei mir rumliegt, sind die Silberstücke für alltags, die passen und nicht angefasst werden müssen. Und alles güldene passt jetzt auch. Ich werde ab sofort Citrin zur Jeans tragen und unter dem blauen Businessblüschen eine Goldkette und fühle mich zehn Jahre nach dem Abschied von Hamburg wie die totale Eisente aus Eppendorf damit. (Habe zu Bogenhausen noch kein Verhältnis entwickelt.)

Montag, 12. Dezember 2022 – Baum im Bus

(Memo to me: Tag 1 ohne Twitter. War okay.)

Meine Wohnung ist seit Wochen top-notch durchdekoriert. Hier mein Schreibtisch.

Mein Nachbar gegenüber, in dessen klassisch-großbürgerlich eingerichtetes Wohnzimmer mit dunkler Wandfarbe, schweren Holzmöbeln und einem Ölgemälde ich gerne hineinschaue, hat seit Monatsanfang einen komplett geschmückten und beleuchten Baum eben dort stehen. Daher fand ich mich moralisch dazu berechtigt, auch schon einen Baum nicht nur zu erwerben, sondern auch schon aufzustellen.

In unserer Familie im Norden wurde der Baum erst wenige Tage vor Heiligabend ins Zimmer gebracht und am Morgen des 24. geschmückt. Seit ich in Bayern wohne, hat sich das immer weiter in den frühen Dezember verschoben, und ich mag das sehr gerne, denn ich mag Weihnachten sehr gerne. Alles. Baum, Lieder, Lichterketten, Weihnachtsmärkte, noch mehr Lieder, noch mehr Lichterketten. Und halt den Baum.

Ich kaufte ihn wie üblich am Stand vor dem Stadtarchiv, denn von dort ist der Weg zur Bushaltestelle nicht weit. Gestern schaute ich im Blog nach, ob ich schon in meinem ersten Jahr hier in München, also 2012, einen Baum hatte, fand aber nichts. Schade, ich wollte so schön was von zehnjähriger Tradition des Baumbusfahrens schreiben. Wie ich inzwischen weiß, wurde die Tradition erst 2015 begründet; dort schrieb ich: „Mein erster selbst in irgendeine Wohnung getragener Weihnachtsbaum.“ Denn in Hamburg hatte Kai den immer netterweise besorgt und davor hatte ich keine Bäumchen in meinen Wohnungen. Ich kann gar nicht mehr verstehen, warum.

Denn er steht natürlich inzwischen geschmückt und beleuchtet rum und erfreut mich sehr. An der Spitze hängt ein kleiner silberer Pappstern und eine durchsichtige Kugel mit Sternchen drauf; die sind beide aus der „Silber“-Kiste, die ich neulich am Straßenrand aufgesammelt habe. Fast alle silbernen Kugeln aus der Schachtel hängen ebenfalls, dazu kommen in diesem Jahr Kugeln aus dem eigenen Fundus in hellgrün, hellblau und rosa. Außerdem habe ich ein paar dunkelblaue Kugeln aus dem sozialen Kaufhaus geholt, wo ich auch das schlichte Cocktailglas von neulich für 50 Cent erstanden hatte.

Sonntag, 11. Dezember 2022 – Fotodump

Samstag zog ich den Adventskalender von Bonne Maman aus der Packstation. Darin verbergen sich 24 winzige Gläschen Marmelade (je 30 Gramm). Ich las auf Eater davon, vertwitterte mein Erstaunen darüber, dass ich von diesem Kalender noch nie gehört hatte, worauf mich @ilikebrains auf die deutsche Seite der Firma verwies, wo der Kalender nach dem 1. Dezember von knapp 33 auf knapp 20 Euro runtergesetzt zu erwerben war. #jamvent

Ich konnte also Samstagabend schön zehn kleine Gläschen auspacken – und wusste dann nicht genau, wohin damit. Also holte ich eine Vase aus dem Schrank und nenne sie nun, Achtung, Kracherscherz, mein Marmeladenglas.

Das Foto machte ich für F. aus der Hüfte; im Hintergrund steht und liegt das ganze Obst aus meiner Biokiste plus ein paar Orangen, die ich für Kekse brauchte. Die Karte ist auch von Isarland, die mochte ich einfach, deswegen steht sie da rum.

Zum Mittag bastelte ich ein Rezept aus „Basque“ nach: Zwiebeln von Spross und Wurzel befreien, für 20 Minuten ungeschält in kochendem Wasser simmern lassen, dann schälen und vorsichtig aushöhlen. Die Zwiebelherzen mit Knoblauch und Olivenöl in der Pfanne anbraten, getrocknete Apfelstücke dazu sowie Croutons („migas“ nennt das Buch sie und eigentlich sollte Aprikose in die Pfanne, hatte ich aber nicht) sowie geröstete Pinienkerne, zum Schluss noch kurz gehackte Petersilie drunter, dann alles in die Zwiebeln füllen und bei 170 Grad im Ofen für gute 20 Minuten schmoren lassen, bis sie leicht gebräunt sind. Das war sehr schmackhaft.

Zum Nachtisch ein Kilo Kekse bei Adventskranzbeleuchtung.

Ich schlafe derzeit seltsam schlecht. Um Mitternacht war ich brav müde, sobald ich aber das Licht löschte, lag ich wach. Also las ich von 1 bis 3 Uhr und machte dann erneut das Licht aus. Keine Ahnung, wie lange es dann noch dauerte, bis ich einschlafen konnte. Momentan liegt mir nichts auf der Seele, was mich wachhalten müsste – also außer dem üblichen Leben halt –, daher weiß ich gerade nicht, was mein Unterbewusstsein von mir will. Immerhin konnte ich die wache Zeit auch dafür nutzen, endlich die Twitter-App vom Handy zu schmeißen. Ich mag einfach nicht mehr in der Gesellschaft vom dämlichen Milliardär sein. Mal sehen, ob ich der Website widerstehen kann. Ich meine, ohne sie hätte ich jetzt keinen Marmeladen-Adventskalender, verdammt!

Samstag, 10. Dezember 2022 – Kunst und Kunst

F. besuchte neulich mal wieder die Micheko-Galerie für japanische Kunst bei ihm um die Ecke, in der er sich gerne umschaut. Der Galerist hatte ein etwas unerwartetes Buch auf dem Tisch liegen, nach dem sich F. nach kurzem Zögern erkundigte: „Wieso lesen Sie Hitler’s Salon?“ Das Buch ist ein Standardwerk für alle, die sich mit der Präsentation von systemkonformer Kunst zur NS-Zeit befassen, natürlich hatte ich es in der Diss zitiert, natürlich hatte F. (gezwungenermaßen) schon davon gehört.

Es stellte sich heraus, dass der Herr – genau wie ich – im etwas gesetzteren Alter nochmal angefangen hatte, Kunstgeschichte zu studieren, nun in einem Seminar meines Doktorvaters saß und darüber nachdachte, seine Bachelorarbeit zum Thema Kunst im NS zu schreiben. Vati hatte ihm auch geraten, nach Bamberg zu fahren und sich die Konferenz anzuschauen, auf der ich einen Vortrag zu Protzen gehalten hatte. F. erwähnte, dass er mein Partner sei und mich gerne fragen könne, ob ich Lust auf einen Gedankenaustausch hätte. Hatte ich, und so saßen wir gestern zu dritt im Café Puck und sprachen über deutsche Kunst, japanische Kunst, Bildagenturen, die Uni und was weiß ich noch. Soll keiner sagen, mit meinem winzigen Forschungsfeld lernt man keine Leute kennen!

Bevor wir beim Kaffee zusammensaßen, sah ich mir natürlich auch die Galerie an, in der ich bisher nur ein- oder zweimal gewesen war. Die derzeitige Ausstellung mit Werken von Eri Ōta gefällt mir außerordentlich gut. Ihr könnt sie komplett auf Artsy anschauen; das hier war mein Liebling, vor dem ich sehr lange stand.

Freitag, 9. Dezember 2022 – Bim, bam

Am Donnerstag fragte F.s Sitznachbarin im Stadion, ihres Zeichens auch Altstimme im Münchner Philharmonischen Chor, ob wir Lust auf die Generalprobe von Mahlers Dritter in der Isarphilharmonie hätten. Hatten wir. Und so stapften wir gestern abend gegen halb sechs durch den ersten Schnee der Saison, holten unsere Freikarten ab und nahmen in Jeans und unaufgedotzt im viertelgefüllten Saal Platz.

In der Isarphilharmonie sitzen die Chormitglieder nicht hinter dem Orchester auf der Bühne, sondern in den drei Zuschauerreihen, die quasi den Balkon hinten über dem Orchester bilden; gestern waren das der Frauenchor des Philharmonischen Chors sowie der Tölzer Knabenchor.

Was wir anfangs noch lustig fanden – Orchester und Chöre in leger und ohne Uniform –, störte dann komischerweise unsere Konzentration, wie wir uns nach dem Konzert erzählten, das ohne Pause gespielt wurde. (F. vorher: „Wie lange wird das ungefähr dauern?“ Chordame: „Gute 90 Minuten, wie ein Fußballspiel.“ Ich: „Ah, ein Akt Wagner.“)

Ich bedauere gerade die Herren in den Orchestern ja immer dafür, dass sie in Anzügen und womöglich noch mit Weste und steifem Kragen arbeiten müssen, aber ich ahne, dass wenigstens die einheitliche Farbgebung aller auch dafür sorgt, dass ich mich besser auf die Musik konzentrieren kann. In der gehörten Sinfonie dürfen viele Instrumente mal den tragenden Part übernehmen anstatt dass halt die Streicher sagen, wo’s langgeht und der Rest freundlich begleitet, und manchmal musste ich wirklich suchen, wer gerade spielt. Vor allem die Posaunen fand ich gestern unglaublich gut und überlegte, ob ich jemals bewusst Posaunen so lange zugehört hatte. (Außer damals als Kind den üblichen Posaunisten zur Weihnachtszeit, die vor der Kirche mit kalten Füßen spielten.)

Schon beim ersten Anblick des Orchesters wusste man immerhin, was klangkraftmäßig auf einen zukam: Sieben Percussionisten, acht (?) Kontrabässe, links standen Glocken und man sah zwei große Gongs. Und über dem gefühlt 80-köpfigen Orchester saßen halt drei ganze Reihen Sänger und Sängerinnen – die dann gerade fünf Minuten von 90 was zu tun hatten, was mich etwas grinsen ließ. Sie mussten auch die ganze Zeit anwesend sein, denn nur für diesen Kurzauftritt mal eben 50 Leute auf die Bühne zu holen und sie dann wieder lautstark abmarschieren zu sehen, ist auch doof. Also schaute ich hyperaktiven kleinen Jungs zu, wie sie sich die Zeit vertrieben. Die Profis hatten Bücher dabei, der Rest zappelte – oder hielt sich die Ohren zu: Ein nicht gefüllter Saal schmeißt einen sehr anderen Klang als ein voller. Wieder was gelernt.

Für heute abend gibt es noch Restkarten, ansonsten haben Sie Sonntag um 11 noch Gelegenheit, dem Bimbam zuzuhören. Hier der kurze Chorpart aus der obigen Aufführung.

Donnerstag, 8. Dezember 2022 – Sing along

Beim Rumlungern auf TikTok einen Herrn am Klavier entdeckt, zu dem man mitsingen kann. Hab ich gemacht. Das war schön, wie damals beim Gesangsunterricht. Hier sind alle seine #SingWithSheridan-Videos.

Kürbiskernkipferl und Russische Lebkuchen

Gestern kamen spontan noch zwei Rezepte von Juliane zu meinen üblichen Weihnachtsplätzchen dazu, die ich hier flugs verbloggen will – aus Faulheit mit nur einem Foto. Neben den Neuzugängen (die schokogetunkten Halbmonde und die runden Dinger mit Zuckerguss) liegen noch Apfel-Zimt-Sterne, Orangen-Schoko-Plätzchen sowie Orangenkringel mit weißer Schokolade, die ich in diesem Jahr zu Cointreau-Kringel umgetauft habe, auf Omis Platte. Hicks.

Russische Lebkuchen

Den Backofen auf 180 Grad Ober- und Unterhitze vorheizen. Zwei Backbleche mit Backpapier auslegen. Für ca. 30 Stück Lebkuchen

150 g Zucker,
15 g Backkakao,
7,5 g Lebkuchengewürz,
1 Prise Salz,
2,5 g Backpulver,
90 g saure Sahne (bei mir Kokosmilch, die musste weg, schmeckte man nicht durch),
1 Ei,
1 EL Pflanzenöl und
1 EL Zitronensaft in einer Schüssel mischen.

Nach und nach
250 g Mehl, Type 405, zugeben.

Aus dem klebrigen Teig nun knapp walnussgroße Stücke abstechen, zu Kugeln formen und mit ca. vier Zentimeter Abstand zueinander aufs Blech legen. Ich habe nach acht Kugeln und völlig verklebten Händen mein Teelöffelmaß genommen, es in Öl getunkt, damit die Kugeln abgestochen und nur noch kurz händisch nachgeformt. Das ging eindeutig besser.

Die Lebkuchen für 10 bis 15 Minuten backen. Juliane hatte 15 Minuten vorgegeben, danach kamen bei mir allerdings recht trockene Lebkuchen aus dem Ofen. Mit 12 Minuten waren sie bei mir perfekt außen knusprig und innen klietschig.

Für den Guss
85 g Puderzucker mit
2 EL Zitronensaft vermischen und die noch lauwarmen Lebkuchen in den Guss tunken. Komplett auf einem Gitter auskühlen lassen.

Kürbiskernkipferl

Den Backofen auf 180 Grad Ober- und Unterhitze vorheizen (bei Juliane 150, dabei kamen bei mir nach der vorgegebenen Backzeit halbrohe Halbmonde raus). Zwei Backbleche mit Backpapier auslegen. Für ca. 40 Kipferl

50 g Kürbiskerne im Blitzhacker fein mahlen. Mit
200 g Mehl, Type 405,
75 g Puderzucker,
1 EL Vanillezucker,
1/2 TL Zimt mischen und auf die Arbeitsfläche geben.

1 TL Kürbiskernöl (ich erhöhe beim nächsten Mal auf 1 EL) sowie
140 g zimmerwarme Butter in Stückchen dazugeben. Alles rasch mit einem großen Messer durchhacken und mit kühlen Händen zu einem geschmeidigen Teig verarbeiten. Zu einer Kugel rollen, in Frischhaltefolie einschlagen und für eine Stunde im Kühlschrank parken.

Danach gut haselnussgroße Stücke aus dem Teig prokeln, zwischen den Händflächen zu einer Kugel rollen, diese zu einer länglichen Wurst bzw. Halbmonden formen. Mit Abstand zueinander auf die Backbleche verteilen – die Kipferl laufen sehr auseinander – und für 10 bis 15 Minuten backen; die Kipferlspitzen sollten leicht gebräunt sein. Komplett auskühlen lassen.

100 g Zartbitterschokolade über dem Wasserbad schmelzen und die Enden der Kipferl in die flüssige Schokolade tunken. Wer mag, bestreut die noch feuchten Enden mit gehackten Kürbiskernen, das habe ich mir geschenkt.

Dienstag, 6. Dezember 2022 – Charakter

Der Nikolaus aka F. legte mir ein Buch aufs Kopfkissen: „The Essential Questions. Interview your family to uncover stories and bridge generations“ von Elizabeth Keating. Signiert war es unter anderem mit dem Satz: „Weil auch die klügsten Forscher immer noch besser werden können.“

Das Buch lese ich bis Weihnachten durch und frage dann meine Mutter, wie das Haus aussah, in dem sie aufwuchs, ob es eine Geschichte hinter ihrem Vornamen gibt, ob sie sich an einen Moment erinnern kann, an dem sie erstmals dachte: „Das bin ich?“ und was sie für ihre Hauptcharaktereigenschaften hält. Schon bei der letzten Frage müsste ich nämlich passen.

F. und ich sprachen am Wochenende über eine meiner Charaktereigenschaften: Immer, wenn ich Dinge kann, werden sie mir langweilig. Daher habe ich bis jetzt noch jeden Job irgendwann gewechselt, weil ich das Gefühl hatte, nichts mehr (oder nichts Relevantes mehr) dazulernen zu können. Klar ist in der Kneipe jeder Abend anders, aber ich zapfe halt immer Bier oder schleppe Teller. Klar passiert im kleinen Städtchen dauernd was, aber meine Artikel lesen sich irgendwann alle wie die vom letzten Schützenfest. Klar habe ich in der Werbung immer neue Kunden, aber Werbung bleibt halt Werbung: LOOK AT ME LOOK AT ME LOOK AT ME! Vielleicht stelle ich auch deshalb dauernd Möbel um oder streiche Wände oder ziehe in andere Städte: Das hier hab ich alles lange genug sehen, da drüben könnte es ja spannender sein.

Damit will ich nicht sagen, dass diese Eigenschaft super ist. Ich habe mich schon öfter gefragt, ob ich ewig dem möglicherweise grüneren Gras in der Ferne nachjagen will anstatt endlich einfach hier nur zu sitzen. F. erwähnte mein Studium, auf das er mit der Widmung anspielte, und dass mir die Kunstgeschichte bzw. die Wissenschaft anscheinend nach zehn Jahren noch nicht langweilig geworden ist, obwohl der Doktortitel da ist und damit das realistische Ende der Fahnenstange. Aber er erwähnte eben auch die Sache, die mich am Anfang des Studiums wahnsinnig gemacht hat bzw. es an manchen Tagen immer noch tut: Die Forschung ist nie fertig. Sie hört nie auf. Es gibt immer noch eine Akte, ein Gemälde, ein Schreiben, eine Person, über das oder die ich noch nicht gestolpert war. Aber jetzt ist das auf meinem Radar und ich kann weiterwühlen.

Vielleicht ist die Wissenschaft der Job, der mich nie langweilen wird, weil er eben nie fertig ist. Vielleicht ist das, was ich als Deadline-Maus mit Ziellinien vor Augen so anstrengend fand – nämlich, dass es immer nur Zwischenziele gibt –, genau der Segen, den ich immer gesucht habe. Und wo ich immer besser werden kann.

Montag, 5. Dezember 2022 – Abendessen

Den halben Tag in der Küche verbracht, um die zweite Runde Kekse fertigzustellen; die gehen jetzt an diverse Leute (und mich).

Abends kam F. vorbei, um mit mir gemeinsam das letzte Restchen Mandarinen-Kaffee-Sauce von Tohru zu vernichten. Ich briet eine Entenbrust perfekt rosa und gab kaltes Sößchen als Dressing an den Feldsalat sowie erwärmtes über die Ente. Das winzige Kartoffelgratin – eine dicke Kartoffel für uns beide – wäre nicht nötig gewesen, aber ich wollte etwas Substanz im Magen haben, bevor wir uns an einen herrlichen Rosé setzten.

Samstag/Sonntag, 3./4. Dezember 2022 – (Titel vergessen, fällt mir jetzt um 18.25 Uhr auf, jetzt bleibt’s so)

Wie im letzten Blogeintrag beschrieben, sprachen F. und ich noch stundenlang über das Essen am Freitagabend. Eigentlich schlafen wir nach solchen herrlichen Abenden immer ewig aus, lungern im Bett rum und reden nochmal über das Essen, das geht ja immer. Am Samstag hatte sich aber mein Schwager angemeldet, der für eine Firmenweihnachtsfeier in der Stadt war. Er brachte Croissants und Semmeln vom Lieblingsbäcker mit und wir genossen zwei Stündchen mit ihm, bevor er gegen 12 zum Zug musste. Die Nacht war kurz, aber das war sehr schön. Und dann redeten F. und ich halt danach nochmal über das Essen bei Tohru, als wir wieder unter uns waren und niemandem mit unserem Rumschwärmen auf die Nerven gingen. (Hey, danke fürs Lesen hier! Ihr lest das alles, oder? Ihr lest nicht quer, oder? ODER? ICH MÖCHTE NOCHMAL DEN KNUSPERCHIP AUF DEM WALLER … okay, schon gut.)

Nachmittags hätte ich eigentlich gerne den Livestream vom „Lohengrin“ aus der Bayerischen Staatsoper geschaut, aber wir hatten etwas noch Besseres vor: ein Livekonzert. Die Münchner Philharmoniker hatten Igor Levit zu Gast und außerdem eine Frau am Pult, was ja immer noch etwas Besonderes ist. Mirga Gražinytė-Tyla ist Chefdirigentin des City of Birmingham Symphony Orchestra und wählte neben Robert Schumanns Klavierkonzert in A-moll, Op. 54, für das Levit am Flügel saß, noch Raminta Šerkšnytes „De Profundis“ als Reinkommer und die dritte Sinfonie von Mieczysław Weinberg als Stück nach der Pause. „De Profundis“ gefiel mir, weil nur Streicher*innen auf der Bühne saßen, aber ich muss zugeben, dass es etwas an mir vorbeirauschte. Schumann geht ja immer, und jetzt gerade beim Schreiben höre das Konzert zum vierten Mal seit Samstag, weil es halt so toll ist. In der Pause meinte ich zu F., hach, Schumann, toll, das kam mir bekannt vor. F. so: „Ja, weil wir es vor drei Monaten in Wien gehört haben.“ Ich Hirn habe anscheinend nach der Phase 1 des Klassikhörens – oh, das ist spannend, gib mir mehr – unter Auslassung von Phase 2 – ich kenne jetzt drei Komponisten und vier Interpretinnen – direkt Phase 3 erreicht: Ich merke mir nichts mehr, lasse mich berieseln und schlafe irgendwann im Konzertsaal ein.

Die Weinberg’sche Sinfonie als Rausschmeißer gefiel mir auch; F. bemerkte treffend, dass mir „midcentury modernisms“ in allen Formen ja immer gefallen. Die Sinfonie klang an vielen Stellen auch so, wie ich mir die 1950er Jahre vorstelle, falls das einen Sinn ergibt.

Die Garderoben der Isarphilharmonie waren nur spärlich besetzt, sollten etwa Leute krank sein? Nein, bestimmt nicht, Pandemie ist ja durch. Wir waren mit unseren Masken mal wieder in der deutlichen Unterzahl, aber egal. Jedenfalls warteten wir etwas abseits vom Gewühl, bis eben das sich aufgelöst hatte. Praktisch, denn so konnte einer meiner Leser mich erkennen und Hallo sagen. (Hello again!) F. so: „Mir dir kann man nirgends hingehen, ohne dass deine Fans kommen.“ Damit spielte er scherzhaft auf eine Begegnung aus dem Sommer an, wo wir in der Schreiberei gesessen hatten und sich eine aufgeregte und charmante Dame nur kurz vorstelle: „Ich bin so ein krasser Fan! Schönen Abend noch.“ Darüber grinse ich immer noch.

Da wir keinen Pausensekt hatten, holten wir den doppelt und dreifach an meinem Küchentisch nach. Es gab zwei Flaschen Pet Nat, den wir bei unserem Besuch im Tian kennengelernt hatten. Dazu dippten wir die Semmeln von morgens in die Kaffeesauce, die wir von Tohru mitgekommen hatten.

Sonntag wurde dann das Samstags-Ausschlafen sehr gründlich nachgeholt. Wir saßen gefühlt erst gegen Mittag am Frühstückstisch, es gab erneut Semmeln, die halten sich ja netterweise einen Tag lang. Ich hatte noch zwei Portionen Chawanmushi im Kühlschrank, Kaviar war auch noch da, ich produzierte mal eben gekochte Eier und eine kleine Portion Kartoffelbrei, und nach diesem üppigen Frühstück gab’s noch Stollen und Kekse. Wir sprachen NOCHMAL über den Freitag, das muss so. Erst am späten Nachmittag trennten wir uns wieder, ich räumte die Küche auf und verbrachte den kleinen Rest des Wochenendes unter der Kuscheldecke auf dem Sofa.

Das war ein sehr schönes und intensives und genussreiches Wochenende, das sehr nötig war und sehr gut getan hat. Gerne wieder, Universum. Ich mein ja nur.

Freitag, 2. Dezember 2022 – Perfektion

Der letzte Ausflug in ein Sternerestaurant war leider nicht das, was wir uns gewünscht hatten, aber wir sagten seitdem öfter den Satz: „Bei Tohru wird’s dann wieder gut.“ Nein, wurde es nicht. Es wurde perfekt.

Wir waren zum vierten Mal in diesem Jahr bei Nakamura, weil es immer ein kleiner Urlaub ist. Unser Wasser stand schon bereit, man weiß inzwischen, dass wir gerne Wasser mit Kohlensäure trinken, danach muss gar nicht mehr gefragt werden. Vor wenigen Monaten stand ein handgeschriebenes Schildchen auf „unserem“ Tisch – wir sitzen komischerweise immer am selben Tisch, aber es ist dann halt auch der tollste im Laden, wie wir finden; dieses Mal wurde der Name des Reservierenden, unter dem ich anscheinend auch laufe, it’s fine, gleich auf die Speisekarte gedruckt, und ich war schon nach wenigen Minuten happy und entspannt und fühlte mich wie eine Königin.

Ich wollte eigentlich nur ein Foto fürs Blog machen, aber dann gefiel mir noch ein Gang, den ich im Bild festhalten wollte, nur für mich, ich denke nicht mehr als Bloggen, wenn ich irgendwo bin, das habe ich mir in diesem Jahr abgewöhnt, aber vielleicht gewöhne ich es mir wieder an. Dann fotografierte ich den dritten Gang, dann den vierten und irgendwann halt alles, weil alles auf den Tellern so großartig war. Ich stelle nicht alle Bilder in diesen Eintrag, bei manchem bin ich der Meinung, sie werden dem Gang in originaler Optik nicht gerecht.

Wir waren 2019 das erste Mal bei Tohru, damals noch im Werneckhof. Dann kam Dings, Sie wissen schon, wo alle Restaurants nur noch Fensterservice anboten, so auch Tohrus Team, das ernsthaft Fried Chicken und Burger briet, dann gab’s ein Pop-up, und seit fast genau einem Jahr hat Nakamura seinen eigenen Laden. Als wir dort Anfang diesen Jahres das erste Mal waren, meinten wir übereinstimmend, dass sich seine Küche fokussierter anfühlte als vorher, noch stringenter. So aßen sich auch die anderen beiden Menüs, die wir 2022 genießen durfen, und so erwarteten wir das auch gestern. Aber warum auch immer fühlte es sich gestern erneut wie ein Sprung an, wie das Unlocken des nächsten Levels. Wir konnten keine Worte dafür finden, was wir aßen und tranken und genossen und das versuche ich hier auch gar nicht. Es war aber einfach eines der größten Glücksgefühle, die uns je in einem Sterneladen zuteil wurde.

Rote Riesengarnele mit Algen. Ich war so verliebt in das kleine Wäldchen aus Algen und Kräutern, dass ich es kaum zerstören wollte.

Ein Knusperchip aus Krabben, dazu eine Bisque zum Trinken, bei der ich kurz davor war, mit dem Finger das Becherchen auszukratzen, so gut, warm, fett, weich, rund und würzig war sie.

Mit dem Bild bin ich nicht so glücklich, weil es dem Gang nicht gerecht wird, aber das musste online, denn von der Kaffeesauce, die den Thunfisch im Chicoree umspielt, bekamen wir am Ende des Abends einfach noch eine Portion für zuhause mit. Offensiv zu wimmern und den Teller nicht hergeben zu wollen, scheint zu funktionieren.

Ein Zaubergang. Waller mit einem knusprigen Chip, hauchzarten Rote-Bete-Blättchen und Schwarzkümmel, der allem eine nussige Note gab. Herrliche Texturen.

Reh mit Sanddorn und einem Jus, den wir fast komplett auslöffelten. Normalerweise lassen wir die zusätzlichen Saucen, die mit den Tisch gebracht werden, eher stehen, dieses Mal aßen wir alles auf, was vor unseren Nasen war. Bloß nichts überlassen von diesen Herrlichkeiten.

Das erste Dessert von dreien, das sich deutlich wie eins anfühlte, aber einen nicht zuckerverklebt zurückließ. Ein kleines Karottenküchlein, Rosinen, ein Sorbet, bei dem wir nicht mehr wissen, ob es Verbene oder Apfel war, egal, toll und wunderschön.

Die Kirschblüte, die ich blöderweise nicht ganz fotografiert habe, weil ich den Chip auf dem Foto sehen wollte, auf dem die Blüte liegt, kommt aus Japan; die hat Nakamuras Vater rübergeschickt. Hat sich gelohnt. Unter der Kirschgeleedecke ist übrigens Milchreis, der sehr anders schmeckt als der, den ich zuhause als Comfort Food mache. Wie souverän ist es bitte, Milchreis in einem Sterneladen anzubieten?

Schoko-Tonka-Sesam-Fingerfood als Abschluss.

Und weil ich tapfer das Kochbuch mitgeschleppt hatte, wurde es auch signiert.

Wir wählten wie immer die Weinbegleitung, für die uns der Service viel Zeit ließ. Wir saßen auch hier fünf Stunden, die sich aber nie wie diese lange Zeit anfühlten. Perfektes Timing, herrliche Weine – der einzige rote, ein Pinot Noir aus dem Burgund, durfte zwei Gänge lang vor uns in Gläsern am Tisch atmen, bevor wir uns an ihn herantrauten. Zusätzlich bekamen wir als Goodie zwei Gläser Riesling, der noch von der vorgestrigen Ein-Jahres-Feier da war, der nicht auf der Karte stand. Mir persönlich hat ein Chardonnay aus dem Burgund so ziemlich das ganze Jahr gerettet, der war unglaublich. (Das Restaurant besitzt nur zwei Flaschen.)

Ich kann kaum beschreiben, wie gut und aufgehoben und umsorgt wir uns gestern gefühlt habe, weil der Service bei Tohru immer gut ist, aber warum auch immer waren gestern nicht nur das Essen und die Weine, sondern eben auch alles drumrum den Extratick besser. F. und sprachen den gesamten Heimweg über das Essen und lungerten dann noch abgeschminkt und mit geputzten Zähnen in der Küche rum, um weiter über das Essen sprechen zu können, und als wir endlich um 2 Uhr im Bett waren und eigentlich schlafen wollten, lagen wir im Dunkeln und sprachen NOCH eine Stunde über das Essen. Ratet, was wir heute morgen gemacht haben.

Wir haben gestern sehr oft Danke gesagt und ich mache das hier nochmal, denn das war ein großes Geschenk. Danke.

Donnerstag, 1. Dezember 2022 – Archiv

Ich hatte mir einen kleinen Berg Akten der Autobahndirektion ausheben lassen und las ein paar Stündchen.

Dabei lernte ich Dinge, die ich gar nicht lernen wollte, nämlich dass zur normalen Büroausstattung der frisch gegründeten Obersten Bauleitungen der Kraftfahrbahnen Ende 1933, über die ich Listen fand, auch Spucknäpfe gehörten. Mit der Bezeichnung „Wandbilder“ in diesen Listen konnte ich allerdings nicht so viel anfangen wie ich gehofft hatte.

Außerdem hatte ich eine Akte von nach 1945 in der Hand, wo sich Namen wiederfanden, die ich schon vor 1945 gelesen hatte, keine Überraschung, aber halt das übliche innere Augenrollen. Nee, gar nicht wahr, ich habe wirklich mit den Augen gerollt.

Und dann las ich erstmals die Rede Hitlers zur Eröffnung des tausendsten Autobahnkilometers am 27. September 1936 bei Breslau, wo er die geringe Zahl von Fahrzeugen, gerechnet auf die Bevölkerungszahl, Anfang der 1930er Jahre in Deutschland erwähnt im Vergleich zum Ausland und er als Gegenmittel auch die Förderung der Automobilindustrie postuliert. Mit der Geschichte der Autobauer als Gesamtkomplex hatte ich mich noch gar nicht befasst, frage mich seit gestern aber auch, ob unsere heutigen Probleme – viel zu hoher Einfluss der Autoindustrie auf die Politik – auch hier einen Anfang haben. (Wilde These, muss ich selbst noch verifizieren oder ganz schnell wieder vergessen. Buchtipps dazu bitte per Twitter oder Mastodon.)

Im Archiv trug ich Schleife. Die habe ich seit den 1990er Jahren. Jetzt kommt sie wieder für ein Jahr in den Schrank.

Ausgehungert produzierte ich nachmittags einen zufälligen Regenbogenteller. Durch meinen hohen Reiskonsum der letzten Monate (because Reiskocher) hatte ich ganz vergessen, wie gerne ich Couscous mag. Hier liegt er mit Rotkohlsalat und Tofu auf dem Teller, dazu gab’s alles, was aus dem Kühlschrank wegmusste, in Tomatensauce (Karotte, rote Paprika, Brokkoli und Zwiebeln sowie weiße Bete, die durch Kurkuma gelb wurden, wie hübsch). Plus Koriander, logisch.

Abends sah ich dann regungslos dem Ausscheiden der Männer-Nationalmannschaft bei der Fußball-WM zu. Beziehungsweise, irgendwann sah ich ihnen nicht mehr zu, weil ich merkte, wie fürchterlich egal mir alles war. Ich lungerte lieber auf Netflix rum, sah dann noch die letzten Minuten und verzichtete dankend auf die ganze sinnlose Nachbetrachtung, nachdem sich vor dem Spiel die Expert*innen mit Tipps von dreizunull bis fünfzunull überboten hatten und schon mal überlegten, wer im Achtelfinale als Stürmer auflaufen sollte.

Wie twitterte Herr dogfood so schön: „Müssen die Mädels das halt im nächsten Jahr wieder rausreißen.“

Ich twitterte ein Trostbildchen, das ich sehr gerne mag. Es stammt aus einem der Adventskalender vom kleinen Maulwurf, die mir F. in den letzten beiden Jahren mitbrachte. In diesem Jahr hat er leider keinen gefunden, aber ich habe ja noch den von Xocolat. Auch wie in den letzten Jahren.

Mittwoch, 30. November 2022 – Rauskrabbeln

Ich saß immer noch im unerwartet aufgetretenen Traurigkeitsloch vom Dienstag. Um mich etwas produktiver zu fühlen, holte ich die seit Monaten ungenutzte Nähmaschine aus dem Regal und begann, ein altes Shirt umzuarbeiten. Das stammt noch aus der Zeit, in der ich der Meinung war, ich sähe schlanker aus, wenn ich in zeltartigen Gewändern umherwandelte. Das Shirt war quasi ein Probeshirt, um überhaupt zu verstehen, wie man Dinge enger und kürzer macht. Ich ließ mich von diesem Video leiten; das Kürzen und das Verengen der Seitennähte klappte auch gut, aber beim Ärmel konnte das Video dann nicht wirklich helfen. Denn die Ärmelnähte saßen mir auf der Mitte der Oberarme und ich wusste nicht, wie ich sie auf Schulterhöhe bekommen sollte.

Außerdem zickte mittendrin mein Maschinchen und ich weiß auch heute nicht warum. Der Unterfaden kam plötzlich nur noch als Knäuel nach oben. Alles Anschauen von Videos, Neueinsetzen der Spule, Neueinfädeln des Oberfadens und schließlich das Auseinanderbauen des Ganzen und Säubern half nichts. Als ich schließlich eine andere Spule mit einem nicht-passenden Farbton einsetzte, nur um zu gucken, ob die wenigstens funktioniert, lief alles wieder. Ich habe jetzt ein größtenteils gut passendes, neues, altes, schwarzes Schlafshirt, das an den falsch sitzenden Ärmeln weiße Nähte hat. Falls jemand Tipps für die Neugestaltung von Ärmeln hat, freue ich mich über Hinweise.

Danach ging es mir halbwegs besser und ich wagte mich an das erste Rezept aus dem Kochbuch von Tohru Nakamura. Ich kochte Dashi und bereite Chawanmushi mit Schnittlauch, gerösteten Haselnüssen und Saiblingskavier zu, der in Sojasauce und Mirin marinieren durfte. Das Dashi war gut, das Dämpfen ging prima, aber der Supermarktkaviar war dann doch äußerst meh. Da bin ich inzwischen (leider?) anderes gewohnt. Ich freute mich trotzdem über ein im Prinzip gelungenes Rezept.

Den Rest des Tages vebrachte ich damit, den „Wal“ zuende zu lesen und empfehle ihn in Prinzip weiter. Es ist ein wilder Ritt durch mehrere Generationen von koreanischen Menschen, es gibt Geister von Elefanten, fürchterliche Flüche, wundersame Erlebnisse und spontane Geschlechterwechsel. Mir hat es überraschend gut gefallen, es las sich sehr zügig durch, aber die vielen Gewaltdarstellungen gegen Frauen gingen mir, gerade zum Schluss hin, als man wusste, man liegt auf der Zielgeraden, doch sehr auf den Zeiger. Es wurde selten bis in den letzten Blutstropfen ausbuchstabiert, aber mir reichen inzwischen schon Andeutungen. Ich will derartiges nicht mehr lesen oder in Filmen und Serien anschauen müssen. Die Realität ist schon bitter und böse genug.

Hier wird das Ganze als „feministisches Märchen“ gelesen, was mich etwas ratlos zurücklässt. Auch weil der Autor die Tochter im Sinne des Romans als „monströs“ bezeichnet, wo sie einfach nur sehr schwer und sehr breitschultrig ist. Ich weiß, dass man die teilweise klischee-artigen Beschreibungen von hübschen, zarten und tradiert weiblichen Charakteren auch gerade als Anklage gegen diese Erzähl- und Denkweisen lesen kann, aber dafür waren sie mir nicht deutlich genug von genau diesen blöden Klischees abgesetzt.