Tagungsnachlese, eher unwissenschaftlich, aber mit der Pointe meiner Diss

In der letzten Woche verfolgte ich teils per Zoom, dann vor Ort eine Doppeltagung im Zentralinstitut für Kunstgeschichte. Die ersten anderthalb Tage ging es um „Männlichkeits- und Weiblichkeitsbilder in der Kunst des Nationalsozialismus“, dann noch einen Tag um „Kunst im Nationalsozialismus – Forschungsfragen, Forschungsperspektiven, Forschungsinfrastrukturen“. Für den ersten Teil hatte ich einen Vortragsvorschlag eingereicht, der aber eher zu Recht abgelehnt wurde, da hatte ich mein Spezialinteresse (Autobahnen) einen Hauch erweitert (Autobahnarbeiter, exklusiv männlich) und ohne großes theoretisches Fundament abgegeben. Das fehlte allerdings, wie ich etwas kritisch bemerkte, auch bei vielen anderen der Vorträge und daher merke ich mir jetzt für den nächsten Call for papers: immer schön blumig bleiben, dann ist die Chance größer, angenommen zu werden.

Für den zweiten Teil bat mich mein Doktorvater um einen Kurzvortrag von lauschigen acht Minuten über mein Promotionsthema, was wir vier Vortragenden in dem betreffenden Block eine Woche vor der Tagung nochmal per Mail mitgeteilt bekamen, sinngemäß: „Ihr habt acht Minuten und dann klaue ich euch das Mikro.“ Aka: „Wir wollen alle in die Kaffeepause.“ Ich habe vermutlich wie immer zu schnell gesprochen, daher musste man mir nicht das Mikro wegnehmen.

Ich habe bei der ganzen Tagung kaum mitgeschrieben, sondern meist einfach nur zugehört, aber einiges will ich doch festhalten.

Gleich die erste Vortragende sprach über das Thema, was mich am meisten interessierte: „Die Darstellung des Arbeiters in der Industriefotografie nach 1933.“ Ich war etwas zwiegespalten nach dem Vortrag, denn er enthielt für mich nicht viel Neues, zeigte mir aber gleichzeitig, wieviel ich mir dann doch schon angelesen hatte, gerade in der Vorbereitung für die Einreichung. Die Vortragende lehrt an einer US-amerikanischen Universität und sagte den Satz, den ich mir als erstes notierte, sinngemäß: „In den USA gibt es weitaus weniger Berührungsängste mit dem Thema ‚NS-Kunst‘ und auch weitaus weniger Legitimationszwang.“ Ohne das beurteilen zu können, nicke ich das ab: Das ist immer noch schwierig zu vermitteln, warum es wichtig ist, sich mit Kunst, Werbung, Abbildungen etc. aus dieser Zeit zu befassen. Propaganda – ja natürlich. Eindeutig ideologisches Bildmaterial – muss man auch nicht diskutieren. Aber warum ich nun unbedingt was über Gemälde von Autobahnen wissen will, muss ich immer erklären.

Wir sprachen ganz zum Schluss noch über die Bezeichnung „NS-Kunst“ und warum sie falsch ist. Die Blumenstillleben auf den Großen Deutschen Kunstausstellungen gaukelten zwar eine unpolitische Sphäre vor, sind aber auch Stillleben, Naturalismus, Kunst aus den 1930er Jahren, Kunst des 20. Jahrhunderts, vielleicht systemkonforme Kunst des NS, aber eben keine NS-Kunst. Muss ich mir selbst auch oft genug sagen, weil es so herrlich bequem ist, einfach alles zwischen 1933 und 1945 Entstandene, das offiziell gezeigt und verkauft wurde, mit diesem halbgaren Etikett zu belegen.

Elisabeth Angermeier vom Stadtarchiv München sprach über vier Nachlässe aus ihrer Sammlung von Pressefotografen bzw. einer Pressefotografin. Die Fotografin war Maria Penz, die mir vorher noch kein Begriff war. Spannende Bilder und ich möchte dringend in diesem Nachlass wühlen. (Die Dame hat auch die Autobahn fotografiert.)

Ich lernte das Werk „Das größere Opfer“ von Adolf Reich kennen. Auf den ersten Blick mag es erstaunen, auf der GDK ein großformatiges Gemälde zu sehen, auf dem ein Versehrter und eine junge Witwe zu sehen sind, aber es sagt aus: Stellt euch nicht so an in den Bombennächten, könnte noch schlimmer sein. Perfides Ding. Es hing allerdings komisch in einer Ecke mit einer Skulptur vor sich, daher blieben vielleicht doch ein paar Zweifel.

Ein Vortrag befasste sich mit den Frauenbildern in Frauenzeitschriften und ganz vorsichtig formuliert sind die Themen Schönheit, Kochen und Mode nicht so sehr weit weg von dem, was die „Brigitte“ uns heute noch verkaufen will. Apropos „Brigitte“: Sie geht auf die Zeitschrift „Das Blatt der Hausfrau“ zurück, das im „Dritten Reich“ unbeanstandet erschien. Wusste ich auch noch nicht.

Generell bot die Geschlechterthematik mir nicht irre viel Neues, aber wir stellten alle in der Diskussion eher überrascht fest, dass das Thema Mutterschaft in Kunst und Werbung nicht den Platz hatte, den wir erwartet hatten. Die Geburtenrate stieg auch trotz der tollen Mutterkreuze längst nicht so an wie von den Parteistrategen erhofft.

Für mich spannend war aber die Erinnerung daran, dass das „Dritte Reich“ kein monolithischer Block war, sondern sich veränderte, anpasste. Wo die Frau zunächst als dem Mann untergeordnet propagiert wurde, wurde sie spätestens 1939 zur Gefährtin und Schicksalsgenossin (Stichwort „Heimatfront“). So wie die Gesamtgesellschaft sich von einer angenommenen (und nicht vorhandenen, weil ausgrenzenden und rassistischen) Volksgemeinschaft entwickelte – zu einer Kampfgemeinschaft, einer Kriegsgemeinschaft, einer Schicksalsgemeinschaft und schließlich einer Opfergemeinschaft. Gerade auf letztere berief sich dann das halbe Land nach 1945.

Im zweiten Teil der Tagung ging es hauptsächlich um die Datenbank, auf die alle zur Kunst zurzeit des NS Forschenden vermutlich dauernd zurückgreifen: GDK-Research. Als mein Doktorvater mich im April um einen Vortrag bat, nahm ich das Thema daher auf; eine Woche vor dem Vortrag hieß es, brauchen wir doch nicht, aber ich beließ mein Manuskript wie geplant. Im Zuge der Forschung zu Protzen fielen mir nämlich durchaus einige Dinge auf, und genau die erwähnte ich im Vortrag. Ich kann ihn hier mal wieder nicht komplett publizieren, Stichwort Bildrechte, aber ich bekam positives Feedback und möglicherweise habe ich dem DHM in Berlin einen Neuzugang in der Sammlung verschafft.

Aber die Pointe meiner Arbeit kann ich jetzt verbloggen, weil die auch Teil meines Vortrags war und damit in der Öffentlichkeit ist. Daher hier ein unbebilderter Ausschnitt aus dem Vortrag, wo es ging mit Links zu Bildern:

Protzens Werk „Straßen des Führers“ von 1939 ist heute vermutlich das bekannteste Gemälde von ihm. Es wurde auf jeder wichtigen Überblicksausstellung zu sogenannter NS-Kunst in der Bundesrepublik gezeigt, also 1974 bei „Kunst im 3. Reich“ in Frankfurt, 1999 bei „Aufstieg und Fall der Moderne“ in Weimar sowie zuletzt 2016/17 in Bochum, Rostock und Regensburg bei „Kunst und Politik im Nationalsozialismus“. In Frankfurt und Bochum war es das einzige Werk zum Thema Autobahn, in Weimar hingen gleich vier Werke von Protzen dazu, auch hier war er der einzige Maler mit diesem Sujet.

Ein zweites Werk zum Thema Autobahn von Protzen ist die „Donaubrücke bei Leipheim“ von 1936. Es hing zwischen 2016 und 2020 im Saal 13 der Pinakothek der Moderne und dürfte daher inzwischen von mehr Menschen gesehen worden sein als „Straßen des Führers“. Anhand dieser beiden Werke sieht man schon den Spielraum, den Protzen bei seinen Werken zur RAB nutzte – von der eher neusachlichen Darstellung zur naiv-naturalistischen.

Generell lassen sich zwei Hauptmotive bei der RAB-Malerei erkennen: die fertige Strecke oder die Baustelle. Die fertigen Strecken schmiegen sich meist elegant in die Landschaft, wie hier bei Wolf Panizzas „Aufstieg zum Irschenberg“ oder Hans Neumanns „Am Seehammer See“ (im Link das erste Bild). Das war bereits eine Anforderung an die Straßenplaner. Im Gegensatz zu den italienischen Schnellstraßen, die kurz vor der RAB entstanden, sollten die Autobahnen nicht möglichst schnell von A nach B führen, sondern möglichst schön.

Ein drittes Motiv ist die menschliche Arbeit – dieses Motiv habe ich allerdings sehr selten gefunden, eher kleinformatig und meist nur in den früheren Arbeiten, hier die „Mangfallbaustelle“ von Ernst Vollbehr von 1934. Im Unterschied zur Malerei waren Menschen eher Subjekte von Fotografien.

Die häufigste Abbildung der Gemälde war das unfertige Bauwerk – die Baustelle. Die Künstler und Künstlerinnen nutzten oft Fotos als Vorlage. In mehreren Quellen kommt deutlich zur Sprache, dass diese Art Gemälde keine künstlerische Auseinandersetzung sein sollte, sondern eine möglichst genaue Abbildung im repräsentativen Format. Hauptabnehmer dieser Werke waren NS-Organisationen, Firmen, die am Bau beteiligt waren sowie die Organisationen der RAB wie zum Beispiel Raststätten oder die jeweiligen Bauleitungen der Bauabschnitte. Diese veranstalteten für die Künstler Gruppenfahrten zu den Baustellen, damit diese das Bauwerk naturgetreu abmalen bzw. Skizzen anfertigen konnten.

Trotz des immer gleichen Motivs sind stilistische Unterschiede zu bemerken. Neben eher naturalistischen Wiedergaben wie bei „Straßen des Führers“ gab es auch deutlich neusachliche Abbildungen wie Wilhelm Heises „Mangfallbrücke im Bau“, das als besonders gutes Beispiel für diese Bildgattung in diversen zeitgenössischen Publikationen herausgestellt wurde (im Link das drittletzte Bild).

Zurück zu „Straßen des Führers“. Mir standen zwei wichtige Quellen für meine Arbeit zur Verfügung. In Protzens Nachlass, der im Kunstarchiv Nürnberg verwahrt wird, finden sich vier Fotoalben: Von den dort notierten 685 Werken sind 409 als Schwarzweißfoto erhalten. Hier findet sich auch SdF, allerdings mit folgender Annotation: „Mittelstück?“ Was für mich ein Beleg dafür war, dass die Alben erst nach Protzens Tod 1956 angelegt wurden – man konnte ihn offensichtlich nicht mehr fragen.

Die zweite wichtige Quelle ist das Werkverzeichnis, dessen Kopie heute bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen verwahrt wird. Im Werkverzeichnis, das der Künstler von 1916 bis ca. 1947 führte, sind 570 Werke notiert. Protzen notierte hier ebenfalls kein Einzelgemälde, sondern ein Triptychon: Zum Mittelteil mit den Maßen 169 x 255 cm kamen zwei Seitenflügel mit den Maßen 190 x 115 cm.


(Screenshot GDK-Research)

SdF wurde nur ein einziges Mal vor 1945 ausgestellt, nämlich auf der GDK 1940, wo es auch erst als Nachhängung gezeigt wurde, es ist erst im Ergänzungskatalog verzeichnet. Es wurde für 6000 RM an die Reichskanzlei verkauft und ist damit Protzens teuerstes Werk. Es gelangte allerdings nie nach Berlin, sondern wurde bis Oktober 1943 im Haus der Deutschen Kunst verwahrt, bevor es in Altaussee eingelagert wurde. 1946 findet es sich auf einer Bestandsliste der United States Forces Austria, bevor es 1949 dem bayerischen Staat überstellt wurde. Das Werk war also im NS-Staat nur für wenige Monate auf einer einzigen Ausstellung zu sehen. Trotzdem gilt es heute als „das“ Autobahngemälde.

Im Zuge meiner Recherchen stolperte ich eher per Zufall und durch die Hilfe von Thomas Bachmann vom Staatsarchiv München über die Seitenflügel. (Hier bewusst kein Foto, da müsst ihr auf die Diss warten.) Der Mittelteil zeigt eine Baustelle – anders aber als zum Beispiel bei Heises Mangfallbrücke ist sie eingebettet in eine heimelige Landschaft. Protzen malte diese Brücke mehrfach – das Zwiebeltürmchen ist allerdings nur hier zu finden. Es stand auch nicht auf der Originalbaustelle, wie Fotos belegen. Protzen wich hier also von der Vorlage ab, was für ihn sehr ungewöhnlich war.

Gleichzeitig verknüpfte er das Motiv der Baustelle mit dem der menschlichen Arbeit, die auf den Seitenflügeln zu sehen ist. Mit ihnen gemeinsam ergibt auch die Rahmeninschrift mehr Sinn. „Rodet den Forst“ beschreibt den linken Flügel, „Sprenget den Fels“ den rechten und „Überwindet das Tal“ den Mittelteil. Die auf dem linken Flügel zu sehende rote Fahne trug im Original noch ein Hakenkreuz, wie ein Foto im Nachlassalbum zeigt. Es ist das einzige mir bekannte Triptychon einer Autobahn und auch das einzige mit einer derart programmatischen Inschrift. Es ist zudem das einzige in Protzens mir bekanntem Werk. Protzen reichte übrigens das gesamte Triptychon, nicht nur die Mitte zur GDK ein, wie Aufkleber auf den Seitenflügeln zeigen.

Für die Dissertation arbeitete ich natürlich auch mit GDK-Research. Ich nutzte die Datenbank vor allem, um nach Schlagworten wie Autobahn, Arbeiter, Straße etc. zu suchen. Meine Funde glich ich mit den gedruckten Katalogen ab. So konnte ich erstmals auflisten, wieviele – oder eher: wie wenige – Werke es zu den Reichsautobahnen auf der GDK überhaupt gab, diesem einzig genuinen Bildmotiv des Nationalsozialismus, nämlich gerade 44, wovon nur 18 größerformatige Ölgemälde waren. Sieben davon stammten von Protzen, der damit die meisten Gemälde dieses Typs auf den GDK zeigte.

Mein Grundgedanke während der zweieinhalb Tage war der, den ich früher immer auf den republicas hatte: „Endlich normale Leute.“ Endlich wissen alle, was man meint, wenn man GDK sagt oder RKK oder Ziegler oder Rosenberg. Man muss sich nicht für sein Forschungsinteresse rechtfertigen und hat sofort 800 Anknüpfungspunkte in jedem Gespräch.

Eigentlich bin ich ja immer noch eher menschenscheu und finde Zoom vom Sofa aus super, aber F., der olle Wissenschaftsprofi, nörgelte mich in die Präsenzveranstaltung: „Das sind deine Peers!“ Und natürlich hatte er recht. Viel mitgenommen, viel nachgedacht. Nur darüber geärgert, dass ich erst am dritten Tag dran war und daher vorher nicht so viel Rotwein in Gesellschaft trinken konnte wie erhofft.

Tagebuch Freitag bis Sonntag, 15. bis 17. Oktober 2021 – Erholen

Okay, am Freitag habe ich mich noch nicht erholt, sondern weiterhin mit recht hoher Schlagzahl gearbeitet. Deswegen war das Wochenende auch nur für Rumliegen, Kochen, Essen und Lesen da, und genau das habe ich dann auch gemacht.

Ich hatte kurz überlegt, zum Fußball nach Augsburg zu fahren, wollte dann aber doch eher auf dem Sofa bleiben, und selbst dort hatte ich nicht so recht Lust, das Spiel ganz zu gucken. Noch vor dem blöden Ausgleich durch Bielefeld ausgemacht und lieber Kürbis in Misobutter mariniert. Vielleicht sind Fußball und ich doch allmählich durch. Schade um die gute Stadionwurst.

In der Biokiste war unter anderem eine Tüte Grünkohl, eine Mango (kommt heute ins Mittagsmüsli) sowie wunderschöner Mangold.

Am Freitagabend gab es Pastinaken-Gnocchi, die ich in Butter schwenkte, in der ein bisschen zerrupfter Mangold und Grünkohl waren. Das schmeckte hervorragend, sah aber grauenhaft aus, daher müsst ihr euch das einfach vorstellen.

Unsere freitägliche Date Night begann leider recht spät, weil ich noch werben musste. Daher war der Samstag auch eher zum Ausnüchtern und Käsebrotessen da.

Den Sonntag begann ich spät mit Buttermilk Pancakes, damit die Buttermilch mal alle wird, die ich seit letzter Woche in Maisbrot und Misokuchen verarbeitet hatte. Ist sie jetzt.

Und weil Miso gerade die Zutat der Stunde ist, gab’s abends Kürbis, den ich in Misobutter im Ofen röstete (mit Grünkohl), dazu Pasta.

Im Buch High on the Hog: A Culinary Journey from Africa to America erinnern die Schlusskapitel an eine weitere Ebene, in der Nahrung und Politik miteinander verknüpft sind. Ich spreche erneut eine Leseempfehlung aus, aber das kennt ihr ja alle schon. Die Autorin besucht aus anderen Gründen Atlanta und dabei auch Paschal’s, um das „legendary fried chicken“ zu probieren. In den wenigen Sätzen kann man zwischen den Zeilen auch etwas zur Stadtplanung bzw. -entwicklung lesen, die sich bis heute nicht groß geändert hat.

Paschal’s is one of the restaurants where Martin Luther King and his disciples planned some of their Civil Rights strategy. […] It seems that every Southern city has a similar restaurant in the former black part of the town. During the Civil Rights Movement, it was the place that became the hub where people from the movement met und planned their strategy. […] The menus all harked back to the comfort food of the South: Pig was the preeminent meat, and the pungent aroma of chitterlings often perfumed the kitchen. […] Paschal’s and other places like it, South and North, were pivot points of history: places where black entrepreneurship met up with the growing national movement […] They were hubs in vibrant African American communities. In the North, they were refuges for homesick expatriate black Southeners, places where those who had ridden the trains and walked the roads northward in search of better opportunities could gather and indulge their physical und psychic need for the food of their remembered Southern pasts. In the South, the restaurants were places where African Americans knew that they would be welcomed in establishments when welcome was most assuredly not offered by white establishments. […] The food that flourished in these restaurants during the 1960s and 1970s came to be known as soul food because it fed the spirit as much as the body on the long march to institunionalized equality.“ (S. 199–201)

Im Februar 1960 nahmen vier Schwarze junge Männer an einem Woolworth-Tresen Platz und warteten geduldig darauf, bedient zu werden. Die Greensboro Four sind die heute bekannteste Gruppe von Sit-ins, die mit dafür sorgten, dass die sogenannte Rassentrennung im Süden nach und nach aufgehoben wurde.

„Ella Baker, a Shaw University student and an SCLC organizer, reminded [a conference] that it was about ‚more than a hamburger‘ – an aptly culinary image for a movement that began with four young college students deciding to sit in for their lunch and their rights. The culture-changing protest was not about the mainstream food that was served at the lunch counters: the sixty-five-cent roast turkey, fifty-cent ham and cheese sandwich, or even about America’s totemic apple pie, offered for fifteen cents. It was simply about equality. The sit-ins drew the curtain back from the country’s dirty little secret and showed the inequality of American life to the world. […] Food became the metaphor for society. […] While many Southern whites were content with being served by African Americans who held the jobs of restaurant cook, home domestic, or lunch counterman, they were not prepared to share their space at the counter or the table with those from whose hands they were served daily.“ (S. 205/206)

Harris geht auch noch einmal auf die Entwicklung von „soul food“ ein – und wie sich die Nation of Islam davon distanzierte.

„For the younger generation, the Civil Rights Movement morphed into the Black Power movement, and there was a growing pride in things black and in the culture that had survived enslavement. It went hand in hand with a hunger to learn more about the black experience and a national feeling of solidarity among blacks. In the early 1960s this pride manifested itself in what could be termed a ‚soul‘ movement. […] The word ‚soul‘ was at first used among blacks to establish a cultural community, as in ‚soul brother‘ and ‚soul sister‘. It was initially used to denote kinship in the struggle, in much the same way as the terms ‚brother‘ and ‚sister‘ had been honorifics in the black church for generations. However, as with many other African American cultural innovations, the term was rapidly coopted by the mainstream, and soon there were soul combs on the market along with soul T-Shirts, soul haidos, soul handshakes, and certainly soul music. The term ‚soul food‘ harks back to this era, when everything that was black and of the moment had soul, and the word’s use signaled a change in atitude toward the food of the African American South.“ (S. 206/207)

Harris beschreibt, wie uneinig die Meinungen darüber waren, was genau nun Soul Food war: die Nahrung, von der die Sklaven und Sklavinnen auf den Plantagen leben mussten? Die eher gering geschätzten Teile von tierischer Nahrung wie Innereien und Schweinefüße? War es das Essen, das die vielen Schwarzen Restaurants nun offerierten und sich dabei auf alte Rezepte beriefen? War es, im Gegensatz zur spärlichen Variante, die hier am Anfang genannt wurde, genau das Gegenteil von „Sklavennahrung“: bekannte Zutaten, aber nun mit deutlich mehr Fett und Kalorien und Zucker und Genuss? „Soul food, it would seem, depends on an ineffable quality. It is a combination of nostalgia for and pride in the food of those who came before.“ (S. 208)

Viele Kochbücher aus dieser Zeit, die von Schwarzen verfasst wurden, feierten genau diese Tradition:

„In the 1960s, soul food based on the slave diet of hog and hominy became a political statement and was embraced by many middle-class blacks who had previously publicly eschewed it as a relic of a slave past. It became popular and even celebrated. […] The Nation of Islam (NOI) originated in the early part of the 20th century but came to national prominence in the 1960s […] It preached an Afro-centric variation of traditional Islam and provided a family-centered culture in which gender roles were clearly defined. […] Followers abjured their ‚slave names‘, frequently taking an X in its place and adopted a strictly regimented way of life that included giving up eating the traditional foods that were fed to the enslaved in the South. […] Pork had become so emblematic of African American food that the forbidding of it by the Nation of Islam was radical.“ (S. 208–211)

In den 1970er Jahren verbanden sich verschiedenen Einflüsse auf das Essverhalten Schwarzer Amerikaner:innen. Nahrung blieb politisch, aber trennte nicht mehr.

„Up until the 1970s, the food of African Americans could be loosely categorized by class. The upper classes ate a more European-inspired diet, while the underclass consumed a diet evolved from the slave foods of the plantation South. […] The 1970s, however, exploded all hypotheses. Certainly many African Americans still clung to the traditional foods of the South. However, after the decades of Civil Rights gains and with the growing awareness of the African continent and its diaspora, increasing numbers of blacks of all classes throughout the nation began eating a diet that was widely varied and reflected a newly discovered pride in African roots and international connections. […] the food of African Americans began to evolve into a cuisine that honored hog maws and collard greens and yet allowed for West African foufou, Carribbean callaloo, brown rice, and even tahini.“ (S. 215/216)

Kastenkuchen mit Misopaste und Ahornsirup

Auf den Kuchen machte mich F. aufmerksam, was mir gestern eine wunderbare Mittagspause bescherte. Und eine gute Ausrede. „Weihnachtsgeschenk? Wieso Weihnachtsgeschenk? Ich hab dir doch im Oktober einen Kuchen gebacken!“

Das Rezept stammt aus der NYT, wie so oft. In den kleinen Kastenkuchen kommen lauter Zutaten rein, bei denen ich nicht gedacht hätte, dass sie ein stimmiges Gesamtergebnis produzieren, aber genau das ist dabei rausgekommen: Man schmeckt alles, was drin ist, aber sehr fein und gut dosiert.

Für eine Kastenform von 20 cm Länge.

In einer kleinen Schüssel
240 g Mehl, Type 405, mit
knapp 2 TL Backpulver sowie
einer guten Prise Natron vermischen. Beiseite stellen.

In einer Schüssel
150 g Kristallzucker mit
einer guten Prise Salz und
der abgeriebenen Schale von einer Orange vermischen. Mit den Fingern alles für ein paar Minütchen verkneten, der Zucker müsste sich leicht orange färben, aber vor allem herrlich duften.

100 g Butter (die NYT möchte 113),
70 g helle Misopaste und
60 ml Ahornsirup dazugeben und alles ein paar Minuten zu einer gleichmäßigen Creme aufschlagen.

2 Eier nacheinander einarbeiten, wer mag, noch
1 1/2 TL Vanilleextrakt, habe ich weggelassen. Die Mischung könnte ausflocken, einfach ignorieren.

Nun die trockenen Zutaten aus der Mehlschüssel auf einmal hinzugeben und ganz kurz unterrühren, es soll sich alles nur gut vermischen. Weitermixen und währenddessen noch
80 ml Buttermilch ebenfalls nur kurz untermischen.

Alles in die gebutterte (bei mir noch mit Backpapier ausgelegte) Kastenform geben, die Oberfläche glattstreichen und im auf 180° C vorgeheizten Ofen für 40 Minuten backen. Gucken, ob die Oberfläche nicht zu dunkel wird, notfalls locker mit Alufolie abdecken (musste ich nicht). Ab Minute 50 Stäbchenprobe machen, bei mir hat der Kuchen 60 Minuten gebraucht, aber mein Ofen spinnt gern mal rum.

Zimmerwarm abkühlen lassen, aus der Form nehmen, auf ein Gitter stellen und optional mit einer Glasur überziehen (hab ich gemacht). Dafür
1 dicken EL Aprikosenkonfitüre mit
1 weniger dicken EL Wasser aufkochen, pürieren, nochmal aufkochen und sofort mit einem Pinsel auf den Kuchen streichen. Komplett auf dem Gitter auskühlen lassen.

Tagebuch Mittwoch, 13. Oktober 2021 – Mein erster Vortrag vor Fachpublikum

Das war alles sehr inspirierend und lehr- und hilfreich und jetzt muss ich erstmal mit ein bisschen Werbung wieder runterkommen.

Ich habe mit einem von mir sehr geschätzten Kunsthistoriker über unsere gemeinsame Liebe zu Grossberg gefangirlt und auch dafür haben sich die drei Tage Doppelstress Wissenschaft/Geldverdienen gelohnt.

Tagebuch Dienstag, 12. Oktober 2021 – Konferenzrisotto

Im Zentralinstitut gewesen und vor Ort den Vorträgen gelauscht, nicht mehr per Zoom. Nach der Vormittagsschicht nach Hause geradelt, zwei Stunden speedwerbegetextet und gefühlt 80 Dokumente verschickt. Wieder ins ZI gefahren, dieses Mal per U-Bahn, den Nachmittagsvorträgen zugehört, mit anderen Kunsthistorikerinnen geredet und abends auf einen Rotwein und ein Risotto in einem kleinen Lokal um die Ecke eingekehrt. („Die Referentinnen sind eingeladen.“ Ja dann.) Spaziergang nach Hause.

Außerdem kamen die Titelvorschläge für mein Buch vom Verlag, bei dem ich sofort einen Favoriten hatte. Das sah F. genauso, sehr schön. Feedback gegeben, Klappentext etwas gekürzt. Jetzt fühlt es sich langsam wirklich an.

Heute ist der letzte Konferenztag, der nur noch bis Mittag dauert, und danach werde ich genau einen Spaziergang und ein Schüsselchen Müsli Zeit haben, um die Kunstgeschichte wieder aus dem Kopf zu klopfen, bis die Werbung mich wieder hat. Wie ich gestern F. schrieb: „Brain hurts.“

Tagebuch Montag, 11. Oktober 2021 – Schreibtischzoom

Elf Stunden mit Unterbrechungen einer kunsthistorischen Zoom-Konferenz beigewohnt. In den Unterbrechungen geworben. Nicht so wirklich empfehlenswert, was die geistige Gesundheit angeht. Kunstgeschichte und Werbung voneinander getrennt – super Sache. Beides wild durcheinander – mit verwirrten Kopfschmerzen ins Bett.

Links vom Montag, 11. Oktober 2021 – Gutes Essen

Gegessen wird, was auf den Tisch kommt

Die Staatsbibliothek Dresden hat eine hübsche Online-Ausstellung zu Wolfram Siebeck und generell dem guten Essen in Bundesrepublik und DDR eröffnet. „In der SLUB wird derzeit ein eigener Raum für die kulinarisch-gastrosophische Literatur eingerichtet.“

Die FAZ, aus der auch das Zitat eben stammt, schreibt:

„Die Online-Schau nutzt historische Fotos, Videos und Texte. Sie ist auf zugängliche Weise klar strukturiert und übersichtlich nach Themen geordnet. Zwei „Intros“, einmal zum Deutschem Küchenwunder und einmal zu Wolfram Siebeck, folgen Kapitel wie „Vorgeschichte“, „Entstehungszeit und frühe Akteure“, „Kulinarische Ästhetik“, „Neue Kochstile“, „Anfänge kulinarischer Öffentlichkeit“. Schon diese Übersicht verdeutlicht, dass es auch um die Wirkkraft des Neuen Kochens in den Siebzigern auf die Öffentlichkeit geht.

In diesem Sinne hatte auch Wolfram Siebeck seine Kritiken und Feuilletons über die Nouvelle Cuisine geschrieben: als eine neue Form von kultureller Kompetenz in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg und der NS-Zeit, die für Feinschmeckerei nicht viel übrighatte. Siebeck erklärt in einem Video aus auf seine typische kunstvoll-pointierte Art ebenso provozierend wie unterhaltsam: „Normalerweise ernährt sich der Deutsche im Sturmschritt, er kommt ins Haus gerannt, öffnet die Kühlschranktür, nimmt etwas heraus, was sich ruckzuck aufwärmen lässt, isst es ruckzuck, um bloß irgendwas anderes zu machen. Für ein gepflegtes Essen, für die Art von Esskultur, wie ich sie mir vorstelle, da lassen sich nicht so viele Leute engagieren in Deutschland. Wir anderen profitieren davon, von einem großen Angebot guter Produkte, die wir heute haben, aber die praktizierenden Feinschmecker, eine kleine Gemeinde, eine schützenswerte Minderheit.““

Hier zwei Fotos aus dem Tantris von 1971 nach der Eröffnung – die theoretisch auch heute hätten gemacht sein können; ich erwähne gern, dass die hummerrote Einrichtung unter Denkmalschutz steht.

Ebenfalls in der FAZ gelernt: Friedrich der Große brühte seinen Kaffee nicht mit Wasser, sondern mit Champagner auf. Ihr entschuldigt mich kurz.

What pretending to be a White guy taught me about privilege

Die Restaurantkritikerin Annabelle Tometich outete sich vor Kurzem als nicht der „French dude“, unter dessen Namen sie jahrelang schrieb. Der Artikel in der News-Press ist leider nur für Abonnentinnen zugängig, der Kommentar von ihr in der Washington Post hoffentlich nicht:

„I spent 15 years pretending to be a White guy.

For more than a third of my life, I wrote restaurant reviews under the pseudonym Jean Le Boeuf — as one in a long line of Le Boeufs at the News-Press in Fort Myers, Fla. The name dates to 1979 and has been handed down critic to critic. Le Boeuf could, in theory, be anyone. That was the point. But if my inbox served as indication — where emails started “Dear Sir” and “Cher Monsieur” — most readers assumed Jean was a dude. A French dude.

I liked being a French dude. Perhaps because I’m not at all a French dude. I’m a half-Filipina, half-Yugoslavian/English/Canadian woman, born one year after Le Boeuf was created in the same place he was created: a city named for a Confederate colonel. […]

When I got the job, I was overjoyed. I’d always been seen as Brown, as mixed, as never quite enough. But as Le Boeuf I could wield the ultimate power: Whiteness.

“One of the greatest underrecognized privileges of Whiteness might be the license it gives some to fail without fear,” the critic Adam Bradley recently wrote. I get it. As Le Boeuf, I was fearless.

I railed against rubbery deviled eggs and tired fusion concepts. I did so knowing no one would mansplain to me what eggs should “really” taste like or troll me with some “Stick to Chinese food!” nonsense. I told people where to eat, and they listened. This was power as I’d never known it.“

Philadelphia Pepper Pot

Ein kleiner Ausschnitt aus Jessica B. Harris’ High on the Hog: A Culinary Journey from Africa to America.

„Like many cities of the fledgling nation, Philadelphia had an African underpinning that came from the bustling port, where ships arrived daily from the Carribbean and from Africa bringing foods, goods, and slaves and giving the city a lively creole feel. The docks and seaport areas of Philadelphia and other northern maritime cities were riddled with warehouses that were Ali Baba’s caves of ingedients fresh off the boats; plantains and mangoes, while not common, were known among the well-to-do, as were pineapples, a delicacy of Carribbean origin, which became the symbol of hospitality.

Some of the more exotic ingredients would have been familiar to the ‚saltwater slaves‘. Carribbean blacks also knew their uses and no doubt demonstrated them to their mistresses. Women wandered the streets with trays selling their own version of a West African okra-based gumbo with foufou dumplings (pounded plantain or other vegetable starch) that would become renowned as Philadelphia’s pepperpot. The spicy dish, prepared from inexpensive cuts of meat and vegetables, was sold for pennies by hucksters of West Indian origin. […] It became a Philadelphia classic, and the street vendors’ cry “Pepper pot, smoking hot!” is even illustrated in the 1810 pamphlet Cries of Philadelphia. The city would be a proving ground for African Americans in food for more than three centuries.“ (S. 72/73)

Das Buch beschreibt auf den Folgeseiten die beiden schwarzen Köche auf den Landsitzen von Washington und Jefferson, Hercules und James Hemings, die auch in der Netflix-Serie vorkommen. Harris weist darauf hin, dass viele Sklaven und Sklavinnen Kochkenntnisse hatten, die manche Weiße nicht hatten, schlicht weil diese sich bisher hatten bekochen lassen. Diesen Vorteil nutzten einige ehemalige Sklaven und Sklavinnen, um Catering-Services anzubieten oder Hotels zu eröffnen, meist in den Nordstaaten oder im Westen der USA.

Mich überraschen Zahlen ja immer wieder: „During the colonial period, blacks made up 61 percent of the population of South Carolina and 31 percent of that of Georgia. But at the time of the American revolution, fewer than 10 percent of the total population of enslaved lived in the North. Their numbers, however, continued to grow in the South. […] by 1790, they made up a third of the population. […] between 1790 and 1810 the population of enslaved almost doubled.“ (S. 92/93).

Trotzdem sind die populären Bilder, die wir im von den Südstaaten im Kopf haben, nicht ganz korrekt: „Less than one quarter of white Southeners held slaves, and half of those held fewer than five. Only 1 percent of Southeners owned more than one hundred, and a miniscule numer owned more than five hundred and had the large spreads that we imagine; they lived mainly in South Carolina, Georgia, and Louisiana. […] Those realities, though, in now way mitigate the horror of enslavement. ‚Plantation‘, in most cases in the South, was just a fancy word for the farm on which slaves toiled for their masters.“ (S. 93/94)

Und auch in diesem kleineren Rahmen waren eher Schwarze für die Küche zuständig, die bei großen Plantations ein Extra-Gebäude waren. In jedem Fall beeinflussten die schwarzen Köche und Köchinnen nach und nach den Geschmack der weißen Besitzer und Besitzerinnen, sei es durch Küchentechniken, die aus den Sklavenquartieren stammten, oder durch Zutaten.

Im Gemeinschaftsblog „Encyclopedia of Greater Philadelphia“ schreibt Historikerin Theresa Altieri Taplin über die Zutaten des Pepper Pots:

„Pepper pot (also known as “pepperpot” or “pepper-pot”) came to the Philadelphia area in the mid-eighteenth century from the West Indies region of the Caribbean, at that time connected with the city through trade. A hybrid of Spanish and West African food traditions, pepper pot originated in two versions, one based in cassareep, a sweet and sour syrup derived from the bitter and poisonous cassava, and the other using callaloo, a dish made from greens that originated in West Africa. Edward “Ned” Ward (1667-1731), an English satirist who visited Jamaica in the late seventeenth century, wrote that after eating just a few spoonfuls, all he wanted was “a drop of water to cool [his] tongue.”

Most likely, enslaved Africans brought an indigenous version of pepper pot based on callaloo to Philadelphia in the mid-eighteenth century. Like many Native American, African, and European dishes, especially among the poorer classes, pepper pot was a communal dish. Dishes of this type had no specific recipe, only general guidelines to follow—meat, vegetables, and other available ingredients slowly cooked in one pot and typically eaten with bread. According to tradition the remnants from one day’s meal became the basis for the next, resulting in a dish that could last for decades or even a century.“

Im Link stecken weitere Lesehinweise sowie eine Abbildung aus dem Büchlein Cries of Philadelphia, das Harris erwähnte.

Ich habe ein Rezept von dreien aus dem Philadelphia Inquirer nachgekocht, mich aber durch viele weitere Variationen gegoogelt. Koriander habe ich eigentlich nur hier gefunden, aber da ich ihn sehr mag, fand ich das passend. Ob man die Kutteln weglassen sollte oder nicht, kann ich nicht beurteilen, ich kochte hier das erste Mal mit dieser Zutat, wie im gestrigen Blogeintrag erwähnt.

Wenn man das untenstehende Rezept viertelt, kommen drei bis vier ordentliche Portionen raus. Zur Suppe servierte ich Maisbrot mit Honigbutter, das Rezept für beides stammt von hier.

In einem großen Topf

2 mittelgroße Zwiebeln, gewürfelt,
10 Knoblauchzehen, geschält und grob gehackt, sowie
2 gelbe Paprika, gewürfelt, in
ordentlich Pflanzenöl andünsten. Die Zwiebeln sollten nicht braun werden.

700 g Rindernacken, gerne mit Fett und Knochen, sowie
900 g Kutteln (Rindermagen, gesäubert), beides in mundgerechte Stücke geschnitten, mit anbraten. Wenn das Fleisch Farbe genommen hat, alles mit
2 l Rinderbrühe ablöschen.
6 Zweige Thymian,
1 Lorbeerblatt,
1 EL Meersalz sowie
1 EL schwarze Pfefferkörner mit in die Brühe geben. Aufkochen und dann zwei Stunden bei niedriger bis mittlerer Hitze köcheln lassen. Notfalls Wasser oder Brühe nachgeben (habe ich mehrfach gemacht).

Nach zwei Stunden
4 große Kartoffeln, in mundgerechten Stücken,
2 Cups Möhren, gewürfelt,
2 Cups Kürbisstücke sowie
3 grüne Chili mit Kernen oder 2 Scotch-Bonnet-Chilis, in feinen Ringen, hinzugeben und mitkochen lassen. Wer kein Cup-Maß hat: Ich übersetze bei losen Dingen wie Kürbisstücken eine Cup immer mit „eine ordentliche Handvoll“. Weitere zwei Stunden simmern lassen.

Etwas Grünes gehört auch noch dazu: Wer mag, gibt zeitgleich mit den Kartoffeln usw. noch 3 Cups Grünkohl oder anderen Kohl hinzu. Ich habe Spinat verwendet; da dieser schnell zerfällt, habe ich ihn erst anderthalb Stunden nach den Kartoffeln in den Topf geworfen. Ebenfalls zu diesem Zeitpunkt dazugeben:
1/2 Bund frischen Koriander, grob gehackt.

Nach nun insgesamt vier Stunden Kochzeit ein bis zwei der Kartoffeln entnehmen und auf einem Teller zerquetschen. Den Brei wieder in den Topf geben und alles noch ein Stündchen kochen lassen (bei mir war es nur noch eine halbe Stunde, war auch okay). Die Suppe sollte sämig, aber noch als Brühe zu erkennen sein. Weiterhin notfalls Brühe oder Wasser nachgeben.

Für das Maisbrot
50 g Butter schmelzen, leicht abkühlen lassen und mit
250 ml Buttermilch und
1 verschlagenen Ei verrühren.

In einer zweiten Schüssel
120 g Maismehl,
150 g Weizenmehl, Type 405,
1 TL Backpulver,
1 TL Natron,
2 EL Zucker und
1/2 TL Salz vermischen.

Die flüssigen Zutaten zu den festen geben und kurz miteinander verrühren. Alles in eine gebutterte Springform (18 Zentimeter Durchmesser) geben und im auf 200° vorgeheizten Ofen für 20 bis 25 Minuten backen. Noch warm servieren, das Maisbrot hält sich leider nicht sehr lange.

Für die Honigbutter einfach
100 g zimmerwarme Butter mit
1 EL Honig cremig aufschlagen und zum Brot servieren.

Tagebuch Freitag, 8. Oktober 2021 – Mit Kutteln kochen

Normalerweise klingelt mein Wecker um 7.30 Uhr, damit ich ausgeschlafen, geduscht, entspannt, nach einem frisch gesiebträgerten Flat White und einem Blick in die Twitter-Timeline unhektisch um 9 am Schreibtisch sitzen kann. Gestern wollte ich aber morgens flugs noch zum Metzger, um eine Bestellung abzuholen. Da ich leider nicht weiß, wann meine Biokiste tagsüber geliefert wird, bleibe ich den Rest des Tages an die Wohnung gefesselt. Daher klingelte der Wecker um 7, aber ich war netterweise schon um 6.57 wach, ha!

So ging ich geduscht und entspannt und unhektisch zum Metzger nebenan und holte die Dienstag bestellten Kutteln ab. Die kamen in einer großen Menge in Plastik eingeschweißt, ich bekam meine Winzmenge von 250 g abgewogen und musste das Zeug nicht mehr säubern oder stundenlang auskochen. Theoretisch jedenfalls. Praktisch wollte das Suppenrezept, das ich ausprobieren wollte, sowieso, dass sie mit anderen herrlichen Zutaten fünf Stunden lang rumköcheln.

Ich verstaute alles erst einmal im Kühlschrank und nutzte dann später die Mittagspause, um mich den unbekannten Kutteln zu nähern, die ich, ich erwähnte es vor einigen Tagen, noch nie essen wollte. Erstmal vorsichtig dran riechen – und sofort zurückgezuckt: Die rochen wie ein Aschenbecher in einer Kneipe, in der seit 20 Jahren nicht gelüftet wurde. (Fun fact: In der Nachbarschaft der Hamburger Agentur, die mich gerade gebucht hat, war zu meinen Juniortexterinnentagen genau so eine Kneipe. Gibt es längst nicht mehr, aber den Geruch, der aus der Tür trat, wenn man zufällig dran vorbeiging, werde ich nie vergessen.)

F. schrieb auf meine Aschenbecher-DM übrigens launig zurück: „You say that like it’s a bad thing.“ Funny man.

Ich würfelte Zwiebeln, Knoblauch und eine Paprika und briet sie mit Pfefferkörnern in Öl an. Darauf kamen die mundgerecht zerteilten Kutteln sowie ein ebenso zerteiltes herrliches Entrecote. Ich hatte kurz überlegt, die Kutteln einfach zu verklappen, weil mir der Rest der Zutaten so leid tat, aber da war schon alles im Topf. Kurz angebraten, alles mit Rinderbrühe aufgegossen und dann simmerte alles für zwei Stunden vor sich hin. Der Zigarettengeruch wich langsam einer gewissen Rauchigkeit, die mich aber auch noch nicht restlos überzeugte.

Praktischerweise war die Biokiste ebenfalls in der Mittagspause gekommen, so dass ich gleich den winzigen Kürbis, der sich auch in ihr befand, zerteilen konnte. Nach zwei Stunden Kochzeit gab ich also ein paar Kartoffeln, eine Möhre, ein paar Spalten Kürbis und eine einzige grüne Chili mit Kernen dazu, nach weiteren 90 Minuten noch eine große Handvoll Spinat sowie ein halbes Bund frischen Koriander. Nachdem alles eine weitere halbe Stunde gesimmert hatte, entnahm ich wenige Kartoffelstücke, zerstampfte sie auf einem Teller und gab sie als Brei wieder in die Suppe. Das gab eine gewisse Sämigkeit, ich hatte nun ein schönes Mittelding zwischen einer Brühe mit Dingen drin und einer komplett sämigen Samtsuppe. Das gefiel mir sehr. Ich traute mich außerdem, endlich mal zu kosten, allerdings nur die Brühe: Das war ausgesprochen gut, sehr würzig und angenehm scharf.

Bevor F. zur Date Night auflief, buk ich noch Maisbrot und rührte eine schnelle Honigbutter an. Und dann gab es Philadelphia Pepper Pot Stew, über den ich vor wenigen Tagen in „High on the Hog“ gelesen hatte.

Die Suppe bringt eine sehr angenehme Grundschärfe mit – F. nannte es „hat Wumms“ –, war dabei aber eher warm-pfeffrig als chili-scharf. Da ich noch nie mit Kutteln gekocht hatte, kann ich nicht beurteilen, was genau ihr Job in der Suppe war. Viele Stücke waren zerfallen bzw. so cremig-weich gekocht, dass man sie kaum zerbeißen konnte, da waren sie schon die Speiseröhre runter. Ich weiß nicht, ob auch diese Zutat für die Sämigkeit des Ganzen gesorgt hat. Die größeren Stücke waren allerdings noch durchaus spürbar, wenn auch weit weg von bissfest, und da musste ich mich doch etwas überwinden, dieses gallertartige Zeug zu kauen. Mein übliches Meeresfrüchte-Kau-Erlebnis-Problem, denke ich. Das ist einfach eine Konsistenz, die ich mir nur bei Weingummi gefallen lasse. Geschmeckt haben die Kutteln schlicht nach dem Eintopf, in dem sie gekocht wurden.

Beim nächsten Mal, und es wird ein nächstes Mal geben, das war wirklich äußerst schmackhaft, lasse ich die Kutteln weg und gucke mal, was es mit der Suppe macht. Bis dahin verweise ich euch auf das Rezept da oben im Link sowie die spannende Stadtgeschichte dazu.

(Und sieht meine Biokiste nicht aus wie ein zufälliger Cotán? Herzaugenemoji!)

Tagebuch Donnerstag, 7. Oktober 2021 – Zupfbrot und nochmal Kevin Kühnert

Lather, rinse, repeat, arbeiten, kochen, essen, Crossword lösen, Serien gucken, lesen, schlafen. Die Doku über Kühnert habe ich jetzt durch und wiederhole meine Empfehlung von gestern.

Ich las irgendwo auf Twitter, dass die Serie zeige, wie unglamorös Politik sei und eben nicht so wie in US-amerikanischen Serien. Ich glaube nicht, dass irgendjemand geglaubt hat, im Bundeskanzleramt, im Willy-Brandt-Haus oder in Kommunalverbänden ginge es so zu wie in „The West Wing“, aber ja, falls doch, dann ist diese Serie ein gutes Gegenmittel. Ich mochte die vielen Reden, die vielen Gespräche, die Sätze, die eben mehr als pathetisches Wortgeklingel sind, sondern Ziele aufzeigen, Ideen, Veränderungswünsche. Ich mochte auch, dass Kühnert offen davon spricht, Macht besitzen zu wollen, mit der Erläuterung, dass, wenn jemand etwas bewegen möchte, er dafür eben Macht brauche, die in einer Demokratie glücklicherweise auf Zeit verteilt wäre.

Was mich bei der letzten Folge, die von der Bundestagswahl vor gerade zwei Wochen berichtet, allerdings etwas erstaunt hat, war die innerparteiliche Wahrnehmung, dass es an der tollen SPD gelegen habe, dass sie sich vor der Union platzieren konnte. Ich war bisher eher der Meinung, dass es an der unterirdischen CDU/CSU inklusive ihres unbeliebten Spitzenkandidaten gelegen habe. Aber die Wählerwanderung gibt mir nicht recht: Von bisher Unions-Wählenden entschieden sich mehr Abwander:innen für die SPD anstatt für die näherliegende FDP. Umgekehrt sieht das allerdings nicht so aus: Abtrünnige FDPler:innen gingen mehrheitlich zur Union anstatt zur SPD. Vielleicht ist aber trotzdem was dran an der These, dass der Laden sich seit zwei Jahren wirklich bemüht, nach außen geschlossen zu erscheinen bzw. zu kommunizieren, dass man durchaus unterschiedliche Strömungen – wie Kühnert vs. Scholz – unter einem Dach vereinen kann. Und dass die Partei deswegen auch wieder für unterschiedliche Vorlieben interessant wird.

Zum Abendbrot gab’s noch ein Restchen Chorizo mit einem Berg Gemüse dazu aus der Pfanne und wie in den letzten Tagen latent gezwungenermaßen Salat. Ich glaube, ich ändere meine Biokiste „Obst und Gemüse“ in „Kochgemüse“, dann muss ich keinen Salat mehr essen, aber dafür Obst dazu bestellen. Es ist kompliziert. Trotzdem ein netter Nebeneffekt von den Salaten der letzten Wochen: Ich hatte mal wieder Lust auf ein jogurtbasiertes Dressing anstatt des üblichen Essig-Öls, aber ehe ich Quatsch zusammenpantsche, fragte ich ein uraltes Jamie-Oliver-Kochbuch – ich glaube, das erste gekaufte nach dem Foodcoaching von … 2009? – und stieß auf die wunderbare Mischung Jogurt, Senf, Öl, Zitrone und Gewürze.

Zum Nachtisch gab’s Schokoladen-Zupfbrot. Hefeteig ist ja herrlich Home-Office-kompatibel: In der Mittagspause ansetzen, ruhen lassen, irgendwann in einer Teepause zum Laib formen und backen, und zum Feierabend ist es ausgekühlt und kann mit Espressoglasur bekleckert werden..

„Ted Lasso“ and the Limits of American Optimism

Wer „Ted Lasso“ noch nicht gesehen hat, möge das bitte dringend nachholen. Das Finale der zweiten Staffel landet heute auf Apple+ oder in Ihren Ecken des Interwebs, und soweit ich weiß, wird es nur noch eine dritte Staffel, aber sonst nichts mehr geben.

Ich hatte ein paar Probleme mit der zweiten Staffel, und einige werden auch im Podcast (plus Transkript) des Atlantic angesprochen, aber das hier hatte ich nicht auf dem Schirm, nicke es aber total ab:

„I think there’s something quietly genius about making this show that is about team sports not about the sport at all. The sport functions in this show so much like a metaphor, and it becomes a way for the show to talk about very fundamental questions of how the individual should act with the collective; how individuality becomes either rugged or toxic and where the lines are between those two things; what we owe to each other as individuals but also as fundamentally teammates.

Those are the questions that undergird public policy, that undergird our economic systems, our education system — everything, really. And this show is getting at them in this very quiet, subtle, but very powerful way. The show’s optimism is connected to the idea that we can never do anything on our own. We are always going to need some kind of team.

I watched the show when the mask mandates were a big debate in American culture, and people were refusing to act in any way that might be selfless. And I think, to watch a show like this, especially at a moment like that, where it was very easy to feel despair about our ability to just be human to each other—the show just felt kind of revelatory in that way.“

Es geht außerdem um den ewigen Optimismus, der in der ersten Staffel ansteckend und in der zweiten nervig war, weil er verhüllt, dass auch ein gut gelaunter Lasso Traumata mit sich herumschleppt. Der Podcast kommt kurz auf die anstrengende Prämisse zu sprechen, nach der es, gerade in der US-amerikanischen Kultur, in deiner ganz eigenen Verantwortung liegt, verdammt nochmal glücklich zu sein oder zu werden, und wie zerstörend diese Anforderung manchmal sein kann.

Ich mag an der Show, dass Fußball quasi nur das Grundrauschen ist oder eine Vorlage für schöne Witze über das Wembley Stadium, aber hier hat der Podcast sehr recht:

„The one thing that the show doesn’t get into because it’s a comedy — though it’s been getting into serious issues in Season 2 — is there is a lot of toxicity around soccer fandom. And this show gets into it a little bit. […] There is a particular violence ingrained in the culture of soccer that the show gets at a little bit with Jamie’s dad more than anything. The tribal aspect to it. The massive investment in whether a team wins or loses. That, particularly in this season, has been underplayed a lot.“

Im Transcript steckt ein Link zu Jezebel, in dem sehr gut beschrieben wird, warum die Show so gut funktioniert:

The Fantasy of a Locker Room Where Men Don’t Act Like Total Assholes

„The more Rebecca inserts herself in the locker room, the less time the audience sees locker-room antics like hazing and body shaming; a forewarning, perhaps, of what real-life locker rooms might expect if ever a woman were in a position to own a football club. This shift in behavior when the men are being watched is indicative of men’s self-awareness—they know what is and isn’t acceptable outside the closed space of the locker room. […]

Without trying too hard, the show weaves together various archetypes of masculinity and creates a perfect locker room in which they can all work together, even through the insane notion of having a woman in charge. The magic of Ted Lasso is that although it is set in the locker room, it removes some of the worst factors of the space—overt sexism, homophobia, emotional and physical abuse—and instead reimagines a space where those dark and dirty behaviors are relics of the past. These men and this locker room are more evolved than the men and locker rooms that the audience is familiar with, and that’s accomplished through the simple addition of empathy. Ted Lasso is empathetic to the struggle of each man on his team and toward Rebecca as well. This empathy that trickles down to the rest of the locker room is what sets the show on a different path than any other series that follows men into locker rooms.“

Tagebuch Mittwoch, 6. Oktober 2021 – Mandelcroissant und Kevin Kühnert

Der Herr Brantner bietet nur Mittwochs ein Croissant an, das mit Mandelcreme gefüllt ist. Ich hatte es bis letzte Woche noch nie geschafft, eins zu ergattern, entweder weil ich mir zu blöd vorkam, vor dem Laden rumzulungern, bis endlich das erste Blech aus dem Ofen an die Verkaufstheke gelangt, oder weil ich halt was anderes zu tun hatte, als vor einer Bäckerei zu warten.

Letzte Woche brachte mir aber F., der gute Mensch, eins mit, und wo ich vorher noch gedacht hatte, ja mei, ein Croissant mit Mandelcreme, was soll da schon usw., aber beim ersten Bissen wurde daraus ein OMG SO GUT!

Gestern schickte mir F. dann erneut kommentarlos ein Foto seiner Bäckereitüte, in der drei Croissants lagen, und eins davon hatte meinen Namen in seiner blätterig-knusprigen Kruste eingeschrieben. So innerlich. Ich nutzte die Mittagspause für eine kurze Tour zu F. und hob mir das kostbare Backwerk bis abends auf, denn danach bin ich nicht mehr zum Denken fähig. Es gab wie immer Müsli mit Obst zum Mittag, denn danach kann ich noch ganz hervorragend denken.

Einen Blogbeitrag fertiggestellt, der nicht in diesem Blog erscheinen wird. Ich weiß noch gar nicht, wann der veröffentlicht werden soll, ich tippe mal auf irgendwann in zwei Wochen, ich sag dann Bescheid.

Ich hatte einen kurzen Internetausfall, was nicht so dramatisch wäre, ich kann ja inzwischen lustig Hotspots mit dem Handy einrichten, wie ich es bisher im Norden immer gemacht habe, bevor dort das Internet eingezogen ist, aber wie ich jetzt weiß, kann ich dann auch nicht mehr sehen, wo mein Robotron II gesaugt hat, weil er sich halt nicht mit dem Internet verbinden kann. Ja, klar, ich könnte einfach durchs Zimmer gehen, aber als Grafik auf dem Handy ist das viel toller!

Quasi direkt nach Feierabend auf die Matte gegangen und zwei Folgen meines Sportprogramms nacheinander angeworfen. Mitten in der letzten – es waren mal wieder die Bauchmuskeln dran – klingelte mein Handy, die Agentur wollte noch was, und wo ich normalerweise alles nach 18 Uhr ignoriere, ging ich hier ran, weil ich gerade bei der Übung war, die ich von allen am wenigsten mag. Ich mache alles mit, deswegen turne ich ja, ich will ja, dass es anstrengt, aber diese eine Übung ist einfach nur in jedem beteiligten Körperteil doof. (Gerade ergoogelt: Das Ding heißt Russian Twist.)

Die verbrauchten Kalorien mit dem oben erwähnten Mandelcroissant wieder aufge- und übererfüllt und nebenbei die ersten drei Folgen der mehrteiligen Doku über Kevin Kühnert gesehen, die seit Tagen auf Twitter empfohlen wird. Zu Recht. Ich gebe die Empfehlung mal weiter.

Tagebuch Dienstag, 5. Oktober 2021 – Kistenküche

Am Montag abend war ich gerade im Bad, um mich für ein frühes Zubettgehen fertigzumachen, als ich seltsame Piepstöne hörte. Zuerst dachte ich, mein Staubsaugerroboter würde mich wieder auf irgendwas aufmerksam machen wollen – voller Auffangbehälter, leerer Akku, der generell elendige Zustand der Klimapolitik –, aber das Geräusch kam nicht aus dem Arbeitszimmer, wo er nach einem kurzen Aufenthalt in der Küche wieder steht. Erst beim Blinken aus der Bibliothek wurde mir klar: DAS FESTNETZTELEFON KLINGELT! Ich war allerdings nicht schnell genug, aber es war natürlich das Mütterchen, das schließlich als einzige meine Nummer besitzt. Dachte ich. Denn gestern morgen klingelte es wieder, und es war meine Mailbox, die mir die Nachricht des Mütterchens von vorgestern abend abspielte. Ich kann also von einem Menschen und einem Dings angerufen werden.

Ich musste gestern erst einmal ergoogeln, wie ich einstellen kann, dass die Box sich nicht schon nach dreimaligem Läuten einschaltet. Oder wie sie mir mit einem Signal anzeigt, dass jemand auf sie gesprochen hat. Oder wie ich sie abstelle, weil sie mir nicht anzeigt, dass jemand auf sie gesprochen hat und mich stattdessen anruft, was ich gar nicht will. Ich hatte vergessen, wie kompliziert Telefone sind.

Mittags einen Spaziergang gemacht, weil ich mich bewegen muss bei acht Stunden Agenturschreibtisch. Wenn ich so lange in Bibliotheken sitze, renne ich öfter durch die Gegend, um Buch 1 bis 35 in 20 Etappen an den Platz zu holen. Im Home Office hole ich höchstens mal Tee, das reicht nicht, um Rückenschmerzen vorzubeugen. Also gehe ich spazieren. (Meist zu Packstationen.)

Außerdem beim Metzger eine Zutat bestellt, die ich noch nie bestellt habe, noch nie bestellen wollte und auch noch nie essen wollte, aber das Rezept will das, also mache ich das. Freitag wird das Zeug abgeholt und muss sich sehr anstrengen, mich von sich zu überzeugen.

Das Buch High on the Hog: A Culinary Journey from Africa to America ist übrigens daran schuld, dass ich komische Dinge bestelle. Ich habe es erst zu zwei Dritteln durch, empfehle es aber schon dringend weiter. Die gleichnamige Netflix-Serie ist ein müder Schatten gegen die Faktendichte und den sehr gut lesbaren Stil des Buchs. Am Ende dieses Eintrags steht ein kurzer Ausschnitt aus der Einleitung, und bisher löst das Buch eben diese ein.

Ansonsten gab es einen Auflauf aus Resten der vorgestern genutzten Chorizo und Brokkoli (aus der Biokiste) neben dem mittäglichen Müsli, in das ich letzte Woche Honigmelone geschnipselt hatte (aus der Biokiste) und diese Woche Weintrauben (aus der Biokiste). Zum Auflauf gab es grünen Salat (aus der Biokiste) und Radicchio (aus der Biokiste) sowie Chinakohl, der auch noch von vorgestern übrig war. Einiges aus der Kiste hätte ich auch so im Haus gehabt, aber momentan freue ich mich immer wie das Klischee einer sparsamen Hausfrau aus den 1950er-Jahren, wenn ich die Biokiste leerkriege. Und ich esse Dinge, die ich sonst nicht esse wie Chorizo-Aufläufe. Und, ja, mehr Salat als sonst, schon gut.

Das Bild hatte ich Samstag schon vertwittert mit der Bemerkung: „Was versuche ich mich auch an Crosswords von 1942?“ Das Rätsel war für mich unlösbar ohne Autocheck – damit zeigt die App der NY Times gleich an, ob die Eingabe korrekt ist, weswegen die Buchstaben blau sind und nicht schwarz. Neben Clues, mit denen ich wirklich nicht gerechnet hatte – Nazi-Basen in Belgien? What the hell? – und vielen Generälen oder Flugzeugnamen, die zur Zeit des Zweiten Weltkriegs vermutlich mehr Menschen geläufig waren als uns heute, hatte ich vor allem Schwierigkeiten mit den Umschreibungen, die mir – logischerweise – sehr altmodisch vorkamen. Ich löse doch lieber Rätsel von heute, in denen ich Songtexte wiedererkenne oder TV-Charaktere oder lustige Memes.

An den Tweet hängte ich noch einen weiteren Screenshot aus der App, in dem der Chefkorrektor des NYT-Kreuzworträtsels ein bisschen zur Geschichte des Zeitvertreibs plaudert.

„While millions of Africans were brought in chains to the New World, the botanical connection to the African continent remained relatively small. The list is even smaller in the United States, where the weather did not permit the introduction of such tropical species as ackee, the oil palm, kola, true African yams [was in vielen Thanksgiving-Rezepten als „yams“ bezeichnet wird, sind Süßkartoffeln], and other tubers. The few plants that could survive – okra, watermelon, and black-eyed peas – have, however, remained emblematic of Africans and their descendants in the United States and of the region in which most of them toiled, the American South.

Okra is perhaps the best known and least understood outside African American and Southern households. Prized on the African continent as a thickener, it is the basis of many a soupy stew and is served up in sheets of the slippery mucilage that it exudes. Okra probably was first introduced into the continental United States in the early 1700s, most likely from the Caribbean, where it has a long history. Colonial Americans ate it, and by 1748 the pod was used in Philadelphia, where it is still an ingredient in some variants of the Philadelphia gumbo known as pepperpot. In 1781 Thomas Jefferson commented on it as growing in Virginia, and we know that it was certainly grown in the slave gardens of Monticello. By 1806 the plant was in relatively widespread use, and botanists spoke of several different varieties.

Our American word okra comes from the Igbo language of Nigeria, where the plant is referred to as okuru. It is the French word for okra, gombo, that resonates with the emblematic dishes of southern Louisiana known as gumbo. Although creolized and mutated, the word gumbo harks back to the Bantu languages, in which the pod is known as ochingombo or guingombo. The word clearly has an African antecedent, as do the soupy stews that it describes, which are frequently made with okra.

Watermelon has been so connected with African Americans that it is not surprising to learn that the fruit is believed to have originated on the African continent. Pictures of watermelons appear in Egyptian tomb paintings, and in southern Africa they have been used for centuries by the Khoi and San of the Kalahari. More than 90 percent water, the fruit is useful in areas where water may be unsafe, and it is also especially prized to cool folks down in hot weather.

Watermelons arrived in the continental United States fairly early on in the seventeenth century and were taken to heart and stomach rapidly as new cultivars were developed that were more suitable to the cooler weather. As with okra, watermelon has been indelibly connected to African Americans. Indeed some of the most virulent racist images of African Americans produced in the post-Civil War era involve African Americans and the fruit. […] National attitudes toward watermelon have changed, but the fruit and its stereotyped history still remain a hot-button issue for many.

[The black-eyed pea] was perhaps best known as an ingredient in the South Carolina perloo (or composed rice dish or pilaf) known as Hoppin’ John. Legumes are the among the world’s oldest crops. They have been found in Egyptian tombs and turn up in passages in the Bible. The black-eyed pea, which is actually more of a bean than a pea, was introduced into the West Indies from Central Africa in the early 1700s and journeyed from there into the Carolinas. The pea with the small black dot is considered especially lucky by many cultures in West Africa. While the pea was certainly not lucky those who were caught and sold into slavery, the memory of the luck it was supposed to bring in West Africa lingered on among the enslaved in the southern United States and the Hoppin’ John that is still consumed on New Year’s Day by black and white Southeners alike is reputed to bring good fortune to all who eat it.“

As came okra, watermelons, and black-eyed peas, so came sesame and sorghum. […] Peanuts are New World in origin, yet they remain connected in many minds with the African continent, because it is likely that they moved in general usage in the United States via the Transatlantic Slave Trade. […]

Whether in the slip of an okra in a southern Louisiana gumbo, the cooling sweetness of a slice of watermelon on a summer day, or the luck of a New Year’s black-eyed pea, the African continent is the origin of many of African American foodways. From its ingredients to its techniques and its hospitality, rituals, and ceremmonies, the continent has remained a vivid memory: one that left its mark on its displaced children in the New World.“

Jessica B. Harris: High on the Hog: A Culinary Journey from Africa to America, New York/London 2012, S. 16–19.

Pansit Cabagan

Ein weiteres Rezept aus I Am a Filipino: And This Is How We Cook. Pansit bedeutet schlicht „Nudel“; diese Gerichte sind von der chinesischen Küche beeinflusst und neben Adobos ein Grundstein der philippinischen Küche. Für mich schmeckt das Rezept wie ein wilder Ritt durch halb Asien: ein bisschen wie Ramen, nur ohne Miso, ein bisschen wie Bratnudeln, nur mit viel mehr Flüssigkeit und frisch wie viele Thai-Gerichte, nur längst nicht so scharf. Philippinisch wird es für mich durch die Mischung aus allem und den Komfortfaktor, der für mich bisher diese Art Küche am meisten auszeichnet. Oder wie F. immer so schön sagt: „It’s not pretty, but tasty.“

Beim ersten Zubereiten aß ich das ganze eher als Suppe mit wilden Einlagen (daher die Ramen-Assoziation), beim nächsten Zubereiten rührte ich etwas Stärke in die Flüssigkeit, weswegen es jetzt eher ein Nudeltopf ist. Ich mochte beides. Das Rezept reicht für vier Personen, lässt sich aber entspannt vierteln und blitzschnell in ein Feierabendgericht verwandeln. Ich habe beim Bild die Gemüsemengen nicht verändert, aber nur ein Viertel von Nudeln, Fleisch und Flüssigkeit verwendet.

Erstmal eine Runde Gemüse schneiden. Wir zerteilen
1 große Karotte in kleine Würfel,
eine kleine Handvoll Chinakohl in feine Streifen,
eine Handvoll grüne Bohnen in mundgerechte Stücke.

Alles nacheinander für wenige Minuten in kochendem Wasser blanchieren und in einer Schüssel Eiswasser abschrecken. Voneinander getrennt beiseite stellen.

Wer Lust hat, erstellt nebenbei ein bisschen Knoblauchöl: Dazu ein paar Knoblauchzehen, in feine Scheiben geschnitten, in wenigen Esslöffeln Pflanzenöl glasig dünsten. Nicht braun werden lassen. Aus dem Öl nehmen und abtropfen lassen; die kleinen Racker kann man schön als Chips oben auf das Pancit legen.

In einem großen Topf
2 EL Pflanzenöl erhitzen. Darin
225 g Longanisa hamonado (bei mir Chorizo) in Stücken für zwei Minuten anbraten, bis es anbräunt. Mit
2 l Rinderbrühe aufgießen,
2 EL Sojasauce sowie
60 ml Austernsauce dazugeben. Alles zum Kochen bringen und für ungefähr fünf Minuten simmern lassen, bis die Wurst gekocht ist. Diese dann mit einer Schaumkelle entnehmen und beiseite stellen.

Während die Brühe kocht, in einem kleinen Topf
4 Eier in Essigwasser pochieren. Meine Pochierfähigkeiten nehmen sich, siehe Bild, gerade eine kleine Auszeit, aber das flüssige Ei in der Brühe ist der Hammer.

Wer es etwas dickflüssiger mag, gibt nun
1,5 TL Stärke in die Brühe und kocht die Flüssigkeit auf, bis sie eindickt. Wer nicht, lässt sie einfach weg, dann wird das Gericht eher eine Suppe.

225 g Eiernudeln, notfalls in mundgerechte Mengen zerbrochen, in die Brühe geben und für wenige Minuten simmern lassen, bis die Nudeln gar sind.

Die Nudeln nun auf vier Schalen verteilen und mit einem guten Schwung Sauce übergießen. Jeweils ein Ei dazugeben sowie Wurst und Gemüse. Als zusätzliche Toppings
4 TL chinesischen Schnittlauch (bei mir eine Frühlingszwiebel),
eine kleine Handvoll Schweinespeck, entweder als grob zerbröselten Snack oder angebratener frischer,
4 hartgekochte Wachteleier (hab ich weggelassen),
eine kleine rote Zwiebel, fein gewürfelt, sowie die Knoblauchchips und einen Schluck des dadurch gewonnenen Öls.

Wenn die Hälfte von allem verputzt ist, den Rest der Brühe in die Schalen geben, „for a second meal“, wie das Buch es so schön beschreibt. Wie oben erwähnt: Es ist comfort food, fühlt sich aber trotzdem total gesund an, weil ordentlich Gemüse dabei ist. Generell ist mir die philippinische Küche deutlich zu fleischlastig, aber das hier war gestern am gefühlt ersten Herbsttag mit seiner Wärme und einem gewissen Fettgehalt genau das Richtige.

Was schön war, KW 39 – Pansit Cabagan, Avocado-Kresse-Brot und fünf Bier in Gesellschaft

F. brachte mir einen Gutschein für ein Kaffeepaket mit, der in einem seiner bestellten Pakete gewesen war, ich erinnere mich nicht an seinen Paketinhalt. Ich hatte zwar gerade einen Tag vorher frische Espressobohnen beim Café um die Ecke erstanden, aber bei meinem derzeitigen Konsum würde das vermutlich knappe zwei Wochen halten. Daher griff ich zum Gutschein, orderte für 30 Euro und bekam 10 geschenkt.

Ich suchte nach schokoladigem Aroma, weil damit nie was schiefgehen kann, und bestellte gnadenlos aus norddeutschen Röstereien, weil ich gerade ein bisschen Heimweh habe. Momentan ist dieser Espresso aus einer Rösterei aus Hamburg in der Tasse, und ich finde ihn ganz großartig.

Im Kaffeepaket lagen übrigens auch wieder Beileger, natürlich. Falls jemand einen 200-Euro-Gutschein für Luxusuhren brauchen kann? Ihr müsst auch nur für 6000 Euro einkaufen.

(Spaß. Ist schon im Altpapier.)

Ich hatte Brokkoli und Radicchio in der letzten Biokiste, woraus mal wieder der gute alte One-Pot wurde, nur halt mir Radicchio statt Rauke. (Und Zitrone und Chili und Knoblauch und Basilikum und Petersilie und Ottolenghi halt.) Ebenfalls sehr gut.

Das Mütterchen hat neuerdings Internet. Damit einher ging ein neuer Telefonvertrag, der ihr ein bisschen Kummer macht, denn nun funktionieren ihre ganzen Billo-Call-by-Call-Vorwahlnummern nicht mehr, mit denen sie sich vermutlich das neueste Auto zusammengespart hat. Neulich seufzte sie sehr dramatisch, dass es jetzt wirklich, also wirklich teuer ist, mich auf dem Handy anzurufen. Ich seufzte ebenfalls, erinnerte mich an meine drei Festnetznummern, die ich beim Internetvertrag 2012 hier in München mitbekommen, aber nie benutzt hatte, und bestellte ein Festnetztelefon bei Tante Telekom. Mein erstes Festnetztelefon seit ungefähr 20 Jahren. Bei dem ging ich davon aus, dass es sich vermutlich am problemlosesten an den Telekom-Router anschließen lässt.

Keine Bange, jetzt kommt keine fiese Techniktagebuchgeschichte, ganz im Gegenteil. Telefon ausgepackt, kurz an-, nicht aufgeladen, halt so, dass es lebt, auf eine Taste am Router gedrückt, auf eine am Telefon, fertig. Dann lud ich das Ding richtig auf, und dann rief ich damit mein eigenes Handy an, damit ich sehen konnte, welche Nummer ich überhaupt habe. Die gab ich ans Mütterchen weiter, das sich sehr freute. „Ach, [Schwager] meinte, ich müsste nur meinen Vertrag ändern und irgendwie zwei Euro mehr im Monat zahlen, dann hätte ich auch mehr Handyfreiminuten gehabt.“

Okay. Das hätte ich vorher wissen müssen, aber wenn man dem Mütterchen die Arbeit eines Vertragwechsels für 30 Euro ersparen kann – so teuer war das Telefon –, dann macht man das halt.

Über diese Reply zum betreffenden Tweet lache ich immer noch.

Weiter das Korrekturexemplar der Diss korrekturgelesen, Korrekturen abgenickt, so gut wie keine verworfen, aber dummerweise noch dutzende Fehler gefunden, herrgottnochmal. Das jetzige Word-Dok wurde vom Verlag schon mit lustigen Formatierungen hinterlegt – Bildtitel sind nicht nur kursiv, sondern violett, was irgendwas bedeutet, Zwischenüberschriften braun (sehr passend) usw. An denen sollte ich bitte, BITTE nichts ändern, wie mir die Projektleiterin per Mail mitteilte, sondern lieber Kommentare setzen. Das habe ich auch nur zweimal vergessen und immerhin einen Entschuldigungskommentar angebracht.

Blöderweise sind dem Verlag dabei einige Fehler unterlaufen: Einige Bildtitel sind plötzlich nicht mehr kursiv, wie von mir angelegt, oder bei bibliografischen Angaben ist zu viel oder zu wenig kursiv – Erscheinungsort bitte nicht, Ausstellungsort in Katalogtiteln schon. Deswegen guckte ich bei diesem Korrekturgang eher auf solche Dinge und las alle Fußnoten nochmal akribisch. Immer wenn mir ein Fehler auffiel, guckte ich gleichzeitig im eigenen PDF nach, das ich Ende Juli als finalfinal abgegeben hatte, um zu schauen, ob der Fehler bei mir schon drin war.

Immerhin konnte ich so befriedigt feststellen, dass die Formatierungsfehler zum allergrößten Teil vom Verlag stammen. Die anderen blöderweise alle von mir. Die schleppe ich teilweise seit 80 Fassungen mit mir rum und jetzt sehe ich es schwarz auf weiß auf lila auf braun. Hmpf.

Warum nicht, du blöde Biene?

Das philippinische Rezept dieser Woche war Pansit Cabagan, was laut meines Kochbuchs eher eine Suppe ist und kein Nudelgericht wie hier im Link. War mir egal, ich hatte keine Wachteleier und keine portugiesische Wurst, die eigentlich reinsollte, aber dafür noch ein Restchen Schweinebauch vom Pancit Malabon. Das war ganz hervorragend und wird noch verbloggt.

Der weiße Blob sollte ein pochiertes Ei werden. Wurde es aber nicht. Schmeckte trotzdem.

Eine kleine Freude: Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin fragte, ob sie zwei Blogeinträge von mir für ihr nächstes Seminar über die Geschichte der Einbauküche verwenden könne: einmal den zur Frankfurter Küche – und als Bonus einen, in dem ich beschrieb, was mir von Dozentinnenseite zu Beginn des Studiums als Ersti oder Zweiti geholfen hatte.

Ich gab natürlich mein Okay und vorfreue mich auf den Reader zum Seminar als Goodie.

Und gleich noch eine Freude: Das Vollmilchmädchen geht auch wieder an die Uni und bescheinigt mir, daran eine gewisse Teilschuld zu haben. Bei allem Gemeckere über das böse Internet und die nervenden sozialen Medien – sowas macht alles wieder wett.

Apropos soziale Medien: Ich teilte das White-Woman’s-Instagram-Video. Wegen all der vielen korrekt benannten Klischees im Video konnte ich am selben Abend leider kein Walnussbrot mit Avocado und Kresse posten, obwohl es irre lecker war. Bis aufs Brot waren die Zutaten Biokisten-Inhalt. Das war eine ganz hervorragende Idee mit der Kiste.

Und dann war ich am Donnerstag erstmals seit anderthalb Jahren außerhalb des Familienkreises mal wieder mit mehreren Menschen in einem eher dichter gedrängten Innenraum als in der Sternegastro. Das ganze nennt sich „Kneipe“ und ist ein tolles Konzept. Ich besuchte einen sogenannnten „Fußballstammtisch“, wobei wir eher über Influencen, NS-Kunst, Prag und komische Nachbarn sprachen. Okay, irgendwann über Claudio Pizarro, aber darüber breiten wir den Mantel des Schweigens.

Ich war schon länger nicht mehr bei einem #tpmuc, aber als ich nach München zog, war das meine erste größere „Clique“, hier keine ironischen Anführungszeichen wie eben. Und jetzt war es quasi der Neueinstieg in die Münchner Halbwegs-Normalität. Fuppes und Bier. Kann man machen. Sehr gerne sogar.

Gestern trafen F. und ich auch nach ewig langer Zeit unseren dritten Podcastmitstreiter mit Gattin und Nachwuchs wieder. Ich hatte nachmittags die tolle Idee gehabt, einem Tweet von NYT Cooking zu folgen und supersimple Butterkekse zu backen, von denen ich leider nicht nur drei probierte, sondern … äh … ja, mehr halt. Deswegen fühlte ich mich abends wie ein einziger Butterkloß und anstatt die U-Bahn oder das Rad zu nehmen, ging ich die gut vier Kilometer zum Treffpunkt zu Fuß. Danach fühlte ich mich wie ein Schweißhandtuch, weil ich natürlich vergessen hatte, dass mich Gehen von allen Bewegungsarten wegen des Matschfüßchens am meisten anstrengt. Und angeblich waren das nicht mal 10.000 Schritte, aber das iPhone lügt doch, das Mistding.

Ich entschuldigte mich übermäßig für die Geruchsbelästigung, ich hatte das wirklich nicht gut durchdacht, aber wir hatten einen ebenfalls netten Abend und sehr gute Burger.

Gefühlt irre viel gemacht in dieser Woche, obwohl es eigentlich nur Arbeit, Kochen und Freizeit war. Fühlt sich aber nach viel mehr an, weil es mit menschlichen Kontakten verbunden war, die ich sehr lange nicht hatte. Gerne wieder.

Was schön war, KW 38 – Viel geschrieben, viel gekocht, viel gefreut

Der Verlag schickte mein Textdok zurück, über das seit Ende Juli ein Korrektor gegangen war. Die Anmerkungen sind bezogen auf die Länge des Textbrockens im My-Bereich, wie es so schön heißt. Meine 80 Korrekturschleifen hatten also Erfolg. Trotzdem stellte ich Flüchtigkeitsfehler fest, die schon in der allerersten Textfassung drin gewesen waren und die ich anscheinend auch beim achtzigsten Lesen nicht gesehen hatte.

Da ich meiner Uralt-Word-Version nicht traute, spazierte ich Dienstagabend zu F., dessen Rechner plus Word deutlich neuer ist. Ich scrollte auf zwei Bildschirmen durch meine Diss und verglich: Das sah alles gleich aus. So spazierte ich beruhigt wieder nach Hause, nahm dutzende von Anmerkungen an – und machte selbst noch ein paar Dutzend neue (irgendwas ist ja immer). Dabei merkte ich: Ich kann meinen eigenen Text so langsam wirklich nicht mehr sehen, ich habe ihn jetzt wirklich, wirklich oft genug gelesen. Aber einmal muss ich noch, nämlich in der Druckfassung, also mit schickem Layout. Ich bin gespannt.

Ausgelesen: The Mothers von Brit Bennett. Gefiel mir sogar noch besser als ihr zweiter Roman, der im letzten Jahr überall rumgereicht wurde und den ich vor wenigen Monaten gelesen hatte. Ich verweise auf die Rezensionen im Perlentaucher zu beiden Werken in der deutschen Übersetzung, hier Die Mütter, hier Die verschwindende Hälfte.

Die junge Dame mit der Gitarre neben mir scheint ausgezogen zu sein. Ich hatte sie schon monatelang nicht mehr gehört, genau wie den klavierspielenden Studi schräg über mir. Irgendwann hing ein Zettel im Hausflur, dass Wohnungen, die gerade nicht genutzt werden, doch bitte der Verwaltung gemeldet werden sollten, damit die Bescheid weiß. Ich ahne, dass zu Hochzeiten der Pandemie einige wieder zu ihren Eltern gezogen sind – und vielleicht auch nicht wiederkommen. Jedenfalls ist seit ein paar Tagen ein neuer Name an Klingel und Wohnungstür.

Die Familie unter mir, deren eines Kind vor Monaten mit Horn angefangen hat, ist auch ausgezogen. Ich hätte gerne mal eine Harfenistin oder sowas. Ist mir erst beim Aufschreiben aufgefallen, wie musikalisch dieses Haus ist. Oder war.

Am Donnerstag gab es Miso-Spaghetti bei mir. Auf Insta wurde auf die Online-Fassung des Rezepts hingewiesen; ich hatte es aus dem Japan-Kochbuch von Stevan Paul. Schlotzigste Sauce ever, passt zu allem.

Zwei Säcke Altkleidung weggebracht. Dabei nutzte ich lieber nochmal die Website der AWM, um nach Standorten von Containern zu gucken. Ich wusste, dass einer immer vor dem Karstadt am Nordbad gestanden hatte, das war der von mir nächste. Aber nicht nur der Karstadt wurde letztes Jahr geschlossen, sondern gleich das ganze Gebäude abgerissen. Ich ahnte, dass vor der eingezäunten Baustelle, an der der Radweg schmal vorbeigeführt wird, vermutlich kein Container mehr stehen würde.

Aber auch der zweite mir bekannte Container, in den ich schon mal etwas geworfen hatte, wurde auf der Website nicht mehr angezeigt. Der nun zu mir nächste war mir völlig unbekannt, obwohl ich auf dem Rückweg vom ZI eigentlich dauernd an ihm vorbeikommen müsste. Todesmutig die zwei Säcke in den Gepäckträger gestopft, wackelig zur angebenen Adresse geradelt – und tatsächlich. Ich Blindfisch hatte diese Container-Insel nie wahrgenommen, vermutlich weil ich sie noch nie benutzt hatte.

Am Freitag kam meine erste Biokiste an die Wohnungstür. Ich hatte mich ewig gegen Kisten gesträubt, weil ich aus alten Diät-Zeiten die Idee eines festen Speiseplans ganz fürchterlich fand. Und so eine Kiste zwingt mich ja dazu, schlimme Dinge zu essen. Also Bio-Äpfel. Oder Karotten. Oder Brokkoli. Alles grauenhaft, esse ich ja nie. … Als mir auffiel, dass ich in der Biokiste genau das kriegen würde, was ich eh seit Jahren gerne und dauernd esse und über dessen Edeka-Qualität ich seit Jahren meckere, klickte ich auf die Isarland-Website, denn für die wirbt Tohru Nakamura und der Mann kann mir alles verkaufen. Jetzt also auch Biokisten.

Man kann die Kiste natürlich anpassen, aber ich nahm mal das, was Isarland mir vorschlug; anscheinend sind vorgegebene Zutaten inzwischen in meinem Kopf eine Herausforderung und kein Zwang mehr. Das war schön, das zu merken. Daher hatte ich Freitag zwei Süßkartoffeln, die ich das letzte Mal vor ungefähr zehn Jahren verarbeitet hatte. Ich ergoogelte mir tolle Rezepte, dachte über Waffeln, Rösti und wilde Pfannen nach, aber es wurden dann die geistig naheliegenden Ofenpommes, weil Pommes immer gehen. Und weil ich am Tag zuvor im Asialaden endlich Gochujang entdeckt hatte, das ich auch schon länger probieren wollte. Daher: Süßkartoffelpommes mit Gochujang-Mayonnaise (aka einen Klecks Kewpie mit einem Klecks Chilipaste). Dazu Deko-Kresse, die auch in der Kiste war, weil der Teller sonst arg monochromatisch geworden wäre.

Nach einer arbeitsreichen Woche war gestern stundenlanges Entspannungskochen angesagt, als Kontrast zum fixen Feierabendkochen. F. hatte sich ein Gericht gewünscht, an das er Kindheitserinnerungen hat: Pansit Malabon. Pansits sind in der philippinischen Küche Nudelgerichte mit chinesischem Hintergrund. Generell ist die philippinische Küche eine mit vielen Einflüssen: spanische und US-amerikanische wegen der Kolonialgeschichte sowie natürlich die Küchen der Nachbarländer. „Pansit“ bedeutet schlicht „Nudel“ (in Tagalog, glaube ich). Der Begriff, der nach dem Wort Pansit kommt, definiert das Gericht genauer.

In meinem philippinischen Kochbuch steht als erstes Pansit Palabok, wobei Palabok die Sauce aus Garnelenschalen, Annatto-Samen und Stärke meint. Genau diese Sauce brauchte ich auch für Pansit Malabon, das seinen Namen von einem Stadtteil Manilas hat, der in der Nähe des Meers liegt. Deswegen spielen hier Zutaten wie Meeresfrüchte die Hauptrolle. Anders gesagt: Zutaten, mit denen ich nie koche.

Aber: Challenge accepted! Ich radelte morgens zum Frischeparadies, das ich aus Hamburg kannte bzw. dessen irre Auswahl an Meeresfrüchten und Frischfisch. Die Theke in München war deutlich überschaubarer, aber ich ahne, dass das eventuell daran liegen könnte, dass sie nicht in einer Hafenstadt steht. Ich entschied mich für Crevetten statt Riesengarnelen (die waren arg riesig) sowie einen Kalmar, den ich zu Ringen verarbeiten wollte. Auf weitere lustige Dinge wie Austern und Muscheln verzichtete ich dankend. Mein Rezept war dieses hier – ich hatte schlicht gegoogelt und mir auf YouTube die Arbeitsschritte angeschaut und mich dann für eins der vielen Rezepte für diesen philippinischen Klassiker entschieden, die da draußen so rumliegen.

Auch wie man Garnelen aus der Schale bekommen und den Kalmar von seinen Tentakeln befreit, konnte mir YouTube beibringen. Vielen Dank, Internet! Aus den Schalen und den Köpfen der Crevetten kochte ich mit Shrimp Paste aus dem Asialaden, Lorbeerblättern, Annatto-Samen, Pfefferkörnern, Zitronensaft, Fischsauce, Knoblauch und Zwiebeln eine herrliche Suppe, aus der ich abends mithilfe einer Mehlschwitze eine dicke Sauce machte. Das Online-Rezept wollte Stärke, das Palabok-Rezept Mehlschwitze, was es dann wurde, denn gegen Butter ist nie etwas einzuwenden.

Ansonsten briet ich Schweinebauch knusprig, schnitt Frühlingszwiebeln klein, kochte Eier hart, blanchierte Chinakohl, viertelte Zitronen, zermalmte Schweinespeck in Snackform (auch schon ewig nicht mehr gegessen, gab’s als dänische Packung im Asialaden), kochte chinesische Nudeln, briet zum Schluss Kalmarringe und Crevetten in Knoblauch und Öl an und bastelte schließlich eine Platte für zwei.

Nur um nach fünf Bissen zu merken, dass Meeresfrüchte und ich wirklich keine Freunde sind. Mir blutete das Herz, aber ich kann nach eben diesen fünf Bissen nicht mehr weiteressen. Ich hadere mit der Konsistenz von Meeresfrüchten und der Geschmack ist für mich immer ganz kurz vor eklig. Ich weiß nicht, ob man sich an die Viecher ranessen kann wie man sich an stinkenden Käse und scharfe Gerichte ranessen kann, aber ich werde das versuchen. Ich hatte nämlich sehr viel Spaß an der Zubereitung und konnte mich darüber freuen, neue Küchentechniken zu lernen. Davon habe ich aber wenig, wenn ich das fertige Gericht dann nicht mag. Seufz.

Aber F. hat sich gefreut und es hat ihm geschmeckt. Ich gebe Crevetten noch eine Chance mit noch mehr Knoblauch und Olivenöl, viel Petersilie und Zitrone drüber und Weißbrot dazu. Vielleicht mag ich hier schlicht die Mittelmeerart lieber und kann die Konsistenz ignorieren. Ich ahne zwar, dass dem nicht so sein wird, aber so ganz habe ich noch nicht aufgegeben.