Donnerstag, 24. November 2022 – Schnittlauch

Ich erwischte genau den Regenguss am Vormittag, um in die Stadt zu fahren, wie es so schön heißt, auch wenn man mitten in der Stadt wohnt. Beim Douglas lag ein bisschen Kosmetik für mich, das ich dorthin bestellt hatte, ich brauchte noch Backzutaten und einige wenige Dinge für das erste Rezept aus Tohrus Kochbuch, das ich ausprobieren wollte. In der Lebensmittelabteilung im Untergeschoss der Galeria (Kaufhof) am Marienplatz fand ich fast alles, aber unglaublicherweise keine Rosinen und keinen Schnittlauch, also eher Zutaten, die ich wirklich überall erwarte.

Der Regen hatte aufgehört, ich ging zum Stachus, wo ich im Untergeschoss neben dem Asiamarkt auch noch Lebensmittel wähnte, aber: Fast die komplette Ladenfläche des ehemaligen Karstadts ist leer, nur im hinteren Drittel gibt es Asiatisches. Ein sehr seltsames Einkaufsgefühl, aber auch ruhig – und so großzügig, dass ich mich traute, die Maske abzunehmen, denn die Aufschriften auf den Lebensmitteln in diversen asiatischen Sprachen kann ich nicht lesen, daher brauche die winzigen Extraschildchen, auf denen mindestens auf Englisch steht, was ich da vor mir habe, was mit beschlagener Brille durch die Maske manchmal schwierig ist. Bei Nudeln war es nicht nötig, aber bei den Goodies aus der Snack-Ecke musste ich nachlesen. Okay, eigentlich habe ich nach Packungshübschheit gekauft. Avocado-Senf-Chips waren sehr gut, die Energieriegel mit Kürbisgeschmack nicht ganz so mein Ding. But pretty!

Im Bild steckt auch eine Kindheitserinnerung (nicht im Asiamarkt erworben). Ich hatte zufällig Weißbrot im Haus und musste an die Brötchen denken, die uns Omi früher immer mit eszet-Schnitten belegt hatte, daher griff ich zu. Schmeckten genauso gut wie damals. Das hat mich gefreut.

Im fast leeren Raum stand ein Hinweis, dass man weiterhin Lebensmittel im Karstadt am Bahnhof bekäme, also ging ich in der unterirdischen Passage einfach weiter – nur um festzustellen, dass „Lebensmittel“ dort inzwischen „Weihnachtsschokolade“ bedeutet. Ein letzter Weg führte mich zum Rewe am Bahnhof, wo ich immerhin Rosinen bekam, aber auch dort: kein Schnittlauch. Dann wird das Gericht mit einem Hauch Schalotte leben müssen, Herrgottnochmal.

Mit der U-Bahn ging es zurück nach Hause, wo ich mir noch einen Adventskranz von der Lieblingsblumenhändlerin mitnahm. Sie hat sogar einen Insta-Account, wie mir das Einwickelpapier verriet.

Nachmittags gearbeitet, einen Termin im Staatsarchiv für nächste Woche ausgemacht (YAY!), in der Wohnung rumgepuschelt, mit Mama telefoniert, die sich einen Kurzurlaub mit ihren Schachfreunden an der Ostsee gönnt, was mich sehr freut. Tee getrunken, „Atlanta“ zuende geschaut, „Die Ladenhüterin“ ausgelesen. Ich werde jetzt alles von Sayaka Murata kaufen, was es deutschsprachig zu erwerben gibt. Ebenso werde ich alles weitere neben „The Memory Police“ von Yoko Ogawa kaufen, denn auch deren Geschichte und Stil (bzw. den der Übersetzung) hat mir sehr gut gefallen. Vielleicht sollte ich Japan leerlesen – wobei ich bis heute nicht durch den einzigen Murakami gekommen bin, der hier rumsteht. Vielleicht sollte ich das weibliche Japan leerlesen.

Mittwoch, 23. November 2022 – Bunt

Morgens den ersten Stollen der Saison angesetzt und mich dabei, wie in den letzten Tagen öfter, über mein Küchenmaschinchen gefreut. Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, keins zu haben. Ein guter Kauf. Das beruhigt bei dem Preis dann ja doch.

Als der Teig ging, schlenderte ich in die Buchhandlung um die Ecke, wo mal wieder ein kleiner Stapel für mich bereitlag.

Eigentlich wollte ich spontan das Buch „Das Seidenraupenzimmer“ von der gestern verlinkten Sayaka Murata mitnehmen, das war aber leider nicht da. Also fragte ich nach anderen japanischen Autorinnen, blieb dann aber bei einem koreanischen Autor hängen, weil mir das Titelbild des Buchs so gefiel. Keine Ahnung, worum es geht, einfach mitgenommen. Eben beim Aufschreiben fiel mir auf, dass ein guter Geist meinem Wunsch von gestern nachgekommen ist, den von mir eingefügten letzten Buchtitel der Autorin in der Wikipedia-Liste vernünftig zu formatieren, daran war ich nämlich gescheitert. DANKE! Das Internet kann so nett sein.


Von Mario Lars, hatte irgendwer auf Twitter gepostet.

Stollen fertig gebacken und endlich mal gefrühstückt. Quasi zum Anpfiff der deutschen Mannschaft, deren Spiel ich nebenbei laufen ließ, während ich das NYT-Crossword löste und im Internet rumhing. Beim Endstand gemerkt, wie egal mir dieser ist. Vielleicht war das das letzte Spiel der WM, das ich ganz gesehen habe. Passt schon.

Abends dann mit zwei äußerst netten Menschen, einer davon war F., in der Bar Tantris versackt. Als der Barkeeper uns nach jeweils drei herrlichen Cocktails und einem kleinen Imbiss an der Garderobe in die Mäntel half, kam eine Servicekraft aus dem Restaurant mit ihren zwei Gästen ebenfalls an die Garderobe. Sie erkannte F. und mich und meinte launig: „Ach, auch mal wieder hier?“ (Wir waren genau ein einziges Mal in diesem Jahr im Restaurant gewesen und ein weiteres Mal in der Bar.) Ich so: „Ja, wir hatten Sehnsucht nach der Bar.“ Sie so: „Aber nächstes Mal wieder bei uns, gell?“ Diese kleine Geste freut mich bis heute morgen. Genau wie ich noch von der Gesellschaft und den Gesprächen zehre. Das war schön. Man sollte öfter mittwochs was trinken gehen. Wie sagte Charles Schumann so treffend: „Am Wochenende trinken nur die Amateure.“ (Bin mir nach der Lektüre seines Wiki-Eintrags nicht mehr so sicher, wie charmant ich den Herrn finden soll. Knurr.)

„Einmal, als ich noch im Kindergarten war, fand ich im Park einen toten Vogel. Er war sehr hübsch und hatte ein blaues Gefieder, vermutlich ein entflohenes Haustier.
Alle Kinder umringten ihn, und einige weinten. Der Hals des kleinen Vogels war verdreht, und seine Augen waren geschlossen.
‚Was sollen wir mit ihm machen?‘, fragte ein Mädchen.
Hastig nahm ich den kleinen Vogel an mich und lief zu meiner Mutter, die auf einer Bank mit anderen Müttern plauderte.
‚Keiko, was ist denn? Ach, ein Vögelchen … Es ist wohl jemandem davongeflogen. Das Ärmste! Wollen wir es begraben?‘, sagte sie und strich mir dabei liebevoll übers Haar.
‚Lieber essen‘, sagte ich.
‚Wie bitte?‘
‚Papa mag doch Hähnchenspieße so gern. Wir können den kleinen Vogel heute Abend braten‘, erklärte ich noch einmal deutlicher, weil ich glaube, sie habe mich nicht verstanden. Meine Mutter wirkte bestürzt, und auch die anderen Mütter rissen entgeistert Augen und Mund auf. Aber weil sie so auf meine Hand starrten, dachte ich, ein einzelner Vogel wäre wahrscheinlich nicht genug.
‚Soll ich noch mehr holen?‘ Mein Blick huschte zu ein paar in der Nähe herumhüpfenden Spatzen, woraufhin meine Mutter endlich ihre Fassung zurückgewann.
‚Keiko!‘, rief sie vorwurfsvoll. ‚Wir machen jetzt ein Grab für den kleinen Vogel. Guck mal, alle weinen. Ein Freund ist gestorben, das ist doch traurig. Tut dir der kleine Vogel nicht leid?‘
‚Wieso? Der ist doch tot.‘
Meiner Mutter fehlten die Worte. […]
‚Sieh doch mal, so ein niedliches kleines Vögelchen, meinst du nicht?‘, redete meiner Mutter mir zu. ‚Wir begraben es dort drüben, und ihr legt Blumen auf sein Grab, ja?‘
Letztendlich geschah es so, aber verstehen konnte ich es nicht. Die anderen Kinder standen um das Grab herum und jammerten, wie leid ihnen der kleine Vogel tue. Anschließend rissen sie überall Blumen aus, die dann auch tot waren. ‚So schöne Blumen. Bestimmt freut sich der kleine Vogel‘, sagten sie, und ich fragte mich, ob sie vielleicht den Verstand verloren hatten.“

Sayaka Murata (Ursula Gräfe, Übers.): „Die Ladenhüterin“, Berlin 2022, S. 9–11. Von Murata las ich bereits mit großem Vergnügen ihre Kurzgeschichtensammlung „Zeremonie des Lebens“, die ich euch nochmal ans Herz lege.

Und vielleicht könnte jemand in Muratas Wiki-Eintrag eben diese Sammlung richtig formatieren? Das habe ich leider nicht hinbekommen. Blöde Aufzählungszeichen. DANKE! (Hach, Internet!)

Montag, 21. November 2022 – Zweiter Backtag

Der Croissantteig von gestern wurde abends gegen 21 Uhr noch ausgerollt und auf dem Blech in den Kühlschrank verfrachtet, wo er die ganze Nacht vor sich hinruhte. Morgens ließ ich ihn erst Zimmertemperatur annehmen, während ich Kaffee trank und bloggte. Dann begradigte ich seine Kanten und schnitt zehn längliche Dreiecke aus, die ich zu halbwegs formschönen Croissants zusammenrollte, was ich natürlich vergaß zu fotografieren. Sechs passten auf ein Blech, auf ein etwas kleineres kamen nochmal vier plus ein Stück Teigrand, das ich schlicht um sich selbst und dann zu einem Kreis eindrehte und dick mit Zucker bestreute. In meine Muffinform kamen dann noch vier Pseudo-Brioche-Feuilletées, also Teigreste, die ich dreiteilte und zu einem Ring aufrollte. Im ausgeschalteten Ofen wartete bereits eine tiefe Pfanne mit kochendem Wasser, die dort schön für Feuchtigkeit sorgte, ich schob die Bleche hinein, schloss die Tür und machte mich zu einem Kundentermin auf.

Nach dem Termin kaufte ich vernünftige Schuhe, die mich warm halten und auf denen ich nicht ausrutsche und in die ich vor allem mit meinem blöden Klumpfuß reinkomme, das ist nämlich leider immer das Hauptproblem mit einem Fuß, dessen Nerven nicht mehr funktionieren und dem ich nicht beibringen kann, wie er sich wo hinwinden muss, um eine Stiefelette anzuziehen. Also habe ich jetzt Seniorinnen-Schuhe mit Klettverschluss für den Winter, aber ich habe auch lange Hosen, die quasi komplett drübergehen.

Ich kann dieses Geschäft echt empfehlen – ja, das meiste ist orthopädisch empfehlenswert und damit eher unschick, aber die Verkäuferinnen machen einen hervorragenden Job. Oma Gröner out.

Wieder zuhause durften die Croissants nochmal in den Kühlschrank, während der Ofen vorheizte. Ich ahne, dass sie einen Hauch zu lange gegangen sind, sie kamen mir etwas zu flach vor, aber das konnte ich nicht ändern. Ich bestrich sie liebevoll mit Eigelb und Milch (keine Lust, für einen Esslöffel die Sahne zu öffnen), schob das erste Blech rein, drehte es brav nach der Hälfte der Backzeit und zog nach einer halben Stunde diese Pracht aus dem Ofen.


Vom zweiten Blech zog ich dann den Knusperkranz, der genau das tat: knuspern. Diese Schichten! Ich wollte eine Art Fujisan-Bread imitieren, aber dafür war es zu flach, das heißt, es war nur knusprig und nicht fluffig. War mir aber auch recht.

Auch innen waren die Croissants ganz hervorragend. Ich genoss einen und ein paar Reste, alles andere landete im Tiefkühler und wartet auf kitschige Pärchenfrühstücke, für die keiner aus dem Haus will.

Das Rezept müsste frei verfügbar sein; ich habe als Abonnentin zehn Frei-Rezepte und das hier verteile ich mal wild. Ja, dauert ewig, lohnt sich aber. Wobei gekaufte Croissants natürlich genauso super sind. Ich wollte nur mal wissen, ob man die in wirklich guter Qualität auch zuhause hinkriegt. Ja, geht. Zur Bäckerin zu schlendern, ist aber einfacher, schneller und wenn ich meine Stundenarbeitszeit anlege, auch deutlich günstiger.

Mit dem Backen war der Tag fast rum. Rest war Arbeit und Twitter und ja, ich warf ein paar kurze Blicke nach Qatar, so, jetzt ist es raus. Ich behaupte, immerhin die walisischen Fans dürften größtenteils echt und nicht eingekauft gewesen sein, so inbrünstig wie die Hymne geschmettert wurde. Das klang fast wie ein Rugby-Stadion.

Abends im Bett las ich John Williams’ „Butcher’s Crossing“ aus, das mich irritierend lange wachhielt. Eigentlich dachte ich, ich könnte aus einer Story über vier Kerle auf Büffeljagd nicht viel mitnehmen, aber mein Hirn sah das anscheinend anders.

Sonntag, 20. November 2022 – Backtag

Weil Sonntag. Daher Backtag. Ihr kennt das. Ich begann den langwierigen Prozess des Croissantsbackens, der erst heute mittag sein Ende finden wird dank ewig langer Teigruhezeiten. Dieses Mal wagte ich mich an das Rezept der NYT, hier auf YouTube in ganzer Schönheit zu sehen. Wie auch bei meinem alten, weniger zeitaufwendigen Rezept merkte ich erneut: Es gibt kaum eine befriedigerende Tätigkeit beim Backen, als Butter in ein gefaltetes Backpapierviereck bis in die letzte Ecke auszurollen. Very ASMR. Ebenfalls sehr befriedigend und beglückend: mein Küchenmaschinchen, das einen gar herrlichen Hefeteig produzierte, ohne dass mir die Unterarme wehtaten vom ewig langen Mixerhalten.

Ansonsten ein bisschen umgeräumt und plötzlich zwei Regalfächer zur freien Verfügung gehabt, in denen jetzt gerade … gar nichts steht, weil ich noch nicht weiß, was da eigentlich hin soll. Das ist ungewohnt.

Auf dem Sofa gelesen, vor Netflix versackt, Kerzen angezündet, eine TK-Pizza gegessen und genossen, weil absolut kochfaul. Vergessen, das Mütterchen anzurufen, weil ich so grundentspannt und dösig war.

Zum Abschluss des Tags einen Tawny Port aus geschätzt 100 Jahre alten Gläsern genossen. Ein guter Tag.

Trois Etoiles ist eins meiner Lieblingsblogs, wenn es um Sterneküche geht. Der Herr war vor Kurzem im Alois und sein Blogeintrag ist etwas ausführlicher als meiner.

Herr Levit ist jetzt auf Mastodon, wie er per Insta verkündete: @igorpianist@mastodon.world. (Ich kapiere das Verlinken von Mastodon-Accounts noch nicht so recht, mal geht’s, mal geht’s nicht, bitte einfach selber copypasten oder nach dem Herrn auf Ihrer Instanz suchen.)

Samstag, 19. November 2022 – Eisdielenausklang

Gemeinsam ausgeschlafen. Den Freitag gebackenen Cannoli Cake haben wir doch nicht angeschnitten, trotz allem Ärger über den Freitagabend waren wir immer noch satt. Daher gab’s nur einen Espresso zum kombinierten Frühstück und Mittag – aus den neuen Espressotassen, an denen ich dann doch nicht vorbeigehen konnte.

Gegen 14 Uhr trafen wir uns in der Alten Pinakothek wieder, um gemeinsam durch die neue Hängung zu bummeln, was wir bisher nur getrennt voneinander erledigt hatten. Wir erzählten uns gegenseitig, was gefiel und was uns ratlos zurückließ und vermissten weiterhin winzige, kleine, mit zwei lausigen Sätzchen beschrieben Täfelchen, auf denen die Kuratierenden uns erklärten, warum jetzt was wo hängt.


Wieder mal die Bäume von Altdorfer bewundert und den Hl. Georg ignoriert.

Danach ließen wir die Eisdielensaison im Ballabeni ausklingen, ich genoss Milchcreme, Zabaione und einen Probierlöffel Pistazie. Vor mir in der kurzen Schlange standen drei Kinder, die total professionell orderten: „Eine Kugel in der Waffel, rote Früchte, und zum Probieren Schokolade-Ingwer.“

Ich guckte, ob der Allesladen Suckfüll noch geöffnet war, denn ich hätte gerne einen neuen Duschkopf, nachdem ich seit vier Jahren versuche, den von meiner Vormieterin genutzten zu entkalken, aber der Shop war schon geschlossen. Gut, dass er in der Gegenrichtung vom Motel a Miio lag, sonst hätte ich da noch mehr Geschirr eingekauft, das ich gar nicht brauche. (Das mich aber verlässlich glücklich macht. Learnings der letzten 20 Jahre: Bücher und Geschirr gehen immer.)

Zuhause Reste aufgewärmt, Tee gekocht, Kerzen angezündet und unter der Kuscheldecke auf dem Sofa versackt, gelesen, Serien weggebingt, früh schlafen gegangen. Jedenfalls war das der Plan, hing dann doch wieder ewig vor Aufräumvideos auf TikTok. Immerhin noch zwei Seiten Lektüre zum Runterkommen geschafft. Noch ein Learning: nach dem Handy noch ein Buch in die Hand nehmen, dann schlafe ich besser.

Freitag, 18. November 2022 – Kein guter Abend

F. und ich waren gestern mal wieder Sterneessen – oder „wird im nächsten Jahr wohl Sterne haben“-Essen –, aber das hat sich leider so gar nicht danach angefühlt. Das Essen war gut, sehr gut, teilweise großartig, aber an viele Gänge werde ich mich nicht erinnern, weil die Gesamtstimmung des Abends überhaupt nicht passte. Man fühlte sich nicht so umsorgt und aufgehoben wie in den anderen Läden dieser Preisklasse, von denen wir in diesem Jahr einige ausprobierten und immer noch von vielen schwärmen. Gestern wurden wir bedient, aber nicht betreut, durchaus freundlich, aber nicht unbedingt interessiert an uns oder wie wir das Essen oder die Weine fanden. Der Sommelier ließ sich genau einmal am Abend bei uns blicken, aber nur, um einen Teller abzuräumen. Die Person, die uns Wein einschenkte, las quasi das Etikett vor, aber ich erfuhr nie, warum jetzt genau dieser Wein die Empfehlung zum nächten Gang war. Es fühlte sich alles wie pflichtschuldig nett an, und dass sich das in anderen Läden eben genau so NICHT anfühlt, ist mir erst gestern klargeworden.

Wie mir auch klargeworden ist, dass die Küche natürlich das meiste dazu beiträgt, ob man in ein Restaurant noch mal gehen möchte, aber dass die Personen im Gastraum fast genauso viel dazu tun müssen, damit ich nach dem Essen mit dem Gefühl nach Hause gehe, wow, das war ein richtig guter Abend, lass uns das bald nochmal machen. Gestern wollte ich nach ungefähr der Hälfte des Menüs nach Hause, auch weil die Pausen zwischen den Gängen unglaublich lang waren. Dazu kam, dass wir an einem Tisch saßen, der meiner Meinung nach ein Nachgedanke war: Ach guck, da passt noch einer hin. Man hatte keine wirklich guten Blickachsen geschweige denn interessante Ausblicke, die ich durchaus zu schätzen weiß. Ich persönlich guckte den ganzen Abend auf die Abstellfläche für abgeräumte Weingläser, was nicht unbedingt eine hochklassige Atmosphäre verbreitete. Ja, Meckern auf hohem Niveau, aber wie F. schon meinte: Nach so vielen großartigen Abenden in dieser Art Restaurant musste wohl mal eins kommen, aus dem wir enttäuscht rausgehen. Schade, dass es ausgerechnet das gestern war, denn darauf hatten wir uns sehr lange gefreut.

Donnerstag, 17. November 2022 – Kein Tagebucheintrag

Twitter war heute nacht kurz vor dem Exitus, wenn man dem Down-Monitor glauben darf. Auch in meiner Timeline hörte ich ab und zu Dinge wie „Meine Replys gehen nicht mehr“ oder ähnliches. Musks dusseligste E-Mail bisher an die Angestellten – mehr arbeiten, weniger schlafen, hört ihr die Peitsche knallen – führte dazu, dass auch der Großteil der bisher nicht Gekündigten jetzt von sich aus sagten, na gut, das war’s dann mit mir und diesem Laden. Ein spontaner Crash & Burn wird es aber wohl nicht werden, wie „The Atlantic“ meint:

„Musk seems to have picked the worst time possible for his ultimatum: On Sunday, the 2022 FIFA World Cup kicks off, an event that, according to the former Twitter employees, historically produces the site’s highest global traffic. All three individuals I spoke with said the World Cup is a major stress test for the platform in the best of circumstances, requiring careful coordination from the site-reliability-engineering team to ensure that crucial services stay up.

I initially wanted to write about how Twitter might be quickly snuffed out. But most people with any understanding of how the platform works say Twitter is unlikely to just cough, sputter, and go dark forever. Those I spoke with all described a slow rot of systems that get more load than expected and “just fail silently,” as one recent employee put it. “And then other services are just waiting for those to respond [and] you start to see things just not work.” That former employee described what was happening to Twitter as similar to plaque building up inside a person’s arteries for years before a heart attack.“

Bisher dachte ich, dass der Dienst schon irgendwie weiterlaufen wird, weil ich gerne vergessen, dass hinter jedem Dienst Menschen stecken, die dafür sorgen, dass dieser Dienst funktioniert. Momentan befasse ich mich daher erstmals mit der Möglichkeit, dass Twitter in nicht allzu ferner Zukunft nicht mehr da sein wird – oder nicht mehr der Dienst sein wird, der mir launiges Geplapper, gemeinsames ESC-Gucken und visuelle Stimulation durch dutzende von ArtBots beschert. Diese zwei Tweets fassen ganz gut zusammen, wie seltsam die Gemeinschaft ist, die man sich in Jahren zusammengefolgt hat:

„There are too many people I’m like… we’re not close enough to dm or know where to find each other off platform but I’d feel the emptiness of not getting to passively follow their lives when Twitter dies. That’s gonna suck.“

„Was trying to explain this to my husb & he doesn’t get it. He’s like why don’t you just message people & exchange info & I’m like bro it’s hundreds of people that I have a weird relationship with that I’m not close enough to DM but get sad when I think of never seeing them again.“

Noch sage ich nicht Auf Wiedersehen, aber innerlich wimmere ich schon ein bisschen.

Vielleicht wird das Blog wieder das, womit es im Juli 2002 angefangen hat: eine Sammlung von Dingen, die mir auffallen, Sätze, die ich spannend finde, Fotos, über die ich stolpere und die ich teilen will. Also all das, was irgendwann auf Twitter landete, weil man nicht so viele Worte dafür brauchte.

Mittwoch, 16. November 2022 – Produkthinweise

Gestern begann bei Motel a Miio der Black Sale, also der vergünstigte Verkauf, auf den ich persönlich gerade dringend bei Kitchen Aid warte und hoffe und dafür bete. Von Motel a Miio besitze ich inzwischen sechs Teller, die ersten vier, zwei flache graue, zwei tiefe dunkelblaue, kaufte ich mir vor knapp fünf Jahren, nachdem ich sie ein Jahr lang bewundert hatte, im Februar diesen Jahres kamen dann noch zwei grüne Pastateller hinzu, aus denen ich noch nie Pasta gegessen habe, aber dafür jedes einzelne Curry in diesem Jahr, siehe Instagram, wo quasi nur diese Teller zu sehen sind. Und weil ich sie so liebe, wollte ich sie noch in einer anderen Farbe haben.

Ich musste dafür nicht mal online ordern, sondern nur ein bisschen zu Fuß gehen. Eigentlich wollte ich die rosefarbenen sowie die fast schwarzen haben, aber die ersten sahen doof aus und die zweiten gab es nicht in diesem Store und für einen zweiten hatte ich keine Zeit mehr. Also wurden es Teller in hellblau, die ich wunderschön fand.

Sie sehen allerdings auf Insta genauso wie die grünen aus.

Oben im Bild zu sehen sind noch sechs kleine Dip-Schälchen in zwei Stilen und Farben, da habe ich mir einen kleinen Spontan-Haul gegönnt. Gerade beim Curry-Kochen bereite ich so viele einzelne Zutaten vor, die in meinen uralten Glasschüsselchen liegen oder in Dip-Schalen von Butlers oder ähnlichen Einrichteläden. Die hier sind deutlich schöner und ich habe sie gestern schon freudig beim Kochen benutzt.

Die Tasche gab’s gratis dazu.

Wo wir gerade bei Produktempfehlungen sind (der Kram hier ist übrigens selbst bezahlt). Als ich im Sommer begann, meine vertrockneten Make-up-Vorräte wieder aufzustocken, ließ ich mir eine Hautcreme empfehlen. Über die jammerte ich eigentlich, seit ich irrwitzige 80 Euro für sie bezahlt hatte, eben weil ich irrwitzige 80 Euro bezahlt hatte. Und weil die Verkäuferin den Quatsch von der Verzuckerung der Haut, die diese Creme behebt, vermutlich wegen meines Körperumfangs ausgepackt hat. Und weil der Packungstext Rechtschreibfehler hat, Alter, bezahlt für den Verkaufspreis bitte mal eine Lektorin. Ich muss allerdings nach vier Monaten Benutzung, nach denen der Tiegel noch mehr als halb voll ist, sagen: Meine Haut fühlt sich tatsächlich besser an, nicht mehr so trocken, auch abends noch. Manchmal überlege ich vor dem Auftragen der Nachtcreme (ja, ich benutze Nachtcreme, ich bin alt und wir dürfen darüber sprechen, it’s fine), ob sie überhaupt nötig ist, weil meine Haut sich noch nicht so anfühlt, als bräuchte sie Feuchtigkeit.

Was die Creme allerdings (noch?) nicht hinbekommen hat: meine geröteten Wangen weniger rot zu kriegen. Dafür erstand ich vor kurzem einen Primer, bei dem ich nicht viel Hoffnung hatte, dass er funktioniert, denn ein anderes Douglas-Produkt war der totale Quatsch gewesen. Aber: funktioniert. Nach der Tagescreme den Primer auftragen, Foundation drüber, abpudern – und ich sehe abends noch fast so aus wie frisch geschminkt. Jedenfalls ohne rote Bäckchen. Kostet auch deutlich weniger, nämlich 14 Euro.

Und eine letzte Empfehlung, die wieder etwas teuer wird: das Handtuch, auf dem die beiden Produkte liegen. Als ich 1999 nach Hamburg zog, gönnte ich mir zwei riesige Badetücher, in die selbst ich dicker Mensch ganz eingewickelt werden kann. Diese zwei Handtücher sind bis heute meine liebsten Badetücher und ja, ich habe Unmengen von billigen getestet. Sie haben dieselbe Farbe wie damals, sie fusseln nicht, sie trocken mich vernünftig ab – es gibt durchaus Handtücher, die das nicht hinkriegen, looking at you, Ikea – und sie halten anscheinend ewig. Sie haben ihren Preis, aber nachdem ich in diesem Jahr 80 Euro für Creme ausgegeben habe, gönnte ich mir noch zwei Handtücher von Christian Fischbacher, hell- und dunkelgrau. Das dunkelgraue ist im Bild, auf meiner Handtuchstange im Bad hängt gerade eins von 1999 in dunkelgrün. Ich habe die Tücher bei Wäsche-Kultur in Köln bestellt (einfach ergoogelt), die einem sogar Stoffproben schicken; jedes Badetuch hat knapp 90 Euro gekostet. Wie Oma sagen würde: gut angelegtes Geld.

Diese herrlich warmen Schuhe sind auch aus den 1990ern, davon kann ich euch aber leider keinen Link anbieten. Die hat mir mein bester Freund im ollen UCI-Kino in Hamburg gekauft und ich liebe den Herbst auch deshalb, weil ich endlich am Schreibtisch wieder diese Schuhe tragen kann. So wie gestern.

Dienstag, 15. November 2022

Ich lese gerade „Butcher’s Crossing“ von John Williams, von dem ich gerade eben … mal im eigenen Blog nachgeschaut … vor acht Jahren (ähem) bereits „Stoner“ mit Genuss gelesen hatte. „Butcher’s Crossing“ ist ähnlich wortkarg und ich habe es auch noch nicht durchgelesen, aber dieser Absatz fasst das generelle Tempo im Buch gut zusammen. Und so klingt es auch seit über 100 Seiten. Wir sind gerade Ende des 19. Jahrhunderts mit vier Männern in der amerikanischen Prärie unterwegs, drei zu Pferd, einer im Planwagen, die auf der Suche nach einer Büffelherde sind, die einer der Herren vor mehreren Jahren mal gesehen haben will. Ich habe den Wiki-Link oben nicht durchgelesen, ich weiß noch nicht, wie das Buch ausgeht, psst.

„But as their journey progressed such interruptions came to seem more and more unreal to Andrews. The reality of their journey lay in the routine detail of bedding down at night, arising in the morning, drinking black coffee from hot tin cups, packing bedrolls upon gradually wearying horses, the monotonous and numbing movement over the prairie that never changed its aspect, the watering of the horses and oxen at noon, the eating of hard biscuit and dried fruit, the resumption of the journey, the fumbling setting up of camp in the darkness, the tasteless quantities of beans and bacon gulped savagely in the flickering darkness, the coffee again, and the bedding down. This came to be a ritual which nevertheless gave his life the only shape it now had. It seemed to him that he moved forward laboriously, inch by inch, over the space of the vast prairie; but it seemed that he did not move through time at all, that rather time moved with him, an invisible cloud that hovered about him and clung to him as he went forward.“

John Williams: „Butcher’s Crossing“, London 2014 (Erstausgabe 1960), S. 96.

Montag, 14. November 2022

Gearbeitet. Xing-Profil gelöscht. Avocadotoast gegessen. Wäsche gewaschen. Staubgesaugt. Die Tiffany-Dornenkrone von Kendrick Lamar in der „Vogue“ bewundert. Die ersten drei Folgen der neuen Staffel „The Crown“ geguckt. Mit Mama telefoniert und ihr Zugverbindungen rausgesucht. Und für sie ergoogelt, wie man Koffer aufgibt. Und ab wann ihr Reisebüro vor Ort heute geöffnet ist. Und um wieviel teurer die 1. Klasse im Zug denn wäre. Und wie dieses Buch hieß, über das es im Deutschlandfunk letzte Woche einen Bericht gab.

Sonntag, 13. November 2022 – Die Stadt knirscht und atmet

F. hat die klassischen Konzerte der Stadt stets besser im Blick als ich, und so fragte er irgendwann, ob ich Lust auf die Münchner Philharmoniker hätte, die neben Rachmaninoff und Rimski-Korsakow auch ein Stück von Anna Thorvaldsdottir geben würden: „Archora“, eine deutsche Uraufführung, Samstag abend das erste Mal, Sonntag morgen das zweite. Wir entschieden uns für den Sonntag um 11 Uhr und ich saß zum ersten Mal in der Isarphilharmonie.

Wir kannten die Komponistin aus einem spannenden Abend in der Pinakothek der Moderne, der mir noch lange im Gedächtnis geblieben ist, vor allem der Gesang von der Rotunde und ihre wunderbare Antwort aus dem Einführungsgespräch, wo sie beknackterweise gefragt wurde, wie sie als Frau das denn hinkriegte mit dem Komponieren und dem Rest des Lebens, man müsse ja auch mal einkaufen: „Send husband to the supermarket.“

Die weltweite Uraufführung von „Archora“ fand im August diesen Jahres statt, weswegen es noch keine Einspielung gibt, aber die Komponistin verlinkt auf ihrer Website netterweise eben diese Aufführung im Rahmen der Night of the Proms. Dänisches Radio, geht ab Minute 4 los.

Das Stück hatte mich sofort und ließ mich auch die ganzen 18 Minuten nicht mehr los. Zunächst folgte ich einfach den Instrumenten willenlos und ließ mich ziehen, ohne groß nachzudenken, aber irgendwann kamen dann, wie immer bei Musik, die Bilder im Kopf wieder. Ich verdrängte die isländische Landschaft, die meine erste Assoziation war, weil ich das als zu klischeeig empfand, und landete bei einer Stadt, einer Großstadt, komischerweise bei Los Angeles, obwohl ich da noch nie war. Für mich klang das Stück im besten Sinne nicht menschengemacht, sondern so, als ob mir Flächen, Gebäude und Straßen, eher Asphalt und Beton als grüne Hügel, etwas sagen wollten. Auch jetzt beim Aufschreiben und zweiten Hören sehe ich eher Highways und menschenleere, zerfallende Gegenden als lauschiges Moos und Moor.

F. musste bei Thorvaldsdottir an einen unserer Lieblingskünstler denken, Hans op de Beeck und sein Werk „Staging Silence 2″ mit der zerfallenden Stadt aus Zuckerwürfeln, das wir mal in der Sammlung Goetz erlebt hatten, hier zu sehen. Da waren wir anscheinend nicht ganz so weit voneinander entfernt. Rachmaninoff war schön, Rimski-Korsakow dann totaler Romantikplüsch, auch schön, aber meine Aufmerksamkeit wanderte. Der SZ-Kritiker empfand den Abend/den Morgen genau andersherum, jeder wie er mag.

Nachmittags die Bagels gebacken, die ich Samstag abend angesetzt hatte, zum Mittag gab’s ein Schockschwerenot nicht fotografiertes Rösti mit Ei und Salat, den Nachmittag verbrachte ich vor dem Football-Stream, denn die NFL gastierte hier in München, abends gab es dann Trash-TV auf Netflix („Dubai Bling“, kann man sich eher schenken). Ein schöner bunter Tag.

Samstag, 12. November 2022 – Kuchenschlacht

Okay, der Vorlauf der Kuchenschlacht fand bereits am Freitag statt, als ich nicht nur einen, sondern gleich zwei kleine Kuchen buk, weil die Arbeit mit der KitchenAid sich nicht wie Arbeit anfühlt. Zuerst buk ich einen 18-Zentimeter-Apfelkuchen nach diesem bewährten Rezept, wobei ich dem ganzen einen weihnachtlichen Touch gab und die Äpfelviertel vor dem Zerkleinern in Lebkuchengewürz und braunem Zucker wälzte. Die Zitrone ließ ich weg, das war nicht so gut, die fehlte mir dann doch. Ansonsten aber: guter Kuchen. Und weil ich so schön dabei war, buk ich gleich noch die Hälfte des Kentucky Butter Cakes in der 20-Zentimeter-Kastenform nach. Der wurde so richtig schön boozy aka: auch guter Kuchen.

Abends kam F. vorbei, wir tranken die üblichen Date-Night-Rotweine in guter Qualität, klönten und quatschten und fielen recht spät ins Bett. Ich setzte den ebenfalls üblichen Rotweintröt ab, weiterhin in die Twitter-Timeline, so lange sie noch da ist. Wie twitterte ich so elegant am Freitag: „Auch wenn ich wüsste, dass Twitter morgen untergeht, würde ich heute noch einen Apfelkuchen backen.“ Im Thread sind die Phasenfotos meiner Backschlacht zu sehen.

Gestern gab es dann Apfelkuchen zum Frühstück. Das war schön.

Danach holte ich den geweiteten Bling-Ring vom Juwelier ab und anschließend eine neue Hose aus der Packstation und damit ist das Klamottenbudget in diesem Jahr wirklich mal aufgebraucht. Das habe ich eh fürchterlich überzogen, aber es hat auch fürchterlich glücklich gemacht. Ich glaube, ich habe in diesem Jahr mehr Kleidung gekauft als in den letzten fünf Jahren zusammen, das behauptet jedenfalls mein inneres Milchmädchen, um vom Kontostand abzulenken.

In diesem Zusammenhang: Die neue Hose ist von Tom Tailor, die auch große Größen haben, was ich vor der in meiner Insta-Timeline gelandeten Anzeige nicht wusste. Und sie haben anscheinend ein gutes Kundenmanagement: Ich kaufte die Hose zunächst eine Größe zu groß (das war ungewohnt) und schickte sie zurück. Im Paket für mich lag aber noch ein Rabattcode über 15 Prozent auf die nächste Bestellung. Den Code gab ich natürlich ein, als ich die Hose eine Nummer kleiner orderte, aber die Website zickte und buchte den vollen Betrag ab. Ich schrieb also eine freundliche Mail an die Firma und fragte, ob man den Code noch nachträglich anrechnen könne, wobei ich damit rechnete, die übliche Mail à la „Sorry, geht nicht, die teuflische Technik, Sie kennen das“ zurückzubekommen, aber: Stattdessen kam eine Mail zurück à la „Ja, natürlich geht das, sorry für die Umstände, hier ist Ihr Geld“. Das war auch schön.

Den Rest des Tages verbrachte ich unter zwei Decken und mit zwei Pullis auf dem Sofa und las „Schöner Wohnen“, die „Vogue“ und den „Spiegel“ und knickte irgendwann ein und drehte die Heizung zum ersten Mal auf. Es scheint Herbst zu werden.

Veganes Auberginen-Spinat-Curry

In der letzten Biokiste lag eine Aubergine, mein Endgegner, und eine riesige Tüte Spinat, weil ich mal wieder vergessen hatte, auf die Mengenangaben zu gucken. Daher googelte ich nach Rezepten mit diesen zwei Zutaten und stieß auf dieses kurze YouTube-Video. Das Rezept gefiel mir so gut, dass ich es seitdem dreimal mit jeweils anderem Gemüse gemacht habe, hat immer geschmeckt. Und die 400 Gramm Spinat sind jetzt auch endlich aufgegessen.

Für zwei Personen. Mengen sind aber lustig skalierbar.

In einem größeren Topf
1/2 TL Senfkörner,
1/4 TL Fenchelsamen und
1 Lorbeerblatt in
1 EL Pflanzenöl, bei mir Sonnenblume, anrösten, bis die Gewürze duften.

300 g Aubergine, in mundgerechte Stücke zerteilt, dazugeben, sowie
1 EL gemahlenden Koriander,
1 TL Chilipulver,
1/2 TL Kurkuma,
2 EL Zwiebelpaste (bei mir eine fein gehackte, kleine Zwiebel) sowie
2 EL Tomatenmark. Alles kurz anbraten, dann mit
2–3 EL Wasser ablöschen und ca. fünf Minuten köcheln lassen.

100 g frischen Spinat, zerzupft, in der Flüssigkeit zerfallen lassen. (TK geht vermutlich auch.)

Mit
120 ml Kokosmilch (eine halbe kleine Dose) und
360 ml Wasser aufgießen und mit
1/2 TL Salz würzen. Alles kurz aufkochen und mit
Jasminreis servieren. Das Rezept möchte Dill als Deko, ich habe lieber Koriander genommen. (Lorbeerblatt irgendwann mal entfernen.)

Ich habe beim zweiten Kochen längst nicht so viel Wassser dazugeben und einen Teil davon auch mit passierten Tomaten aus der Dose ersetzt, das sah dann alles nicht mehr so wässrig aus wie hier auf dem Bild. Außerdem gab’s bei mir gnadenlos 200 g Spinat, was mir auch gut gefallen hat. Beim zweiten Kochen hatte ich neben dem Spinat Mohrrüben, Kartoffeln und Paprika im Topf, danach gab’s das ganze auch noch mit Zucchini und Kartoffeln. Geht anscheinend alles, solange die Gewürzmischung stimmt.

Donnerstag, 10. November 2022 – Post aus Ramersdorf

Morgens Zahnarzt, ansonsten Arbeit, mittags ließ ich die KitchenAid Möhren und Rotkohl schreddern (heute mittag probiere ich die Schneidetrommel, die scheint mir für Rotkohl besser geeignet zu sein, und dann habe ich alle drei Reiben erfolgreich benutzt), zum Feierabend versackte ich vor „Buying Beverly Hills“ auf Netflix, gebt mir Real-Estate-Reality-Shows, ich gucke die alle weg, und dann kam noch Post, über die ich mich sehr gefreut habe.

Ein Bewohner der ehemaligen Mustersiedlung Ramersdorf, heute nur noch Ramersdorf, war bei der Suche nach historischen Dokumenten über die Siedlung auf meinen Blogeintrag vom August 2019 gestoßen, wo ich über meine Suche nach vier Wandfresken von Protzen in eben diesem Münchner Stadtteil schrieb. In seiner Mail kam dieser Satz vor: „Darin beschreiben Sie Ihre erfolglose Suche nach Protzens Fresken, die Sie offensichtlich zu den Akten gelegt haben, da wir nie einen Brief von Ihnen im Kasten hatten ;-)“ Den Satz verstand ich zunächst gar nicht, weil ich den Herrn ja gar nicht kannte, bis ich meinen eigenen Eintrag nochmal las, der mit den Sätzen endete: „Nix gefunden also. Aber immerhin an der frischen Luft gewesen, wie meine Oma immer so schön sagte. Ein bisschen nölig wieder nach Hause gefahren. Ich lege Ramersdorf jetzt vorerst zu den Akten. Und irgendwann werfe ich jedem Einwohner der Siedlung einen Brief in den Kasten: „KENNEN SIE DIESES HAUS? HABEN SIE DIESES BILD SCHON MAL GESEHEN? RUFEN SIE MICH AN!“ Darüber musste ich selbst sehr lachen.

In der Druckfassung der Diss kürzte ich den Ramersdorf-Teil noch etwas runter im Vergleich zur eingereichten Diss, denn das war für mich zwar eine spannende Sache, aber so richtig was mit den Autobahngemälden hatte es dann doch nicht zu tun. Und ich hatte kein einziges Fresko wiederfinden können, und es war für den Gesamtzusammenhang irgendwann egal, ob die noch da waren oder nicht. Kill your darlings oder: Treib dich nicht zu lange auf Nebenschauplätzen rum. Aber ich wagte anhand von Google Maps, den alten Zeichnungen in den Bauzeitschriften und den Fotos aus dem Nachlass eine Vermutung, in welcher Straße die Fresken gewesen sein könnten, ich zitiere mich mal selbst, brav mit Fußnoten:

„Die Kunst an den Häuserwänden wurde größtenteils erst während der Ausstellungszeit angefertigt,[28] weswegen Protzens Werke in keiner mir bekannten Publikation, die meist Bilder von vor der Eröffnung nutzen, zu sehen sind. Auf einem Foto im Stadtarchiv München von 1936 sind drei von ihnen aber mit etwas Mühe zu erkennen (Baumpflanzen, Heuwagen, Äpfel). [29] Nimmt man die Häuserzüge als optische Orientierung, könnten die Fresken in der heutigen Bernauer Straße angebracht worden sein; sie sind sehr wahrscheinlich nicht mehr vorhanden. Das oben erwähnte Fresko von Albert Burkhart ist hingegen noch am Haus in der Stephanskirchener Straße 22 zu sehen. Möglicherweise war Burkart die Verbindung von Protzen zu Harbers, der ihm den Auftrag für die Fresken oder sogar den für die zeitgleich stattfindende Ausstellung „Die Straße“ verschafft hatte.[30] Der Name Burkarts findet sich in einem undatierten Eintrag zwischen 1930 und 1932 in Protzens Gästebuch.[31]“

28 „Um eine besonders enge und nachwirkende Berührung des Besuchers mit der Kunst herbeizuführen, werden die Bilder in und an den Häusern der Siedlung erst während der Besuchszeit der Ausstellung durchgeführt.“ Harbers, Guido: „Die neue Einfamilienhaussiedlung München-Ramersdorf“, in: Das Bayerland 45 (1934), S. 499–502, hier S. 502.
29 StdA München, FS-KULA-115, Bild KR/15–16/IV 19: „Reichskleinsiedlung Ramersdorf 1936“.
30 Ulrich Christoffel erwähnt Graßmann im Artikel „Jüngere Münchner Maler 1“ auch als „Wandmaler“, der „in München an der Hl.-Blut-Kirche in Bogenhausen die Engel mit dem Schweißtuch und eine Sonnenuhr“ gemalt habe, vgl. Christoffel, Ulrich: „Jüngere Münchener Maler 1“, in: Die Kunst für alle 8 (1937), S. 196–200, hier S. 200. Im zweiten Teil des Artikels wird auch Albert Burkhart erwähnt: „In den letzten Jahren hat er hauptsächlich religiöse Bilder und Fresken gemalt und sich mit der Übertragung der Zeichnung auf die Bildgestaltung beschäftigt“, vgl. Christoffel, Ulrich: „Jüngere Münchener Maler 2“, in: Die Kunst für alle 9 (1937), S. 215–218, hier S. 218. Burkart und Graßmann werden auch in einem Artikel in Kunst und Volk erwähnt, in dem unter anderem „gute Arbeiten an Siedlungen und Privatbauten“ aufgeführt werden, vgl. Schindler, Edgar: „München als Pflegestätte monumentaler Malerei“, in: Kunst und Volk 7 (1937), S. 206–213, hier S. 211. Protzen wird nicht erwähnt. [AAAAAH, ich habe den vierten Fehler im gedruckten Buch gefunden. Das S vor 211 ist kleingeschrieben. AAAAAH!]
31 DKA, NL Protzen, Mappe 9, vorl. Sign. 30: Gästebuch o. S.

Der freundliche Mailschreiber schickte mir ein Foto mit, in dem eins der Fresken von Protzen zu sehen ist – in der Bernauer Straße. HA! Ein kleiner Triumph. Und wie ich jetzt weiß, ist das Fresko wirklich nicht mehr vorhanden, es wurde inzwischen übermalt.