2019 revisited

(2018, 2017, 2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009, 2008, 2007, 2006, 2005, 2004, 2003.)

1. Der hirnrissigste Plan?

Im Nachhinein: mir Ende 2018 die größere Wohnung gegönnt zu haben. Dieses Jahr war finanziell mal so richtig beschissen, weil mir gleich drei Kunden auf einmal weggebrochen sind – was nicht an mir gelegen hat, sondern an dortigen internen Vorgängen –, die ich naiverweise eingeplant hatte. (Alle anderen Selbständigen so: *patsch*) Daher war ich in diesem Jahr fast konstant damit beschäftigt, meine teure Wohnung zu hassen und sie gleichzeitig zu lieben, weil sie mich theoretisch (THEORETISCH!) um so vieles entspannter sein lässt als die kleine, günstigere Schnuffelbutze.

2. Die gefährlichste Unternehmung?

Radfahren im normalen deutschen Straßenverkehr. Selbständig sein.

3. Die teuerste Anschaffung?

Anschaffung ist gut. Im Mai gönnte ich mir nach wochenlangen Zahnschmerzen eine finanziell nicht eingeplante Wurzelbehandlung. Die kam echt genau im falschen Jahr. Ansonsten war ich sehr sparsam, das zweitteuerste dürfte die Bahncard gewesen sein. Da ich jetzt regelmäßiger in den Norden fahre, schien mir das eine gute Investition.

4. Das leckerste Essen?

Zwei Sterne im Werneckhof zu F.s Geburtstag. Keinen Stern, aber wie immer liebevollst umsorgt gefühlt im Broeding. Neu auf der Liste: das MAST in Wien, bei dem ich jeden Wein und jeden Gang hätte heiraten wollen. Und jedes Käsebrot, das unter meinem Grill zur blubbrigen Delikatesse wird.

5. Das beeindruckendste Buch?

Sachbuch: Albert Speer: Eine deutsche Karriere von Magnus Brechtken (hier am Anfang des Blogeintrag erwähnt). Stamped from the Beginning: The Definitive History of Racist Ideas in America von Ibram X. Kendi (Besprechung). Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers von Stefan Zweig (ganz unten im Blogeintrag erwähnt).

Fiktion: The Remains of the Day von Kazuo Ishiguro, quasi in einem Rutsch durchgelesen. Genau wie Saša Stanišićs Herkunft. Etwas länger gedauert haben Heinrich Manns Der Untertan und Yoko Ogawas The Memory Police, aber die waren genauso toll.

6. Der ergreifendste Film?

Ich war nur zweimal im Kino, Frozen II und Star Wars: Rise of Skywalker. Der letzte war ärgerlich, der erste immerhin unterhaltsam. Ergreifend war keiner. Bei Serien würde ich gerne ein paar Folgen von This is Us und The Good Place in den Ring werfen.

Das Geld, was ich im Kino gespart habe, trug ich ins Theater. Da hat mir Miranda Julys Der erste fiese Typ ähnlich gut gefallen wie Hamlet in der Inszenierung von Christopher Rüping.

7. Die beste CD? Der beste Download?

Keine CD gekauft, nichts runtergeladen. Dafür weiterhin Spotify Premium genossen (gönn dir!) und die „Year of Wonder“-Playlist rauf und runter gehört. Dazu die tollen Klassik-Playlists von Gabriel Yoran. Neben Bohuslav Martinů viel Dvořák gehört. Vorsatz fürs nächste Jahr: noch mehr tschechische Komponist*innen entdecken.

8. Das schönste Konzert?

Die Nachtmusik der Moderne mit Anna Thorvaldsdottir; an den Chor in der Rotunde der Pinakothek der Moderne, der auf mich runtersang, musste ich noch lange denken. Aber der Parsifal in der Bayerischen Staatsoper war auch toll, unerwarteterweise. Der Tannhäuser in Bayreuth ja eh. Und ich persönlich habe mich gefreut, spontan an einem Sonntagmorgen ein bisschen Martinů hören zu können; genau die letzte Karte gekriegt.

9. Die tollste Ausstellung?

Ganz weit vorne, weil noch nie sowas gesehen: El Anatsui im Haus der Kunst. Ganz knapp dahinter jemand, von dem ich dachte, ich hätte ihn schon viel zu oft gesehen, nur um in der Albertina vor drei Tagen festzustellen: nix hab ich gesehen, ich kenne Albrecht Dürer überhaupt nicht. Wird noch verbloggt. Falls ich mein stilles Staunen irgendwie in Worte fassen kann.

10. Die meiste Zeit verbracht mit …?

Der Dissertation, am Schreibtisch, in Archiven, in Bibliotheken.

11. Die schönste Zeit verbracht mit …?

Der Dissertation, am Schreibtisch, in Archiven, in Bibliotheken.

Gleichauf damit: jede Zeit mit F., egal wo, egal wie.

12. Vorherrschendes Gefühl 2019?

2018 war irgendwie einfacher.

13. 2019 zum ersten Mal getan?

Ein Elternteil gefüttert. Sieben Monate später ein Elternteil im Rollstuhl durch die alte Heimat geschoben. Einem Zwei-Sterne-Koch die Hand geschüttelt. Einen Blumengießdienst organisiert, weil ich ein paar Tage weg vom eigenen Balkon war. Einen benutzbaren Balkon besessen. Eine Generalprobe in Bayreuth gesehen. Ein Drittligaspiel gesehen (in Würzburg, auch vorher noch nie dagewesen). Einen der Monty Pythons live gesehen. In der Schweiz gewesen (okay, nur durchgefahren). In Liechtenstein gewesen (okay, nur einen Tag). Auf 1600 Höhenmeter gestanden. Eine Dauerkarte für die FCB Damen besessen – aber es dann zu kaum einem Spiel geschafft, weil da dauernd was Wichtigeres war. F. meinte: „Sieh es als Sportförderung an.“ Bei einem Doktorandenkolloquium mein Thema vorgestellt. Angefangen, eine Dissertation zu schreiben und nicht nur Stoff zu sammeln, Dinge zu notieren und theoretische Überlegungen anzustellen. Das ist erstaunlicherweise etwas anderes.

14. 2019 nach langer Zeit wieder getan?

Tintenfinger gehabt (schreibe neuerdings mit Papas altem Füllfederhalter). In Bayreuth im Festspielhaus gewesen. Ein ehemaliges Konzentrationslager besichtigt. Meinen Geburtstag groß gefeiert.

15. Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten können?

Auf persönlicher Ebene: Papas Schlaganfall. Der Rest ist egaler Kleinkram.

Auf nicht ganz so persönlicher Ebene: der Mord an Walter Lübcke, nach dem der Staatsapparat so gar nicht durchdrehte wie bei der RAF und nach dem immer noch keine Fahndungsplakate mit rechtsextremen Terrorist*innen an allen Bahnhöfen hängen.

Der Tod von Okwui Enwezor.

Der Selbstmord von Marie-Sophie Hingst.

16. Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?

Papa, dass er keine Angst haben muss, er ist zuhause, es ist alles gut (den Umständen entsprechend gut). Und ich mich selbst, dass 2020 wieder besser wird.

17. Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?

Zeit zu haben, in den Norden zu fahren und meiner Mutter wenigstens ein bisschen Arbeit abnehmen zu können. Hat die Buchungsflaute auch ihr Gutes.

18. Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?

Dass F. mich finanziell ein bisschen ausgehalten hat, damit wir weiter gut essen und in die Oper gehen und ab und zu mal ein Wochenende woanders sein konnten. (Und dass er sich jeden Sugardaddy-Kommentar verkniffen hat.)

19. Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?

Fangen Sie an zu schreiben.

20. Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?

„Hallo, Papa.“

21. 2019 war mit einem Wort …?

Herausfordernd.

What Anke Ate in 2019

Tagebuch, 24. bis 26. Dezember 2019 – Weihnachten 2019: nur echt mit Erkältung und Brandwunden

Der Plan war:

1) Am Heiligen Abend gibt’s am Nachmittag statt am Mittag Gänsebraten, von Schwester und Schwager fertig vorbereitet mit Beilagen eingekauft und am Morgen bei uns vorbeigebracht; Nachmittag, weil das mit Papas Situation einfacher schien. Normalerweise speist Papa mittags im Bett, Nachmittagskaffee und Abendbrot gibt’s dann im Rollstuhl – dieses Mal dann halt Gans statt Kekse. Gemütliches Beisammensein, Bescherung, 18 Uhr Gottesdienst für die, die wollten, danach zu sechst um den Baum rumsitzen und Geschenke auspacken.

2) Am ersten Feiertag Papa nicht erst nachmittags, sondern schon vormittags vom Bett in den Rollstuhl heben, dann zu Schwester und Schwager schieben (einmal quer durchs Dorf, ein knapper Kilometer), dort mittags bekocht werden, am frühen Nachmittag, wenn es noch hell ist, alle zurück, Papa wieder ins Bett bringen, gemeinsam um den Baum rumsitzen und Plätzchen essen.

3) Abreise Anke und F., Schwester und Schwager fahren zur Schwagerfamilie.

Geworden ist es dann:

1) 24. Dezember. Ich hatte Papa das Frühstück ans Bett gebracht, die Pflege kam und machte Papa tagesfrisch, es klingelte, ich freute mich auf Schwester und Schwager, die das Essen vorbeibringen sollten. Das taten sie auch, aber: „HALTE BLOSS ABSTAND, WIR SIND TOTAL ERKÄLTET!“ Ich bereute es, kein Desinfektionszeug von zuhause mitgebracht zu haben, als mir einfiel: steht ja alles bei Papa im Zimmer. (Habe in den letzten Monaten gelernt, was man als Pflegekraft so braucht.) Ich reinigte kurz Türklinken, verstaute das Essen in der Küche, die beiden fuhren nach Hause und fielen hustend ins Bett.

Das Mütterchen musste nochmal ins Dorf und wollte auf dem Rückweg noch bei SchwesterSchwager was abgeben. Sie meldete: „Die sehen ja schlimm aus!“

Ich so: *WhatsApp an Schwester* „Vorschlag: Ihr bleibt im Bett und kommt morgen zum Gansessen rum, dann muss Schwager auch morgen nicht kochen.“

Schwester so: *Daumen-hoch-Emoji*

Mama so: „ABER WAS ESSEN WIR DENN JETZT?“

Ich so, im Geiste den elterlichen Vorratskeller durchgehend, mit dem man mindestens zwei Atomkriege überleben könnte: „Lass mal runtergehen und gucken.“

Es wurde dann schön norddeutsch Grünkohl, denn natürlich war alles im Haus, Kohl, Bregenwurst, Kartoffeln, Schmalz zum Anschwitzen der Zwiebeln, herrlich. Ich hatte in diesem Jahr noch keinen Grünkohl und fand das viel besser als Gans; ich glaube immer öfter, dass meine Norddeutschigkeit hier im Süden verwässert, daher ist sowas wie Grünkohl quasi überlebenswichtig für die eigene Identität. Zum Nachtisch sollte es eigentlich nur Vanilleeis mit warmen Blaubeeren drüber geben (die unendliche Tiefkühltruhe), aber ich entdeckte noch eine Orange und karamellisierte schnell ein paar Orangenfilets, löschte mit Cointreau und Butter ab und kandierte die Schale (also eher: schwenkte ne Runde Zesten in geschmolzenem Zucker). Ein ganz hervorragendes Essen.

Papa bekam seine Mahlzeit an seinem üblichen Rolltisch, den man ans Bett schieben kann. Wir anderen wollten uns ungern über den Couchtisch bücken, daher schleppten wir kurzerhand den Küchentisch in sein Zimmer, welches das ehemalige Ess- und Wohnzimmer ist und aßen so fast alle an einem Tisch.

Fürs Mittagsschläfchen vergaß ich mir den Wecker zu stellen, Mama anscheinend auch, und als die Nachmittagspflege klingelte, war F. als einziger kleidungstechnisch so drauf, die Tür öffnen zu können. Die Pflegerin hatte einen Heiligenschein als Kopfputz und meinte, sie käme heute als Engel. Sehr gelacht (und mich wie immer beim Abschied bedankt. Wir haben wirklich Glück mit den Pflegekräften gehabt, Papa mag alle, auch wenn er sie immer wieder vergisst).

Papa im Rollstuhl in die Küche geschoben, dort Kaffee und Plätzchen verspeist, irgendwie hatte niemand Lust auf Gottesdienst, also warteten wir auf die Abendpflege, Schwester und Schwager kamen auf einem kurzen Spaziergang für ein paar Augenblicke vorbei („Wir können nicht mehr rumliegen“), ich vergaß, Türklinken zu desinfizieren.

Meine Nachmittagsbeschäftigung war es, Papa dazu zu kriegen, irgendwas mit seinen Händen zu machen, also griff ich zum bewährten Legespiel aus acht Holzteilen, das meine Schwester und ich schon als Kind gehabt hatten. Aus den Teilen kann man in eine Form einen kleinen Eskimo legen. Es frustriert Papa immer, wenn er die Teile nicht in die Form bekommt, also ließ ich sie einfach weg und legte die Holzteile kommentarlos in seine Nähe. Er mag es nämlich überhaupt nicht, wenn man Dinge sagt wie „Du musst mehr trinken“ oder „Lies doch mal ein bisschen.“ Aber wenn man es umformuliert in „Hier, trink mal aus, dann kann ich dir nachschenken“ oder „Ich leg dir dein Buch hier hin, falls du es brauchst“, beschäftigt er sich ein bisschen. Er mag es dementsprechend nicht, wenn man sagt „Leg mal den Eskimo“, also lasse ich das. Er stapelt die Teile auch eher als dass er sie in die richtige Form bringt, aber das reicht mir auch. Der Kopf besteht aus zwei Teilen, einem Gesicht und einem weißen Ring darum, der wohl eine Fellmütze darstellen soll, die legt er gerne ineinander und nimmt sie wieder auseinander und legt sie wieder zusammen, weil das – natürlich – befriedigend ist, wenn Dinge passen. Ich denke über Kleinkindspielzeug nach, wo man Gegenstände durch passende Löcher werfen kann, das müsste ihm auch gefallen.

Abends schoben wir Papa im Bett näher an den Weihnachtsbaum, entzündeten die Kerzen – WhatsApp vom Schwesterchen: „WASSEREIMER BEREITSTELLEN!“ – und packten Geschenke aus. Ich bekam unter anderem die gewünschten Dojczland: Ein Reisebericht von Andrzej Stasiuk sowie Die Toten von Christian Kracht. Und von F. natürlich wieder was Besonders, das ich hier leider gerade nicht herzeigen kann, weil F. es wieder in seiner Dokumentenmappe zurück nach München trug, wo es besser geschützt war als in meinem schraddeligen Koffer und es deswegen noch bei ihm liegt: eine Originalausgabe von Häuser Zeichnen (1957) von Hans Döllgast mit einer Widmungskarte, die ich bereits instagrammte, sowie fünf Originalfotos der Restaurierung der Alten Pinakothek, von denen eins im Buch abgedruckt wurde. So toll! Ich bin gerade nochmal gerührt. Der gute Mann Knutschemoji.

Worüber ich mich auch freute: Herr @el_loko74 überraschte mich mit einem größerformatigen Abzug eines seiner Bilder. Ich mochte sein Foto von Giulia Gwinn so gerne, die er perfekt vor dem erleuchten FC-Bayern-Logo am Campus erwischt hatte, dass ich es damals bei seiner Veröffentlichung auch retweetet hatte. Und der FCB-Frauen-Account nutzte es für seine Weihnachtsgrüße, wie ich gerade beim Rumgoogeln feststelle.

Für Vattern hatten wir DVDs von Deutschland von oben besorgt, das mir als ruhige, entspannte Fernsehbegleitung gut erschien, falls der NDR mal keine Tierfilme zeigen sollte, aber Papa was zum Irgendwohingucken braucht. Und das Mütterchen bekam ein paar Tage Urlaub geschenkt, denn wir haben Karten für die Passionsspiele in Oberammergau bekommen, und da fährt sie hoffentlich mit uns hin; Schwager und Schwester haben schon Papadienst zugesagt. Hoffentlich erkälten sie sich nicht.

2) 25. Dezember. Alle schlafen aus, nur ich nicht. Papa Frühstück ans Bett gebracht. WhatsApp von Schwesterchen: „Sind immer noch krank, kommen nicht. Hätten gerne die halbe Gans der anderthalb. Fahren jetzt in die Notaufnahme, kommen danach rum.“

Ich teilte die in einzelne Tüten eingeschweißten Beilagen Rotkohl, Rosenkohl, Sauce, Knödel und Bratäpfel auf, legte die Hälfte von allem plus die halbe Gans der anderthalb in einen Korb, verstaute ihn im kühlen Windfang und bereitete unsere Hälfte fürs Kochen vor.

Die Morgenpflege setzte Papa schon in den Rollstuhl, obwohl wir ihn ja jetzt nicht durchs ganze Dorf schieben mussten, aber Abwechslung tut vielleicht gut. Oder auch nicht, wir sind uns da immer noch nicht sicher, und Papa kann uns bei dieser Frage leider nicht helfen. Ich schob ihn vor den Weihnachtsbaum und wir bestückten gemeinsam die Kerzenhalter mit einer neuen Runde Kerzen. Ich fragte ihn, ob ich die Wachsreste aus den Haltern kratzen sollte, bevor die neuen Kerzen reinkämen, und er meinte, dass er die früher immer gesäubert hätte. Er kann sich an Geburtstage von alten Freunden erinnern und Telefonnummern, die es schon lange nicht mehr gibt, aber wer ihn eben vor zwanzig Minuten in den Rollstuhl gesetzt hat, weiß er nicht mehr.

Mama ging in den Gottesdienst, ich nicht, F. schlief, Papa war anscheinend zufrieden damit, auf den Baum oder aus dem Fenster zu gucken, weswegen ich sogar ein bisschen an der Diss arbeiten und schlechte Laune kriegen konnte.

Gegen Mittag schob ich die Gans in den Ofen, wärmte alle Beilagen auf, wir hatten den Tisch in der Diele gedeckt, die jetzt quasi das Esszimmer ist, denn das Esszimmer ist ja jetzt Papas Zimmer. An den Tisch
schoben wir Papa seitwärts, weil er mit dem Rollstuhl unter keinen einzigen unserer Tische passt, und ohne Armlehnen und seitliche Oberkörperstützen sitzt er noch zu unsicher. (Habe in den letzten Monaten gelernt, was so alles an einem Rollstuhl dran ist.) Gerade als ich anfangen wollte zu essen, sah ich den Wagen vom Schwager vorfahren, ich brachte schnell den Gänsekorb raus, bekam Geschenketüten im Gegenzug, die beiden fuhren, wir aßen. (Notaufnahme: Joah, erkältet halt, Hausmittel, ausruhen. Immerhin keine Bronchitis oder sowas.)

Dann legte ich die Bratäpfel in eine Pfanne und schob sie in den Ofen. Als sie mir heiß genug erschienen, schaufelte ich Vanilleeis in Schälchen, umwickelte den Pfannengriff mit einem Küchentuch und holte die Pfanne aus dem Ofen. Ungefähr in der Mitte des Wegens zwischen Ofen und Ablagefläche merkte ich, dass ich das Handtuch nicht komplett um den Griff gekriegt hatte verfickte Scheiße war das heiß! Die anderen aßen am Tisch, ich speiste mit links, während ich die rechte Hand unter kaltes Wasser hielt. Danach googelte ich mit links nach Notfallapotheken, weil Mütterchen keine Brandsalbe im Haus hatte. Ihr fiel die Nachbarin ein, die Ärztin ist, da könne sie ja mal rübergehen. Okay. Oder ich solle doch mal Schwesterchen anschreiben, ob die Salbe hätte. Okay. Oder der Notfallkasten im Auto? Okay. Die Nachbarin wurde nicht gestört, im Verbandskasten lag nix, Schwesterchen hatte auch nix, ich meckerte jetzt doch lauter als gewohnt, weil es wirklich weh tat, und wurde *etwas* ungehalten, als Mütterchen meinte, ich solle mal nach Naturheilmitteln googeln. Gerade als ich kurz davor war, um den Autoschlüssel zu bitten, um 10 Kilometer zur nächsten Apotheke zu fahren, verdammtes Dorf, legte mir das liebevolle Mütterlein ein Stückchen aufgeschnittene Aloe Vera auf die Hand. Und was soll ich sagen? Es funktionierte. Blöde Natur, proving me wrong! Es half nicht für lange, aber immerhin, Aloe hatten wir da, da hätte ich noch ein paar Tage nachlegen können. Bis mir Depp einfiel: Bei Papa liegt nicht nur Desinfektionszeug, sondern auch jede Medikation dieses Planeten. Auch Brandsalbe? Natürlich auch Brandsalbe. Ich rollte mit den Augen, schmierte mir herrliche Chemie auf die Hand und war so gut wie schmerzfrei.

Weil ich doch etwas gehandicapt war, übernahm F. das restliche Ausweiden der Gans, die wir natürlich nicht mal ansatzweise geschafft hatten. Mit dem Grünkohl zusammen, von dem ich logischerweise auch zuviel gekocht hatte, dürften meine Eltern bis zum Dreikönigstag was zu essen haben. Plus Plätzchen!

Nachmittags zog sich F. etwas zurück, Mütterchen und ich bastelten die am 23. Dezember begonnene Eierlikörtorte fertig und deckten in Papas Zimmer fürs Kaffeetrinken ein. Dabei packten wir die Geschenketüten von Schwesterschwager aus. Schwesterchen arbeitet in der Verwaltung eines großen Drogisten, weswegen wir jetzt mit mitarbeitervergünstigten Pflegeprodukten hervorragend ausgestattet sind. Ist mir sehr recht, ich muss sparen.

Abends erneutes Kerzenanzünden, weiterhin ausgiebiges Baumloben – „So schön gerade!“ „Und so toll geschmückt!“ –, Rotwein und Sekt dazu, Papa nickte dauernd weg, die Stunden im Rollstuhl strengen ihn mehr an als die im Bett. Wir machten etwas früher Feierabend, fanden das Weihnachtsfest aber trotz der leider abwesenden zwei Gäste den Umständen entsprechend sehr gelungen.

3) Schwester und Schwager blieben im Bett, aber F. und ich reisten wie geplant nach Hause. Nicht geplant war das etwas nervige Kleinkind vor uns, aber da muss man halt durch und es gibt ja Noise-Cancelling-Kopfhörer. Driving home from Christmas, auf die Minute pünktlich am Münchner Hauptbahnhof, ich mit zwei Franzbrötchen im Gepäck und viel Neuem, was ich dank eines hervorragenden Podcasts des Städel über Van Goghs Porträt des Dr. Gachet gelernt hatte. (Danke an Konstantin für den Tipp!)

Ich hatte im Vorfeld ein bisschen Panik vor diesem Weihnachten gehabt, weil so vieles anders war, weil F. zum ersten Mal etwas länger bei uns war, weil ich nicht wusste, wie es Papa gehen würde, ob alles zu viel sein würde oder genau richtig oder total egal. Ich für mich fand es ähnlich anstrengend wie immer in den letzten Monaten, als ich da war, aber so ist es wohl, sich um jemanden zu kümmern, dessen Gehirn jetzt anders funktioniert. Aber als wir alle im abgedunkelten Wohnzimmer ruhig um den Baum saßen und in die Kerzen schauten, war das sehr schön und stimmungsvoll und entspannt und ich glaube, es ging allen gut.

„In jener Zeit erließ Kaiser Augustus den Befehl an alle Bewohner seines Weltreichs, sich in Steuerlisten eintragen zu lassen. Es war das erste Mal, dass solch eine Erhebung durchgeführt wurde; damals war Quirinius Gouverneur von Syrien. So ging jeder in die Stadt, aus der er stammte, um sich dort eintragen zu lassen.

Auch Josef machte sich auf den Weg. Er gehörte zum Haus und zur Nachkommenschaft Davids und begab sich deshalb von seinem Wohnort Nazaret in Galiläa hinauf nach Betlehem in Judäa, der Stadt Davids, um sich dort zusammen mit Maria, seiner Verlobten, eintragen zu lassen. Maria war schwanger. Während sie nun in Betlehem waren, kam für Maria die Zeit der Entbindung. Sie brachte ihr erstes Kind, einen Sohn, zur Welt, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Futterkrippe; denn sie hatten keinen Platz in der Unterkunft bekommen.

In der Umgebung von Betlehem waren Hirten, die mit ihrer Herde draußen auf dem Feld lebten. Als sie in jener Nacht bei ihren Tieren Wache hielten, stand auf einmal ein Engel des Herrn vor ihnen, und die Herrlichkeit des Herrn umgab sie mit ihrem Glanz. Sie erschraken sehr, aber der Engel sagte zu ihnen: „Ihr braucht euch nicht zu fürchten! Ich bringe euch eine gute Nachricht, über die im ganzen Volk große Freude herrschen wird. Heute ist euch in der Stadt Davids ein Retter geboren worden; es ist der Messias, der Herr. An folgendem Zeichen werdet ihr das Kind erkennen: Es ist in Windeln gewickelt und liegt in einer Futterkrippe.“ Mit einem Mal waren bei dem Engel große Scharen des himmlischen Heeres; sie priesen Gott und riefen: „Ehre und Herrlichkeit Gott in der Höhe, und Frieden auf der Erde für die Menschen, auf denen sein Wohlgefallen ruht.“

(Neue Genfer Übersetzung)

Ich wünsche euch allen ein friedliches, fröhliches, besinnliches, schönes, gesegnetes Weihnachtsfest. Danke fürs Lesen.

Tagebuch Sonntag, 22. Dezember 2019 – Kochen, schieben, backen

Papa hat ewig geschlafen, Mama konnte endlich mal wieder ausschlafen, ich war brav um 7 aufgestanden, war frisch geduscht und hatte um kurz vor acht das Frühstück fertig – und keiner wollte es haben. Papa habe ich vorsichtig gegen halb 9 geweckt, bevor die Morgenpflege kam, denn davor sollte er gefrühstückt haben. Ein Scheibchen Brot mit Apfelgelee, ein Scheibchen mit Honig, eine Kanne Tee für ihn und eine halbe für mich. Das Mütterchen hatte ich irgendwann auch auf Wunsch geweckt, sie war aber wieder eingeschlafen, und das passte auch so.

Vormittags den Baum geschmückt, wie es Papa immer gemacht hat: alles in rot, ein paar Dekoglocken aus Glas, echte Kerzen. Papa wurde von mir dazu eingeteilt, die Kerzen in die Halter zu friemeln, und wenn ich ihm den Halter direkt in die Hand gegeben habe, hat er es auch hervorragend hinbekommen.

„Alles in rot“ bis auf zwei Blechtrompeten in türkis und blau, die schon bei Omi am Baum gehangen haben. Meine Schwester und ich haben auf denen als Kinder immer rumgetrötet, und wir hatten auch mal welche in gold und rot, aber die sind irgendwie verschollen und die beiden letzten geben keine Töne mehr von sich.

Danach gefühlt zwei Gallonen Kürbissuppe gekocht, weil Mama die so gern mag.

Normalerweise halte ich keinen Mittagschlaf, wenn die Eltern dösen, aber gestern war ich dann doch jahresendzeitmüde und schlief komatös ein Stündchen.

Nachmittags testete ich erstmals den Außenlift an, der seit Oktober da ist, damit Papa irgendwie vor die Tür kommt. Danach schob ich ihn im Rollstuhl zu drei Nachbarn, die eine Riesenpackung Merci bekamen und ein persönliches Dankeschön für ihre Hilfe, falls das Mütterchen mal ungeplant wegmusste und niemand bei Papa war. Ich stellte fest, dass Rollstuhlschieben ganz schön anstrengend ist und jede noch so kleine Bordsteinkante ein echtes Hindernis, wer hätte es gedacht. Die elektrische Schiebehilfe, bei deren Vorführung ich im November dabeigewesen war, wurde vom Arzt schon bewilligt, von der Krankenkasse allerdings noch nicht.

Aufgeräumt, Kuchen gebacken, Stollen gegessen, den uralten vierarmigen Leuchter aus der ehemaligen DDR angezündet, bei dem ein Holzengelchen inzwischen auch behindert ist, der ist mittig durchgebrochen und liegt jetzt auf seinem Platz anstatt zu stehen, aber anscheinend kann man auch im Liegen Geige spielen.

Abends noch ein bisschen an der Diss gesessen, Henri Nannens Rezension zur ersten GDK von 1937 gelesen und zitiert. Sehr müde gewesen, nicht mehr mit Mama in der Küche bei einem Sektchen gesessen, einfach nur noch ins Bett gefallen.

Tagebuch Samstag, 21. Dezember 2019 – Auf die Ohren, in den Kopf

Den halben Tag im Zug verbracht, um in den Norden zu kommen. Dabei, wie neuerdings immer, Podcasts und ähnliches gehört.

Ich begann mit einem Stündchen Wrint, dieses Mal über die USA, Holger Klein, dessen Stimme ich ewig zuhören könnte, im Gespräch mit dem scheidenden USA-Hörfunkkorrespondenten Martin Ganslmeier.

Danach googelte ich nach „Podcast Geschichte“ und stieß auf Deutschlandfunk Nova, die mit Eine Stunde History etwas Nettes im Angebot haben. Die Sendung ist kein reines Gespräch, sondern setzt sich aus mehreren Konversationen, gerne mit Expert*innen, und nachgespielten und -erzählten Szenen zusammen. Ich hörte über Spotify die Folge über die Warenhäuser von Leonhard Tietz, die – natürlich, herrgottnochmal – in den 1930ern „arisiert“ wurden und die irgendwann Kaufhof hießen.

Anschließend hörte ich das neue Album von Harry Styles durch, über das @nilzenburger einen schönen Thread geschrieben hatte, den ich fast komplett abnicken kann, besonders die Beschreibung zu „Sunflower“.

Für noch mehr Hören reichte die Zeit nicht so recht, ich schnappte mir mein neuestes Lesergeschenk zur Radikalisierung des Adels bis hin zum Nationalsozialismus, mit dem ich nicht bis zum Tannenbaum hatte warten wollen. Hätte ich vielleicht machen sollen, dann hätte ich mir schlechte Laune erspart. Ich habe noch nicht mal die Einleitung durch, aber die Definition des Begriffs „Radikalisierung“ ließ mich etwas zusammenzucken; das fühlt sich leider gerade sehr aktuell an. (Das Buch ist von 2003.)

„Als Radikalisierung wird im folgenden ein Ensemble von Elementen bezeichnet, die gleichermaßen Wahrnehmung, Denken und Handeln der Akteure betreffen. Diese Elemente sind:

a) Veränderung und Bewegung: Radikalisierung bezeichnet prozeßhafte Veränderungen im Denken und Handeln von Menschen. Radikalisierung entsteht in Reaktion auf strukturelle Umbrüche und führt selbst zu strukturellen Veränderungen im Denken und Handeln. Radikalisierungsprozesse werden von kleinen, hochaktiven Minderheiten initiiert und gesteuert. Historische Bedeutung erlangen die Verstöße radikaler Minderheiten nur dann, wenn sie von einer (passiven) Mehrheit unterstützt, zumindest aber geduldet werden. Scharfe Kritik am Status quo verbindet sich stets mit unscharfen Entwürfen einer ‚besseren‘ Zukunft.

b) Reduktion und Dichomitisierung: Radikalisierung geht mit der Ausblendung einzelner Wirklichkeitsbereiche einher: eine Tendenz zur Reduktion komplexer Zusammenhänge, die auf schwierige Fragen vermeintlich einfache Antworten hervorbringt. Es entstehen zunehmend dichotome Weltbilder mit einer schlichten Trennung zwischen Freund und Feind, die als antagonistische Pole konstruiert werden, zwischen denen jede Vermittlung ausgeschlossen erscheint. Auf diese Weise hängen der Abbruch des Dialogs und der Weg in die Gewalt zusammen. In den Worten von Anthony Giddens: ‚Where dialogue stops, violence begins.‘ Die größtmögliche Einheit der ‚Freunde‘ und der möglichst vollständige Ausschluß der ‚Feinde‘ sind zwei Seiten einer Forderung. Die Forderung nach ‚Reinheit‘ und die Praxis der Gewalt gehören im Radikalisierungsprozeß meist zusammen.

c) Emotionalisierung: Die transportierten Inhalte sprechen weniger die kognitive als die affektive Wahrnehmung an. Sie sollen nicht argumentativ überzeugen, sondern emotional beeindrucken.

d) Brutalisierung der Sprache: Die Veränderung der gedanklichen Inhalte drückt sich in der Schaffung neuer, aggressiv aufgeladener Begriffe, Metaphern und Symbolsets aus. Die ‚Entmenschlichung‘ des politischen Gegners bzw. ‚Feindes‘ manifestiert sich sprachlich oft in Begriffen aus der Tierwelt. Parallel zur sprachlichen Verwandlung des ‚Feindes‘ in Ungeziefer wandeln sich die Verben: aus überzeugen, in die Schranken weisen, schlagen, ausweisen werden ausmerzen, zertreten, vertilgen, vernichten, ausrotten.

e) Brutalisierung der Mittel: Die Entstehung neuartiger Organisationsformen und Aktionsformen, in denen ‚entschiedenes‘, ‚hartes‘ oder ‚radikales‘ Handeln bzw. Durchgreifen gefordert, ermöglicht und realisiert wird.

f) Tendenz zur Anarchie der erzeugten Gewalt: Die Abnahme der Steuerungsfähigkeit von Ausmaß und Ausrichtung der freigesetzten Gewalt – ein Zauberlehrlingseffekt, bei dem sich Gewalt leichter erzeugen als dauerhaft steuern läßt. Da sich die geforderte Gewalt schließlich gegen ihre Initiatoren wenden kann, weisen Prozesse der Radikalisierung meist eine Tendenz zur Selbstzerstörung auf.“

Quelle: Stephan Malinowski: Vom König zum Führer. Deutscher Adel und Nationalsozialismus, Frankfurt am Main 2010, S. 18/19.

Trotz des unangenehmen Inhalts musste ich zweimal grinsen. Das Wort „initiieren“ hat mir mein erster Chefredakteur gründlich ausgetrieben, das wurde immer rausgestrichen, bei allem, weil das Wort eher unleserlich ist. „Anstoßen“, „auslösen“, etc. lassen sich eindeutig besser erfassen und aussprechen.

Und der Begriff der Dichotomie ist das Buzzword für jede Lebenslage meines Doktorvaters. Ich glaube, ich kenne keinen Aufsatz von ihm, in dem das nicht vorkommt.

Ein hochherrschaftliches Dankeschön …

… an Jakob, der mich mit Stephan Malinowskis Vom König zum Führer: Deutscher Adel und Nationalsozialismus überraschte. Ich ahne, dass ich dieses Buch im Zuge der nervigen Hohenzollern-Diskussion auf meinen Wunschzettel gelegt hatte, und sofern man sich darauf freuen kann, mehr über die Verstrickungen verschiedener Bevölkerungsschichten in den Nationalsozialismus zu lesen, freue ich mich auf das Buch. Hier zwei Rezensionen beim Perlentaucher, hier die längere bei hsozkult und hier noch eine bei Sehepunkte. Alle sind größtenteils der Meinung, dass diese Dissertation eine wichtige Forschungslücke schließen konnte.

Bei mir hatte das Buch schon gewonnen, als ich beim neugierigen Reinschnüffeln (trotz weihnachtlicher Geschenkverpackung, sorry) gesehen habe, dass es Fußnoten statt Endnoten hat. Der Originaltitel der ersten Auflage lautete übrigens meiner Meinung nach etwas treffender, aber halt weniger zackig für den Markt „Vom König zum Führer. Sozialer Niedergang und politische Radikalisierung im deutschen Adel zwischen Kaiserreich und NS-Staat“. Vielen Dank für das Geschenk und die Widmung, ich habe mich sehr gefreut.

Tagebuch Mittwoch/Donnerstag, 18./19. Dezember 2019 – „Star Wars“ und Propaganda

Das Trinkgeld für den Zeitungsausträger ist anscheinend angekommen.

Update zu der freundlichen Gabe einer mir Unbekannten, deren Päckchen in eine renitente Packstation gegangen ist, ich schrieb darüber: Ich war nochmal da, ich habe wieder die Ansage gekriegt, dass in dieser Station nichts für mich liegt, und auch die DHL-Hotline weiß nicht mehr. Ich hoffe sehr, dass irgendwann jemand das Päckchen findet und zurückschickt und du dein Geld wiederbekommst. Es tut mir leid, dass du eventuell ein paar Euro ärmer werden könntest, weswegen ich ein extragroßes Dankeschön sage für die nette Geste. Ich hätte mich über das ausgewählte Buch sehr gefreut.

Mittwoch war Ruhetag und Tagetag und Wärmflasche und Sofa. Abends raffte ich mich zu meinem hoffentlich letzten Star-Wars-Film auf, den ich nur sehen wollte, weil ich die letzten beiden jetzt nicht so irre scheiße fand (das höchste Lob, was ich für Star Wars habe) und vor allem die zu erwartenden Twitter-Memes verstehen will. The Rise of Skywalker war dann leider irre scheiße, und wenn ich nicht in Begleitung gewesen wäre und vor allem am Rand gesessen hätte anstatt mitten in der Reihe, wäre ich nach 30 Minuten gegangen weil OMG so langweilig.

Miesester Moment: Keine Spoiler hier, keine Bange, aber so richtig schlecht gelaunt war ich, als bei einer Kussszene so ziemlich der komplette Saal voller Kerle rumstöhnte – O-Ton hinter mir: „Immer dieses Geschlabber.“ Immer? IMMER? Wenn es irgendeinen keuschen Film gibt, dann ja wohl dieser Sternenquatsch. Aber guck ruhig weiter 40 Minuten Explosionen im Weltraum, armes Häschen.

Bester Moment: Als sich zwei Frauen, eine davon im Rey-Outfit an der langen Kassenschlange vorbeidrängelten, um zu den Toiletten zu kommen: „Immerhin sind die Damenklos jetzt leer.“

Danach brauchte ich ein kleines Bierchen. Große Liebe für den Kellner, der nach der Bestellung „Ein Helles“ fragte: „0,5 oder mehr?“ Ach, München aka Die Stadt der Maßkrüge.

Die NYT: „The struggle of good against evil feels less like a cosmic battle than a longstanding sports rivalry between teams whose glory days are receding. The head coaches come and go, the uniforms are redesigned, certain key players are the subjects of trade rumors, and the fans keep showing up. Which is not entirely terrible. “The Rise of Skywalker” isn’t a great “Star Wars” movie, but that may be because there is no such thing. That seems to be the way we like it.“

Der New Yorker: „The movie’s few infinitesimal touches of what might be called character—such as Rey substituting compassion for violence when she heals a deadly serpent—tick off a few ready-made socio-boxes. There is a quick moment of feminine solidarity, a carefully focus-grouped lesbian kiss. What’s more, it’s dispiriting to see the differences in how Ridley and Driver are directed. Ridley is called upon to express and overexpress, at each given moment, one given emotion, while Driver underexpresses, suggesting competing emotions. This isn’t a judgment on the skills of the two actors but, rather, what they reflect in the Star Wars universe and its creative conception: there, women, however heroic, are simple, and men are complex. It’s a reminder that the director and the four credited writers of “The Rise of Skywalker” are all male—and that the entire franchise, including the past half decade’s trio of sequels, has had no female director (and only one female screenwriter, Leigh Brackett, on “The Empire Strikes Back,” from 1980).“

Donnerstag ausgeschlafen, keine Bauchschmerzen mehr gehabt, ab ins ZI. Gearbeitet. Habe jetzt alle Ausstellungskataloge bis 1945 durch. Haha. Sagte sie so leichtsinnig.

Zuhause wartete Post aus dem Staatsarchiv.

Ich wünsche euch auch total tolle Weihnachten, ihr kleinen Glücklichmacher. Wenn man bei euch fotografieren dürfte, wäre das noch toller, denn dann müsste ich mir keine sechs Briefseiten von euch einscannen lassen, die ihr mir dann auf CD brennen und per Post verschicken müsstet. Wenn ich den Empfang richtig verstanden habe, dürfte ich sogar fotografieren, aber erst alles, was älter ist als 100 Jahre. Verdammtes Diss-Thema!

Tagebuch Montag/Dienstag, 16./17. Dezember 2019 – Frozen Fortuna

Nach dem auswärtig verbrachten Wochenende war Montag dann Wochenende, das hieß: Putzen, Einkaufen, Wohnung weihnachtsfertig machen. In diesem Jahr bin ich Ende Dezember quasi nicht zuhause, sondern im Norden oder im Nachbarland, weswegen ich mir eigentlich das kleine Weihnachtsbäumchen verkneifen wollte, ich würde es ja eh kaum sehen. Aber Weihnachten ohne Baum ist doof, und daher erstand ich einen kleinen Nordmann und fuhr ihn mit dem Bus in die Nähe meiner Wohnung. Dort wurde er sogleich geschmückt, und sobald es draußen einen Hauch dunkler wurde – also so gegen 13 Uhr –, leuchteten die Lichterketten.

Das Jahr war für mich deutlich anstrengender geworden als erwartet, aus verschiedenen Gründen, und ich war auch noch nicht so recht in Weihnachtsstimmung, aber die Berggipfel am Wochenende und nun die Kugeln und Lichter sorgten endlich dafür, dass ich gefühlt etwas runterschalten konnte. Auf dem Sofa bequem gemacht, Plätzchen verspeist, Bäumchen angeguckt.

Abends ging es dann ins Kino, Frozen II in den legendären Museum-Lichtspielen, in denen ich noch nie war, weil ich keine Schachteln mehr nutzen möchte, außer es geht halt nicht anders. Hier ging es nicht anders, weil F. sich logischerweise keinen Nachmittag freinehmen wollte, um einen Film in den großen Popcornkinos zu gucken, wo er gerade im Original zu sehen ist. Also Schachtel. Es war nicht so schlimm wie erwartet, immerhin Beinfreiheit und gemütliche Sessel, aber halt mittelmäßiger Ton und eine Leinwand, die ungefähr so groß war wie der Fernseher meiner Schwester.

Aber schon im Werbeblock war ich wieder versöhnt, denn ausgerechnet die Münchner Stadtwerke hatten eine kleine, clevere Idee für die musikalische Begleitung ihres leider total banalen Spots.

Den Film selber muss ich mir gnadenlos noch einmal anschauen, der rauschte gefühlt zu hektisch an mir vorbei. Ich mochte, dass einige der geliebten Figuren aus dem ersten Teil einen geschärfteren Charakter bekommen hatten, während andere leider ein bisschen verschenkt wurden. Außerdem gab es mir viel zu viele Götter aus zu vielen Maschinen, die plötzlich da waren, aber mei. Auch bei den Songs wurde anscheinend versucht, genau die Knöpfchen zu drücken, die im ersten Teil so hervorragend funktioniert hatten, aber auch hier: Wenn man schon eine der weltbesten Musicalsängerinnen im Team hat, dann nutzt man die Stimme der Dame eben auch. Und alleine für drei herrliche, sehr überraschende Minuten mit Christoph mitten im Film hat sich der Besuch gelohnt.

Gestern wollte ich eigentlich ins ZI, nochmal schnell ein paar Tage dissertieren, bevor in München überall die Bürgersteige hochgeklappt werden, aber nach 85 Tagen (VERDAMMT!) erwischten mich die Tage wieder, weswegen ich mit einer Wärmflasche auf dem Bauch zuhause blieb. Denn auch gestern war mein Abend verplant. Schmerztabletten, Thermotights, Thermopulli, Handschuhe, Thermosocken in den Stiefeln – und dann durchs 12 Grad warme München gestapft und mich totgeschwitzt, um ins 4 Grad kalte Augsburg zu kommen, wo ich dachte, och, ne Decke wäre auch noch gegangen.

Im Stadion selbst war es aber gut auszuhalten, vor allem weil der FC Augsburg gerade einen ziemlichen Lauf hat. Anfang Oktober noch mit 1:5 in Gladbach untergegangen, einen Ausrutscher zuhause gegen Schalke (2:3) Anfang November, aber seitdem nur Siege oder Unentschieden eingefahren. Gestern gab’s ein nettes 3:0 gegen die Fortuna aus Düsseldorf; am Samstag wartet noch Leipzig, aber da rechne ich nicht wirklich mit Punkten. Egal – dass der FCA auf dem 10. Tabellenplatz in die Winterpause geht, hätte ich nach dem total grützigen Saisonbeginn und dem ständigen Kratzen an den Abstiegsplätzen wirklich nicht gedacht.

Beim blöden Abendspiel ab 20.30 Uhr waren leider die winkenden Kinder vom Kids Club nicht mehr auf ihrer Ehrenrunde. Aber die Einlaufkinder durften doch auch wachbleiben! Das System verstehe ich nicht. Aber auch hier: Egal, ich hatte Glühwein und einen ansonsten sehr guten Abend.

Viel zu spät ins Bett gekommen allerdings, denn wir haben erst den Zug um 23.41 aus Augschburg erwischt, weswegen ich um 1 zuhause war. Mitten in der Nacht!

PS: Ich liebe es, dass DAZN die Bundesligabilder ins Netz stellt!

Was außergewöhnlich schön war, Samstag/Sonntag, 14./15. Dezember 2019 – 1600 Höhenmeter

Am Samstag saß ich auf der Rückbank des Autos von F.s Mütterchen, die uns drei von Deutschland aus nach Liechtenstein zu einer Familienfeier chauffierte. Wir hatten Föhn, weswegen mir dauernd ein tolles Bergpanorama versprochen wurde. Man muss dazu nämlich wissen: Auch nach sieben Jahren München habe ich es noch nie weiter als bis zum Bodensee geschafft, so richtig Berge kannte ich immer noch nicht.

Wir fuhren gemütlich vor uns hin, bis wir die Grenze nach Österreich überquerten. Von da an fluchten mild-mannered F. und Mütterchen wie die Rohrspatzen auf die Autobahngebühren unserer Nachbarn, das Wort „Wegelagerer“ fiel recht oft, und ich musste sehr lachen, weil die beiden sonst so völkerverständigend und rational sind, aber dass man für eine halbstündige Fahrt durch Österreich und die Schweiz zwei Pickerl bräuchte – eine einzige Zumutung! Die Vignette für die Schweiz galt immerhin gleich 14 Monate, aber für Österreich gab es keine nur für einen Tag, die zeitlich kürzeste war die für zehn Tage, was laut der beiden total unverschämt ist, denn wenn man für zwei Wochen nach Italien will, muss man zweimal zahlen, so fies! F. nölig: „Ich nehm mir jetzt ne Woche Urlaub und fahr denen die Autobahnen kaputt!“ Ich musste daran denken, dass ich das im Norden immer charmant fand, wenn man auf den Autobahnen dänische Kennzeichen sah, aber ich habe keine Ahnung, wieviele teutonische Horden an einem üblichen Wochenende nach Süden reisen.

In kürzester Zeit waren wir durch Österreich in die Schweiz gefahren und von dort nach Liechtenstein. Dort fuhr man extra einen kleinen Umweg, auch am Schloss vorbei, und beschied mir nach zehn Minuten, dass ich jetzt quasi das gesamte Fürstentum gesehen hätte. Das konnte ich nicht beurteilen und war auch äußerst abgelenkt, denn quasi seit der deutsch-österreichischen Grenze standen da so komische Felsklötze in der Gegend rum. Die sahen deutlich beeindruckender aus als ich mir das vorgestellt hatte, und deswegen glotzte ich nur blöd aus dem Fenster.

Im Hotel in Triesenberg war das Balkonfenster gegenüber der Tür und wir hatten es schon geöffnet, bevor wir unsere Taschen verstaut hatten. Dann stand ich einfach nur doof da und guckte in die Berge, genauer gesagt, über den Rhein, der die Grenze zwischen Liechtenstein und der Schweiz bildet, auf die Alviergruppe.

Als wir dann wirklich los mussten, warf ich mir schnell etwas Farbe ins Gesicht und zog mich um, dann gingen wir feiern, aßen Kuchen und Gulasch, und solange nur noch ein Fitzelchen Tageslicht da war, stand ich am Fenster und glotzte die Alpen an. Es fällt mir schwer zu beschreiben, warum mich das so verstummen ließ, aber ich konnte mich von der Aussicht schlicht nicht trennen. Der Gastgeber so: „Ach, das siehst du nach zwei Tagen gar nicht mehr.“ Woraufhin ich so dermaßen entgeistert geguckt haben muss, dass er mir mehrfach versicherte, dass das ein blöder Scherz gewesen war. Niemals gewöhnt man sich an die Dinger!

F. konnte spätabends nach der Feier noch ein Bild vom Hotelbalkon machen, mein iPhone war gnadenlos überfordert.


Die Lichter müssten aus Gams kommen. Ich war sehr beeindruckt davon, dass man auch im Dunkeln die schneebedeckten Gipfel sehen konnte.

Wir fielen rotweinschwer ins Bett, waren aber recht früh wach. F. noch früher als ich, und irgendwann flüsterte mir jemand „Der Vollmond steht über den Bergen“ ins halbschlafende Ohr, woraufhin ich mich nölig aus der Bettdecke schälte. Aber sobald ich wieder am Fenster stand, waren Schlaf und Nöligkeit weg, weil, ich meine, BERGE!

Wir standen noch etwas länger einfach stumm rum, irgendwann ging F. duschen, während ich mich wieder in die Bettdecke wickelte und es mir damit auf einem der zwei Stühle auf dem Balkon gemütlich machte. Auf einmal verstand ich, wieso Hans Castorp es ewig nicht vom Zauberberg runtergeschafft hatte.

Kein Foto kann auch nur annähernd wiedergeben, wie wunderschön das war. Ich hatte überlegt, die Fotos aus dem Blogeintrag wegzulassen, weil sie eben nicht annähernd usw., aber ich freue mich immer so, wenn ich sie sehe, also stehen sie hier.

Ich verglich meine stumme, beeindruckte Reaktion auf schneebedeckte Berge mit der am Meer. Das Meer beruhigt mich auch immer, aber das Meer ist anders beeindruckend als die Berge. Meer ist gefühlt unendlich, da wartet hinten irgendwann der Horizont und man guckt schließlich ins Nichts. Außerdem ist das Meer nie ruhig, die Wellen kommen dauernd lockend an, Ebbe, Flut, der Sand, der dir dauernd irgendwo hinweht, die ständigen Geräusche – eigentlich ist das Meer eine totale Unruhequelle.

Nicht so die Berge. Die stehen da extrem majestätisch in der Gegend rum und machen nichts. Die sind einfach da. Und das verdammt groß und breitschultrig. Man kann fast sehen, wie die Erde sie irgendwann zusammengeschoben hat und sich dann dachte, ich lass das jetzt so. Und seitdem ist das so, und ich gucke da jetzt nach Millionen Jahren einfach so drauf, was die Berge nicht die Bohne beeindruckt.

Pathetisch, ich weiß, aber in einem kurzen Augenblick konnte ich die Astronauten (Kosmonauten, Taikonauten, m/w/d) verstehen, die durch ihren Blick aus dem Weltall auf unsere blaue Murmel plötzlich verstanden haben, wie klein wir Menschen sind. Die Alpen sind vermutlich ein etwas anderer Schnack, und an den Himalaya will ich gar nicht denken, aber mir Flachlandei ging es ähnlich. Vielleicht habe ich deswegen sehr viel Zeit an diesen beiden Tagen damit verbracht, einfach nur auf die Berge zu starren, weil es manchmal ganz beruhigend ist, zu merken, wie klein man ist und wie unwichtig vieles.

Zum Abschluss des Tages fuhren wir von Triesenberg aufs Dach von Liechtenstein, ganz nach oben nach Malbun in 1600 Meter Höhe. Dort ärgerte ich mich sehr, dass ich so gar nicht auf Berge vorbereitet war, aber wie auch, ich war da ja noch nie und mir hat niemand gesagt, dass ich vorbereitet sein müsste. Ich hatte profillose Schuhe an und nicht mal eine Sonnenbrille, weswegen der Schneespaziergang für mich flachfiel. F. so: „Wir haben ja jetzt das Pickerl, wir kommen einfach nochmal.“ Trotzdem. Das war sehr schade, weil der Schnee so verlockend aussah, aber so schauten wir Menschen beim Skifahren und Eislaufen zu, wenn ich nicht gerade mal wieder mit offenem Mund ins Tal blickte.

Der Rückweg war ähnlich ereignislos und genauso entspannt wie die Hinfahrt, aber schon in Österreich, wo alles schon wieder graugrün statt weiß war, fiel es mir schwer, mich daran zu erinnern, dass ich vor gerade einer halben Stunde noch im Schnee gestanden und mich wie auf dem Dach der Welt gefühlt hatte.

Immerhin konnte ich einen schönen Thread absetzen.

Wegen meiner Fußheberschwäche sind Bergwanderungen für mich eher ausgeschlossen, außer wir halten alle 100 Meter an, damit ich wieder zu Atem komme, aber ich würde schon gerne mal ein paar kleine Spaziergänge in den Bergen machen. Apropos Atem: Mein Asthma, das ich im Prinzip ignoriere und das meine Lunge ab und zu bei Anstrengungen pfeifen lässt, war quasi weg. Ich habe so tief wie selten eingeatmet und immer auf die Fiepsgeräusche aus dem Brustkorb gewartet, aber nichts. Auch das war herrlich.

Dieser Eintrag hat keine Pointe und die Fotos geben, wie erwähnt, nicht im Entferntesten die Herrlichkeit wieder, die ich sehen und spüren durfte. Ich möchte mich nur an genau das erinnern, und dafür ist mein Weblog da. Mal wieder sehr dankbar gewesen.

Fehlfarben 24: Senga Nengudi – Topologien // O. Winston Link – Retrospektive

Überraschend spannende Ausstellungen und drei Weine, mit denen wir auch nicht so wirklich gerechnet hatten: Das war ein guter Abend.


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00.00:00. Begrüßung und Vorstellung.

00.00:50. Blindverkostung Wein 1. Wir trinken heute Silvaner, die sich, ich nehme alle Pointen vorweg, als durch die Bank großartig herausstellen.

00.03:13. Unsere erste Ausstellung: Senga Nengudi, Topologien in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus. Ich klaue ein Zitat von der dortigen Website: „Eine legendäre Avantgarde-Künstlerin, deren bedeutende Installationen in einen Koffer passen – so beschrieb die Künstlerkollegin Lorraine O’Grady einst Senga Nengudi und ihr Werk. Seit fünf Jahrzehnten entwickelt Nengudi, die 1943 in Chicago geboren wurde, ein einzigartiges Œuvre, das sich zwischen Bildhauerei, Performance und Tanz bewegt.“ Tollerweise hatten wir alles davon vor der Nase: eine aufgezeichnete Performance, ein paar per Fotos, skulpturale Werke sowie Installationen. Dazu spannende Materialien und verschiedene Wege, sich den städtischen Raum wiederzuerobern.

Ich war vor allem vom Entstehungszeitraum der Arbeiten überrascht: Das sah alles hochmodern aus, ist aber jetzt schon fast 50 Jahre alt. Da gab es temporäre Installationen im öffentlichen Raum, also Stoffskulpturen, die zwischen Häusern wehen oder skulpturale Werke aus Nylonstrumpfhosen (Nengudis gefühlt am häufigsten verwendetes Material), die an Autobahnunterführungen befestigt wurden – das erinnerte mich, und das erzähle ich auch, an Urban Knitting, an Graffiti, aber auch an den alten Sony-Spot mit den bunten Bällen oder mich persönlich an ein gerendertes Bild, das ich erst vor kurzem auf Instagram entdeckt hatte.

Die Arbeiten haben so viele und vor allem vielfältige Ebenen, das ich, wie gesagt, kaum glauben konnte, wie alt sie schon waren. Daher gibt’s nicht nur von mir, sondern auch von den Herren am Tisch drei Daumen nach oben und eine Anschauempfehlung. Läuft nur noch bis zum 19. Januar 2020, also schnell rein. Ist auch, und das ist jetzt nicht abfällig gemeint, nicht übermäßig groß, weil die übersichtliche Anzahl von Stücken reicht, um ihr Werk abzubilden oder wenigstens anzureißen, und daher braucht man auch keine fünf Stunden, um durchzugehen.

00.36:55. Blindverkostung Wein 2.

00.43:55. Unsere zweite Ausstellung: eine Retrospektive des Fotografen O. Winston Links im Kunstfoyer der Versicherungskammer. Die Ausstellung hat uns alle zu kindlichen Eisenbahnfans werden lassen, obwohl wir total analytisch an dokumentarische Fotos rangehen wollten. Hat überhaupt nicht geklappt, so „irrwitzig“ (O-Ton Felix) waren die Bilder (und Töne!).

Mein Tipp wäre: Nicht wie ich – und wie so ziemlich alle Besucherinnen – links anfangen und im Uhrzeigersinn gehen, sondern gleich rechts in den kleinen Raum schlendern, wo sehr kurze Erklärclips zum Werk laufen und wo an einer Wand Links Notizbücher mit Kamera- und Blitzpositionen ausgestellt sind. Dann wird einem nämlich gleich beim ersten Bild klar, was für eine technische Leistung hier vollbracht wurde; bei mir hat das in der Ausstellung ungefähr bis zum letzten Raum gedauert, bis ich Hirn mich das erste Mal fragte: Hey, Moment, das sind ja Nachtaufnahmen – wieso sehe ich überhaupt was?

Neben diesen überraschenden Ansichten sind die Fotos der letzten Dampfloks in den USA vom Ende der 1950er Jahre natürlich auch ein Zeitdokument, wenn auch ein sehr weiß-männliches. Aber auch das ist ja schon eine Erkenntnis. Erneut eine Anschauempfehlung, und weil das Kunstfoyer so nett ist, kostet der Eintritt auch wie immer gar nichts.

01.04:00. Blindverkostung Wein 3.

01.24:15. Wir lösen die Weine auf, aber wir konnten uns nicht entscheiden, weil alle drei sehr sympathische und äußerst eigene Charaktere waren. Den Orange Wine haben wir dann doch auf Platz 1 gesetzt, weil er am spannendsten war, aber wir würden von allen eine Kiste trinken wollen. Oder zwei.

Wein 1 von Flo: Weingut Wechsler, Pet Nat Fehlfarbe, Rheinhessen 2018, Schaumwein, 11,5%, bei 8 Green Bottles für 16,50€.

Wein 2 von mir: Kerstin Laufer, Silvaner trocken, Franken 2018, 12%, bei Wir Winzer für 7,90€.

Wein 3 von Felix: Geiger & Söhne, Silvaner mundart Kabinett trocken, Franken 2018, 13%, beim Winzer für 7€.

Tagebuch Donnerstag, 12. Dezember 2019 – Schlafen, lesen, schreiben, kochen

Nach fast vier verdammten Wochen wieder im Liegen geschlafen und nicht mehr so halb im Sitzen! Und fast durch: Ich wurde um 4 wach, konnte dann bis 6 nicht wieder einschlafen, ignorierte daher den Wecker um 7 und wachte um halb neun erfrischt und munter auf.

Den Tag verbrachte ich daher zwar eine Stunde später als sonst (SCHON ZEHN UHR!), aber so produktiv wie immer im ZI. Ich wühlte mich durch ein paar Kataloge, die ich gesucht hatte, dann wühlte ich einfach im Regal alles aus Berlin zwischen 1935 und 1938 durch, was da war, genauso in München, dann guckte ich noch in ein paar anderen Städten, da war aber leider nicht so viel da, aber ich fand viel von dem, was ich gesucht hatte. Und wie immer darüber hinaus noch Zeug, das sich mindestens gut in einer Fußnote macht.

Dann vibrierte mein Handy und zeigte mir zwei Sendungen an, die per DHL in, nerv, zwei unterschiedlichen Packstationen für mich angekommen sein sollten. Das verstand ich zwar nicht so ganz, machte aber gegen 16 Uhr Feierabend und fuhr mit der Tram zur ersten Station. Dort sagte mir das Display, das hier nichts für mich läge, ätsch, ganz umsonst im Regen rumgelaufen. Ich fluchte die Station ein bisschen an, ging zu Fuß zur nächsten Bushaltestelle und ließ mich zur zweiten Station fahren – die, in der eigentlich immer alles für mich ankommt. Da war dann auch ein Päcken, für das ich mich schon im Blog bedankt habe.

Von meinem Wunschzettel fehlen zwei Bücher, aber ich habe keine Ahnung, wo das zweite Päckchen sein könnte. Ich warte mal einen Tag auf die Erinnerungsmail der DHL und dann nerve ich die Hotline. Falls wider Erwarten etwas an den oder die liebevolle Schenkende/n zurückgeht – an mir liegt es nicht!

Hungrig zuhause ein Salami- und ein Käsebrot verspeist, dazu ein paar meiner in diesem Jahr ganz hervorragend gelungenen Adventsplätzchen. Eigentlich wollte ich danach auf dem Sofa die Serien des Tages nachholen, aber das Honeycomb-Desaster vom Montag nervte mich immer noch, bei dem ich dreimal Müll produziert hatte. Einen vierten Versuch gönnte ich mir noch, denn @Vinoroma hatte mir per DM den Tipp gegeben, nicht gleich bei 149° C das Natron einzurühren, sondern ein paar Grad mehr mitzunehmen.

Gesagt, getan, mit diesem Rezept erfolgreich gewesen, allerdings Honig statt Rübensirup verwendet. Yay!

Abends nach ebenfalls fast vier Wochen endlich mal wieder gemeinsam eingeschlafen! Nochmal yay!

Dann leider doch wieder gehustet, es ist ein Kreuz. Oma Gröner erzählt jetzt nur noch von ihren Zipperlein.

Ein wiedervereinigtes Dankeschön …

… an eine/n Unbekannte/n, der/die mich mit Ilko-Sascha Kowalczuks Die Übernahme: Wie Ostdeutschland Teil der Bundesrepublik wurde überraschte. Auf das Gespräch von Holger Klein mit dem Autoren habe ich schon mehrfach hingewiesen und ich mache das gerne nochmal, denn ich habe selten so viel in so kurzer Zeit gelernt – über ein Ereignis, von dem ich dachte, genug darüber zu wissen, ich war ja schließlich dabei. Jetzt bin ich gespannt darauf, das alles nochmal in Buchform und mit dem gespitzten Bleistift in der Hand nachzulesen und vermutlich das halbe Buch zu unterstreichen. Vielen Dank für das Geschenk, ich habe mich sehr gefreut.

(Der Perlentaucher zum Buch.)

Was schön war, Dienstag, 10. Dezember 2019 – Reich beschenkt

Der morgendliche DM-Dialog zwischen F. und mir:

– Moin.
– MOIN! Off to the Archiv we go!

Und damit war die Tageslaune dann gesetzt.

Ich hatte mir im Staatsarchiv ein paar Bestände ausheben lassen, von denen ich mir gar nicht so viel versprach, die waren eher aus der Ecke „Dann haste da auch mal reingeguckt“. Und wie es dann halt gerne kommt: Ich fand eine Quelle, mit der ich überhaupt nicht mehr gerechnet hatte.

Seitdem ich mich mit dem Thema Autobahnmalerei befasse, habe ich eine Frage an eine bestimmte Ausstellung im Hinterkopf (die ich hier mal ausspare). In der kompletten Literatur zum Thema, und ich behaupte, ich habe inzwischen alles gelesen, was es dazu gibt, wenn das möglich ist, steht stets eine irgendwie grundlegende Antwort, aber ich mit meinem lustigen Spezialinteresse war damit nicht zufrieden. Weil ich aber alles dazu gelesen hatte, war ich der Meinung, dass es dann wohl keine genauere Antwort gibt, denn sonst hätte sie ja schon jemand gefunden.

Und dann blätterte ich gestern so launig vor mich hin, notierte dies, grinste über das, und plötzlich lagen fünf Seiten vor mir, die mir genau die Antwort gaben, die ich seit ungefähr zwei Jahren gesucht hatte. Einfach so. Die lagen da einfach so rum! Ich machte die Beckerfaust, die ich ab sofort Archivfaust nennen werde, schrieb F. eine hektische DM, twitterte natürlich, Chronistinnenpflicht, Sie kennen das, und las und notierte mit roten Bäckchen weiter.

Worum es genau geht, lasse ich hier weg. F. meinte irgendwann mal, ich solle meine schönen Ergebnisse vielleicht nicht ganz so sorglos raushauen. Damit hat der Herr natürlich recht, aber da ich alleine vor mich hinpromoviere, kann ich meine Freude über solche Erkenntnisse nie mit jemandem teilen! Außer mit F., der das alles interessiert begleitet. Sehr wahrscheinlich wird kaum eine meiner Leserinnen sich meine 300 Seiten dicke Dissertation vornehmen, also schreibe ich auf Twitter oder hier über Dinge, die mir so richtig den Tag machen konnten und hoffe, dass ihr euch mitfreuen könnt. Auch wenn ich inzwischen etwas vager bleibe.

(WAS TOTAL DOOF IST, WEIL ICH JETZT SO SPANNENDE SACHEN WEISS, aber na gut.)

Die restlichen Bestände gaben dann nur noch eine Fußnote her, die ich vermutlich im letzten Korrekturgang rausschmeißen werde, aber das war alles wurst, denn ich konnte eine wirklich zentrale Frage für meine persönliche Forschung beantworten und freue mich gerade beim Aufschreiben nochmal.

Aber der Tag war noch nicht rum, nein, nein, wenn ein Archiv gut zu dir ist, dann ist es meist RICHTIG gut zu dir.

Ich erwähnte vor ein paar Tagen, dass ich vom Archiv eine Mail bekommen hatte, mich doch bitte an einen gewissen Herrn zu wenden, der wüsste noch mehr zu den für mich interessanten Beständen. Unter anderem vielleicht was über ein paar Gemälde. Und ich so innerlich, naja, das werden mit sehr großer Wahrscheinlichkeit keine Protzens sein, sondern irgendwelche Autobahnen, aber egal, angucken ist immer super.

Und dann saß ich neben dem Herrn an seinem riesigen Monitor, er rief irgendein Außendepot auf, scrollte und scrollte an lustigen Autobahnmodellen vorbei – und blieb bei einem Bild stehen.

Ich so: „Das ist kein Protzen, oder?“ (Ich sollte dazu sagen, dass ich wegen der nicht ganz vollständigen Fotoalben im Nachlass nicht alle seine Werke vor Augen habe, und vorsichtig ausgedrückt hat der Mann nicht unbedingt in einem Stil produziert, den ich als unverkennbar bezeichnen würde. Eher so das Gegenteil.)

Er so: *scrollt ein Bild weiter, wo die Bildrückseite abfotografiert wurde und ich den mir sehr bekannten Adressstempel des Herrn mit Bildtitel und Werknummer sah* „Doch, scho.“

Ich so: (stundenlang zusammengerissen im Archiv, nur Beckerfäuste gemacht, keine Geräusche, aber jetzt dann:) „WAAAHH! … Entschuldigung.“

Er so: *scrollt zu drei weiteren Protzens, die ich sofort erkenne*

Ich so: „Oh, Kaiserslautern! OH, KÖLN! (Von dem Bild wusste ich nicht, wo es abgeblieben war.) Und … äh … ist das von einer GDK? Ach ja, ich seh den Einreichkleber.“ *notiert hektisch Werknummern*

Dann schnackten wir noch über eventuelle weitere Fundorte und dass da im Depot vielleicht sogar noch mehr von ihm sein könnte und mehr weiß ich nicht mehr, weil ich die ganze Zeit nur dachte: HIER LIEGEN VIER PROTZENS IN MEINER NÄHE!

Trockene DM von F.: „Wirst du die Aura der Originale spüren können?“

Das weiß ich leider noch nicht, ich warte auf eine dementsprechende Mail oder einen Anruf. WAAAHH!

Den Stabi-Aufenthalt nach dem Archiv überspringe ich jetzt mal, obwohl ich da auch noch was Hübsches gefunden habe, weil ich im Kopf nur weiterhin denken konnte: HIER LIEGEN VIER PROTZENS IN MEINER NÄHE! Ich erwähnte bereits, dass eine meiner Schwierigkeiten mit diesem Thema ist, dass Bilder, die eindeutig systemkonforme NS-Kunst sind, logischerweise nirgends öffentlich rumhängen. Ich kann immerhin in die Pinakothek der Moderne gehen, wo seine meiner Meinung nach schickste Autobahn hängt, auch wenn die da natürlich als fieses Beispiel für Nazikram ausgestellt ist, SCHON GUT, aber ansonsten kenne ich die wenigsten Werke von ihm im Original, von den Ölgemälden nämlich nur drei. Deswegen fiepse ich seit gestern hysterisch rum und hoffe, dass ich mal ins Archivdepot darf.

Als Rausschmeißer des guten Tags lag zuhause ein Espressopäckchen einer Leserin, anscheinend persönlich geröstet oder immerhin als persönliche Mischung bestellt. Vielen Dank dafür, ich bin schon sehr gespannt. (Auch danke für den Beipackzettel.)

Mit F. unseren traditionellen heißgeräucherten Dezemberlachs verspeist, mit Kartoffelbrei, weil Kartoffelbrei total unterschätzt wird, und dazu Champagner, denn wenn nicht heute, wann dann.

Nachtrag, zwei Minuten, nachdem ich auf Publish geklickt hatte, Mail aus dem Archiv:

„Sehr geehrte Frau Gröner,

die Autobahndirektion hat sich zurück gemeldet und Sie können die Bilder und die Modelle anschauen.“

WAAAAAAAAAAAAAAHHHHH!

Tagebuch Montag, 9. Dezember 2019 – Museum und Backwerk

Ich schlafe immer noch erhöht, aber immerhin halbwegs durch, das ist nett. Die kleinen Dinge.

Den Vormittag verbrachte ich gespannt im Kunstfoyer der Versicherungskammer Bayern, in dem immer Ausstellungen laufen, die nie Eintritt kosten und meistens ziemlich gut sind. Gefühlt besprechen wir fast jede im Podcast, auch weil das Angebot so niedrigschwellig ist. Wir nehmen diesen Freitag unsere letzte Ausgabe für dieses Jahr auf, und so allmählich müsste ich mal die Ausstellungen anschauen. Daher: gestern die erste. Wie ich es fand, darf ich natürlich noch nicht verraten.

Den Rückweg hätte ich genau wie den Hinweg gestalten können: zweimal die U-Bahn, kürzester Fußweg. Ich glaube, in München gibt es gar keinen langen Fußwege. Hallo, Berlin!

Stattdessen nahm ich aber lieber zweimal die Tram, weil ich ein leicht anderes Ziel hatte, wofür ich sonst noch einmal den Bus hätte nutzen müssen. Ich wollte Natron kaufen, das anscheinend nicht mehr in jedem Supermarkt vorhanden ist, jedenfalls finde ich es eher selten. Beim Karstadt hatte ich es aber schon einmal gesehen, und nach gefühlt fünf halbblinden Minuten vor dem Backwarenregal hatte ich die kleinen Kaiser-Natron-Tütchen dann auch gefunden.

Aber vorher knipste ich aus der Hüfte das Maxmonument an der Tramhaltestelle, weil die Sonne gerade so krachig dahinterstand, ließ mich dann die Maximilianstraße hochshutteln, kurz durch die Einkaufshorden am Marienplatz, stieg am Lenbachplatz um und sah, dass der Wittelsbacher Brunnen schon winterfest eingemottet war. Der Franziskusbrunnen am Josephsplatz war vor ein paar Tagen noch frei, aber vermutlich ist er jetzt auch schon in seiner Holzverkleidung.

Den Nachmittag verbrachte ich dann mal wieder in der Versuchsküche. Bei Masterchef machen die Kandidatinnen quasi dauernd Honeycomb, um gerade bei Desserts noch eine knusprige Komponente auf den Teller zu kriegen. Daher kannte ich natürlich alle Fallstricke und fühlte mich total gewappnet, das Zeug endlich mal selbst zu machen, denn ich hatte ein Rezept bei der NY Times gesehen, das mich sehr angelacht hatte.

Das Erdnussshortbread war einfach und klappte prima, nachdem ich wie immer fluchend Fahrenheit zu Celsius umgerechnet hatte. Bei den Mengenangaben versorgt einen die Website inzwischen schon mit cups und Gramm, aber Temperaturen sind immer noch Selbstverantwortung. (Ich nutze für alles Metric Kitchen.) Gelernt: Mein Billozerhacker kann prima aus Erdnüssen Erdnussmehl machen! Hätte ich gar nicht gedacht; ich war schon bereit, Opas alte Kaffeemühle dafür zu opfern und in 17 Etappen zwei Handvoll Erdnüsse zu zerkleinern.

Der Honeycomb war dann allerdings doof: Ich folgte dem Rezept der NYT bis aufs iTüpfelchen, ließ sogar brav mein Zuckerthermometer auf Fahrenheit eingestellt, aber der goldene Schlotz plusterte sich nicht so schön auf, wie ich es bei Masterchef gesehen hatte. Geistesgegenwärtig widerstand ich dem Versuch, es trotzdem auf das ausgekühlte Shortbread zu kippen, sondern wollte es verklappen. Fragte mich dann aber: Wohin mit diesem sofort aushärtenden Zeug?

Denn meine erste Deppenreaktion war natürlich gewesen: einfach den Wasserhahn aufdrehen und die Schüssel mit dem Honeyklotz drunterzuhalten. Was natürlich zur Folge hatte, dass aus dem arschheißen, aber flüssigen Karamellklon ein einziges Brett wurde. Einen Tag später denke ich: Hättste das mal einfach jetzt in Stücken rausgebrochen, aber gestern im Testmodus ließ ich lieber 100 Liter heißes Wasser in die Schüssel laufen, um das Zeug wieder flüssig zu kriegen. Hat auch funktioniert. Mpf.

Beim zweiten Versuch machte ich alles genauso, achtete aber peinlichst genau darauf, bei exakt 300 Grad F das Natron in die Schüssel zu kippen und nicht bei 302 – mit dem gleichen Ergebnis. Kein Rumgepuffe. War jetzt egal, ab aufs Shortbread. Auskühlen gelassen, Schokolade geschmolzen, aus dem Riesenkeks Stücke gebrochen, mit Schokolade und Salzplättchen verziert und probiert. Schmeckte, aber so richtig umgehauen hat es mich nicht. Beim Zerbröseln lösten sich auch Shortbread und Honeycomb voneinander, was auch mehrere Kommentatorinnen bei der NYT angemerkt hatten.

Frustriert googelte ich wie so ein Newbie „how to make honeycomb“ und landete bei der BBC. Daraufhin wog ich nochmals Zucker und Honig ab, nutzte ein anderes Gefäß zum Schmelzen des Zeugs, stellte das Thermometer auf C und achtete auf die 149 Grad – aber dieses Mal hatte ich das Karamell anscheinend leicht verbrennen lassen. Es sah herrlich aus, aber nach dem Erkalten schmeckte es wie Asche. Und so richtig super aufgepufft war es auch nicht.

Rezept in die Tonne gekloppt, nölig ein paar Käseschnittchen gegessen und nicht mehr vom Sofa runterbewegt. Dabei aber weiterhin über mein Nikolausgeschenk von F. gefreut, der mir einen Nougatengel vom Dichtl aus Augsburg mitgebracht hatte. Den kann ich leider nicht essen, weil er so toll aussieht. Was sind das für nutzlose Süßigkeiten?!?

(Bussi!)